6.1 Die Geschichte vom Perpetuum mobile

Wer sich für das Thema Energie interessiert, wird fast zwangsläufig früher oder später auf diesen Menschheitstraum stoßen: Eine Maschine, die unsere Züge und Autos antreibt, unsere Gefrierschränke kalt und unsere Wohnzimmer warm hält … und das alles, ohne Abgas zu produzieren, den Treibhauseffekt zu verstärken und – für viele ist das vielleicht das Wichtigste – ohne, dass wir am Ende des Monats die Rechnung dafür präsentiert bekommen.

Das Perpetuum mobile (lateinisch: etwas sich ständig Bewegendes, im Plural Perpetuum mobiles oder auch Perpetua mobilia) übernimmt die Rolle des Energiespenders ohne Aufwand: Ewige Bewegung ohne ewigen Aufwand, Wirkung ohne Ursache und die Widerlegung des alten Spruchs, dass man im Leben nichts geschenkt bekommt.

Seine geistigen Ursprünge hat das Perpetuum mobile wahrscheinlich schon in der Erfindung des Flaschenzugs, als man vor einigen Tausend Jahren plötzlich merkte, dass Menschen mithilfe von Maschinen Dinge heben konnten, die sie ohne eine solche Maschine nicht hoch bekommen hätten. Und je vollkommener die Maschine war, umso mehr schonte sie die Kräfte der Menschen. Von da war es natürlich nicht mehr weit bis zum Idealbild einer Maschine, die gar nichts von uns verlangt, keine Kraft für ihren Betrieb fordert und immer weiter aus sich selbst heraus Arbeit verrichtet. In diesem Ideal liegt etwas von der Wunschvorstellung paradiesischer Zustände, wo man erntet, ohne zu säen, und der Mensch nicht mehr im Schweiße seines Angesichts sein Brot essen muss.

Schon seit über tausend Jahren gibt es auch schon recht konkrete Vorschläge. Im 8. Jahrhundert beschreibt ein indischer Astronom erstmals ein Rad, das als „Energie produzierende Maschine“, also als Perpetuum mobile fungieren soll und auch in den kommenden Jahrhunderten kommen aus Indien und dem Orient weitere Vorschläge.

Die älteste mir bekannte Konstruktionszeichnung einer solchen selbst‐arbeitenden Maschine wurde im 13. Jahrhundert auf dem Gebiet des heutigen Frankreichs angefertigt (Abb. 6.1).

Abb. 6.1
figure 1

Entwurf eines Perpetuum mobile aus dem 13. Jahrhundert. (Aus [1])

Seit dieser Zeit gibt es eine Menge Realisierungsvorschläge: Manche sind ernster gemeint, wie das in Abb. 6.2 gezeigte Rad, das sich ewig drehen und dabei Arbeit verrichten soll – übrigens letztendlich eine moderne Version des alten Vorschlags aus dem 13. Jahrhundert, den Sie in der vorhergehenden Abbildung gesehen haben.

Abb. 6.2
figure 2

Zeitgenössischer Entwurf eines Perpetuum mobile

Dieses Rad soll sich für ewige Zeit im Uhrzeigersinn drehen, da der Hebelarm der ausgeklappten Ärmchen auf der rechten, sich abwärts bewegenden Seite größer ist als der Hebelarm der eingeklappten Ärmchen auf der linken, sich aufwärts bewegenden Seite. Und sie wissen ja: „Wer am längeren Hebel sitzt, setzt sich meistens durch.“

Andere Vorschläge sind wohl eher nicht so ernst gemeint, aber trotzdem nicht weniger populär – wie das Perpetuum mobile zu dem Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer die Lokomotive Emma in dem berühmten Kinderbuch von Michael Ende umbauen. Abb. 6.3 zeigt, wie die Lokomotive einen starken Magneten an einer Stange vor sich her bewegt, der wiederum die Lok anzieht und so für ihr Fortkommen sorgt. Ganz ohne Kohle, die verheizt werden muss.

Abb. 6.3
figure 3

Diese Lokomotive zieht sich mit einem Magneten selbst. Ganz ohne Kohle oder Strom

Tja, solch eine sich selbst ziehende Lokomotive bzw. so ein Perpetuum mobile ganz allgemein wäre doch ein echter Segen für die ganze Menschheit!

Für die ganze Menschheit? Nun ja, natürlich nicht für die großen Energieversorger oder Raffinerien und deren Aktionäre. Oder für Staaten mit großen Öl‐ und Gasvorkommen, insbesondere für die, deren Reputation oft etwas zweifelhaft ist und die sich nur durch den Verkauf dieser Rohstoffe politisch und finanziell über Wasser halten können. Für all diese etablierten Mitspieler im Energiemarkt wäre die Erfindung des Perpetuum mobiles ein Graus, der wahrscheinlich direkt zum ihrem Bankrott führen würde.

6.2 Verschwörung allüberall

Diese heterogene Interessenlage in Bezug auf das Perpetuum mobile ist wohl auch der Grund für eine Menge Verschwörungstheorien , die insbesondere im Internet kursieren. Da wird von Erfindern berichtet, die teilweise schon vor 100 Jahren funktionsfähige Perpetuum mobiles erfunden und diese auch vorgeführt haben. Blöderweise wurden diese Erfinder dann aber immer daran gehindert, die Früchte Ihrer Forschung zu genießen, indem sie – im besseren Fall – wissenschaftlich diskreditiert wurden oder im schlechteren Fall gleich ganz von der Bildfläche verschwanden.

Auch wie diese Maschinen funktionieren, erfährt man selbst durch geduldiges Klicken im Internet nicht wirklich, dafür erhält man jede Menge höchst unverständliche Beschreibungen, in denen es von vermeintlichen Fachwörtern nur so wimmelt: Von Potenzialwirbelwolken ist die Rede, von Ätherwellen, von Raum‐Energie, Orgon‐Kräften, morphogenetischen Feldern, Würth‐Schwungsystemen und allerlei mehr.

Machen Sie sich doch einfach mal die Freude und geben Sie in die Suchmaschine ihrer Wahl die oben genannten Stichwörter zusammen mit „Perpetuum mobile“, „Verschwörung“ oder „Ölmafia“ ein. Und nehmen sie sich am besten einen Tag dafür frei. Sie werden aus dem Staunen nicht herauskommen.

Die Verschwörungstheoretiker gehen dabei davon aus, dass es eine weltweite Zusammenarbeit von Kapital und Geheimdiensten gibt. Ok – bis dahin klingt das in den heutigen Zeiten ja noch recht glaubwürdig. Aber diese Gruppierung soll es angeblich erfolgreich schaffen, das Wissen über alle tatsächlich funktionsfähigen Perpetuum mobiles zurückzuhalten.

Das hingegen ist in meinen Augen unglaubwürdig. Schon Friedrich Dürrenmatt lässt in seinem Theaterstück „Die Physiker“ die Figur des Möbius sagen: „Was einmal gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden.“ Dieser Meinung schließe ich mich an. Man kann neuerworbenes Wissen sicherlich für eine Weile zurückhalten. Aber niemand könnte es schaffen, eine so umwälzende Erfindung wie ein Perpetuum mobile immer wieder zu unterdrücken, wenn sie an verschiedenen Stellen der Erde im Laufe von 100 Jahren immer mal wieder erfolgreich gebaut worden wäre.

Obwohl es also allem Anschein nach bisher noch nie ein erfolgreiches Perpetuum mobile gegeben hat, lassen sich neue „Erfinder“ davon nicht entmutigen und es treten regelmäßig Menschen auf die Weltbühne der Physik und präsentieren neue Perpetuum‐mobile‐Konstruktionen. Und es ist ein echter Kampf gegen ideologische Windmühlen, diese Mal für Mal zu wiederlegen.

Kleine Anmerkung an dieser Stelle: Das Deutsche Patent‐ und Markenamt weist Patentanmeldungen, die ein Perpetuum mobile zum Gegenstand haben, unter Verweis auf die mangelnde Ausführbarkeit der Erfindung nach § 1 des Patent‐Gesetzes direkt und ohne weitere Prüfung zurück. Wobei sich auch das Patentamt ein kleines Hintertürchen offenlässt: Der potenzielle Erfinder kann einen Schutz seiner Erfindung sehr wohl erreichen, wenn er dem Deutschen Patent‐ und Markenamt einen funktionstüchtigen Prototypen präsentiert und nicht nur Konstruktionszeichnungen und Berechnungen.

6.3 Wie man ein Perpetuum mobile widerlegt

Das hat bisher aber niemand geschafft. Nach Ansicht der Verschwörungstheoretiker natürlich nur deshalb, weil alle Erfinder auf dem Weg zum Patentamt vergiftet und ihre Erfindungen verbrannt wurden.

Damit aber niemand sagt, ich wollte mir keine Mühe gegeben, will ich Ihnen zumindest bei den zwei bereits vorgestellten Perpetuum mobiles zeigen, wo der Denk‐ bzw. Konstruktionsfehler liegt: Warum also sollte die Lokomotive mit dem Magneten nicht funktionieren, obwohl das in Abb. 6.4 dargestellte Prinzip doch vom Esel mit der Möhre hinlänglich bekannt ist?

Abb. 6.4
figure 4

Das funktioniert wirklich: Der Esel läuft der Möhre immer und immer weiter hinterher

Nun, der Punkt ist, dass die Beziehung zwischen Möhre und Esel von einer starken Einseitigkeit geprägt ist: Der Esel fühlt sich intensiv zur Möhre hingezogen; die Möhre erwidert diese Liebe aber (aus verständlichen Gründen) nicht. Und daher läuft der dumme Esel der Möhre immer weiter hinterher, die sich so gar nicht von ihm angezogen fühlt.

Ganz anders sieht es bei der Lokomotive und dem Magneten aus: Natürlich wird die Lok vom Magneten angezogen und diese Kraft könnte die Lokomotive durchaus in Richtung Magnet in Bewegung versetzen. Aber – und hier kommt der Haken an der Sache – der Magnet wird mit einer genauso großen Kraft zur Lokomotive hingezogen. (Hinweis für Besserwisser: Das ist das dritte Newton’sche Axiom: actio = reactio oder auf Deutsch Kraft = Gegenkraft).

Und da die Lokomotive und der Magnet über eine Stange miteinander verbunden sind, heben sich diese beiden gleich großen, aber genau entgegengerichteten Kräfte sich auf und Lokomotive wie Magnet verharren im Stillstand. Das Ganze funktioniert also ebenso wenig, wie der Baron von Münchhausen sich eben nicht an seinen eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen vermochte.

Bei dem Rad mit den einklappbaren Ärmchen aus Abb. 6.2 muss man etwas genauer hinsehen. In der Tat ist das Drehmoment, mit dem ein langer, ausgeklappter Hebel auf der rechten Seite das Rad im Uhrzeigersinn drehen möchte, größer als das entgegengesetzte Drehmoment eines der eingeklappten Hebel auf der linken Seite. Aber da die abgeklappten Ärmchen immer nach links geklappt sind, befinden sich auf der linken Seite im Schnitt mehr Hebel als auf der rechten Seite. Deutlich kann man das in Abb. 6.5 an dem Ärmchen erkennen, das senkrecht nach oben zeigt. Eigentlich sollte es das Rad weder im noch entgegen dem Uhrzeigersinn drehen. Tatsächlich ist seine obere Hälfte aber nach links abgeklappt, also befindet sich diese Hälfte auf der linken Seite des Rades und versucht somit, das Rad entgegen dem Uhrzeigersinn zu drehen.

Abb. 6.5
figure 5

Rad mit eingezeichneten Drehmomenten. Also doch kein Perpetuum mobile

Man kann also vereinfacht sagen: Viele kleine Hebel links, wenige große Hebel rechts. Und in der Summe heben sich alle auf und auch das Rad verbleibt – ebenso wie Lukas’ Lokomotive – in Ruhe.

So wie ich es in den vorangegangenen Abschnitten für diese zwei Konstruktionen gezeigt habe, kann man sich natürlich an jedem einzelnen jemals präsentierten angeblichen Perpetuum mobile abarbeiten. Das wäre dann aber eine Lebensaufgabe. Und dazu noch eine unsinnige, da das Ergebnis schon bekannt ist, wie wir gleich sehen werden.

Wie müsste ein Perpetuum mobile geprüft werden?

Ein Perpetuum mobile ist, wie bereits gesagt, ein Gerät, das langfristig mehr Energie abgibt, als es aufnimmt. Ein wichtiges Stichwort ist dabei „langfristig“. Kurzfristig können Maschinen natürlich mehr Energie abgeben, als sie aufnehmen, da in der Maschine ja ein Energiespeicher eingebaut sein kann: eine Batterie, eine gespannte Feder, ein Gewicht, das sich langsam absenkt … Es ist also relevant, dass ein Erfinder seine Maschine über einen Zeitraum am besten von mehreren Monaten vorführt.

Weiterhin ist wichtig, dass die Maschine in einer von den Prüfern ausgewählten Umgebung läuft. Also am besten nicht im Labor des Erfinders. So kann ausgeschlossen werden, dass es geheime Leitungen gibt, durch die der Maschine unbemerkt Energie zugeführt wird.

Dass selbst das nicht immer vor Betrügern schützt, zeigt folgende Geschichte:

Im 18. Jahrhundert „erfand“ Johann Ernst Elias Bessler (1680–1745) z. B. ein Perpetuum mobile, das er erst der Öffentlichkeit vorstellte und dann, nachdem er von sich reden gemacht hatte, dem Landgraf Carl von Hessen‐Kassel in dessen eigenem Schloss vorführte. Dazu baute er in einem Zimmer seine große Maschine auf und setzte sie in Gang. Danach wurde das Zimmer versiegelt und erst nach 40 Tagen wieder geöffnet. Und siehe da: Die Maschine lief noch immer und Herr Bessler war ein gemachter Mann. Angeblich hatte sogar Zar Peter der Große Interesse, diese Maschine zu kaufen.

Diese Geschichte endete allerdings nicht mit der Lösung aller Energieprobleme, sondern mit dem Geständnis einer Magd, die für zwei Groschen pro Stunde im Wechsel mit Besslers Frau die Maschine durch einen versteckten Mechanismus aus dem Nachbarzimmer in Bewegung gehalten hatten.

Merke: Wenn Du betrügen willst, dann bezahl wenigstens Deine Komplizen gut genug, dass sie nicht plaudern.

Am besten – nicht aus Sicht des Betrügers, sondern aus Sicht der Wissenschaft – ist es also, dass die Maschine wiederholt, an verschiedenen Orten und vor unabhängigen Zeugen vorgeführt wird, deren Reputation unzweifelhaft ist. Außerdem muss fachkundigen Zeugen ein Einblick in die Maschine gegeben werden und die Erlaubnis erteilt werden, sie vollständig zu zerlegen.

Und zu guter Letzt ist es immer ein verdächtiges Zeichen, wenn man eine riesige, schwere Maschine braucht, die dann nur eine winzige Leistung liefert. Das ist zwar kein Ausschlusskriterium für ein Perpetuum mobile. Aber allemal ein Warnsignal, dass es sich wahrscheinlich nicht um eines handelt.

Es geht aber auch deutlich einfacher, als mit den Gesetzen der Mechanik jede einzelne Konstruktion zu widerlegen. Wir können uns einer allgemeinen Aussage bedienen, die alle Perpetuum mobiles, die aus sich selbst heraus Arbeit verrichten, grundsätzlich und prinzipiell widerlegt: Nämlich des Satzes von der Energieerhaltung, wie er erstmals von dem deutsche Arzt Julius Robert Mayer Mitte des 19. Jahrhunderts formuliert (und in den Kap. 3 und 4 dieses Buches bereits oft erwähnt) wurde. Mayer stellte fest, dass Energie in einem vollständig geschlossenen System nicht mehr und nicht weniger werden, sondern nur in andere Energieformen umgewandelt werden kann. Die Gesamtenergie bleibt also erhalten. Daher der Begriff „Erhaltungsgröße“ .

Der Beweis, dass Energie eine Erhaltungsgröße ist, basiert letztendlich zwar nur auf Beobachtungen der Vergangenheit; es handelt sich also um einen Erfahrungssatz und damit in gewisser Weise nur um eine Vermutung, dass dies ein allgemein und für immer gültiges Gesetz ist. Diese Annahme ist aber mehr als glaubhaft, da sie in sehr, sehr langer Zeit noch nie wiederlegt wurde.

Und außerdem ist das nun mal so mit physikalischen Gesetzen: Alle Naturwissenschaften beschäftigen sich damit, Modelle zu bilden, die unsere Welt beschreiben und ihr Verhalten erklären. Wir beobachten also die Welt, und wenn wir einen bestimmten Vorgang oft genug beobachtet haben und glauben, eine Gesetzmäßigkeit gefunden zu haben, dann prüfen wir, ob diese Gesetzmäßigkeit alle Beobachtungen der Vergangenheit erklärt. Und sofern sie das tut, haben wir ein gültiges Gesetz, das so lange gilt, bis es jemand doch widerlegt.

Solange also niemand tatsächlich ein Perpetuum mobile baut, das langfristig mehr Energie abgibt, als es aufnimmt und somit vorführt, wie Energie aus dem Nichts entsteht, gehe ich davon aus, dass der Energieerhaltungssatz gilt und muss mir deshalb die Konstruktionszeichnungen solcher „energieproduzierenden“ Maschinen gar nicht im Detail ansehen.

6.4 Historische Fehlschläge

Prima. Ich muss mir all die vielen Konstruktionen gar nicht mehr genau ansehen. Kann ich aber. Mitunter macht es auch Spaß, sich die – vergeblichen – Erfindungen der letzten paar Jahrhunderte anzusehen, und ich möchte Ihnen daher gerne noch ein paar besonders geistreich ersonnene Perpetuum mobiles zeigen, die natürlich alle nicht funktioniert haben.

In Abb. 6.6 sehen Sie Skizzen von Leonardo da Vinci (1452–1519), die alle auf dem Radprinzip aus Abb. 6.1 bzw. Abb. 6.2 basieren. Mal im Wasser und mal in der Luft. Mal mit einklappbaren Ärmchen und mal mit sich nach innen und außen bewegenden Kugeln (oben links). Aber immer mit der Grundidee, die Gravitationskraft mal am langen und mal am kurzen Hebel angreifen zu lassen.

Abb. 6.6
figure 6

Entwürfe von Leonardo da Vinci aus dem 15. Jahrhundert. (Aus [1])

Die gleiche Idee finden wir auch in Abb. 6.7, die eine weitere Variation des Radprinzips zeigt. Diesmal aus dem 17. Jahrhundert und von Alessandro Capra, einem Architekten aus dem italienischen Cremona.

Abb. 6.7
figure 7

Entwurf des italienischen Architekten Alessandro Capra (1683). (Aus [1])

Der rote Faden bzw. die durchgehende Fehleinschätzung der Erfinder dieser Modelle ist, dass eine permanente Kraft mit einer permanenten Energiequelle verwechselt wird. Egal ob Gravitationskraft oder auch Magnetkraft: Die Kräfte mögen zwar ewig wirken; aber sie können nicht ewig Energie spenden und Arbeit verrichten. Wenn Sie beispielsweise ein Buch in Ihr Regal stellen und es dann lange dort stehen lassen, wirkt die ganze Zeit eine Kraft vom Buch auf das Regalbrett. Und – und natürlich auch umgekehrt vom Regal auf das Buch. Aber es wird dabei keinerlei Arbeit verrichtet.

Nachdem ich die magnetische Kraft nun schon erwähnt habe, möchte ich Ihnen jetzt in Abb. 6.8 auch noch den Entwurf eines magnetischen Perpetuum mobile aus dem 16. Jahrhundert zeigen, den Johannes Taisnerius, ein katholischer Geistlicher in Köln publizierte.

Abb. 6.8
figure 8

Magnetisches Perpetuum mobile aus dem 16. Jahrhundert. (Aus [1])

Dabei ist nicht nur die Zeichnung liebevoll dekoriert. Nein, es gibt auch eine hübsch zu lesende Bauanleitung, aus der ich zitieren möchte:

Man nehme einen Behälter aus Eisen nach der Art von konkaven Gläsern, von außen mit allerlei künstlichen Gravierungen geschmückt, nicht allein wegen der Zierde, sondern auch wegen der Leichtigkeit, denn je leichter er ist, desto besser kann er in Bewegung gesetzt werden. Aber er darf dabei nicht so durchbrochen sein, daß man das darin eingeschlossene Geheimnis leicht sehen kann. An der Innenseite des Behälters müssen mehrere kleine gleich schwere Leistchen aus Eisen befestigt werden, von der Dicke einer Bohne oder Erbse. Das im Behälter benutzte Rad muß in allen Teilen gleich schwer sein. Die Vorrichtung, auf der das Rad sich drehen kann, wird so in die Mitte gesetzt, daß sie völlig unbeweglich bleibt. Daran wird ein silberner Stift angebracht und auf den höchsten Punkt ein Magnetstein gesetzt. Wenn der Stein so vorbereitet ist, muß er zuerst in eine runde Form gebracht werden: darauf müssen die Pole bestimmt werden. Später, während die Pole unberührt bleiben, müssen zwei einander gegenüberliegende Seiten in der Mitte zwischen den Polen, nach der Form eines Eies ausgefeilt werden, und auch müssen jene zwei Seiten zusammengedrückt werden, damit der untere Teil die niedrigste Stelle einnehme, und so wird er mit den Wänden des Gehäuses in Berührung kommen nach der Art eines Rades. Ist das ausgeführt, so schiebt man den Stein auf den Stift derart, daß der Nordpol gegen die Leistchen ein wenig geneigt ist, damit die Kraft nicht unmittelbar, sondern unter einer gewissen Schräge auf die eisernen Leistchen wirke. Daher wird jedes Leistchen zum Nordpol kommen und wenn es dann aus dem Antrieb des Rades den Nordpol überschritten haben wird, wird es zum Südpol kommen, der es dann in die Flucht treiben wird; und dann wird es wieder vom Nordpol angezogen, so daß es im Gang bleibt. Damit das Rad schneller seine Arbeit verrichte, schließe man im Behälter ein kleines rundes erzenes oder silbernes Steinchen ein, von solcher Größe, daß es bequem zwischen zwei Leistchen aufgenommen werden kann. Wenn das Rad in die Höhe geht, wird das Steinchen auf die Gegenseite fallen; und da die Bewegung des Rades nach dem tiefsten Teil perpetuierlich ist, so wird auch das Fallen des Steinchens zwischen je zwei Leistchen perpetuierlich sein, da es ja durch sein Gewicht nach dem Mittelpunkt der Erde und dem tiefsten Orte strebt …

Es ist mir unklar, wie sich jemand die Mühe machen kann, einen zwar unverständlichen, aber dennoch so langen und ausgeschmückten Text über etwas zu schreiben, was er wahrscheinlich nie selbst gebaut und ganz sicher nicht in Funktion erlebt hat.

Aber ein solcher Hang, auch nicht funktionierende Dinge blumig darzustellen, ist nur eines unter vielen möglichen Problemen der Erfinder.

Ein anderes ist, dass sie mitunter schon beim Entwerfen ihres Perpetuum mobile das wesentliche Problem ihrer Konstruktion erkannten; dann aber eine – bestenfalls auf den ersten Blick plausible, tatsächlich aber unbrauchbare – Lösung dafür fanden und sich trotz des eigentlich vorhandenen Problembewusstseins nicht von der weiteren Arbeit abhalten ließen.

Ein Beispiel dafür ist das in Abb. 6.9 abgebildete hydraulische Perpetuum mobile in der Variante von einem Bischof namens Wilkins. Eine Art Schraube soll das Wasser von unten rechts nach oben links befördern, von wo es dann über Wasserräder nach unten fließt, die ihrerseits die Schraube antreiben.

Abb. 6.9
figure 9

Hydraulisches Perpetuum mobile. (Aus [1])

Zurecht ist Wilkins zunächst skeptisch und erklärt, „man brauche dreimal so viel Wasser, um die Schraube zu drehen, als dass von ihr hinaufgeschraubt werde“. „Dreimal“ ist dabei natürlich eine an den Haaren herbeigezogen Zahl. Aber in der Tat hat er damit eigentlich schon erkannt, dass seine Konstruktion nie wird laufen können, da aufgrund von Reibung die nach oben fördernde Schraube stets weniger Wasser fördern wird, als für den Antrieb der Schraube herunterlaufen muss. Anstatt das aber zum Anlass zu nehmen, die weiteren Arbeiten an diesem Perpetuum mobile einzustellen, beschließt er als Ausgleich, das Wasser einfach dreimal wirken zu lassen, d. h. es über drei Wasserräder (an den Stellen H, I und K in der Abbildung) laufen zu lassen.

Der Fehler dieses Vorgehens besteht in der falschen Vorstellung, dass man die Triebkraft des Wassers verdreifacht, wenn man dieselbe Wassermenge dreimal arbeiten lässt. Die Arbeitsfähigkeit ist jedoch proportional zur Fallhöhe: doppelte Fallhöhe bedeutet doppelte Arbeitsfähigkeit. Aber eben auch: Gleiche Fallhöhe führt stets zur gleichen Arbeitsfähigkeit und gedrittelte Fallhöhe leistet nur ein Drittel der Arbeit und drei Drittel sind wieder ein Ganzes. Es ist also egal, ob das Wasser einen Weg auf einmal oder dreimal zu je einem Drittel durchläuft.

Entwürfe solcher hydraulischen Perpetuum mobiles hat es viele gegeben. Stets mit der gleichen Grundidee, dass man Wasser nach oben fördert und das herunterlaufende Wasser nutzt, um erstens den Fördermechanismus am Laufen zu halten und zweitens auch noch eine sinnvolle Arbeit zu verrichten. Aber so liebevoll und detailreich diese Entwürfe auch mitunter waren – natürlich blieb es immer dabei. Bei Entwürfen.

Aber dann, 1870, gelingt es plötzlich doch! Horace Wickham aus Chicago schafft das, was vor ihm niemandem gelungen ist und was all die anderen Erfinder so gerne geschafft hätten. Ja, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gelingt es ihm … Nein! – kein Perpetuum mobile zu bauen. Dann gäbe es heute keine dreckigen Kraftwerke und Sie bekämen keine Stromrechnung. Nein, aber es gelingt ihm immerhin, ein Patent auf sein Perpetuum mobile zu erhalten.

Ich habe anhand seiner Zeichnung (Abb. 6.10) nicht verstehen können, wie diese Wundermaschine funktioniert haben soll. Aber damals müssen sich die amerikanischen Zeitungen überschlagen haben mit Berichten über die Apparatur: Angeblich soll sie zwei Monate am Stück gelaufen sein.

Abb. 6.10
figure 10

Für diese Konstruktion gab es 1870 ein Patent in den USA. (Aus [1])

Schon das wage ich zu bezweifeln. Aber selbst wenn: Ein Perpetuum mobile muss ewig laufen. Und ganz offensichtlich hat die beschriebene Maschine dabei kein bisschen Arbeit geleistet; sonst stünde heute davon sicherlich in jedem Haus eine.

6.5 Waren die früher alle so dumm?

Nachdem wir so viele Fehlschläge betrachtet haben, möchte ich davor warnen, dass wir uns schenkelklopfend zurücklehnen und darüber lachen, was für Deppen die Menschen doch früher waren, welche die Unmöglichkeit Ihres Handelns einfach nicht erkennen wollten.

Erstens gibt es auch heute noch viele Suchende, die glauben, dass sie kurz davor sind, das Perpetuum mobile zu bauen. Und wo wären die Menschen hingekommen, wenn nicht immer auch einige an Dingen geforscht hätten, die die Mehrheit für unsinnig erachtete?

Und zum anderen möchte ich gerne klarstellen, dass es selbstverständlich auch in den vergangenen Jahrhunderten stets Menschen gegeben hat, die sich bewusst waren, dass es niemals ein Perpetuum mobile würde geben können.

Schon Leonardo da Vinci, der sich in jungen Jahren ja selber noch an diesem Thema abgearbeitet hatte, klagte resigniert im Alter: „O Erforscher der ewigen Bewegung, wie viele vergängliche Pläne habt ihr bei euren Suchen geschaffen?“ Da hört man schon durchklingen, dass er nicht mehr an einen Erfolg des Projekts „Nie‐wieder‐Energierechnung“ glaubte.

Wir finden eine sehr schöne und verständliche Erklärung für die Unmöglichkeit des Perpetuum mobile vom Standpunkt der vorenergetischen Physik aus, also zu einem Zeitpunkt, als es den Energiebegriff so noch gar nicht gab, in einer offiziellen Erklärung der französischen Akademie der Wissenschaften. Diese beschloss nämlich 1775 mit der folgenden Begründung, keine Perpetuum mobiles mehr zur Prüfung anzunehmen:

Die Konstruktion eines Perpetuum mobile ist absolut unmöglich. Wenn auch auf die Dauer die Reibung […] die bewegende Kraft nicht zerstören würde, so könnte diese Kraft nur einen Effekt produzieren, der der Ursache gleichkäme.

Wollte man aber, dass der Effekt einer endlichen Kraft immer währte, so müsste der Effekt in einem endlichen Zeitraum unendlich klein sein. Könnte man von der Reibung […] absehen, so würde ein Körper, dem man eine Bewegung erteilt hat, diese ewig beibehalten, aber auf die anderen Körper keine Wirkung ausüben, und so wäre das Perpetuum mobile, das man in diesem hypothetischen Fall erhalten hätte […] absolut nutzlos im Sinne der Erfinder.

Schon vor fast 250 Jahren erkannten die Mitglieder der französischen Akademie der Wissenschaften also, dass das theoretische Optimum z. B. ein Rad wäre, das sich, nachdem es einmal in Bewegung versetz wurde, zwar ewig dreht, dabei aber keine Art von Arbeit verrichten kann. Somit wäre es im Sinne seiner ursprünglichen Zielsetzung, dem Menschen Arbeit abzunehmen, in der Tat sinnlos.

6.6 Unheimliche Maschinen der dritten Art

Eine solche, theoretisch erlaubte, Maschine, die ewig läuft, ohne Arbeit zu verrichten, wird oft als „Perpetuum mobile der 3. Art “ bezeichnet. Es scheint so zu sein, dass es solche ewig laufenden Systeme im mikroskopischen Bereich in Form von elektrischen Kreisströmen in Supraleitern auch wirklich gibt. Supraleiter haben nämlich bei sehr tiefen Temperaturen keinen elektrischen Widerstand. Also nicht einen sehr niedrigen, sondern gar keinen. Ein einmal in Gang gesetzter elektrischer Strom, der innerhalb eines konstanten Magnetfeldes im Kreis fließt, könnte daher – ohne jeglichen Nutzen – auf unbegrenzte Zeit weiterfließen.

Aus Sicht des Menschen mit seinem begrenzten zeitlichen Horizont kann man auch die Bewegung der Planeten um die Sonne als Perpetuum mobile der 3. Art begreifen, das in menschlichen Zeitmaßstäben ja auch ewig läuft, ohne dabei nützliche Arbeit zu leisten.

Beim Lesen der vorhergehenden Absätze hat sich Ihnen unter Umständen die Frage aufgedrängt, warum ich denn plötzlich von einem Perpetuum mobile der „dritten“ Art spreche. Bisher haben wir doch nur eine einzige Art Perpetuum mobile kennengelernt: Eine Maschine, die aus sich selbst heraus Energie produziert, damit Arbeit verrichtet und auf diese Weise den Energieerhaltungssatz verletzt.

Aber – Sie haben es vielleicht schon vermutet – daneben gibt es noch eine andere Variante des Perpetuum mobiles, mit der ich Sie nun bekannt machen möchte: Das Perpetuum mobile der 2. Art .

Stellen Sie sich z. B. ein Schiff vor, das dem See, in dem es schwimmt, Wärme entzieht und diese Wärmeenergie für den Antrieb nutzt (siehe Abb. 6.11). Der See wird dadurch kühler, ihm wird also Energie entzogen, die dann im Schiffsmotor genutzt wird, um die Schiffsschraube zu drehen und das Schiff damit vorwärts zu bewegen.

Abb. 6.11
figure 11

Das Schiff nimmt Wärme aus dem See auf und treibt damit seinen Motor an. Die Energieerhaltung wird dabei nicht infrage gestellt. Trotzdem funktionieren auch solche Perpetuum mobiles der 2. Art nicht

Kann so etwas theoretisch funktionieren? Man kann doch Wärme nutzen, um damit Arbeit zu verrichten. Oder nicht? Die Energieerhaltung wird hier auf alle Fälle nicht verletzt. Was aber dann?

An dieser Stelle ist es wichtig, dass Sie sich an Kap. 3 und 4 dieses Buches erinnern oder ansonsten kurz zurückblättern. Dort habe ich Ihnen den Unterschied zwischen Exergie und Anergie erklärt, also zwischen nutzbarer Energie, die Arbeit zu leisten vermag, und eher nutzloser Energie, die keine Arbeit verrichten kann. Außerdem habe ich Ihnen die Entropie vorgestellt, die uns hilft, den Anteil an Exergie bzw. Anergie eines Wärmestroms mit konkreten Zahlen zu bestimmen.

Und Wärme aus der Umgebung ist leider reine Anergie. Also Energie, mit der man keine Arbeit zu verrichten und somit auch keine Schiffsschraube anzutreiben vermag. Man bräuchte daher eine Wundermaschine auf dem Schiff, die Anergie in Exergie verwandelt. Das ist aber offensichtlicher Unsinn, da nutzlose Energie nicht nutzlos wäre, wenn man sie nutzen (bzw. in nutzbare Energie umwandeln) könnte. Außerdem würde – formal betrachtet – eine solche Maschine den 2. Hauptsatz der Thermodynamik verletzen, da sie Entropie vernichtet würde.

Und genau das ist für alle Prozesse die Grenze des Möglichen: Es darf keine Entropie vernichtet werden! Je weniger Entropie produziert wird, umso besser ist der Prozess. Ein Prozess ganz ohne Entropieproduktion ist das Optimum. Und ein Prozess, der noch besser ist als das Optimum, bei dem also Entropie vernichtet wird, ist unmöglich. Dafür muss man kein Physiker sein. Jeder Deutschlehrer weiß, dass es „besser als optimal“ also „optimaler“ nicht gibt.

Wer sich mit dem Begriff der Entropie nicht so recht anfreunden mag, kann sich auch folgendes merken:

Nur der Ausgleich von Unterschieden erlaubt es, Arbeit zu verrichten und dabei im besten Fall einen gleichwertigen Unterschied wieder herzustellen.

Wir hatten vorhin schon über ein Buch in Ihrem Bücherregel gesprochen, das dort hundert Jahre stehen und auf das Regalbrett Kraft ausüben kann, ohne Arbeit zu verrichten. Erst wenn Ihre Enzyklopädie vom Regal fällt, wenn also der Unterschied zwischen dem hoch stehenden Buch und dem niederen Boden ausgeglichen wird, vermag er Arbeit zu verrichten. Aber eben nur so viel, dass mit einer dafür geeigneten Konstruktion eine andere, genauso schwere Enzyklopädie aufs gleiche Regalbrett gehoben wird.

In der Realität würde es aufgrund von Reibung aber wohl eher nur für ein Taschenbüchlein reichen.

Perpetuum mobiles – ein Überblick

Ich denke, an dieser Stelle ist es Zeit für eine kleine Zusammenfassung:

  • Das Perpetuum mobile der 1. Art erschafft Energie aus dem Nichts und verstößt damit gegen den 1. Hauptsatz der Thermodynamik, also gegen den Energieerhaltungssatz.

  • Das auf den ersten Blick etwas schwieriger zu durchschauende Perpetuum mobile der 2. Art nutzt Wärme aus der Umgebung, um damit Arbeit zu verrichten. Es verletzt dabei den 2. Hauptsatz der Thermodynamik, da es Entropie vernichtet. Oder – und das ist sicherlich etwas griffiger: Das Perpetuum mobile der 2. Art erschafft zwar keine Energie aus dem Nichts, aber dafür – und das ist ebenso unmöglich – Arbeitsfähigkeit. Es wandelt also Anergie in Exergie um.

  • Das Perpetuum mobile der 3. Art ist zwar nicht unmöglich, aber sinnlos: Es läuft ewig vor sich hin, verrichtet dabei aber keinerlei Arbeit.

Also Enttäuschung auf der ganzen Linie. Alles ist entweder verboten oder es macht keinen Spaß. Konkreter: Zwei Sorten des Perpetuum mobile verstoßen gegen fundamentale Grundsätze der Thermodynamik und das einzig erlaubte verrichtet niemals Arbeit.

6.7 Scheinbare Perpetuum Mobiles

Bevor wir nun ganz im Leid darüber versinken, dass wir Menschen uns wohl doch weiterhin werden mühen und unsere Arbeit selber verrichten müssen, klammern wir uns doch lieber noch an eine letzte Hoffnung: Wir wenden uns einfach von der Theorie ab! Wir schauen uns lieber die Beispiele funktionierender Perpetuum mobiles an, die man in gut sortieren Museen und natürlich im Internet finden kann. Was soll das ganze Gerede, dass nicht sein kann, was nicht sein darf!

Was ist z. B. mit diesen Stirling‐Motoren , die man einfach auf seine Hand stellt und die dann fröhlich immer weiter laufen? Ganz ohne Benzin. Die funktionieren sogar in einer dunklen Kammer, enthalten also auch keine versteckten Solarzellen.

Abb. 6.12
figure 12

Unter www.martin-buchholz-online.de/buch/e2.html finden Sie Videos von einigen der hier erwähnten Maschinen

Oder wie sieht es mit diesem Wippvogel aus? Das ist ein in Abb. 6.13 gezeigtes Kinderspielzeug, das ein bisschen wie ein Vogel aussieht, der ewig hin‐ und her pendelt und ab und zu seinen Schnabel in ein Glas Wasser tunkt. Der läuft doch auch ohne Energiequelle. (Wasser hat ja schließlich keine Kalorien!)

Abb. 6.13
figure 13

Der Wippvogel wippt und wippt und wippt … ganz ohne Batterie

Und dann habe ich mal im Foyer eines Museums ein großes Rad gesehen, das sicherlich drei oder vier Meter hoch war und sich langsam – aber eben ohne Antrieb – drehte. Stundenlang. Und mir wurde gesagt, dass das dort schon seit einem guten halben Jahr dort stünde und seitdem niemals von außen angetrieben worden sei.

Schließlich bin ich beim Recherchieren im Internet noch über eine Uhr gestolpert, die nach Herstellerangaben ewig laufen soll. Lediglich die Jahresanzeige geht nur bis zum Jahr 3000; aber ich denke, dieses Manko wird den heutigen Käufer recht kalt lassen. Die anderen Funktionen gehen dann ja bis in die Ewigkeit.

Wie kann das sein? Sind das alles Betrüger, von denen ich Ihnen hier berichte? Oder haben Sie sich umsonst durch dieses Kapitel hindurchgearbeitet? Kann man für 73.000 €, das ist der Preis der Uhr, dann doch ein funktionsfähiges Perpetuum mobile erwarten?

Ich muss Sie leider schon wieder enttäuschen.

All diese Maschinen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nur sehr kleine Leistungen abgeben und dass sie eben doch keine Perpetuum mobiles sind.

Wobei die geringen Leistungen für sich alleine genommen noch kein Problem sind. Auch ein Perpetuum mobile mit einer niedrigen Leistung wäre spektakulär. Aber alle diese Maschinen nutzen ganz profan einen (nicht sofort ersichtlichen) Unterschied aus, um zu funktionieren, und laufen nur so lange, wie dieser Unterschied nicht ausgeglichen ist. Da sie aber alle so geringe Leistungen erbringen, reichen auch schon sehr kleine Unterschiede, die wir meist auf den ersten Blick gar nicht bemerken.

Ewig wippt der Vogel

Beginnen wir mit dem Wippvogel: Der Wippvogel taucht seinen Kopf immer wieder in ein Glas mit Wasser. Dadurch behält er stets einen nassen und aufgrund der nun auftretenden Verdunstung auch kühlen Kopf. Das sorgt dafür, dass eine blaue Flüssigkeit in seinem inneren – die nichts mit dem Wasser im Glas zu tun hat – nach oben gesaugt wird und dem Vogel so zu Kopf steigt, dass er irgendwann das Gleichgewicht verliert und wieder vornüber ins Wasserglas taucht. Dieser Prozess ist nicht ganz einfach zu verstehen; der Unterschied, der zum Antrieb des Vogels genutzt wird, hingegen schon: Es funktioniert nur, solange Wasser am Kopf des Vogels verdunsten kann. Und was braucht man für einen Verdunstungsvorgang? Auf der einen Seite flüssiges Wasser und auf der anderen Seite Luft, deren relative Feuchte noch nicht bei 100 % liegt. Also einen Unterschied zwischen nassem Wasser und trockener Luft. Der Vogel läuft also nur so lange, bis entweder das Wasser im Glas verbraucht ist oder – das wird aber wohl nur in sehr kleinen Räumen geschehen – bis durch die Verdunstung des Wassers die Luftfeuchte im Raum bei 100 % angekommen ist. Dann läuft der Vogel nicht mehr und wir erkennen, dass es sich keineswegs um ein Perpetuum mobile handelt, sondern um eine Stoffkraftmaschine , die sich einen Konzentrationsunterschied (in diesem Fall: nass–trocken) zunutze macht.

Weitergehende Erklärung zum Wippvogel für Besserwisser

Bevor ich den eigentlichen Mechanismus erkläre, der den Vogel am Laufen hält, müssen wir erstmal drei grundsätzliche Dinge klären:

  1. 1.

    Bei einem Verdunstungsprozess entsteht „Kälte“. Das kann jeder von Ihnen selber ausprobieren: Einfach mal den eigenen Handrücken anfeuchten – im einfachsten Fall ablecken – und dann leicht darüber pusten. Obwohl Ihr Atmen eine höhere Temperatur hat als Ihr Handrücken, fühlt es sich kalt an, weil beim Verdunsten des Wassers, also beim Wechsel vom flüssigen zum gasförmigen Aggregatzustand, Energie benötigt wird und diese der Umgebung und damit auch Ihrem Handrücken entzogen wird. Dadurch kühlt sich Ihr Handrücken ab und das spüren Sie als „Verdunstungskälte“.

  2. 2.

    Flüssigkeiten sieden nicht immer bei der gleichen Temperatur. Jeder weiß, dass bei Normaldruck, also bei 1 bar, in der heimischen Küche das Wasser bei 100 °C siedet. In einem Schnellkochtopf ist das anders. Dort herrscht ein höherer Druck und die Kartoffeln sind schneller gar. Und zwar nicht, weil die sich nun „unter Druck gesetzt fühlen“, sondern weil Wasser bei höheren Drücken erst bei einer höheren Temperatur kocht. Das siedende – gerade eben noch flüssige – Wasser hat bei z. B. 2 bar, also einem doppelt so hohen Druck, schon eine Siedetemperatur von 120 °C. Umgekehrt siedet bei dem niedrigen Luftdruck auf einem hohen Berg das Wasser schon bei deutlich unter 100 °C. Erfahrene Bergsteiger kennen das Problem, dass es ganz weit oben recht schwierig ist, Kartoffeln weich oder Eier hart zu bekommen.

    Druck und Temperatur von siedender Flüssigkeit und darüber stehendem Dampf sind also fest aneinander gekoppelt. Oder in anderen Worten: Wenn ein Stoff gerade eben an dem Punkt ist, wo er von der flüssigen in die gasförmige Phase übergeht, gibt es zu jeder Temperatur nur genau einen Druck, bzw. zu jedem Druck nur genau eine Temperatur. Bei 1 bar kocht Wasser immer nur bei genau 100 °C. Und nicht bei 90 °C (da wäre es nur flüssig) und auch nicht bei 110 °C (da wäre es nur gasförmig).

  3. 3.

    In dem (geschlossenen) Vogel ist keine Luft, sondern nur eine einzige (hier blaue) Substanz. Es handelt sich also nicht um blau gefärbtes Wasser und Luft, sondern um nur einen einzigen Stoff, der teilweise im flüssigen Zustand vorliegt und teilweise im gasförmigen. Zweiteres ist dort der Fall, wo wir nichts sehen. Da der Stoff also gleichzeitig im flüssigen und gasförmigen Zustand vorliegt, scheint er genau an dem Punkt zu sein, wo er siedet. Wo also beide Zustände gleichzeitig vorliegen. Druck und Temperatur sind demzufolge fest aneinander gekoppelt. Ändere ich die Temperatur leicht, so muss sich auch der Druck verändern.

Nach diesem Vorgeplänkel können wir nun zum eigentlich thermodynamischen Vorgang in dem Vogel: Weil der Vogel immer wieder mit dem Kopf ins Wasser eintaucht – ganz zu Beginn habe ich das einmal von Hand machen müssen – ist sein mit Filz bezogener Kopf durchgehend feucht.

Daher verdunstet dort auch Wasser und der Kopf wird kühler als der Bauch des Vogels. Nach dem Eintauchen verdunstet also Wasser an der Außenseite des Kopfes und dadurch sinkt die Temperatur des Kopfes – im Gegensatz zum Bauch, der weiterhin Umgebungstemperatur hat. Mit sinkender Temperatur sinkt auch der Druck im Kopf. Aufgrund der unterschiedlichen Temperaturen in Kopf und Bauch herrschen dann auch unterschiedliche Drücke. Und deshalb saugt der Kopf die Flüssigkeit in dem Röhrchen nach oben zum Kopf, wie durch einen Strohhalm, wenn Sie in Ihrem Mund einen Unterdruck erzeugen.

Und je höher die Flüssigkeit steigt, umso weiter verschiebt sich der Schwerpunkt des Vogels nach oben. Und irgendwann liegt der Schwerpunkt des Vogels oberhalb des Aufhängepunktes und er kippt nach vorne in das Wasserglas.

In diesem Moment passieren zwei Sachen: Zum einen wird der Kopf wieder befeuchtet und zum anderen befindet sich – wie in Abb. 6.14 gezeigt – das untere Ende des Röhrchens, das vom Kopf bis in den Bauch hinein ragt, plötzlich oberhalb der Flüssigkeitsoberfläche im Bauch und die Flüssigkeit fließt zurück nach unten in den Bauch hinein. Diesen Effekt können Sie übrigens auch gerne mit einem Strohhalm und einem Glas Wasser ausprobieren: Saugen Sie etwas am Strohhalm, bis er großenteils mit Wasser gefüllt ist, heben sie Ihren Kopf dann langsam an und ziehen Sie den Strohhalm damit aus dem Getränk heraus. Sofern Sie das nicht ganz senkrecht, sondern unter einem gewissen Winkel machen, läuft das Wasser in dem Moment wieder heraus, in dem der Strohhalm nicht mehr ins Wasser eingetaucht ist.

Tja, und durch das Zurücklaufen des Wassers in den Bauch verschiebt sich der Schwerpunkt wieder unter den Aufhängepunkt, also unter den Punkt, um den der Vogel schwingt, der Bauch geht wieder nach unten, der Kopf nach oben und das Ganze beginnt von vorne und geht so lange weiter, bis so viel Flüssigkeit verdunstet ist und der Wasserspiegel im Glas soweit gesunken ist, dass der Vogel mit seinem Schnabel nicht mehr an das Wasser kommt und nicht mehr „trinken“ kann.

Abb. 6.14
figure 14

Ist dem Wippvogel die flüssige Phase zu Kopf gestiegen, kippt er vornüber, das hintere Ende des Röhrchens hebt sich über den Flüssigkeitsspiegel im Bauch und die zuvor in den Kopf gestiegene Flüssigkeit läuft in den Bauch zurück

Der Stirling‐Motor auf der Hand

Wie sieht es bei diesem Stirling‐Motor aus, der sogar auf einer Hand läuft? Nun, der läuft nicht sogar auf einer Hand, sondern nur auf einer Hand. Er nutzt nämlich die Temperaturdifferenz zwischen der warmen Handoberfläche und der etwas kälteren Umgebungsluft. Diese Temperaturdifferenz ist zwar nur ein paar Grad groß. Sie reicht aber, um den Motor anzutreiben – wenn auch nur mit geringer Leistung.

Leistungsabschätzung für Besserwisser

Sie möchten gerne wissen, welche Leistung so ein kleiner Stirling‐Motor auf Ihrer Hand haben könnte? Vielleicht fragen Sie sich ja auch, ob das nicht die Lösung für Ihre hohe Stromrechnung zu Hause wäre: Einfach jeden Sonntag den Stirling‐Motor für ein paar Stunden in die Hand nehmen und Strom produzieren.

Beginnen wir mal mit der Frage, welchen Anteil der Wärme, die Ihre Hand abgibt, der Motor bestenfalls in elektrischen Strom umwandeln könnte. Dazu brauchen wir den im Entropie‐Kapitel Kap. 4 hergeleiteten Carnot‐Wirkungsgrad, der eine Aussage darüber trifft, wie groß der Exergieanteil eines Wärmestroms ist. Denn das ist gleichbedeutend mit dem Anteil, den man in Strom umwandeln kann, da elektrischer Strom reine Exergie, also Arbeitsfähigkeit ist.

Der Carnot‐Wirkungsgrad lässt sich mit einer angenommenen Temperatur Ihrer Hand von 32 °C = 305 K und einer angenommenen Umgebungstemperatur von 20 °C = 293 K zu

$$ {\eta }_{\text{Carnot}}=1-\frac{293\, \mathrm{K}}{305\, \mathrm{K}}\approx 0{,}04=4\, \% $$

bestimmen. Nur 4 % der Wärme, die Ihre Hand abgibt, könnten also maximal in Strom umgewandelt werden. Tatsächlich werden es sogar noch deutlich weniger sein.

Aber gehen wir mal vom besten Fall aus und klären nun, wie viel Wärme Ihre Hand denn eigentlich abgibt. Wenn Sie ruhig im Sessel sitzen, geben Sie etwa 80 Watt Wärme ab. Die Tatsache, dass der größte Teil davon im Bereich Ihrer Leber und Ihres Gehirns frei wird – und das nicht nur, weil sie gerade einen Whisky und ein anregendes Buch in der Hand haben – ignorieren wir jetzt einfach mal und gehen davon aus, dass dieser Wärmestrom gleichmäßig über Ihre gesamte Körperoberfläche abgegeben wird.

Bei einer Gesamtoberfläche Ihres Körpers von ca. 1,6 m2 ergibt das einen auf die Fläche bezogenen Wärmestrom von

$$ \dot{q}=\frac{80\, \mathrm{W}}{1{,}6\, \mathrm{m}^{2}}=50\,\frac{\mathrm{W}}{\mathrm{m}^{2}}. $$

Nun ist Ihre Handfläche aber nur ca. 10 × 10 cm2 groß. Also etwa 0,01 m2, das ist ein Hundertstelquadratmeter. Damit geben Sie über eine Handfläche ca. 50 W/m2 · 0,01 m2 = 0,5 W, d. h. ein halbes Watt an Wärme ab.

Das ist schon erbärmlich wenig. Jetzt denken Sie aber bitte daran, dass von dieser Wärme nur etwa 4 % in elektrischen Strom umgewandelt werden können; also 0,04 · 0,5 W = 0,02 W. Um mit so einem Motor eine Arbeit von 1 kWh zu erbringen, bräuchten Sie

$$ \frac{1000\, \mathrm{Wh}}{0{,}02\, \mathrm{W}}=50.000\, \mathrm{h}. $$

Diese 50.000 Stunden entsprechen 2083 vollständigen Sonntagen, bzw. den Sonntagen von etwa 40 Jahren Ihres Lebens, die Sie mit dem Stirling‐Motor auf der Hand in Ihrem Wohnzimmer sitzen müssten, um 1 kWh Strom zu erzeugen, die aktuell keine 30 Cent wert ist.

Ich denke, es ist relativ offensichtlich, warum sich die Stirling‐Motoren als Handkraftwerk für zu Hause nicht durchgesetzt haben.

Uhr für die Ewigkeit

Auch die Uhr, die ich Ihnen vorgestellt habe, benötigt für ihren Antrieb nur eine sehr geringe Leistung. Diese gewinnt sie aber, anders als der Wippvogel oder der Stirling‐Motor, nicht aus einem räumlichen Unterschied, sondern aus einem zeitlichen. Sie nutzt die Schwankungen des Luftdrucks.

In Abb. 6.15 kann man sehen, dass das Innere der Uhr von der Umgebung durch eine Membran abgetrennt ist, die in Zeiten hohen Umgebungsdrucks nach innen gewölbt ist, sich bei niedrigem Druck dagegen nach außen ausbeult. Und allein die durch normale Schwankungen des Luftdrucks hervorgerufene Bewegung der Membran reicht aus, um die Uhr kontinuierlich zu betreiben, da der Luftdruck niemals über einen langen Zeitraum exakt gleich bleibt.

Abb. 6.15
figure 15

Diese Uhr läuft ewig, da sie die natürlich vorkommenden Luftdruckschwankungen ausnutzt

Das ganz große Rad drehen

Mein letztes Beispiel für ein scheinbares Perpetuum mobile, das große Rad, das sich ganz von alleine langsam dreht, nutzt wieder einen räumlichen Temperaturunterschied, wie auch schon der Stirling‐Motor.

Alle Bewohner hoher Altbauwohnungen wissen aus schmerzlicher Erfahrung, dass sich die warme Luft, die man für teures Geld mit seiner Heizung erwärmt hat, unter der Decke sammelt, während es im bodennahen Bereich, in dem sich das gesellschaftliche Leben abspielt, mitunter eher fröstelig kalt bleibt.

Und genau diese Tatsache, dass es in Räumen oben wärmer ist als unten, nutz das in Abb. 6.16 dargestellte, nach dem für seine gut verständlichen Vorlesungen bekannten Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman benannte, Feynman‐Rad aus: Dieses Rad besitzt Speichen aus einem Material, das sich bei Erwärmung stark ausdehnt. Wird das Rad also in einem hohen Raum aufgestellt, der oben wärmer ist als unten, so dehnen sich die Speichen im oberen Bereich aus, die unteren ziehen sich zusammen. Da das Rad aber am Mittelpunkt der Speichen aufgehängt ist, verschiebt sich der Schwerpunkt des Rades nach oben, über den Aufhängepunkt. Dieser Zustand ist instabil, das Rad kippt zu einer Seite und fängt damit an sich zu drehen. Dadurch gelangen die langen Speichen nach unten und die kurzen nach oben. Aufgrund der Temperaturverteilung im Raum beginnen die langen Speichen unten aber, sich wieder zusammenzuziehen, während die kurzen, nun oben liegenden Speichen sich ausdehnen. Damit wird das Rad wieder nach oben gehoben und alles beginnt von vorne. In der Praxis sind allerdings keine einzelnen Bewegungen (Anheben, Drehen, Anheben, …) zu erkennen, sondern stattdessen eine langsame, kontinuierliche Drehbewegung.

Abb. 6.16
figure 16

Der Zyklus des Feynman‐Rades, das scheinbar ohne Energiezufuhr ewig läuft

Diese Bewegung und die Tatsache, dass das Rad tatsächlich (ein wenig) Arbeit verrichten kann, sind aber nichts Spektakuläres. Es handelt sich beim Feynman‐Rad um eine zwar relativ unbekannte, von der Thermodynamik her aber ganz gewöhnliche Wärmekraftmaschine, die Wärme auf einem im wahrsten Sinne des Wortes hohen Temperaturniveau aufnimmt, einen Teil davon auf einem niedrigen Niveau abgibt und den Rest nutzt, um Arbeit zu verrichten.

Warum steigt warme Luft nach oben?

Luft verhält sich wie ein ideales Gas und gehorcht damit der thermischen Zustandsgleichung für ideale Gase, die Sie aus der Schule vielleicht auch kürzer als Idealgasgleichung kennen:

$$ pV=mRT. $$

In Worten: Druck p mal Volumen V ist gleich Masse m mal Gaskonstante R mal Temperatur T.

Wenn Sie nun ein festes, mit Luft gefülltes Volumen, z. B. einen Liter (einen Würfel mit 10 cm Kantenlänge) betrachten, dann hat dieser Liter Luft am Boden und unter der Decke Ihrer Wohnung den gleichen Druck; das Produkt aus Druck mal Volumen ist also am Boden und unter der Decke das gleiche. Da somit die linke Seite der Gleichung konstant ist, egal ob wir den Liter Luft unten oder oben betrachten, darf sich auch die rechte Seite der Gleichung nicht verändern. Das Produkt aus Masse, der sogenannten Gaskonstanten R und der Temperatur muss also gleich bleiben. Da es das Wesen einer Konstante ist, konstant zu sein, wird sich R nicht verändern. Also muss das Produkt aus m und T konstant sein. Steigt T, muss m sinken. Bei höheren Temperaturen ist daher die Masse m, die sich in einem Liter Luft befindet, geringer als bei niedrigeren Temperaturen. Und aufgrund der Erdanziehung sammeln sich am Boden stets die dichten und schweren Dinge an, während die leichteren darüber liegen. Oder haben Sie schon mal ein Glas Bier gesehen, bei dem das Bier oben und der Schaum unten im Glas war? Und deshalb steigt auch die warme und daher weniger dichte Luft nach oben.

Langer Rede kurzer Sinn: Auch die „funktionierenden“ Modelle sind kein echter Trost. Alles mehr Schein als Sein und nirgendwo ein echtes Perpetuum mobile in Sicht.

Und ich will Ihnen auch ganz ehrlich sagen, dass ich keine Hoffnung hege, dass zu unseren Lebzeiten oder der unserer Kinder der erste oder zweite Hauptsatz der Thermodynamik jemals widerlegt werden. Die einzige Hoffnung auf billige Exergie besteht vielleicht darin, dass wir Energieformen wie die Kernfusion zu bändigen lernen, die wir bisher nicht kontrollieren und nutzen können. Oder aber, dass wir neu Energieformen entdecken, die wir bisher einfach noch nicht messen und verstehen können.

Auch bei der Dampfmaschine und der Atomenergie schien es zunächst so, als könnte ein lebloser, energiearmer Körper – ein Stück Kohle oder ein Stück Uran – auf wundersame Weise, gleich einem Perpetuum mobile, Arbeit verrichten. Erst die Chemie bzw. die Kernphysik waren dann später in der Lage, diese Energieformen zu beschreiben, zu vermessen und ihre Umwandlungen zu erklären. Vielleicht taucht ja irgendwann noch eine neue Energieform auf, die mühelos, kostengünstig und ohne Treibhauseffekt oder Atommüll über lange Zeiträume nachhaltig unsere Energieversorgung (bzw. Exergieversorgung) übernehmen kann, auch wenn auch diese natürlich kein Perpetuum mobile ermöglichen würde.

Da ich auf das Auftauchen einer solchen Wunderenergie aber auch nicht unbedingt wetten würde, scheint mir aktuell die Energie, die wir von der Sonne erhalten, die beste Lösung zu sein. Machen Sie sich bitte klar: Für die Menschen vor 150 Jahren wäre ein Photovoltaik‐Solarmodul ganz klar ein Perpetuum mobile gewesen, das ohne Zufuhr von außen Arbeit leistet. Die Sonne kann und muss es also richten.

Falls Sie sich jetzt fragen, warum ich so auf die Sonne abfahre, machen Sie sich bitte klar, dass auch Windenergie, Wasserkraft und Biogas letztendlich alle Formen von Sonnenenergie sind, da es ohne die Sonne keine Temperaturschwankungen und damit auch keine für den Wind notwendigen Luftdruckschwankungen geben würde. Ebenso wenig wie es ohne Sonne keine Verdunstung und damit keinen Regen und keine Stauseen geben würde und natürlich ohne Sonnenlicht auch keine Photosynthese, somit keine Pflanzen und damit kein Brennholz und keine Biomasse. Nur Geothermie (Wärme kommt aus dem Erdinneren) und Gezeitenkraftwerke (Der Mond bewegt das Wasser) kommen ohne die Sonne aus.

Sie merken schon; wir nähern uns langsam dem Kapitel zur Energiewende.

Abb. 6.17
figure 17

Teile dieses Kapitels basieren auf einem Vortrag des Autors, den Sie sehen können, wenn Sie diesem Link folgen: www.martin-buchholz-online.de/buch/e3.html