Ein breites Spektrum an Erregern, v. a. Viren, Bakterien, aber auch Protozoen, Helminthen und Pilze, können, sofern es ihnen gelingt, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden, das zentrale und gelegentlich das periphere Nervensystem involvieren; Meningitis, Enzephalitis, Hirnabszess, Meningovaskulitis oder granulomatöse Prozesse sind die potenziellen Folgen.

Neben der Tatsache, dass für eine Reihe von Erregern die Inzidenz der Infektionen deutlich gesunken ist, z. B. Meningokokken, aber auch Pneumokokken und Haemophilus influenzae B als Auslöser der bakteriellen Meningitis, aber auch Plasmodium falciparum als Auslöser der zerebralen Malaria, ist v. a. das Auftreten neuer, neu entdeckter und/oder importierter Erreger als Ursache akuter ZNS-Infektionen absolut bemerkenswert. Virale Infektionen (West-Nil-Virus, Toskanavirus, etc.) sind im letzten Jahrzehnt zunehmend häufiger auch in Mitteleuropa autochthon als Auslöser einer ZNS-Infektion zu beobachten, demgegenüber sind v. a. bakterielle Erreger, aber auch Viren und Protozoen – aufgrund der Veränderung der epidemiologischen Parameter, zunehmendem Durchschnittsalter in Mitteleuropa, v. a. aber bei immer breiter eingesetzten immunmodulierenden und -supprimierenden Therapien (als prädisponierende Faktoren) – als Ursache von ZNS-Infektionen zu sehen. Letztlich verdient das Auftreten multiresistenter Keime als Auslöser einer »hospital-acquired meningitis«, »nosokomialen Meningitis«, vermutlich aber auch – wie Einzelfälle vermuten lassen – im Sinne einer »nursing-home-acquired meningitis« Beachtung. Neben diesen Negativentwicklungen sind die Einführung neuer Impfstoffe, z. B. gegen Meningokokken B, berichtenswert; flächendeckende Impfkampagnen gegen Meningokokken A in Subsahara-Afrika haben auch in dieser Region bereits zu einer markanten Reduzierung der potenziell tödlichen akuten Meningokokkenerkrankung geführt.

1 Virale (Meningo-)Enzephalitis

Die Involvierung des Zentralnervensystems (ZNS) ist grundsätzlich eher eine seltene Manifestation einer viralen Infektion, wesentlich häufiger als das Hirngewebe werden die Meningen betroffen. Obwohl eine spezifische Therapie nur bei wenigen Viren, die eine Enzephalitis verursachen, verfügbar ist, ist eine frühestmögliche Diagnose und die daraus sich eventuell ableitende antivirale Therapie sowie eine maximale supportive/symptomatische Therapie essenziell, um die bestmögliche Prognose zu erreichen.

1 Definition

Eine Enzephalitis ist ein inflammatorischer Prozess im Hirnparenchym, der mit einer klinisch-neurologisch fassbaren Fehlfunktion des Gehirns einhergeht. Sie kann nichtinfektiöser oder infektiöser Ursache sein, letztere ist typischerweise diffus und in den meisten Fällen virusbedingt. Die Enzephalitis muss außerdem von Enzephalopathien anderer Ursache (metabolische, hypoxische, septische Enzephalopathie im Rahmen eines systemischen Infekts, Intoxikationen etc.) differenziert werden. In vielen Fällen ist sinnvollerweise der Ausdruck virale Meningoenzephalitis zu gebrauchen, ein Hinweis, dass neben dem Hirngewebe auch die Meningen betroffen sind. Bei Mitbetroffensein des Myelons spricht man von Enzephalomyelitis.

1 Anamnese und neurologische Symptomatik

Auf eine virale Meningoenzephalitis verdächtig ist die Konstellation:

  • fieberhafte Erkrankung, begleitet von

  • Kopfschmerzen

  • neurologischen Herdsymptomen bzw.

  • Zeichen einer generellen zerebralen Dysfunktion

  • epileptischen Anfällen und/oder

  • qualitativer oder quantitativer Beeinträchtigung des Bewusstseins

Tab. 113.1 präzisiert diese komplexe neurologische Symptomatik in ihren Hauptkategorien.

Tab. 113.1 Hauptkategorien der neurologischen Symptomatik einer Enzephalitis

Eine detaillierte Außenanamnese ist essenziell, häufig mit Angehörigen notwendig, da der Patient qualitativ oder quantitativ bewusstseinsverändert sein kann und pseudopsychotische Symptome oder neurologische Herdsymptome (z. B. Aphasie) zeigen kann. Expositionsanamnese, Reiseanamnese in Endemiegebiete etc. sind ebenso wichtig wie das Erfragen von vergleichbaren Erkrankungen im Umfeld des Patienten. Auch berufliche Exposition, saisonales Auftreten von Erkrankungen, Kontakt mit Wildtieren bzw. potenziellen Reservoirtieren, Tierbisse sowie die präzise Erhebung und Erfassung einer eventuellen Immunsuppression bzw. immunmodulierenden Therapie (Zustand nach Transplantation, Kortisontherapie, zytostatische oder immunmodulierende Therapie etc.) sind Grundlage jeder Anamnese bei Verdacht auf Enzephalitis.

Letztlich ist ein interdisziplinäres Herangehen notwendig. Hautveränderungen, Myokarditis, Hepatitis, Lymphadenitis etc. können wegweisend für die Differenzialdiagnose sein.

1 Diagnose und Differenzialdiagnose

Leukozytenzahl, Differenzialblutbild, C-reaktives Protein und Procalcitonin sind wesentliche Parameter bei jedem Patienten mit Fieber und Verdacht auf Meningoenzephalitis. Sie erlauben relativ klar die Differenzierung einer viralen von einer akuten bakteriellen Infektion. Einzige Ausnahme ist die akute HSV-1-Enzephalitis, weil diese häufig mit einer deutlichen Leukozytose im peripheren Blut einhergeht.

Wesentliche unterstützende bzw. beweisende Untersuchungen sind EEG, zerebrale Bildgebung sowie Liquoruntersuchung inklusive präziser virologischer, eventuell mikrobiologischer/molekularbiologischer Untersuchung des Liquors und ggf. anderer Körperflüssigkeiten (z. B. bei Verdacht auf Enterovirusinfektion: Stuhluntersuchung).

Elektroenzephalografie (EEG)

Das EEG ist eine sensitive, aber unspezifische Untersuchungstechnik, im Einzelfall können relativ typische EEG-Veränderungen erhoben werden. In der akuten Phase einer Enzephalitis ist der Schweregrad der EEG-Abnormalitäten mit dem klinischen Verlauf und letztlich der Prognose korreliert. Eine fehlende Erholung der EEG-Abnormalitäten zeigt eine tendenziell schlechte Prognose. Die EEG-Veränderungen erholen sich üblicherweise deutlicher langsamer als die klinischen Symptome. Im EEG eines Patienten mit Herpes-simplex-1-Enzephalitis finden sichtypische periodische lateralisierte epileptiforme Entladungen (PLED).

Bei Verdacht auf Hirnstammenzephalitis finden sich häufig EEG-Veränderungen, die das beeinträchtige Bewusstsein widerspiegeln, insgesamt jedoch im Vergleich zum klinischen Befund relativ milde Veränderungen zeigen.

Zerebrale Bildgebung/Neuroimaging

Mittel der Wahl der bildgebenden Untersuchung bei Verdacht auf virale Enzephalitis ist eine Magnetresonanztomografie (MRT). Das MRT-Protokoll sollte Routine-T1- und -T2-Sequenzen sowie Flair-Sequenzen beinhalten. Gradientenecho-Imaging kann kleine Areale einer hämorrhagischen Transformierung frühzeitig darstellen. In spezifischen Fällen kann die Magnetresonanztomografie bereits konkrete Erregerhinweise liefern (Tab. 113.2).

Tab. 113.2 »Erregerspezifische« neuroradiologische Befunde (MRT) bei Enzephalitiden

Eine zerebrale Computertomografie wird nur als Screening-Untersuchung durchgeführt, v. a. wenn eine akute MRT nicht zur Verfügung steht.

Lumbalpunktion

Sie ist nach vorhergehender zerebraler Bildgebung essenziell. Der Liquor bei einer viralen Enzephalitis ist charakteristischerweise unspezifisch mit einer milden gemischtzelligen, im Verlauf lymphozytären Pleozytose mit Eiweißerhöhung und normalem Liquorzucker und Laktat. Ein hämorrhagisch nekrotisierender Verlauf kann zum Nachweis von Erythro- und Siderophagen führen.

Mikrobiologische, virologische und molekularbiologische Untersuchungen

Früherer Goldstandard der Diagnose bei Verdacht auf Enzephalitis ist die Virusisolation mittels Zellkultur. Moderne molekularbiologische Methoden, insbesondere PCR (s. u.), haben ihn jedoch im letzten Jahrzehnt weitestgehend ersetzt. Der Nachweis einer intrathekalen Antikörperproduktion (Antikörper gegen ein spezifisches Virus) hat einen vergleichbaren hohen Grad an Evidenz, benötigt jedoch üblicherweise mehr Zeit (bis zu 2 Wochen nach Beginn der Symptomatik).

Eine Virusisolation aus Rachenspülflüssigkeit, Stuhl, Harn, gelegentlich auch aus dem Blut (bei eindeutiger Virämie) sowie eine Serokonversion (ausschließlich im Serum) gibt zwar einen Hinweis auf die mögliche Ätiologie, erlaubt jedoch nicht mit gleich starker Evidenz, den kausalen Beweis zu führen.

Eine Hirnbiopsie ist bei einer akuten viralen Enzephalitis nur mehr selten notwendig, ggf. führt allerdings eine Hirnbiopsie bei chronischen Enzephalitiden (subakute, sklerosierende Panenzephalitis, SSPE; progressive multifokale Leukenzephalopathie, PML) zur Diagnose.

Die Polymerasekettenreaktion (PCR) steht für HSV-1, HSV-2, VZV, HHV-6 und -7, CMV, EBV, JCV, Enteroviren, HIV und Dengue-Viren zur Verfügung und kann sowohl im Liquor als auch im Hirngewebe angewandt werden. Bei einer Herpes-simplex-Enzephalitis beträgt die Sensitivität der PCR 96 % und die Spezifität 99 %, wenn der Liquor innerhalb von 2–10 Tagen nach Beginn der neurologischen Symptomatik gewonnen wurde. Multiplex-PCR-Techniken sowie Echtzeit-PCR sind als Alternative zu den Einzel-PCR-Tests verfügbar, sie haben das Potenzial einer nützlichen diagnostischen Screeningtechnik.

Serologie

Eine serologische Aufarbeitung des Liquor cerebrospinalis (dabei Liquor- und Serumproben parallel abnehmen!) ist durchaus von Nutzen, wenngleich der »klassische Titeranstieg« für die therapeutische Entscheidung viel zu spät kommt. Aus epidemiologischen und gesundheitspolitischen Gründen ist jedoch zu versuchen, unter allen Umständen auch post hoc die Diagnose zu sichern.

Differenzialdiagnose

Neben akuten bakteriellen Meningoenzephalitiden sind nicht- bzw. postinfektiöse Ursachen in die Differenzialdiagnose eines Patienten mit Verdacht auf Meningoenzephalitis einzubeziehen (Tab. 113.3; Daten von Steiner et al. 2010), z. B. akute demyelinisierende Enzephalomyelitis (ADEM), ZNS-Vaskulitis, Pseudomigräne mit Pleozytose etc. Bei Patienten mit einer Reiseanamnese – diese umfasst nicht nur tropische Länder (z. B. West-Nil-Virus, USA; Sandfliegenfieber, Toskana) –, sind auch spezifische regionale Erkrankungen miteinzubeziehen.

Tab. 113.3 Differenzialdiagnosen der Enzephalitis

1 Antivirale Therapie

Herpes-simplex-Enzephalitis (HSE)

Aciclovir ist das antivirale Therapeutikum der 1. Wahl bei Verdacht auf Herpes-simplex-Enzephalitis (HSV-1 beim Erwachsenen, HSV-2 beim Neugeborenen). Die Standarddosis ist 10 (–15) mg/kg KG i. v., alle (6–)8 h, die Dauer der Therapie beträgt 14 Tage. Die Dosis kann bis auf 60 mg/kg KG pro Tag erhöht werden, eine Dosis, die auch bei der neonatalen HSV-2-Enzephalitis empfohlen wird. Bei immunologisch nichtkompetenten Menschen sollte die Dauer der Therapie auf 21 Tage ausgedehnt werden.

Eine Aciclovirtherapie ist beim geringsten Verdacht auf eine Herpes-simplex-Enzephalitis sofort zu beginnen. Ohne antivirale Therapie hat die HSV-1-Enzephalitis eine Sterblichkeit von 70 % und eine Morbidität von fast 30 %. Ohne antivirale Therapie überlebt also kaum ein Patient, ohne dass er neurologische Langzeitfolgen davonträgt!

Die frühzeitige Initiierung einer Aciclovirtherapie reduziert die Sterblichkeit auf < 20 %. Höheres Lebensalter sowie initial (zum Zeitpunkt des Therapiebeginns) bereits bestehende Bewusstseinsstörungen sind prognostisch schlechte Prädiktoren. Bei entsprechend klinisch günstigem Verlauf und negativer Herpes-simplex-Virus-PCR kann die initial begonnene Aciclovirtherapie nach wenigen Tagen abgesetzt werden. Das Nebenwirkungsspektrum von Aciclovir ist insbesondere in den ersten Tagen vernachlässigbar gering.

Es gibt Einzelfallberichte über aciclovirresistente HSV-Infektionen bei Immunkompromittierten. Alternativ zum Aciclovir wird Foscarnet verwendet (60 mg/kg KG i. v. über 1 h infundiert, alle 8 h, Dauer mindestens 3 Wochen).

Andere virale Enzephalitiden

Eine CMV-Enzephalitis (üblicherweise beim immunologisch Inkompetenten) wird mit Ganciclovir (5 mg/kg KG, alle 12 h i. v.), eventuell mit Foscarnet (s. o.) kombiniert therapiert.

Die derzeit empfohlene Therapie für eine HHV-6-Enzephalitis ist Foscarnet (Dosis s. o.), eventuell Ganciclovir (Dosis s. o., nur für die B-Variante der HHV-6-Enzephalitis überprüft).

Antivirale Therapeutika stehen für enterovirale oder arbovirale Enzephalitiden derzeit nicht zur Verfügung. Einzelfallberichte existieren über erfolgreiche Therapie mit Oseltamivir sowie Rimantadine bei Verdacht auf H1N1-assoziierte Enzephalitis.

1 Adjuvante/supportive Therapien

Jeder Patient mit der klinischen Symptomatik einer Enzephalitis muss monitorisiert werden, d. h., er ist überwachungs- oder intensivtherapiepflichtig.

Frühzeitiges Erkennen einer Hirndrucksymptomatik, einer Ateminsuffizienz etc. ist bei intensivmedizinischem Monitoring am ehesten gewährleistet. Fulminante Enzephalitiden führen zur Erhöhung des Hirndruckes, das Management entspricht den gängigen Methoden (Oberkörperhochlagerung, vorsichtige kurzfristige Hyperventilation, Osmotherapie). Im Einzelfall konnte eine dekompressive Kraniotomie bei massivem Hirnödem im Rahmen einer Enzephalitis nicht nur das Überleben, sondern sogar ein qualitativ gutes Überleben sichern.

Kortikosteroide werden derzeit nicht empfohlen, wenngleich in Einzelfallberichten eine Methylprednisolon-Hochdosistherapie bei Enzephalitiden als durchaus erfolgreich beschrieben wurde. Der Nutzen einer adjuvanten Dexamethasontherapie bei HSV-1-Enzephalitis ist bisher nicht erwiesen.

Epileptische Anfälle sind intensivmedizinisch (Analgosedierung mit Propofol, Midazolam etc.) keine echte Herausforderung. Sie sollten jedoch, insbesondere bei Auftreten in Serien antikonvulsiv therapiert werden. Die atemdepressive Wirkung von Benzodiazepinen bzw. die potenziell arrhythmogene Wirkung von Phenytoin (im Rahmen einer Virämie kommt es gelegentlich zu einer Begleitmyokarditis!) muss dabei berücksichtigt werden. Eine begleitende Hepatitis erfordert ebenfalls den vorsichtigen Umgang mit potenziell hepatotoxischen Substanzen (z. B. Valproinsäure).

Autoimmunenzephalitiden stellen zunehmend mehr wichtige behandlungsbedürftige und behandlungsmögliche Differenzialdiagnosen dar (Tab. 113.3). Frühes Erkennen, systemische und allgemein intensivmedizinische Betreuung sowie Hochdosis-Kortikosteroide, 7S-Immunglobuline oder Plasmapherese und symptomatische Therapie der massiven potenziell lebensbedrohlichen Unruhebewegungen sind Grundlage einer relativ guten Prognose dieser Autoimmunenzephalitiden.

2 Akute bakterielle Meningitis

Eine akute bakterielle Meningitis ist ein medizinischer Notfall und muss in kürzester Zeit diagnostisch geklärt und antibiotisch behandelt werden. Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken) und Neisseria meningitidis (Meningokokken) sind die häufigsten Erreger der bakteriellen Hirnhautentzündung. Diese ist eine lebensbedrohliche Erkrankung (bis zu 30 % Letalität). Überlebende leiden häufig an neurologischen und neuropsychologischen Defiziten. Eine rasche Behandlung und eine kompetente spezialisierte Intensivmedizin können die Prognose deutlich verbessern.

2 Definition

Unter Meningitis versteht man eine Entzündung der weichen Hirnhäute, die mit der Ausbreitung des (bakteriellen) Erregers im Liquor, im Ventrikelsystem und im Spinalkanal verbunden ist. Häufig betrifft die Entzündung auch das Hirnparenchym (Zerebritis, Hirnabszess).

2 Epidemiologie und klinische Bedeutung

Die Inzidenz der bakteriellen Meningitis beträgt 1 bis > 12/100.000 pro Jahr, mit erheblichen regionalen Unterschieden.

Das Risiko, an einer Meningitis zu erkranken, ist besonders hoch bei unter 5- und über 60-Jährigen, sowie bei Patienten mit prädisponierenden Faktoren wie Splenektomie, Diabetes mellitus, Alkoholerkrankung oder bei Neoplasien.

Durch erfolgreiche Impfprogramme hat sich eine Veränderung der Epidemiologie ergeben. Der früher wichtige Erreger Haemophilus influenzae Typ B im Kindesalter ist in Europa nun extrem selten. Neuerdings beobachtet man durch den Einsatz konjugierter Pneumokokkenimpfstoffe auch einen Rückgang der Pneumokokkenerkrankung. Die häufigsten Erreger im Kindes- und Erwachsenenalter sind Pneumo- und Meningokokken sowie deutlich seltener Listerien (ca. 5 %), bei Neugeborenen Gruppe-B-Streptokokken und Kolibakterien. Meningokokken sind die bedeutendsten Erreger im tropischen Afrika, sind aber auch wichtig in Europa und USA.

Weltweit gibt es ungefähr 300.000 Erkrankungen pro Jahr, etwa 20.000 Patienten versterben. Die höchste Inzidenz wird im »Meningitisgürtel« südlich der Sahara mit zyklischen Epidemien beobachtet, wenngleich die Einführung flächendeckender Impfprogramme die Inzidenz von H. influenzae B und Meningokokken-Serotyp-A-Meningitis deutlich senken konnte. Ein bedeutendes Problem in einzelnen Regionen ist die zunehmende Resistenz von Pneumokokken gegen β-Laktam-Antibiotika. Bei in Mitteleuropa ambulant erworbenen Pneumokokken und bei Meningokokken (weltweit) besteht heute noch kein relevantes Resistenzproblem.

2 Pathogenese und Klinik

Vermutlich ist eine Bakteriämie Voraussetzung für die bakterielle Penetration der Blut-Hirn-Schranke. Auch lokales Eindringen, z. B. aus ZNS-nahen Infektionen (Sinusitis, Otitis, Mastoiditis), ist möglich.

Die initialen klinischen Zeichen der bakteriellen Meningitis sind unspezifisch. Die Patienten präsentieren sich mit Fieber, allgemeinem Krankheitsgefühl sowie Kopfschmerzen und entwickeln dann, oft sehr rasch, ein meningeales Syndrom mit Meningismus (Nackensteifigkeit), Fotophobie, Phonophobie und Erbrechen. Kopfschmerz und Meningismus sind Zeichen der entzündlichen Irritation trigeminaler sensorischer Nervenfasern, welche die Meningen innervieren.

Der Meningismus kann in der frühen Phase der Erkrankung, bei tief komatösen Patienten, sehr kleinen Kindern und sehr alten Patienten fehlen. Cave: Die klassische Trias aus Fieber, Nackensteifigkeit und quantitativer Bewusstseinsstörung ist nur etwa bei jedem zweiten Patienten mit nachgewiesener bakterieller Meningitis vorhanden! Ein Drittel der Patienten entwickelt fokal neurologische Zeichen und/oder epileptische Anfälle. Zwei Drittel haben eine gestörte Bewusstseinslage, diese kann sowohl qualitativ (verwirrt, delirant etc.) als auch quantitativ (Somnolenz bis Koma) gestört sein.

Wichtig ist die rasche Inspektion der Haut und Schleimhäute. Petechiale Blutungen sprechen für eine Meningokokkenerkrankung, die fulminant als Sepsis mit Schock und disseminierter intravaskulärer Gerinnungsstörung (Purpura fulminans – Waterhouse-Friderichsen-Syndrom, Abb. 113.1 sowie Abb. 111.5) verlaufen kann (Kap. 111). In Deutschland müssen Patienten mit Verdacht auf Meningokokkenmeningitis 24 h isoliert werden (www.rki.de).

Abb. 113.1
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Waterhouse-Friderichsen-Syndrom: fulminante Meningokokkensepsis

Eine Meningitis kann selten eine wegweisende Manifestation einer bakteriellen Endokarditis sein, insbesondere dann, wenn untypische Erreger, wie z. B. S. aureus im Liquor isoliert werden. Selten wird eine Pneumokokkenmeningitis, eine Endokarditis und eine Pneumonie gleichzeitig als Austrian-Syndrom diagnostiziert.

2 Diagnostisches Vorgehen

Bei klinischem Verdacht darf die Durchführung einer kraniellen Computertomografie (cCT) zur Reduktion des Herniationrisikos durch Hirndruck (bei der Lumbalpunktion [LP]) die Therapie nicht verzögern. Cave: Jede Beeinträchtigung der Bewusstseinslage und eine neurologische Herdsymptomatik verbieten eine LP! Bei Zeichen einer Sepsis oder bei petechialen Hautblutungen muss ebenfalls nach Abnahme einer Blutkultur sofort, d. h. vor LP und CT, mit der antibiotischen Therapie begonnen werden!

In der kraniellen Bildgebung zeigen sich bei bis zu 15 % frühe intrakranielle Komplikationen wie Hydro-/Pyozephalus und Hirnödem, selten hypodense Läsionen als Ausdruck einer Vaskulitis oder einer septischen Hirnvenen-/Sinusthrombose, selten Abszedierungen. Wichtig ist die bildgebende Erfassung möglicher Ursachen, wie Sinusitis, Mastoiditis und anderer knöcherner Defekte als Eintrittspforte (Knochenfensterdarstellung ist essenziell). Das MRT bringt in der Akutdiagnostik keine Vorteile gegenüber einem CT und verzögert den diagnostischen Ablauf.

Im Liquor findet sich eine Erhöhung der Zellzahl auf über 1000/µl mit > 90 % neutrophilen Granulozyten. In sehr frühen Erkrankungsphasen kann die Zellzahl unter 100/µl liegen. Bereits die einmalige Gabe eines Antibiotikums verändert die Zusammensetzung der Liquorpleozytose bei Zunahme des lymphozytären Anteils. Auch durch Listerien und Mykobakterien hervorgerufene akute Meningitiden präsentieren sich mit einer gemischten Pleozytose und Zellzahlen unter 350/µl.

In deutlich über 50 % findet sich ein massiv erniedrigtes Liquor-Serum-Glukose-Verhältnis < 0,3. Eine Laktatkonzentration > 3,5 mmol/l hat einen vergleichbar hohen diagnostischen Stellenwert und ist in 90 % mit einer bakteriellen Meningitis assoziiert.

Labor und Mikrobiologie

Eine Leukozytose mit einer Linksverschiebung dominiert das Blutbild. Ein normales C-reaktives Protein schließt eine bakterielle Meningitis nahezu aus. Die Wertigkeit von Procalcitonin (> 0,5 ng/ml) ist für die frühe Diagnose und den Verlauf der bakteriellen Meningitis unklar, allerdings zur Erfassung einer bakteriellen Sepsis gut geeignet.

  • Liquorkultur/Grampräparat, Blutkultur: Bei nicht anbehandelten Patienten ist im Grampräparat des Liquors bei 70–90 % der Erregernachweis möglich. Der Erregernachweis aus der Liquorkultur gelingt bei optimalem Probenhandling in etwa 80 %. Blutkulturen sind in bis zu 70 % positiv. Die Erregerkultur erlaubt die Resistenztestung.

  • Agglutinationsschnelltests: Damit können Antigene der häufigen Meningitiserreger mit hoher Spezifität, allerdings mit niedriger Sensitivität rasch nachgewiesen werden. Die Tests sind in der klinischen Routine von untergeordneter Bedeutung.

  • PCR: Sie hat beim Nachweis bakterieller Erkrankungen, insbesondere bei den relevanten Erregern wie Pneumokokken, Meningokokken und Listerien nur eine untergeordnete Bedeutung. Die molekularen Techniken eignen sich zum Nachweis von Meningokokken, haben aber für die akute Diagnostik der bakteriellen Meningitis keinen Wert.

2 Therapie

Die empirische antibiotische Therapie muss dringlich nach Liquorpunktion bzw., wenn nötig, bereits vor dieser begonnen werden. In den meisten Fällen muss initial daher die Erregerwahrscheinlichkeit kalkuliert behandelt werden (Tab. 113.4). Nach Erregernachweis und Antibiogramm ist eine entsprechende Therapiemodifikation anzustreben.

Tab. 113.4 Kalkulierte Antibiotikatherapie bei eitriger Meningitis in Mitteleuropa

Adjuvante Therapie

Dexamethason reduziert bei europäischen Patienten, die älter als 55 Jahre sind, Mortalität und Morbidität (4× 10 mg täglich an den ersten 4 Erkrankungstagen). Dieser Kortisoneffekt ist nur bei der Pneumokokkenätiologie zu sehen. Anzustreben ist die Verabreichung vor oder zeitgleich mit der 1. Dosis der antibiotischen Therapie.

Wichtig sind Allgemeinmaßnahmen wie eine 30°-Kopfhochlagerung, Analgosedierung, Verabreichung antikonvulsiver Medikamente bei symptomatischen fokalen epileptischen Anfällen, Fiebersenkung, Optimierung des Stoffwechsels (Glukose etc.) und der Oxygenierung. Insbesondere das Management von Komplikationen bedarf spezialisierter neurologischer Intensivmedizin. Eine kontinuierliche Osmotherapie (Mannit, Glyzerol) wird in der Akutphase der akuten bakteriellen Meningitis nicht empfohlen und trägt möglicherweise zur Verschlechterung der Prognose bei. Ein hirndruckbasiertes neurointensivmedizinisches Management konnte in einer prospektiven randomisierten Studie als signifikant Prognose verbessernd gezeigt werden.

Behandlungsverlauf, Komplikationen und Prognose

Der Behandlungserfolg äußert sich meist in einer raschen klinischen Besserung des Patienten. Eine Liquorpunktion nach 24–48 h ist sinnvoll, um die Erregerelimination zu beweisen. Bei persistierendem Erregernachweis ist je nach gewonnenem Antibiogramm rasch ein Wechsel des Antibiotikums anzustreben. Bei unkompliziertem Behandlungsverlauf dauert die Therapie 1 Woche bei Meningokokken, 2 Wochen bei Pneumokokken und 3 Wochen bei Listerien, Staphylokokken und gramnegativen Enterobakterien.

Eine persistierende, mäßiggradige Schrankenstörung kann bei Patienten nach akuter ZNS-Infektion für einige Wochen bestehen und ist kein Hinweis auf ein Therapieversagen. Bei entsprechender klinischer Besserung ist eine Liquoruntersuchung im späteren Verlauf oder vor Absetzen der Antibiose nicht sinnvoll.

Zur schlechten Prognose tragen intrakranielle Komplikationen wie Hirnödem, Hydrozephalus, vaskuläre Komplikationen (Arteriitis, Autoregulationsstörung, Sinusthrombose) und systemische Komplikationen wie septischer Schock, Verbrauchskoagulopathie, Lungenversagen (ARDS) sowie inadäquate ADH-Sekretion bei. Die Mortalität der bakteriellen Meningitis beträgt 5–35 %; bis zu 50 % der Überlebenden kehren nicht an ihren Arbeitsplatz zurück.

Prognostische Faktoren sind der auslösende Erreger, höheres Lebensalter, Verlaufsformen, die sich durch eine geringe Zellzahl bei einer sehr hohen Bakteriendichte im Liquor zeigen, insbesondere aber ein verzögerter Behandlungsbeginn.

3 Hirnabszess

3 Definition

Der Hirnabszess ist eine lokal begrenzte Infektion des Hirngewebes, die zunächst als fokale Enzephalitis beginnt und die sich im weiteren Verlauf langsam zu einer Eiteransammlung mit einer bindegewebigen Kapsel entwickelt.

3 Epidemiologie

Die jährliche Inzidenz des Hirnabszesses, der in jedem Lebensalter vorkommen kann, beträgt zwischen 0,3 und 3 pro 100.000 Einwohner. In den meisten Studien überwiegen männliche Patienten. Die Inkubationszeit variiert beträchtlich; meist beträgt sie 1–2 Wochen nach Infektion durch das Pathogen. Nach einem Trauma kann ein Hirnabszess aber auch erst nach Monaten oder Jahren entstehen.

3 Pathogenese

Im Zentrum des Entzündungsherds kommt es zur Gewebeeinschmelzung; in der Folge entsteht eine Abszesshöhle, die mit der Zeit eine Abszesskapsel ausbildet. Durch den Druck des Abszesses auf das umgebende Gewebe sowie infolge der Entzündungsreaktion bildet sich in der Umgebung des Abszesses ein Ödem. Dieses kann wesentlich größer als der Abszess selber sein, auf umgebende Strukturen wirken und damit für die Symptomatik hauptverantwortlich sein.

Hirnabszesse treten in 70–90 % singulär auf. Die häufigste Lokalisation ist der Frontallappen, gefolgt vom Temporallappen.

Ursachen, Entstehungswege, Erregerspektrum

Die Erreger eines Hirnabszesses können das Hirngewebe als Folge einer hämatogenen Keimverschleppung oder ausgehend von Nachbarschaftsprozessen (per continuitatem) erreichen. Von einer Otitis media, Mastoiditis, dentogenen Herden oder einer Sinusitis ausgehend kann der entzündliche Prozess auf das Hirngewebe übergreifen. Solche fortgeleiteten Hirnabszesse finden sich vorwiegend im Stirn- und Schläfenlappen.

Bei offenem Schädel-Hirn-Trauma (posttraumatisch) oder nach neurochirurgischen Eingriffen (postoperativ) können Erreger aber auch direkt nach intrakraniell gelangt sein. Liegen versprengte Fremdkörper (posttraumatisch, postoperativ) vor, können sie überall entstehen, auch in der Tiefe.

Etwa 30–60 % werden aus einer in der Umgebung liegenden Infektion fortgeleitet, 20–30 % sind (post)traumatisch bedingt und 10–20 % entstehen hämatogen. Bei 10–30 % der Betroffenen lässt sich je nach untersuchter Kohorte die Ursache des Hirnabszesses nicht bestimmen. Tab. 113.5 fasst die Ursachen für die Entstehung eines Hirnabszesses zusammen.

Tab. 113.5 Entstehung eines Hirnabszesses

Die verursachenden Erreger variieren je nach Grunderkrankung. Häufigste Erreger sind Streptokokken, Bacteroides spp. und Staphylokokken.

Für jeden Infektionsweg gibt es typische Erregerkeime: beim otogenen Abszess Bacteroides, Streptokokken und Proteus, bei der Sinusitis Strepto- und Staphylokokken und beim posttraumatischen und postoperativen Abszess Staphylokokken, eventuell gramnegative Stäbchen. Daher müssen die Grundkrankheiten und Infektionswege in die Überlegungen zur empirischen Therapie einfließen.

Typisch für den Hirnabszess sind v. a. jedoch Mischinfektionen aus aeroben und anaeroben Bakterien. Bei ungeeigneter Aufarbeitung des entnommenen Abszessinhalts wird die Häufigkeit von Infektionen mit Anaerobiern bzw. aeroben/anaeroben Mischinfektionen unterschätzt.

Bei immunkompromittierten Patienten können Hirnabszesse auch durch völlig andere Erreger, z. B. Nocardien, Pilze sowie Mykobakterien verursacht werden. Liegt eine entsprechende Reise- oder Expositionsanamnese vor, können in seltenen Fällen auch Protozoen (z. B. freilebende Amöben) einen Hirnabszess verursachen.

3 Klinik

Die klinische Symptomatik des Hirnabszesses wird durch seine Lokalisation und Größe, die Anzahl der Läsionen, die Virulenz der Erreger, das Alter des Patienten und dessen Immunstatus bestimmt und ist anfänglich oft unspezifisch (Tab. 113.6).

Tab. 113.6 Symptomatik bei Hirnabszess. Cave: Diese ist oft unspezifisch! Leukozytose, BSG-Erhöhung und Fieber sind nicht obligat!

Häufigstes klinisches Symptom ist Kopfschmerz (ca. 80 %), nicht selten vergesellschaftet mit Übelkeit und Erbrechen, Zeichen für den erhöhten intrakraniellen Druck. Bei 25–35 % ist die Symptomatik mit dem Auftreten fokaler oder generalisierter epileptischer Anfälle verbunden. Höheres Fieber ist nur in 50 % vorhanden. Bewusstseinsstörungen und/oder neurologische Herdsymptome wie Hemiparese, Sprach- oder Sehstörungen treten bei 30–60 % der Kranken auf. Bewusstseinsstörungen sind der stärkste Prädiktor für schlechtes Outcome bzw. erhöhte Mortalität.

3 Diagnostisches Vorgehen

C-reaktives Protein ist bei 70–90 % der Patienten erhöht, andere Entzündungsparameter wie eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit oder Leukozytose fehlen häufig.

Die Liquorveränderungen sind unspezifisch (leichte bismäßige Pleozytose, Proteinerhöhung). Nur sehr selten sind beim Hirnabszess im Liquor Erreger nachweisbar. Bei raumfordernden Abszessen ist die Lumbalpunktion wegen der Gefahr der Herniation kontraindiziert.

Die kranielle Bildgebung (CT oder MRT) mit Applikation von Kontrastmittel (KM) ist der goldene diagnostische Standard; ein Abszess kann aber differenzialdiagnostisch schwer von anderen Läsionen wie z. B. Metastasen, Hirntumoren oder Strahlennekrosen zu unterscheiden sein (Tab. 113.7). Die KM-Applikation gibt Anhaltspunkte für das Alter des Prozesses. 4 Stadien der Abszessentwicklung werden unterschieden:

  1. 1.

    Die frühe »Zerebritis« zeigt sich als unscharf begrenzte Hypodensität ohne KM-Anreicherung.

  2. 2.

    Die späte »Zerebritis« ist eine Hypodensität mit zentraler flauer KM-Anreicherung.

  3. 3.

    Die frühe Kapselbildung ist gekennzeichnet durch eine scharf begrenzte, ringförmige KM-Anreicherung.

  4. 4.

    Bei der späten Kapselbildung ist die Kapsel bereits im Nativ-CT als flaue Hyperdensität mit zentraler Hypodensität sichtbar. Nach KM-Gabe zeigt sich eine scharf begrenzte ringförmige Anreicherung in der Kapsel (Abb. 113.2).

Abb. 113.2a–d
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MRT bei Hirnabszess. a T1 ohne Kontrastmittel (KM), b Diffusionsgewichtung, c T1 mit KM, d T2-Gewichtung (mit freundl. Genehmigung von Gabriele Wurm, Wagner Jauregg KH, Linz, Österreich)

Tab. 113.7 Differenzialdiagnosen bei Hirnabszess

3 Therapie

Das therapeutische Vorgehen bei nachgewiesenem oder vermutetem Hirnabszess wird bis heute kontrovers diskutiert. Die Sanierung eines eventuell bestehenden Fokus soll möglichst früh erfolgen, d. h. unmittelbar vor oder nach dem operativen Angehen des zerebralen Herdes. Auch hierbei muss Material für die Erregeridentifikation asserviert werden.

Die Therapie ist in der Regel kombiniert operativ (Abszessaspiration oder offenes neurochirurgisches Vorgehen) und antibiotisch. Gelingt kein Erregernachweis, richtet sich die antibiotische Therapie nach der Ursache bzw. der Eintrittspforte. Eine alleinige Antibiotikatherapie zur Abszessbehandlung ist gerechtfertigt, wenn multiple, tief gelegene und/oder kleine Abszesse (Durchmesser deutlich < 3 cm) vorliegen.

Bei ambulant erworbenem Hirnabszess und unbekanntem Erreger wird als empirische antibiotische Therapie die hochdosierte Gabe eines Cephalosporins der 3. Generation kombiniert mit Metronidazol und einem gut gegen Staphylokokken wirksamen Antibiotikum (z. B. Flucloxacillin, Rifampicin, Fosfomycin oder Vancomycin) empfohlen. Bei postoperativen bzw. posttraumatischen Abszessen wird als empirische Therapie ebenfalls ein Cephalosporin der 3. Generation plus Metronidazol plus Vancomycin (alternativ Fosfomycin oder Linezolid) empfohlen.

Die Antibiotikatherapie des Hirnabszesses erstreckt sich über mindestens 4–8 Wochen, je nach klinischem und bildgebendem Verlauf, Abszesslage und -größe sowie Art des chirurgischen Vorgehens.

Für die Erregeridentifikation sind Blutkulturen sowie die rasche Gewinnung von Abszessinhalt durch Punktion, Drainage oder Abszessexzision entscheidend, möglichst vor Beginn der 1. Antibiotikagabe.

Cave: Es ist beim Hirnabszess nicht zulässig, nur den in der Blutkultur nachgewiesenen Erreger zu therapieren. Bei Mischinfektionen lassen sich insbesondere Anaerobier aus der Blutkultur oft nicht anzüchten.

Für Patienten mit solitären Abszessen, die erfolgreich punktiert oder exzidiert wurden, sind CT- bzw. MR-Kontrollen alle 1–2 Wochen ausreichend. Eine verzögerte Rückbildung der Kontrastmittelanreicherung der in situ verbliebenen Abszesskapsel ist normal und kein Hinweis auf ein drohendes Rezidiv.

Die Abszessexzision mit Entfernung der Kapsel ist dann indiziert, wenn der Abszess gekammert ist, oder sich im Abszessbereich Fremdkörper bzw. Knochensplitter befinden, Abszesse mit fester Konsistenz (Pilz-, Mykobakterien- oder Actinomyces-Genese) vorliegen oder eine massive intrakranielle Raumforderung besteht.

Die Fokussuche schließt Inspektion der Mundhöhle, Erhebung des Zahnstatus, Untersuchung von Rachen und Gehörgang sowie CT-Aufnahmen von Schädelbasis, Nasennebenhöhlen, Mastoid und Mittelohr ein. Bei Verdacht auf einen von einer Infektion der Umgebung fortgeleiteten Abszess sollte die Fokussuche im Vorfeld des neurochirurgischen Eingriffs erfolgen, um eine gleichzeitige operative Sanierung von Fokus und Abszess zu ermöglichen. Sind Nachbarschaftsprozesse ausgeschlossen, muss an einen kardialen, pulmonalen, kutanen oder ossären Primärherd gedacht und müssen entsprechende Zusatzuntersuchungen durchgeführt werden.

Tab. 113.8 fasst die Therapieoptionen bei Hirnabszess kurz zusammen.

Tab. 113.8 Therapieoptionen bei Hirnabszess

3 Verlauf und Prognose

Bevor Antibiotika eingeführt wurden, war ein Hirnabszess fast immer tödlich. Die Möglichkeiten der antibiotischen Therapie und Fortschritte in der Diagnostik durch moderne Bildgebung senkten die Letalität dramatisch auf heute 5–15 %. Die Antibiotikatherapie erstreckt sich mindestens über 4–8 Wochen. Während dieser Zeit sind Kontroll-MRT-Aufnahmen notwendig.

Etwa 50 % dürfen eine Restitutio ad integrum erwarten. Bei etwa 5 % bildet sich trotz vorerst erfolgreicher Behandlung des Hirnabszesses ein Rezidiv aus. Weitere Komplikationen im Verlauf sind maligne Hirnschwellung mit Einklemmung, Ruptur in das Ventrikelsystem mit Ventrikulitis und eine fulminante Meningitis. Sie gehen alle mit hoher Mortalität einher.

4 Chronische Meningitis

Die chronische Meningitis zählt zu den seltenen Erkrankungen. Genaue Inzidenzzahlen sind nicht bekannt, beim Immuninkompetenten ist jedoch häufiger an diese Erkrankung zu denken als beim Immunkompetenten. Aufgrund der initial oft unspezifischen Symptome vergehen bei vielen Patienten oft Wochen bis Monate bis zur definitiven Diagnosestellung. Häufig sind im Vorfeld bereits andere Diagnosen gestellt, Zusatzuntersuchungen eingeleitet, verschiedene Spezialisten konsultiert und diverse Behandlungen eingeleitet worden.

4 Definition und klinische Präsentation

Die Definition einer chronischen Meningitis geht auf J. J. Ellner und J. E. Bennet im Jahre 1976 zurück. Sie beschrieben diese als meningeale Irritation bzw. Inflammation, die zu einer Pleozytose im Liquor führt und länger als 4 Wochen besteht.

Klinisch präsentieren sich die Patienten mit einer subakut beginnenden Meningitis – ein akuter Beginn ist gelegentlich jedoch möglich – mit persistierenden, im Verlauf therapierefraktären Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit und subfebrilen Temperaturen. Fieber und allgemeines Krankheitsgefühl sind bei einer chronischen Meningitis in der Regel nur milde vorhanden. Im Vordergrund der somatischen Beeinträchtigung stehen die therapierefraktären Kopfschmerzen.

Bei Fortschreiten der Erkrankung kommt es häufig zum Übergreifen der Infektion von den Meningen auf das Hirngewebe, sodass zusätzlich neurologische Herdsymptome und epileptische Anfälle auftreten können. Eine Begleitvaskulitis oder ein Hydrocephalus occlusus können zu einer akuten Verschlechterung und einer vital bedrohlichen Situation führen. Seh- und Schluckstörungen sind Hinweise für eine vorwiegende Inflammation basaler meningealer Strukturen mit Infiltration der Hirnnerven.

4 Ätiologie und Pathogenese

Primär ist zwischen infektiösen und nichtinfektiösen Ursachen zu unterscheiden (Tab. 113.9). Verschiedene pathogene Mechanismen können zur chronischen Inflammation der Meningen mit einer Pleozytose des Liquors führen:

  • Die Erreger können direkt Meningen, perivaskulären Raum und Hirngewebe infiltrieren, während z. B. Tuberkulosebakterien eine Granulombildung in den Meningen und im Hirnparenchym begünstigen und damit neben dem meningealem Symptom auch fokal neurologische Herdsymptome verursachen.

  • Chemische Substanzen, Medikamente und systemische Infektionen (z. B. systemischer Lupus erythematodes) bewirken eine immunvermittelte/allergische chronische Meningitis mit inflammatorischer Reaktion der Meningen und von Teilen des Hirngewebes.

  • Eine wichtige nichtinfektiöse Ursache einer chronischen Meningitis ist des Weiteren die Meningeosis neoplastica (Meningeosis carcinomatosa, Meningeosis leucaemica, Meningeosis lymphomatosa): Meningen und Hirngewebe werden direkt von Tumorzellen infiltriert. Die Erkrankung zeigt meist einen fulminanten Verlauf und führt unbehandelt zum raschen Tod des Patienten.

Tab. 113.9 Wichtige Ursachen einer chronischen Meningitis

Aufgrund der Komplexität der möglichen Ursachen ist die Diagnosefindung oft schwierig, aufwendig und langwierig. In bis zu 30 % der Erkrankungen kann keine Ursache für die chronische Pleozytose eruiert werden.

4 Diagnostisches Vorgehen

Das breite Spektrum erregerassoziierter und nichterregerassoziierter Ursachen einer chronischen Meningitis erfordert in der Abklärung einen diagnostischen Algorithmus. Neben einer ausführlichen Anamnese (Exposition, Kontakt, Reiseanamnese, Medikamente) ist das exakte Erheben von Begleitsymptomen anderer Organe (Uveitis, Ulzera, Hauterscheinungen) oft wegweisend für weitere diagnostische Schritte.

Die Basisdiagnostik umfasst Blutanalyse, serologische und mikrobiologische Aufarbeitung des Liquors und neben der spezifischen zerebralen Bildgebung meist auch eine strukturelle Abklärung anderer Organe (Tab. 113.10, Tab. 113.11, jeweils unter Verwendung von Daten aus Akman-Demir 1999, Cheng 1994, Ellner 1976, Helbok 2009, Roos 2003, Schmutzhard 2000).

Tab. 113.10 Empfohlene Untersuchungen bei Patienten mit chronischer Meningitis
Tab. 113.11 Wichtige Differenzialdiagnosen der chronischen Meningitis und ihre diagnostische Abklärung

In unseren Breiten sind bei immunkompetenten Patienten Mycobacterium tuberculosis, eine chronische Entzündung parameningealer Strukturen und eine Meningeosis neoplastica die häufigsten Ursachen einer chronischen Meningitis.

Die 2 wichtigsten Differenzialdiagnosen bei Patienten mit chronischer Meningitis sind die ZNS-Tuberkulose und die Meningeosis carcinomatosa (Tab. 113.11).

Chronische Meningitis und Immunsuppression

Neben Infektionen mit opportunistischen Keimen sind steigende Inzidenzzahlen an chronischen Meningitiden in Zusammenhang mit der längeren Lebenserwartung von Patienten unter immunmodulatorischer Therapie bei Autoimmunerkrankungen und nach Organtransplantationen, bei HIV-Erkrankungen und unter zytostatischer Therapie bei Malignomerkrankungen zu sehen. Mycobacterium tuberculosis, Cryptococcus neoformans, Toxoplasma gondii, Zytomegalie- und JC-Virus sind die häufigsten Erreger beim immunkompromittierten Patienten.

Zerebrale Bildgebung (MRT, CT)

Sie ist bei Verdacht auf chronische Meningitis stets angezeigt und mit Kontrastverstärkung durchzuführen. Die meningeale Kontrastmittelaufnahme kann als indirektes Zeichen der Schwere der Inflammation gewertet werden, sie gibt zudem eine lokalisatorische Information der Entzündung (Abb. 113.3), stellt Granulombildungen dar, erlaubt die Beurteilung eines Hydrozephalus und vaskulitischer/hämorrhagischer Veränderungen. Die Bildgebung ist jedoch nicht diagnostisch.

Abb. 113.3
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Basale Kontrastmittelaufnahme (roter Pfeil) bei chronischer, basaler Meningitis (MRT, T1-Gewichtung mit Gadoliniumapplikation i. v.)

Liquoranalyse

Die Liquorgewinnung ist zur Diagnose und weiteren mikrobiologischen und serologischen Aufarbeitung einer chronischen Meningitis essenziell. Die Liquoranalyse ist unspezifisch, zeigt vorwiegend eine lymphozytäre Pleozytose und eine Proteinerhöhung; das Liquor-Serum-Glukose-Verhältnis kann sowohl normal als auch erniedrigt sein.

Mikrobiologie, Serologie

Bei der mikrobiologischen Aufarbeitung ist neben den Standardfärbungen (Gram, Methylenblau) auf die spezifischen Färbungen bei Verdacht auf Mykobakterien (Ziehl-Neelsen-Färbung) und Pilzen (Tuschepräparat) zu achten. Der Nachweis von Virus-DNA mittels PCR ermöglicht für einige infektiöse Erreger einer chronischen Meningitis eine rasche Diagnostik. Sensitivität und Spezifität der Tests sind jedoch für die einzelnen Erreger stets zu beachten. Für viele infektiöse Erreger, insbesondere Pilze und Würmer, sind weiterhin nur serologische Untersuchungsmethoden vorhanden. Diagnostisch aussagekräftig sind der Anstieg erregerspezifischer, intrathekal gebildeter Immunglobuline (Titerbewegungen) während des Krankheitsverlaufs bzw. extrem hohe Titer. Da diese intrathekale IG-Synthese erst nach 2 Wochen eintreten kann, ist die Untersuchung für die Akutdiagnostik oft nicht hilfreich.

Histologie

Mittels FACS-Analyse und histologischer Aufarbeitung des Liquors können leukämische Zellen bzw. solide Tumorzellen nachgewiesen werden. Für eine FACS-Analyse ist jedoch eine hohe Zelldichte im Liquor erforderlich.

Meningen-/Hirnbiopsie

Eine Meningen- oder Hirnbiopsie wird heute nur mehr in Ausnahmefällen angestrebt. Erst nach wiederholter umfassender negativer Liquordiagnostik kann eine Biopsie einer kontrastmittelaufnehmenden Läsion zielführend sein.

4.1 In Kürze

4.1.1 Infektionen des ZNS

Virale (Meningo-)Enzephalitis

Bei geringstem Verdacht antivirale Therapie mit Aciclovir.

Akute bakterielle Meningitis

Sofortige antibiotische Therapie ist der wesentlichste prognostische Faktor.

Hirnabszess

Neurochirurgische Intervention ab 3 cm Durchmesser meist unverzichtbar.

Chronische Meningitis

Tuberkulose und Meningeosis neoplastica sind die wichtigsten Ursachen.