Zusammenfassung
Die Verwunderung, mit der wir die Tatsache aufnehmen, dass ein gegebener Lichtpuls sowohl im Bezugssystem der Schienen als auch in dem des Zugs dieselbe Geschwindigkeit hat, lässt sich auf einen tief verwurzelten Irrglauben über das Wesen der Zeit zurückführen. Solange wir es nicht besser wissen – und vor Einsteins „Wunderjahr“ 1905 wusste es niemand besser –, gehen wir ohne darüber nachzudenken davon aus, dass die „Gleichzeitigkeit“ von zwei an unterschiedlichen Orten stattfindenden Ereignissen eine absolute, vom Beobachter bzw. dessen Bezugssystem unabhängige Bedeutung haben müsste. Diese Annahme durchdringt unser Weltbild so vollständig, dass unsere Sprache es kaum zulässt, auch nur darüber nachzudenken, was „Gleichzeitigkeit“ eigentlich wirklich bedeutet.
Bevor wir uns dennoch daran machen, den Begriff der Gleichzeitigkeit zu hinterfragen, müssen wir zunächst klären, was unter einem „Ereignis“ zu verstehen ist, denn (auch) dieses Konzept spielt eine fundamentale Rolle in der relativistischen Beschreibung der Welt. Kurz auf den Punkt gebracht ist ein Ereignis etwas, das an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit passiert. Es ist, wenn Sie so wollen, die raumzeitliche Verallgemeinerung der rein geometrischen Idee eines Punkts.
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Notes
- 1.
Im selben Jahr veröffentlichte er noch zwei weitere bahnbrechende Arbeiten, eine zur Quantentheorie und eine zur statistischen Physik (Anm. d. Ü.).
- 2.
und ich kein deutsches (Anm. d. Ü.)
- 3.
Dies ist selbst dann der Fall, wenn die vom Zug und von den Schienen aus gemessenen Längen voneinander abweichen sollten – was sie tatsächlich tun, wie wir in Kap. 6 sehen werden –, denn egal wie diese Abweichung aussehen mag, sie muss für die vordere Zughälfte in gleicher Weise gelten wie für die hintere.
- 4.
Nebenbei gesagt: Wenn wir in dieser schockierenden Erkenntnis die beiden Worte „Ort“ und „Zeit“ vertauschen, wird sie zu einer ziemlich langweiligen Feststellung: „Ob zwei Ereignisse zu verschiedenen Zeiten am selben Ort geschehen oder nicht, hat keine absolute Bedeutung, sondern hängt davon ab, in welchem Bezugssystem diese Ereignisse beschrieben werden“ – was in Ihrem Auto im Lauf einer Fahrt geschieht, geschieht in Ihrem Auto, aber ebenso an vielen verschiedenen Punkten auf der Straße.
- 5.
Sollte u kleiner als v sein, würden im Schienensystem beide Signale mit unterschiedlichem Tempo in dieselbe Richtung laufen. Man kann dann ganz ähnlich argumentieren, worauf wir hier aber verzichten wollen.
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Mermin, N.D. (2016). Gleichzeitige Ereignisse und synchronisierte Uhren. In: Es ist an der Zeit. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-47152-4_5
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