Zusammenfassung
Ungünstig gestaltete organisationale Beziehungen sind eine häufige Ursache für das Auftreten psychischer Fehlbelastungen im Arbeitskontext. Umgekehrt stellen positive soziale Beziehungen im Unternehmen eine wichtige Ressource zur Förderung der psychischen Gesundheit dar. Eine mitarbeiterorientierte Arbeitsplatzkultur, die das betriebliche Gesundheitsmanagement als einen wichtigen Baustein integriert, kann einen wertvollen Beitrag dazu leisten, dass der Erhalt und die Förderung der psychischen Gesundheit und des Wohlbefindens der Mitarbeiter ganzheitlich und nachhaltig gelingen. Eine zentrale Rolle bei der Gestaltung guter – und damit auch gesundheitsförderlicher – sozialer Beziehungen spielen der Aufbau und die Pflege einer von Vertrauen geprägten Kultur der Zusammenarbeit. Differenziert betrachtet werden drei organisationale Beziehungsebenen: die Beziehungen von Unternehmen zu den Mitarbeitern insgesamt, die Beziehung der Führungskräfte zu ihren Mitarbeitern sowie die kollegialen Beziehungen. Dabei werden Ergebnisse der von Great Place to Work® 2015 durchgeführten Repräsentativstudie »Gesund arbeiten« vorgestellt. Diese werden schließlich in Relation gesetzt zu den Ergebnissen der im Rahmen des Wettbewerbs »Deutschlands Bester Arbeitgeber« durch Great Place to Work® ausgezeichneten Arbeitgeber. Zudem werden auf Basis von Best-Practice-Beispielen aus Managementbefragungen Gestaltungsmöglichkeiten vorgeschlagen, die in Unternehmen bereits erfolgreich eingesetzt werden.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Notes
- 1.
Die Arbeitsplatzkultur beschreibt für die Zusammenarbeit grundlegende Annahmen und geteilte Einstellungen sowie Werte und Normen, die als Selbstverständlichkeit im Unternehmen gelten. Darauf beruhende gemeinsame Überzeugungen bestimmen das Denken und Handeln aller im Unternehmen (vgl. BMAS 2008, S. 36 f.).
- 2.
Die Dimensionen Glaubwürdigkeit, Respekt und Fairness sind drei von fünf Dimensionen des Great Place to Work®-Modells und bilden gemeinsam das Kernmerkmal der Arbeitsplatzkultur, das erlebte Vertrauen.
- 3.
Der Trust Index©-Fragebogen ist ein standardisiertes Befragungsinstrument, das seit über 20 Jahren in inzwischen mehr als 50 Ländern weltweit zur Messung der Qualität der Arbeitsplatzkultur eingesetzt wird. Die 57 Aussagen zu verschiedenen Aspekten der täglichen Arbeit gliedern sich in die fünf Kerndimensionen einer mitarbeiterorientierten Arbeitsplatzkultur: Glaubwürdigkeit, Respekt und Fairness (kurz: Vertrauen) sowie Stolz und Teamgeist.
- 4.
Beteiligt waren 1.030 Mitarbeiter mit einem Beschäftigungsumfang von mindestens 15 Wochenstunden in Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitern. Die Stichprobe ist repräsentativ bzgl. Alter, Geschlecht und Branche.
- 5.
- 6.
Die Antwortmöglichkeiten sind verneinend (»trifft fast gar nicht zu« und »trifft überwiegend nicht zu«), neutral (»teils/teils«) oder zustimmend (»trifft überwiegend zu« und »trifft fast völlig zu«).
- 7.
Die Einteilung erfolgt nach den Ergebnisniveaus des Index: sehr gut = 0–3,75; gut = 4–5,75; moderat = 6–7,25 und kritisch = 7,5–10.
- 8.
Nach Bravais Pearson beträgt der Zusammenhang mit dem WAI r = –0.609, p < 0.001, mit dem COPSOQ = 0.647, p < 0.001.
- 9.
Jährlich führt Great Place to Work® Deutschland im Rahmen der Benchmarkstudie »Deutschlands Beste Arbeitgeber« Untersuchungen in Unternehmen durch mit dem Ziel zu erheben, inwiefern die Arbeitsumgebung von den Beschäftigten als besonders vertrauenswürdig, wertschätzend und motivierend erlebt wird. Untersuchungsbasis sind eine Great Place to Work®-Mitarbeiterbefragung (Trust Index©) sowie eine Analyse der Maßnahmen der Personal- und Führungsarbeit (Kultur-Audit) in ihrem Unternehmen. Inhaltliche Bewertungsgrundlage ist das Great Place to Work®-Modell, das die Kernqualitäten ausgezeichneter Arbeitgeber beschreibt.
- 10.
Gesundheitsrelevante Auswirkungen der drei Grundwerte, die zusammen das Vertrauen der Mitarbeiter in die Führungskräfte und die Unternehmensleitung wiedergeben, kommen dann zum Tragen, wenn Mitarbeiter sorgen- und störungsfrei ihre Aufgaben erfüllen können. Das ist der Fall, wenn sie die dafür notwendigen Informationen haben und Führungskräfte ansprechen können (und dürfen), sollten sie Fragen haben. Das ist weiterhin der Fall, wenn die Führungskräfte Mitarbeiter in deren Entwicklung fördern und besondere Leistungen würdigen, dabei auch eine Balance zwischen Berufs- und Privatleben unterstützen. Schließlich ist es förderlich für die psychische Gesundheit, wenn unfaire Situationen vermieden werden, alle Mitarbeiter die gleichen Chancen und Möglichkeiten erhalten und weder Bevorzugungen noch Diskriminierung wahrgenommen werden (Burchell u. Robin 2011).
- 11.
In »Code of Conduct«-Trainings lernen die Mitarbeiter den im Unternehmen gültigen Verhaltenskodex kennen und verpflichten sich dazu, sich danach zu verhalten. Dem gleichen Zweck dienen Roadshows der Geschäftsführung, die dann die einzelnen Unternehmensbereiche besuchen, um Vereinbarungen für das Miteinander zu verbreiten, oder »The way we work«-Schulungen, in denen die Regeln für die Zusammenarbeit vermittelt werden.
- 12.
Die Balanced Scorecard macht die Verbindung zwischen Unternehmensstrategie und den operativen Einheiten sichtbar. Sie unterstützt als solches die operative Umsetzung der Unternehmensstrategie.
- 13.
Unter »ambitionierten Unternehmen« sind diejenigen zu verstehen, in denen das Thema Arbeitsplatzkultur ein Thema ist, die also mit der Entwicklung der Arbeitsplatzkultur begonnen haben und noch nicht das Niveau der ausgezeichneten Unternehmen erreichen konnten.
- 14.
Achtsamkeit erlebt derzeit Konjunktur und wird als hilfreiche Methode für gesunde Selbstführung beworben. Vgl. z. B. Handelsblatt (2015), S. 44–51.
- 15.
Nach Mödlers (2012) ist die »gesundheitliche Kompetenz« eine Kernkompetenz, die Führungskräfte heutzutage neben der Sozialkompetenz benötigen. Gesundheitliche Kompetenz bei Führungskräften beschreibt die Fähigkeit und das Fingerspitzengefühl von Führungskräften, ihre Mitarbeiter einerseits zu fördern und durch Herausforderungen zum Ausbau ihrer Kompetenzen beizutragen. Gleichzeitig erkennen sie, wenn ein Mitarbeiter an seine Grenzen stößt oder Verhaltensveränderungen zeigt, die auf psychische Belastungen schließen lassen.
- 16.
Der Umgang mit persönlichem Feedback kann für Führungskräfte eine Herausforderung darstellen. Es ist daher wichtig, bei der systematischen Einführung von Führungsfeedbacks einerseits eine professionelle Begleitung (z. B. Beratung, Coaching) für Führungskräfte anzubieten. Zum anderen ist die Ausrichtung des Führungsfeedbacks auf seine intendierte Wirkung zu gestalten. Diese kann im einen Extrem ein reines Dialoginstrument sein, im anderen Extrem ein Instrument zur Beurteilung der Führungsleistung.
- 17.
Damit Führungskräfte ihrerseits in dieser Rolle keine Überforderung oder Überlastung erleben, ist es wichtig, dass ein gemeinsames Führungsverständnis vorherrscht, Führungskräfte für diese Aufgaben geschult sind und eine klare Abgrenzung von Verantwortlichkeiten zwischen den Aufgaben des Personalmanagements und der Führungskräfte besteht.
Literatur
AOK-Bundesverband (Hrsg) (2015) Führungskräfte sensibilisieren und Gesundheit fördern—Ergebnisse aus dem Projekt ≫iga.Radar≪. AOK, Berlin
Badura B (2012) Führungskräfte—Täter oder Opfer? Vortrag im Rahmen der Bielefelder BGM-Fachtagung 2012: ≫Betriebliches Gesundheitsmanagement: Fokus Führungskräft≪.http://www.bgm-bielefeld.de/index.php?page=24. Gesehen 06 Jul 2016
Badura B, Hehlmann T (2003) Betriebliche Gesundheitspolitik: Der Weg zur gesunden Organisation. Springer, Berlin Heidelberg
Badura B, Ducki A, Schröder H, Klose J, Macco K (Hrsg) (2011) Fehlzeiten-Report 2011. Führung und Gesundheit. Springer, Berlin Heidelberg
Badura B, Ducki A, Schröder H, Klose J, Meyer M (Hrsg) (2015) Fehlzeiten-Report 2015. Neue Wege für mehr Gesundheit—Qualitatsstandards fur ein zielgruppenspezifisches Gesundheitsmanagement. Springer, Berlin Heidelberg
Bengel J, Strittmacher R, Willmann H (2001) Was erhält Menschen gesund? Antonovskys Modell der Salutogenese—Diskussionsstand und Stellenwert. Erw. Neuauflage. Dgvt Verlag, Köln
Burchell M, Robin J (2011) The Great Workplace: How to Build It, How to Keep It, and Why It Matters. Jossey Bass, San Francisco
Expertenkommission der Bertelsmann Stiftung und Hans- Böckler-Stiftung (Hrsg) (2002) ≫Zukunftsfähige betriebliche Gesundheitspolitik.≪ Zwischenbericht. Verlag Bertelsmann Stiftung, Gütersloh Düsseldorf
Expertenkommission der Bertelsmann Stiftung und Hans-Böckler-Stiftung (Hrsg) (2004) ≫Zukunftsfähige betriebliche Gesundheitspolitik.≪ Schlussbericht, Kurzfassung. Verlag Bertelsmann Stiftung, Gütersloh/Düsseldorf
Felfe J, Ducki A, Franke F (2014) Führungskompetenzen der Zukunft. In: Badura B, Ducki A, Schröder H, Klose J, Meyer M (Hrsg) Fehlzeiten-Report 2014. Erfolgreiche Unternehmen von morgen—gesunde Zukunft heute gestalten. Springer, Berlin Heidelberg, S 139–148
Gemeinsame deutsche Arbeitsschutzstrategie (2014) Empfehlungen zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteiung psychischer Belastungen. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Berlin
Gemeinsame deutsche Arbeitsschutzstrategie (2016) Empfehlungen zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteiung psychischer Belastungen, 2. erweiterte Aufl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Berlin
Great Place to Work® Deutschland (Hrsg) Gesund Arbeiten. Informationen zur Studie sind unterhttp://kurzlink.de/gesund- arbeiten veröffentlicht
Hasselhorn HM, Freude G (2007) Der Work Ability Index—ein Leitfaden. Haupt Verlag, Dortmund Berlin Dresden
Handelsblatt Wochenende (2016) Nr 5, 8./9./10. Januar
Hauser F, Haase J (2012) Von der Pflicht zur Kür. Personalmagazin 9
Hauser F, Schubert A, Aicher M (2008) Unternehmenskultur, Arbeitsqualität und Mitarbeiterengagement in den Unternehmen in Deutschland. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Bonn
INQA (Hrsg) (2012) Mit Verstand und Verständnis. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Berlin
INQA (Hrsg) (2014) Gesunde Mitarbeiter—gesunde Unternehmen. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Berlin
INQA (Hrsg) (2015) Kein Stress mit dem Stress—Eine Handlungshilfe für Beschäftigte. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Berlin
Karasek R, Theorell T (1990) Healty Work—Stress, Productivity, and the Reconstruction of Working Life. Basic Books, New York
Leitung des GDA-Arbeitsprogramms Psyche (Hrsg) (2014) Empfehlungen der GDA-Träger zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Berlin
Leitung des GDA-Arbeitsprogramms Psyche (Hrsg) (2016) Empfehlungen zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung, 2. erw. Auflage. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Berlin
Lohman-Haislah A (2012) Verhältnisprävention geht vor Verhaltensprävention: Psychische Belastung—was tun? Baua Aktuell—Ausgabe 2. Amtliche Mitteilungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, S 6–7
Lowe G (2003) Building healthy organizations takes more than simple putting in a wellness program. In: Canadian HR Report, Toronto.
Mölders W (2012) Jetzt soll ich mich auch noch um Gesundheit kümmern! Vortrag im Rahmen der Bielefelder BGM-Fachtagung ≫Betriebliches Gesundheitsmanagement: Fokus Führungskräft≪
Nationale Arbeitsschutzkonferenz (Hrsg) (2012) Leitlinie Beratung und Überwachung bei psychischer Belastung am Arbeitsplatz. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Berlin
Nationale Arbeitsschutzkonferenz (Hrsg) (2015) Leitlinie Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Berlin
Nübling M, Stößel U, Hasselhorn HM, Michalis M, Hofmann F (2005) Methoden zur Erfassung psychischer Belastungen—Erprobung eines Messinstrumentes (COPSOQ). Wirtschaftsverlag NW, Bremerhaven
Pfaff H (2014) An einem Strang ziehen: Erfolgsfaktor Sozialkapital. In: Geschäftsstelle der Initiative Neue Qualität der Arbeit (Hrsg) Gesunde Mitarbeiter—gesundes Unternehmen. Eine Handlungshilfe fur das Betriebliche Gesundheitsmanagement. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Berlin
Sanders F, Lampe A (2011) Gesundheitsmanagement bei Volkswagen Nutzfahrzeuge. In: Badura B, Ducki A, Schröder H, Klose J, Macco K (Hrsg) Fehlzeiten-Report 2011: Führung und Gesundheit. Springer, Berlin Heidelberg
Scharnhorst J (2012) Burnout-mit Arbeitshilfen Online: Präventionsstrategien und Handlungsoptionen für Unternehmen. Haufe, Freiburg
Schein EH (1980) Organisationspsychologie. Ins Deutsche übersetzt von Hofmann M. Gabler, Wiesbaden
Siegrist J (1996) Soziale Krisen und Gesundheit. Eine Theorie der Gesundheitsförderung am Beispiel von Herz-Kreislauf- Risiken im Erwerbsleben. Hogrefe, Göttingen Bern Toronto Seattle
Ulrich E (2008) Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz. In: Vorstand des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V. (BDP) (Hrsg) Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz in Deutschland. Berlin
WHO (1946) Verfassung der Weltgesundheitsorganisation. WHO, New York
Author information
Authors and Affiliations
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2016 Springer-Verlag Berlin Heidelberg
About this chapter
Cite this chapter
Ricker, S., Hauser, F. (2016). Arbeitsplatzkultur und Gesundheit – ganzheitliche Gestaltung der organisationalen Beziehungen zur Stärkung der psychischen Gesundheit von Mitarbeitern. In: Badura, B., Ducki, A., Schröder, H., Klose, J., Meyer, M. (eds) Fehlzeiten-Report 2016. Fehlzeiten-Report, vol 2016. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-49413-4_9
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-662-49413-4_9
Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg
Print ISBN: 978-3-662-49412-7
Online ISBN: 978-3-662-49413-4
eBook Packages: Medicine (German Language)