Zusammenfassung
Eine aktuelle Erhebung zur Gesundheit von Auszubildenden zeigt zum Teil beträchtliche Defizite bei deren Gesundheitszustand und Gesundheitsverhalten. Über die Hälfte der Auszubildenden berichtet trotz ihres jugendlichen Alters bereits über starke körperliche, knapp die Hälfte über häufige psychische Beschwerden. Bei vielen Auszubildenden sind durch die Anforderungen der neuen Lebensphase zum Teil hohe Belastungen in Schule und Betrieb zu beobachten. Ein Teil der Auszubildenden führt einen wenig gesundheitsbewussten, durch digitale Medien geprägten Lebensstil, der mit Schlafdefizit, Bewegungsmangel, übermäßigem Alkohol- und Tabakkonsum und ungünstigen Essgewohnheiten einhergeht. Fast die Hälfte der wachen Zeit am Tag werden digitale Medien konsumiert. Belastend hinsichtlich des Arbeitsplatzes werden Defizite in der Kommunikation, ein schlechtes Verhältnis zu Vorgesetzten, eintönige Arbeit und Tätigkeiten, die hohe Konzentration erfordern, erlebt. Weitere Analysen zeigen einen hohen Zusammenhang zwischen spezifischen Arbeitsbelastungen und körperlichen und psychischen Beschwerden der Auszubildenden.
Werden Auszubildende hinsichtlich ihrer gesundheitsbezogenen Lebensweise und ihren individuellen Gesundheitsbeschwerden entsprechenden Gesundheitsstilgruppen zugeordnet, zeigt sich: Ein gesundheitsbewusster Stil beeinflusst die Wahrnehmung der Arbeitsbedingungen wie auch die der Belastungssituation im Betrieb. Unabhängig von ihrem Gesundheitsstil haben Auszubildende ein großes Interesse an betrieblichen Gesundheitsfördermaßnahmen, insbesondere an Angeboten, die auf ihre Bedürfnisse und ihre Arbeitssituation zugeschnitten sind. Auf der Grundlage der Untersuchungsergebnisse werden Inhalte und Rahmenbedingungen für zielgruppengerechte Gesundheitsfördermaßnahmen aufgezeigt und anhand von evaluierten Praxisbeispielen illustriert.
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Notes
- 1.
Die Datenerhebung erfolgte zu Jahresbeginn 2015 durch das Sozialwissenschaftliche Umfragezentrum (SUZ), Duisburg, über ein zweistufiges Verfahren. Zunächst wurde eine Zufallsstichprobe von 4.000 Unternehmen der Größe zwischen 15 und 200 Mitarbeitern aus der Unternehmensdatenbank »Bisnode« gezogen. Die Unternehmen wurden telefonisch kontaktiert und auf das Vorhandensein von Auszubildenden und zu ihrer Bereitschaft, an der Befragung teilzunehmen und die Befragungsunterlagen an ihre Auszubildenden weiterzuleiten, angesprochen. Im zweiten Schritt wurden die Auszubildenden über den postalisch oder per E-Mail zugestellten Zugangscode online befragt; ihre Motivation für eine Beteiligung an der Befragung wurde durch die Bereitstellung von Incentives unterstützt. Von den kontaktierten Unternehmen mit Auszubildenden war etwa jedes zweite Unternehmen bereit, die Befragungsunterlagen an seine Auszubildenden weiterzuleiten.
- 2.
Der hierfür vom WIdO entwickelte Fragebogen basiert auf konzeptionellen Grundlagen und Vorarbeiten des Instituts für Gesundheitsförderung und -forschung (IGFF), Dillenburg.
- 3.
Das Bildungsniveau der Auszubildenden aus Unternehmen der Größe zwischen 15 und 200 Mitarbeitern in unserer Stichprobe liegt somit höher als bei den Auszubildenden insgesamt in Deutschland. Für das Jahr 2013 berichtet das BiBB (2015, S. 173) von einem Anteil von 25,3 Prozent der Neuabschlüsse mit Abitur, 42,3 Prozent mit Mittlerer Reife. 29,5 Prozent der Auszubildenden mit Neuabschluss verfügten über einen Hauptschulabschluss und 2,9 Prozent über keinen vorausgehenden Abschluss.
- 4.
Aufgrund der gewählten Betriebsgröße bildeten von den insgesamt 1.295 durchgeführten Befragungen Auszubildende aus Unternehmen des »verarbeitenden Gewerbes« (37 Prozent) und aus Unternehmen des »Handels und der KFZ-Instandhaltung« (15 Prozent) einen relativen Schwerpunkt, gefolgt von Unternehmen im Bereich »Verkehr und Lagerei« (7 Prozent), aus dem Gesundheits- und Sozialwesen (6 Prozent) sowie den Dienstleistungsunternehmen im Bereich »Wirtschaft«, »Technik«, »Kommunikation« und »Finanzen« (zusammengefasst 17 Prozent) mit einer ansonsten breiten Streuung der Befragten über weitere Branchen hinweg.
- 5.
Die Einstufung erfolgte nach WHO-Kriterien.
- 6.
Nach den Ergebnissen von Betz et al. (2013b) schlafen Auszubildende mit hohem Konsum digitaler Medien weniger und schlechter, haben ein geringeres Wohlbefinden und eine schlechtere Gesundheit als Auszubildende mit geringer Nutzung digitaler Medien.
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Betz, M., Haun, D., Böttcher, M. (2015). Zielgruppenspezifische Gesundheitsförderung bei Auszubildenden. In: Badura, B., Ducki, A., Schröder, H., Klose, J., Meyer, M. (eds) Fehlzeiten-Report 2015. Fehlzeiten-Report, vol 2015. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-47264-4_14
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