Zusammenfassung
In den letzten Jahrzehnten ist eine steigende mediale Präsenz des Themas „Demenz“ in Deutschland zu beobachten, die auf großes Interesse am demenziellen Syndrom und dessen Auswirkungen verweist (vgl. Allolio-Näcke 2010, S. 664). Mit der medialen Präsenz scheinen auch Ängste vor demenziellen Erkrankungen anzuwachsen. Die Literaturwissenschaftlerin Miriam Seidler hat diese Tendenz recht anschaulich formuliert: „Das Schreckbild der Gesellschaft ist gegenwärtig nicht mehr die durch Sexualverkehr übertragbare Immunschwächekrankheit, sondern Morbus Alzheimer: das schleichende Vergessen und die Auflösung der Persönlichkeit“ (Seidler 2012, S. 385).
Mit den komplexen Folgen der steigenden Prävalenz und Inzidenz demenzieller Erkrankungen – zu denen auch solch sich diskursiv etablierende, negative Deutungsmuster zählen – müssen sich sowohl Betroffene und Angehörige wie Familie und das engere soziale Netzwerk auf privater Ebene, wie auch Politik und Ökonomie auf institutioneller Ebene beschäftigen. Zur Prävention einseitiger Diskursverfestigungen ist aktive Annäherung an das komplexe Erleben von Demenz, an das Empfinden von Lebensqualität, von Vorstellungen und Wünschen, Ängsten und Sorgen Betroffener erforderlich. Wie aber kann das innere Erleben von Demenz begriffen werden, wenn Betroffene nicht (mehr) in der Lage sind, sich und die Umstände ihres Lebens und Erlebens auszudrücken?
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Literatur
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Czakert, J. (2016). Demenz und Literatur. In: Wintzer, J. (eds) Qualitative Methoden in der Sozialforschung. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-47496-9_24
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