Zusammenfassung
Wer den Gebrauch von Sprache im alltäglichen Mathematikunterricht beobachtet, der wird an der Oberfläche des Beobachtbaren mit einiger Sicherheit ganz unterschiedliche Erscheinungsformen von Sprache registrieren können. Im Mathematikunterricht an deutschen Schulen wird zumeist Deutsch als Unterrichtssprache verwendet und doch variiert der Sprachgebrauch hinsichtlich zu hörender Mundarten (z. B. Schwäbisch oder Moselfränkisch), noch mehr aber in Abhängigkeit von der Situation: In einer spontan produzierten mündlichen Erklärung werden andere sprachliche Mittel verwendet als in einer schriftlichen wohlformulierten Definition in einem Schulbuch. Die theoretische Sortierung einer solchen Vielfalt der Erscheinungsformen ist das Anliegen dieses Kapitels. Dafür ist es hilfreich, zunächst einen mündlichen von einem schriftlichen Sprachgebrauch zu unterscheiden (s. Abschn. 2.1). Auf dieser Grundlage wird dann herausgearbeitet, dass insbesondere ein konzeptionell schriftlicher Sprachgebrauch mit seiner spezifischen Nutzung des Kontextes für den Schulerfolg von Bedeutung ist (s. Abschn. 2.2 und 2.3). Neben fächerübergreifenden sprachlichen Anforderungen des schulischen Unterrichts ist für das Lernen im Fach Mathematik insbesondere die Fachsprache der Mathematik orientierend (s. Abschn. 2.4), von der im Unterricht stets eine situativ ausgehandelte Variante genutzt wird, um über Mathematik zu schreiben und zu sprechen (s. Abschn. 2.5).
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Notes
- 1.
- 2.
Es sei erwähnt, dass auf die Erweiterung des Kontextes durch eine einzelne Sprachhandlung (s. Reflexivität in Abschn. 1.1) hier nicht eingegangen wird, insofern eine solche Erweiterung auch immer von der konkreten Sprachhandlung abhängt.
- 3.
Um den Unterschied zu „Sätzen“ im linguistischen Sinn zu markieren, wird ab hier immer von „mathematischen Sätzen“ gesprochen, die zumeist auch in einem einzigen Satz dargestellt werden können, dies jedoch häufig nicht werden. Entsprechend ordnen wir sie hier der Textebene zu.
- 4.
Dieser Abschnitt orientiert sich wesentlich an Tiedemann (2015a).
- 5.
In Kap. 5 wird sich zeigen, dass dem Aspekt der „Sprache unter kognitiver Belastung“ auch im Zuge der Mehrsprachigkeit eine bedeutende Rolle zukommt.
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Meyer, M., Tiedemann, K. (2017). Erscheinungsformen von Sprache. In: Sprache im Fach Mathematik. Mathematik im Fokus. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-49487-5_2
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