7.1 Motivation und Vorgehensweise

Die Analyse von Abweichungen ist eine der zentralen Aufgaben der internen, prozessabhängigenFootnote 1 betrieblichen Kontrolle. Ziel der Abweichungsanalyse ist es zunächst, Unwirtschaftlichkeiten bei der Leistungserstellung durch den Vergleiche realisierter Größen (Istgrößen) mit ihren jeweils vorab festgelegten Vorgabegrößen (Vergleich- oder Sollgrößen) aufzudecken, indem aufgetretene Abweichungen berechnet werden (Abweichungsermittlung). Daran schließt sich die eigentliche Analyse der ermittelten Abweichungen an. Dabei sollen Steuerungsinformationen generiert werden, welche Aufschlüsse über Verbesserungen in der betrieblichen Planung und der Ausführung geben können. Im Ergebnis sollen Abweichungsanalysen die Grundlage legen für die Verhaltensbeeinflussung im Sinne einer Verbesserung der unternehmerischen Planung bzw. zur Verbesserung der Ausführungsdisziplin, also der Einhaltung der Vorgaben. Die mit der Abweichungsanalyse durchgeführt Kontrolle hat damit eine Auslösefunktion für betriebliche Dispositionen. Voraussetzung dafür ist die Zuweisung einer Abweichung zu einer Abweichungsverursachungsinstanz. Zu trennen ist die Abweichungsverursachung von der Abweichungsverantwortung. Die Abweichung kann etwa von einem Mitarbeiter einer Kostenstelle verursacht sein, die Verantwortung dafür mag aber beim zuständigen Kostenstellenleiter liegen.

Die Vorgehensweise bei der Ermittlung von Abweichungen hängt vom Kostenrechnungssystem des Unternehmens ab. Je nach Kostenrechnungssystem treten die gleichen Abweichungen auf oder aber es gibt Abweichungen, die nur bei bestimmten Kostenrechnungssystemen überhaupt erst auftreten können.Footnote 2 Abb. 7.1 fasst den Ablauf der Abweichungsanalyse zusammen.

Abb. 7.1
figure 1

Vorgehensweise der Abweichungsanalyse

7.2 Systematisierung und Grundprobleme der Abweichungsanalyse

Die Abweichungsanalyse setzt sich aus insgesamt drei Bereichen zusammen. Dies sind die Mengenabweichungen und Preisabweichungen als Primärabweichungen sowie die Sekundärabweichungen. Die Primärabweichungen knüpfen an jene beiden Komponenten an, welche die entstandenen Kosten insgesamt determinieren, nämlich die multiplikative Verknüpfung der Ressourcenpreise mit den eingesetzten Ressourcenmengen. Daher wird die Durchführung von Abweichungsanalysen auch als Kostenkontrolle bezeichnet. Sekundärabweichungen, die auch als Abweichungen zweiten Grades bezeichnet werden, können wohl ermittelt, nicht aber in eine Mengen- und in eine Preisabweichung aufgespalten werden. Das Grundproblem der Abweichungsanalysen entsteht bei mehreren parallel auftretenden Abweichungen. Dadurch entstehende Abweichungsüberlappungen, die sich dann einer eindeutigen Identifizierung einer Abweichungsursache entziehen können. Ziel von Abweichungsanalysen bleibt allerdings grundsätzlich, die Abweichungen in ihre Einflussgrößen aufzuspalten, um damit zu lokalisieren, wo unternehmerischer Handlungsbedarf besteht. Die Gesamtabweichung umfasst zunächst die Gesamtdifferenz aus Ist- und Plankosten. Die Aufspaltung in einzelne Abweichungskategorien zur Durchführung von Abweichungsanalysen dient dabei auch der Vermeidung von Saldierungseffekten innerhalb der Abweichungen, die den Blick auf die tatsächlichen Abweichungsursachen verdecken können.

7.3 Abweichungskategorien

7.3.1 Preis- und Mengenabweichungen

Unter einer Preisabweichung wird jene Abweichung zwischen Ist- und Plankosten verstanden, welche auf Unterschiede zwischen den geplanten und den tatsächlichen Preisen der verbrauchten Ressourcen zurückzuführen ist. Die Mengenabweichung ist definiert durch die Unterschiede zwischen geplanten und realisierten verbrauchten Mengen, die ursächlich für die Abweichung zwischen Ist- und Plankosten sind (Tab. 7.1).

Tab. 7.1 Beispiel einer Preis- und Mengenabweichung

Zur Präzisierung sei folgendes Beispiel gegeben:

Die Gesamtabweichung setzt sich aus einer Preis- und einer Mengenabweichung zusammen. Eine ausschließliche Fokussierung auf die Gesamtabweichung würde verkennen, dass die beiden Teilabweichungen saldiert Verzerrungen generieren können. Unter Inkaufnahme dieser Saldierungseffekte können dann falsche Entscheidungen getroffen werden. Die gemischte Abweichung entzieht sich zunächst einer eindeutigen Lokalisierung der Abweichungsursache. In weiteren Verfahren (vgl. Abschn.  7.3.3) können dann die gemischten Abweichungen behandelt werden.

7.3.2 Zentrale Abweichungen in der flexiblen Plankostenrechnung: Beschäftigungs- und Verbrauchsabweichungen

Die Beschäftigungsabweichung ermittelt bei der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis (vgl. Abschn.  6.4.3.2) die Abweichung zwischen SollkostenFootnote 3 und verrechneten Plankosten.Footnote 4 Sie ist Maß für die Auslastung der betrieblichen Fertigungskapazitäten. Bei positiver Beschäftigungsabweichung liegt eine Unterbeschäftigung vor und es werden Leerkosten der Istbeschäftigung als jener Teil der Fixkosten ausgewiesen, der auf die nicht genutzten Kapazitäten entfällt. Grundsätzlich kann die Verursachung einer Beschäftigungsabweichung nicht einer verantwortlichen Instanz im Unternehmen zugewiesen werden. Im Ergebnis müssen bei aufgedeckter Beschäftigungsabweichung Anpassungen der betrieblichen Kapazitäten erfolgen. Bei flexibler Plankostenrechnung auf Teilkostenbasis gibt es keine Beschäftigungsabweichung, da die Sollkosten mit den verrechneten Plankosten hier immer übereinstimmen.

Die positive Differenz zwischen Istkosten und Sollkosten, also die gegenüber den Sollkosten höher angefallenen Istkosten geben als Verbrauchsabweichungen Hinweise auf die durch unplanmäßige Ressourcenverbräuche entstandenen Mehrkosten. Liegen die Istkosten unter den Sollkosten, so sind durch wirtschaftliche Verhaltensweise weniger Kosten entstanden, als eigentlich selbst bei wirtschaftlichem Verhalten zu erwarten gewesen wären. Bei gegebener Ausgangslage weist die flexible Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis die Verbrauchsabweichung in gleicher Höhe aus, wie es die flexible Plankostenrechnung auf Teilkostenbasis täte. Verbrauchsabweichungen können vielfach einem Verursacher zugeordnet werden. Der Mehr- oder Minderverbrauch betrieblicher Ressourcen kann seine Begründung in wirtschaftlichem bzw. unwirtschaftlichem Ressourcenverbrauch haben, aber auch in veränderten Produktionsverfahren oder in geänderten Anforderungen an die Produktqualität. Gerade bei den zuletzt genannten Begründungen ist eine eindeutige Allokation der Verursachung nicht immer möglich.

Grafisch ergeben sich Beschäftigungs- und Verbrauchsabweichungen wie folgt (Abb. 7.2):

Abb. 7.2
figure 2

Verbrauchs- und Beschäftigungsabweichung grafisch

7.3.3 Konsequenzen aus Sekundärabweichungen

Für die Behandlung von Sekundärabweichungen als Ergebnis von Abweichungen aufgrund unterschiedlicher Faktoren haben sich verschiedene Verfahren etabliert. Die proportionale Abweichungsermittlungsmethode teilt die Gesamtabweichung proportional zur Höhe der Teilabweichungen auf die primären Abweichungen auf, während die symmetrische Methode die Sekundärabweichung zu gleichen Teilen auf die Preis- bzw. Mengenabweichung verteilt. Beide Verfahren verstoßen gegen die Verursachungsgerechtigkeit, da keine direkte Beziehung der zu verrechnenden Sekundärabweichung zu den Kostenfaktoren besteht, sondern über Schlüsselgrößen unabhängig von einer eindeutigen Kostenverursachung erfolgt. Insofern greifen hier die Vorbehalten gegen Vollkostenrechnungen analog.

Die Methoden der alternativen Abweichungsverrechnung (auf Istbasis, auf Planbasis) gehen davon aus, dass, alternativ, entweder nur bei Mengen oder nur bei Preisen Abweichungen zwischen geplanten und realisierten Werten auftreten. Für die jeweils nicht berücksichtigten Kostenbestimmungsfaktoren werden die realisierten (Istbasis) oder die geplanten (Planbasis) Werte übernommen. Die Abweichungen werden je nach Basis dann für jeden Kostenfaktor berechnet. Beide Verfahren lösen nicht das grundsätzliche Problem der verursachungsgerechten Zuordnung der Sekundärabweichung.

Die kumulative Verrechnung der Abweichungen gibt eine Reihenfolge der Kostendeterminanten vor. Für den in der Reihenfolge ersten Faktor werden, wenn erforderlich, Abweichungen zwischen Ist- und Planwerten ermittelt, während alle anderen Faktoren mit ihren Istwerten geführt werden. Bei der Ermittlung der in der Reihenfolge nächsten Abweichung wird der Effekt des ersten Kostenfaktors beibehalten (Kumulierungseffekt). Lediglich für den aktuell untersuchten Kostenfaktor werden wieder Abweichungen zwischen realisierten und geplanten Werten errechnet. Maßgebend für die Höhe der Einzelabweichungen ist also die Reihenfolge der isoliert betrachteten Teilabweichungen. Das grundsätzlich vorhandene Problem der Priorisierung innerhalb der Reihenfolge verbleibt beim Anwender des Verfahrens. Bei zwei Kostendeterminanten (Menge und Preis) wird die gesamte Sekundärabweichung der ersten Determinante zugerechnet.

Gegeben sei:

  • Unternehmen A produziert in einer Periode Gut A und plant dazu den Einsatz von 50 Stück der Ressource A.

  • Bei der Planung wird dem entsprechenden Einkaufsinformationssatz ein Beschaffungspreis von 200 € pro Stück entnommen.

  • In einem Abweichungsbericht wird festgestellt, dass 60 Stück der Ressource A verbraucht wurden.

  • Der Preis pro Stück beläuft sich nach Auskunft der Einkaufsabteilung auf 220 €.

Die Abweichungen gibt Tab. 7.2 wieder.

Tab. 7.2 Abweichungen im Beispiel

7.4 Weitere Ansätze zur Methodik von Abweichungsanalysen

7.4.1 Einordnung

Die Ergebnisabweichungsanalyse ermittelt die Ursachen von Abweichungen zwischen einem Planerfolg und einem realisierten Erfolg als Ergebnis der Gegenüberstellung zweier Determinanten, nämlich den Umsätzen einerseits und den Kosten andererseits. Sowohl die Umsätze als auch die Kosten werden von zwei Faktoren beeinflusst. Dies sind Preise und Mengen. Die Umsatzabweichung fokussiert auf die Mengen- und Preisabweichungen zwischen realisierten und geplanten Umsätzen. Die Kostenabweichung untersucht die Mengen- und Preisabweichungen in den Kosten.

7.4.2 Umsatzabweichungsanalysen

Die Umsatzabweichungsanalyse setzt an auf Abweichungen im Preis für die Leistungsverwertung bzw. auf Abweichungen bei der Absatzmenge. Die Umsatzabweichung kann, wie gezeigt, Teilabweichungen beinhalten. Deren Ermittlung erfolgt analog der kumulativen Abweichungsanalyse. Die Absatzpreisabweichung berechnet die Unterschiede zwischen dem geplante Preis pro abgesetzte Einheit und dem realisierten Preis pro abgesetzte Einheit. Die Absatzpreisabweichung ergibt sich damit aus der Summe der mit Istpreisen bewerteten Istabsatzmengen abzüglich der mit Planpreisen bewerteten Istabsatzmengen (Sollumsätze).

Die Absatzmengenabweichung ermittelt die Differenz aus mit Planpreisen bewerteten realisierten Absatzmengen (Sollumsätze) und den zu Planpreisen bewerteten geplanten Absatzmengen. Ergänzend zur Absatzmengenabweichung kann deren Auswirkungen auf den Deckungsbeitrag mit in die Betrachtung einbezogen werden.

7.4.3 Kostenabweichungsanalysen

Die Kostenabweichung analysiert die Abweichungen der Fixkosten und der variablen Kosten. Um weitergehende Transparenz über die Herkunft der Abweichung zu erhalten, werden die Kostenabweichungen häufig nach betrieblichen Funktionsbereichen ermittelt. So verfolgt die Einsatzpreisabweichung das Ziel, die Istkosten über die Erfassung der entsprechenden Kostenart mit den zu Planpreisen bewerteten Isteinsatzmengen (Sollkosten) zu vergleichen. Die Einsatzpreisabweichung knüpft an die eingesetzten Produktionsfaktor an. Für den Produktionsfaktor Material ist die Beschaffung verantwortlich, für den Produktionsfaktor Personal insbesondere die Produktion. Dort werden über Arbeitspläne die zu verrichtenden Tätigkeiten mit Vorgabezeiten eingestellt. Jede Tätigkeit ist einem Arbeitsplatz zugeordnet, an dem die Tätigkeiten ausgeführt werden. Jeder Arbeitsplatz ist dann einer Kostenstelle zugeordnet, welche die personellen Ressourcen für die Leistungserbringung zur Verfügung stellt. Ursachen für Einsatzpreisabweichungen liegen begründet in unvorhergesehenen, also nicht bereits in der Planung antizipierten, Änderungen der Material- bzw. Personalkosten. Dies betrifft Erhöhungen oder Senkungen der Beschaffungspreise für Material bzw. etwa aufgrund von Entgelterhöhungen gestiegene Personalkosten. Im Rahmen der Abweichungsanalyse ist insbesondere zu überprüfen, inwieweit bei der Planung die Preisänderungen hätten bereits berücksichtigt werden können bzw. inwieweit bei der Realisierung verpasst wurde, zum Beispiel vor Preiserhöhungen die Materialien zu beschaffen.

Wird geplant, 20 Stück eines Materials mit 10 Euro/Stück in die Produktion einfließen zu lassen, und wurden in der Kostenträgerrechnung bei einem Istverbrauch von 20 Stück Materialkosten in Höhe von 300 Euro verbucht, so enthalten die erfassten 300 Euro eine Einsatzpreisabweichung von 100 Euro, da die Einsatzmenge gleich geblieben ist.

Die Strukturabweichung zeigt auf, inwieweit ein gegenüber der Planung anderer Produktionsfaktor eingesetzt worden ist. Entweder wurde eine nicht geplante Kostenart während der Realisierung eingesetzt oder es wurden für eine geplante Kostenart keine Istdaten verbucht. Wenn eine Kostenstelle den Einsatz von Material A in Höhe von 200 Euro auf der entsprechenden Kostenart A plant, im Ist aber 200 Euro für den Verbrauch von Material B auf einer Kostenart B verbucht wurden, so weist die Strukturabweichung auf beiden Kostenarten die gebuchten Kosten auf.

Die Restabweichung erfasst alle sonstigen, nicht explizit in einer eigenen Kategorie ausgewiesenen Abweichungen. Hierunter fallen etwa die Verbuchung von Kosten im Plan und im Ist, allerdings ohne Verbrauchsmengen. Die Restabweichung wird auch als „echte“ Verbrauchsabweichung bezeichnet. Zumindest bei jenen Ressourcenverbräuchen, die nur in geringem Ausmaß Preisschwankungen unterworfen sind, kann die Differenz zwischen Ist- und Sollkosten in der Regel auf einen Mehrverbrauch zurückgeführt werden. Eine ermittelte Restabweichung mit negativem Vorzeichen bedeutet dann, dass der Istverbrauch geringer als der Sollverbrauch ist und vice versa.