Zusammenfassung
In den bisher angeführten Beispielen aus der Geschichte der Psychologie standen bevorzugt Fragen der Wahrnehmung bzw. des Gedächtnisses im Vordergrund. Von ▶ Gefühlen war bislang lediglich bei Phantomempfindungen die Rede oder im Zusammenhang mit Gedächtnisinhalten, die mit gefühlsbetonten Merkzeichen versehen wurden, um sie besser einzuprägen.
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Notes
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Dies geschieht u. a. bei folgenden Theorien: James-Lange-Theorie, Cannon-Bard-Theorie, Zwei-Komponenten-Theorie von Schachter und Singer und diversen sog. appraisal theories, z. B. der Emotionstheorie von Lazarus.
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Eine oft verwendete Ausdrucksbeurteilung, hier von Glück, Furcht, Überraschung, Zorn, Ekel bzw. Abscheu und Trauer, erfolgt i. d. R gemäß der sogenannten Ekman-Skalen. Neben diesem halben Dutzend Basisemotionen sind heute 15 feste Kombinationen von ▶ Gefühlen bekannt, die beim Menschen vorkommen, so etwa freudig-überrascht, traurig-ärgerlich, furchtsam-überrascht oder wütend-überrascht.
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So z. B. von dem Philosophen Max Scheler (1874–1928), der als Professor in Köln und Frankfurt tätig war und der phänomenologischen ▶ Anthropologie nahestand (vgl. Hehlmann 1967).
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Dazu gehört u. a. die Kodifizierung des Gesichtsausdrucks durch Charles Le Brun (1619–1690).
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So z. B. durch Guillaume-Benjamin Duchenne (1806‒1875).
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▶ Platon nennt es die „Ideen alles Seienden“, die Gegenstand der Wissenschaft sind. Und weil dabei Gleiches nur durch Gleichartiges zu erfassen ist, also „Ideen“ als Ergebnis denkerischer Abstraktionen mittels geistiger Anlagen und wahrnehmbare „Einzeldinge“ mittels sinnlicher Anlagen, gelten beide als unvermischbar.
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Auch heute gibt es eine Vielzahl von Fragen in der angloamerikanisch ausgerichteten experimentellen Psychologie, die aus wissenschaftspolitischen oder weltanschaulichen Erwägungen heraus nicht thematisiert werden.
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Von ▶ Platons Problem der „sinnlichen Unvollkommenheit“ macht sich der ▶ Rationalismus frei, indem der von den Sinnesempfindungen unabhängigen Mathematik die Hauptbedeutung beim Erkenntnisgewinn zugesprochen wird.
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Die Reduzierung des Körperlichen auf das geometrisch-mechanisch Erfassbare leistete allerdings gleichzeitig einem der Psychologie abträglichen ▶ Physikalismus Vorschub.
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Zumindest heutiger Auffassung nach ist jeder Eingriff in das Verhalten eines Menschen, jede Therapie, jede Beratung, notwendigerweise immer auch ein Eingriff in die „Natur“ des Menschen, wobei „Natur“ als Summe aller physiologischen Konstituenten des Seins begriffen wird.
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Diese Auffassung ist der klassischen Interpretation der Intelligenz als „Computation“ diamentral entgegengesetzt und wird als „neue Wende“ in der ▶ Kognitionswissenschaft betrachtet.
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Großes Lob erfuhr diese empirisch ausgerichtete Form des Erkenntnisgewinns z. B. durch ihre auf Erfahrung basierenden Erfolge im Land- und Gartenbau; hierzu gehören nicht zuletzt auch die mendelschen Kreuzungsversuche mit Erbsen in einem der klösterlichen Kräutergärten des 19. Jahrhunderts.
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Gott indes könne wissenschaftlich-philosophisch überhaupt nicht erkannt werden.
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Heute wird diese Problematik u. a. am ▶ Begriff des „Assoziationscortexes“ deutlich.
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J. Huarte gewann Bedeutung als Repräsentant der sog. Renaissancepsychologie, indem er 1574 das Buch Examen de ingenios schrieb und ein Jahr später veröffentlichte. Ins Deutsche übersetzt wurde es unter dem Titel Die Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften von dem Dichter G. E. Lessing. Dieses Lehrbuch über die Grundlagen der menschlichen Fähigkeiten und Begabungen weist auf Unterschiede hin, die Huarte mit Alter, Umwelt, Lehrmethode, Fleiß und der „Naturgabe für das Erwerben von Wissen“ in Beziehung setzt. Es ist gewissermaßen eine Art „erstes Handbuch“ der differentiellen Psychologie, Diagnostik und Auslese- und Beratungsverfahren.
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Im Gefolge dieser Einstellung fasste auch der Selektionsgedanke Fuß, der als Bewertung psychischer Konstituenten eines Menschen bis ins 20. Jahrhundert hinein geläufig war: Es galt, wie K. Lorenz es 1943 sinngemäß einmal formulierte, dass schöne Tiere auch immer die im Züchtungssinne guten und gesunden seien.
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▶ Bacon bezog sich hiermit insbesondere auf die damals üblichen Streitigkeiten über bloße Worte, Wortbedeutungen und Namen.
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▶ F. Bacon selbst suchte indes stets nicht die Erkenntnis um ihrer selbst willen, sondern um damit praktische Ziele zu verwirklichen. Man unterwirft sich der Natur, so sein Credo, um sie in den Griff zu bekommen und sie zu überwinden.
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In den späten 60er- und 70er-Jahren des 18. Jahrhunderts publizierte ▶ J. K. Lavater eine ganze Reihe von Abhandlungen über mögliche Zusammenhänge von Aussehen und Charakter, denn er glaubte, im Ausdruck Zusammenhänge zwischen Physiognomie und Persönlichkeit herausfinden zu können. Aufgrund der Popularität seiner Abhandlungen und ungeachtet der Kritik daran (▶ C. Lichtenberg) wurde der Physiognom als solcher durch ▶ J. K. Lavater zu einer Art Lichtgestalt, die aufgrund dieser Wissenschaft „seherisch“ die ▶ Seele eines Menschen zu deuten vermochte.
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So etwa in A.-J. Pernetys zweibändigem Werk von 1776 De la connaissance de l’homme morale par celle de l’homme physique.
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Die Iconographie photographique de la Salpêtrière (1876‒1880) stammt von Désiré-Magloire Bourneville und Paul Régnard, Schülern von ▶ Jean-Martin Charcot.
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Pritzel, M. (2016). Gefühle und Gefühlsausdruck im Kontext von Empirismus und Rationalismus. In: Die akademische Psychologie: Hintergründe und Entstehungsgeschichte. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-48189-9_8
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