Zusammenfassung
In der formal-strukturellen Gliederung der Organisation sowie der inhaltlichen Bestimmung der Ablaufprozesse verfolgt die Organisationsentwicklung eine Vielzahl von Zwecken, die sich in ihren Mittelanforderungen widersprechen können. Eine Auflösung solcher Konflikte erfordert eine Priorisierung der Zwecke. Sowohl diese Priorisierung als auch Entscheidungen bei der Ausgestaltung von Ablaufprozessen und Organisationsstruktur folgen nicht selbsterklärenden Notwendigkeiten. Im Gegenteil. Sie werden getragen von Werten, die hinter der Entscheidungsfindung stehen und sowohl in der systemtheoretischen als auch der betriebswirtschaftlichen Sicht auf die Aufgaben der Organisationsentwicklung unhinterfragt bleiben. Wird die Wertegebundenheit von Organisationsentscheidungen reflektiert, ändert sich das Aufgabenfeld der Organisationsentwicklung. Zentrale Aufgabe ist dann nicht mehr die Absicherung des produktiven Prozesses durch Struktur- und Prozessentscheidungen, sondern die Ausrichtung der Aufbau- und Ablauforganisation an Werten, die zu einer Unternehmenskultur führen, die das Unternehmen langfristig zukunftsfähig macht. Im Artikel wird Schritt für Schritt entwickelt, warum die Gestaltung der Organisationsentwicklung der Logik der Unternehmenswerte folgt. Es wird gezeigt, weshalb ethische Werte in dieser Logik auf die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen einzahlen.
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Notes
- 1.
l.c. S. 61.
- 2.
l.c. S. 67.
- 3.
„Systemische Nachhaltigkeit zielt darauf ab, die Maximierung des Eigennutzens möglichst langfristig erfolgreich abzusichern. Einziges Erfolgskriterium hierfür ist die Überlebensfähigkeit des Eigensystems. Alle anderen Elemente des Gesamtsystems, die unternehmensexternen Akteure und Ressourcen, dienen in der Perspektive der systemischen Nachhaltigkeit ausschließlich der Absicherung des unternehmerischen Eigennutzens.“ (l.c. S. 247).
- 4.
„Transformationen zweiter Ordnung sind Änderungen der Rahmenbedingungen für die Spielregeln einer Praxis. Sie beruhen darauf, dass die Zirkularität und Selbstbezüglichkeit individueller Werte- und Weltsichtbrillen anerkannt und durch Abgleich mit anderen Werterahmen hinterfragt wird. Dadurch verändern wir das Spiel. Wir setzen es sozusagen in einen anderen Referenzrahmen, der die Spielregeln und auch die Erfindung neuer Spielzüge in anderem Licht erscheinen lässt.“ (l.c. S. 249 f)
- 5.
Die Treiberfaktoren der Unternehmenskultur – das sind das Kommunikationsverhalten, das Kooperationsverhalten, der Führungsstil, die Gestaltung von Entwicklungschancen, das Förder- und Lernverhalten, die Anreiz- und die Sanktionssysteme – sind so zu gestalten, dass sie die im Wertecockpit des Unternehmens definierten Leit- und Prozesswerte stützen. Und im C4-Management, d. i. der Ausrichtung der Entwicklungs- und Stabilisierungsachsen des Unternehmens, sind die Unternehmensdimensionen des Wissens (Corporate Knowledge), der Organisation und Entwicklung (Corporate Development), der Identität (Corporate Identity) und der Werte (Corporate Values) so aufeinander abzubilden, dass das Unternehmen in allen seinen Dimensionen stimmig ausgerichtet wird.
- 6.
Das unternehmerische Problem der doppelten Kontingenz besteht darin, dass sich die Marktakteure wechselseitig nicht durchschauen und prognostizieren können. Die funktionale Dimension der Selbstreferenzfalle lautet somit: Es gibt keinen privilegierten und ungefilterten Zugang zu einer objektiven Wirklichkeit, an dem unternehmerische Aktivitäten ausgerichtet werden können. Für Unternehmen bedeutet dies, sie richten ihr Verhalten an einem fiktiven Gegenüber aus – dem Kunden – ohne dabei gewiss zu sein, dass der Kunde das unternehmerische Verhalten mit dem aus Sicht des Unternehmens wünschenswerten Kaufakt beantwortet. In der Formulierung Luhmanns gesprochen: „Das soziale System ist gerade deshalb System, weil es keine basale Zustandsgewissheit und keine darauf aufbauende Verhaltensvorhersage gibt. Kontrolliert werden nur die daraus folgenden Ungewissheiten in Bezug auf das eigene Verhalten der Teilnehmer“ (Luhmann 1984, S. 157).
In eine Normalsprache übersetzt heißt dies, Unternehmen sind dynamische Systeme. Sie werden geprägt durch das Zusammenspiel seiner Elemente, d. h. Menschen, Teams, Abteilungen, Divisionen. Diese tragen eigene Ziele in die Unternehmung ein. Deshalb gibt es keine Gewissheit darüber, wie einzelne Teile zusammenspielen und wie sich das System zukünftig verhalten wird. Die daraus resultierende Ungewissheit darüber, wo das System steht und wie es sich entwickelt, ist somit ein zentraler Aspekt der Systemdynamik. Sie ist zu managen, da ansonsten unvorhergesehene und unerwünschte Aktivitäten der einzelnen Elemente eintreten und das Unternehmen in Gefahr bringen können, – beispielsweise durch kriminelles oder geschäftsschädigendes Verhalten einzelner Teile. Die reale Basis für die Notwendigkeit, diese Ungewissheit im Zusammenspiel der Teile aktiv zu managen, liegt in einem Faktum, das ich an anderer Stelle ausführlich dargestellt habe. Es lautet: Das flexibelste dominante Element eines Systems beeinflusst das System am meisten (vgl. Glauner 2013, 30 ff. und 2015, S. 242). Wie beispielsweise der Fall von Enron zeigt, können dabei einzelne Elemente des Systems das Unternehmen quasi über Nacht korrumpieren und in die Insolvenz treiben. Neben entsprechenden organisatorischen Vorkehrungen ist es deshalb so außerordentlich wichtig, jederzeit darauf zu achten, dass, so Jim Collins, die richtigen Leute im Bus sitzen und den falschen die Mitfahrt verwehrt bleibt (vgl. Collins 2001, S. 44).
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Glauner, F. (2016). Werteorientierte Organisationsentwicklung. Sieben Thesen zu den ethischen und ökonomischen Grundlagen einer nachhaltigen Unternehmensorganisation. In: Schram, B., Schmidpeter, R. (eds) CSR und Organisationsentwicklung. Management-Reihe Corporate Social Responsibility. Springer Gabler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-47700-7_10
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