Zusammenfassung
Wir wollen keine Ausnahme machen und den Abschnitt über unendliche Reihen und Folgen wie üblich mit dem Zenoschen Paradoxon beginnen: Kann Achill die Schildkröte je überholen?
Die Situation ist bekanntlich die folgende: Der berühmte Held Achill läuft pro Sekunde 9 m, die (offenbar ziemlich schnelle) Schildkröte jedoch nur 0.9 m, bekommt am Start aber einen Vorsprung von 9 m. Es geht los und in der ersten Sekunde hat Achill 9 m zurückgelegt, aber die Schildkröte hat die Zeit genutzt und ist um 0.9 m vor Achill. Dieser braucht zwar nur 0.1 Sekunde für diese Strecke, aber die Schildkröte ist inzwischen um 0.09 m vorangekommen. Dazu benötigt Achill 0.01 Sekunden, aber wieder ist die Schildkröte währenddessen weitergekommen. So geht es immer weiter, und der arme Achill kann die Schildkröte anscheinend nie einholen.
Natürlich kann da was nicht stimmen. Schon nach 1.2 s ist Achill 10.8 m vom Start entfernt, aber die Schildkröte nur 10.08 m. Achill muss die Schildkröte also bereits überholt haben. Betrachten wir doch einmal die Teilstrecken, die Achill und die Schildkröte zurücklegen.
Man hat hier Zahlenfolgen, also zum Beispiel die Folge der Teilstrecken des Achill: \((9,\,0.9,\,0.09,\,0.009,\,\ldots)\), oder die Folge der zurückgelegten Distanz \((9,\,9.9,\,9.99,\) \(9.999,\,\ldots)\). Man errät, dass vermutlich bei der Streckenmarke von 10 m Achill die Schildkröte überholt. Aber wie kann man das mathematisch richtig formulieren? Die Lösung dieses Problems bringt neue Begriffe in die Mathematik: die unendliche Folge und ihre Summe, die unendliche Reihe.
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Notes
- 1.
Angaben über Leben und Werk der hier genannten Mathematiker findet man unter dem URL http://www-history.mcs.st-andrews.ac.uk/index.html
- 2.
Als Physiker(in) würde man durch Lösung der Gleichung für die zurückgelegte Strecke (\(T\,9\,\textrm{m/s}=9\,\textrm{m}+T\,0.9\,\textrm{m/s}\)) den Überholzeitpunkt \(T=10/9\,\)s bestimmen!
- 3.
In einem Brief (1826) an seinen Kollegen Holmboe hat der bekannte Mathematiker Niels Henrik Abel festgestellt: „Divergente Reihen sind ein Unglücksding, und es ist eine Schande, damit etwas zu beweisen!“ Diese Meinung hat ihn nicht daran gehindert, die Basis zur heutigen Theorie der Grenzwerte zu schaffen.
Literatur
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Lang, C.B., Pucker, N. (2016). Unendliche Reihen. In: Mathematische Methoden in der Physik. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-49313-7_1
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