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Archimedes am Staubbrett: Die Schöpfung einer neuen Mathematik

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Archimedes

Part of the book series: Mathematik im Kontext ((Mathem.Kontext))

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Zusammenfassung

Die entscheidende Verbindung zwischen den mechanisch-technischen und den mathematischen Arbeiten von Archimedes stellt die sogenannte mechanische Methode dar, die aus konkreten mechanischen Erfahrungen erwachsen zur Grundlage des gesamten, an Dositheos geschickten Blocks von Arbeiten über Inhaltsbestimmungen wurde. Archimedes hat die Fruchtbarkeit dieser heuristischen Methode, ihren mechanischen Ursprung und gleichzeitig die Notwendigkeit, die damit erzielten Ergebnisse nachträglich exakt beweisen zu müssen, klar erkannt und in seinem an Eratosthenes gerichteten Einleitungsbrief zur ‚Methodenschrift‘ beschrieben: Diese Worte stehen für einen Mann, der sein eigenes Werk weitgehend überblickt und seinen Werdegang vom „Mechaniker“ zum Mathematiker bei dem von ihm herausgestellten Gegensatz zwischen mechanischem Findungsweg und geometrischem Beweis andeutet. Die Preisgabe dieser heuristischen Methode, deren Entdeckung ja den an Konon und Dositheos geschickten Arbeiten über Inhaltsbestimmungen vorausging, deutet an, dass Archimedes sich selbst aus dem Wettbewerb um das Auffinden neuer mathematischer Sätze zurückziehen und die von ihm dabei so erfolgreich benutzte Methode an eine jüngere Generation weitergeben wollte.

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Notes

  1. 1.

    AO II, S. 428 und S. 430, wobei die Übersetzung Heiberg (2), S. 323 f. entnommen ist.

  2. 2.

    AO II, S. 436 und Heiberg (2), S. 385.

  3. 3.

    AO II, S. 438.

  4. 4.

    De Vries, S. 139.

  5. 5.

    De caelo I 1, 268 B 1.

  6. 6.

    Auf diesen Zusammenhang wurde ich durch H. Gericke hingewiesen.

  7. 7.

    Dijksterhuis, Archimedes, S. 319 f.

  8. 8.

    Siehe dazu auch Abschnitt 2.4.

  9. 9.

    Dies entspricht auch der Einschätzung des mathematischen Werkes von Archimedes durch Frajese, der dabei drei Entwicklungsphasen unterscheidet: 1. reine Intuition, die auf der Annahme der Einfachheit fußt (Dabei versteht Frajese unter Einfachheit ein in pythagoreischer Tradition stehendes Erwartungsgefühl von Archimedes, dass das Verhältnis der von ihm in Beziehung gebrachten geometrischen Größen wie z. B. von Parabelsegment und größtem eingeschriebenen Dreieck durch verhältnismäßig kleine natürliche Zahlen wie hier 4 und 3 wiedergegeben werden kann.), 2. die Bestätigung des intuitiv erwarteten Ergebnisses durch die mechanische Methode, 3. den strengen Beweis mit der indirekten Methode des Exhaustionsverfahrens. Siehe Frajese, Archimedes, S. 23 u. 25. Zitiert nach Giorello, S. 127 f.

  10. 10.

    Zur Vereinfachung der Darstellung der von van der Waerden in (1) entwickelten Idee, bediene ich mich einer von Archimedes’ abweichenden, unserer heutigen besser angepassten Schriftweise.

  11. 11.

    AO, II, S. 446; Übersetzung Heiberg (2), S. 328.

  12. 12.

    AO I S. 4, Zeile 2.

  13. 13.

    Frajese (3), S. 288 f.

  14. 14.

    Konkrete Wäge- bzw. Gleichgewichtsversuche, die sich eng an die in der ‚Methodenschrift‘ enthaltenen Beispiele hielten, wurden von D. A. Eberle an der Purdue University durchgeführt. Dabei wurden die Vergleichskörper durch Parallelschnitte in dünne Scheiben zerlegt, wobei, wenn jeder der drei Körper in n gleich dicke Scheiben zerschnitten wird, auch Gleichgewicht zwischen entsprechenden Teilmengen von Scheiben besteht. Das heißt, dass die Summe der Scheiben von Kugel und Kegel zwischen den Schnitten n 1 und n 2 mit \(0\leq n_{1}<n_{2}\leq n\) der Summe der Zylinderscheiben zwischen n 1 und n 2 das Gleichgewicht hält. Siehe Gould, S. 475 f. und Abb. 4.3.

  15. 15.

    Siehe dazu Abschnitt 2.4.

  16. 16.

    Dijksterhuis (2), S. 12 f.

  17. 17.

    Dijksterhuis (2), S. 11.

  18. 18.

    Eine Zusammenstellung dieser ‚Elemente‘ des Archimedes gibt Dijksterhuis, Archimedes, Kapitel III, S. 49–141.

  19. 19.

    Bas̆makova (4), S. 87.

  20. 20.

    So hat Berggren, S. 94, in einem Diagramm die in den einzelnen Sätzen benutzten Voraussetzungen auch in Form vorher bewiesener Sätze zusammengestellt und dabei bemerkt, dass die nicht weiterführenden Sätze 6, 9, 13 sowie 18 bis 20 mathematische Ergebnisse mit durchaus selbständigem Charakter darstellen. In ähnlicher Weise argumentiert Bas̆makova (4), S. 100, für die Sätze 6 und 9.

  21. 21.

    AO II, S. 18.

  22. 22.

    Czwalina (Ostwalds Klassiker Nr. 201; s. Textausgaben 1.2.1.), S. 12 – Gericke (2), S. 256 f. benutzt den Zwischenwertsatz zur Begründung der von Archimedes behaupteten Einschiebungsmöglichkeit. Nach dem Aufbau seiner Größenlehre (s. Abschnitt 2.4.) ist es aber zumindest zweifelhaft, ob Archimedes den Zwischenwertsatz und damit eine solche Begründung anerkannt hätte.

  23. 23.

    AO II, S. 44.

  24. 24.

    Gericke (2), S. 253.

  25. 25.

    Gericke (2), S. 262.

  26. 26.

    Für den Zusammenhang zwischen dem Findungsweg der Sätze 18 bis 20 und dem charakteristischen Dreieck siehe Dijksterhuis, Archimedes, S. 271 f. und Gericke (2), S. 261.

  27. 27.

    Dijksterhuis, Archimedes, S. 139 f. und Bas̆makova (4), S. 98–100.

  28. 28.

    Durch Verallgemeinerungen der von Archimedes allein auf den Kreis beschränkten Betrachtungen der Sätze 6 bis 9 auf beliebige Funktionen in Polarkoordinatendarstellung fasst Bas̆makova (4), S. 96, den Inhalt dieser vier Sätze in der Beziehung

    $$\displaystyle\lim_{\triangle\varphi\rightarrow 0}\frac{\triangle r}{r\cdot\triangle\varphi}=\tan\alpha$$

    zusammen, wobei r der Radiusvektor der Tangente ist. Ein weiteres Beispiel für diese Art von retrospektiver Mathematikgeschichte stellt die Aussage dar, dass Archimedes als Bedingung für das Auftreten eines Extremums bei der Funktion \(u(x)=f(x)\cdot g(x)\) gefordert hatte:

    $$\displaystyle u^{\prime}(x)=f^{\prime}(x)\cdot g(x)+f(x)\cdot g^{\prime}(x)=0.$$

    Als Grundlage für diese Behauptung dient allein der in einer Handschrift, die Archimedes von Eutokios zugeschrieben wrude, enthaltene Nachweis, dass ein Volumen, das heute mit \(x^{2}(a-x)\) symbolisiert werden kann, sein Maximum für \(x=\frac{2}{3}\,a\) annimmt. Siehe Bas̆makova (4), S. 102 f.

  29. 29.

    Siehe Satz 26, AO II, S. 100, 102.

  30. 30.

    Mahoney (1), S. 320.

  31. 31.

    AO II, S. 30.

  32. 32.

    Eine leichte Modifikation der von Heath (2), S. 107–109.

  33. 33.

    Freudenthal, S. 198 f.

  34. 34.

    Für die Diskussion der verschiedenen Formen einer griechischen Analysis bzw. Algebra siehe Mahoney (1) und Freudenthal. Speziell wurden für Archimedes in den beiden Arbeiten noch die Sätze ‚Über Kugel und Zylinder‘ II 4 und ‚Über Sphäroide und Konoide‘ II 1 als Beispiele einer griechischen Algebra angeführt.

  35. 35.

    Das ist auch von Pappos festgestellt worden; siehe Hultsch (1), S. 236 f. und Gericke (2), S. 263 f.

  36. 36.

    Siehe Abschnitt 4.1.

  37. 37.

    In moderner Form sieht das so aus: C n besteht aus n Kreissektoren mit den Zentriwinkeln \(\dfrac{2\pi}{n}\) und den Radien \(\nu\cdot\dfrac{r(2\pi)}{n}\), \(\nu=1,\ldots,n\). Damit ist

    $$\displaystyle C_{n}=\frac{1}{2}\cdot\frac{(r(2\pi))^{2}}{n^{3}}\cdot 2\pi\sum^{n}_{\nu=1}\nu^{2}=\frac{(r(2\pi))^{2}}{n^{3}}\cdot\pi\cdot\sum^{n}_{\nu=1}\nu^{2}$$

    In Satz 10 war aber bewiesen worden:

    $$\displaystyle 3\cdot\sum^{n}_{\nu=1}\nu^{2}=(n+1)\cdot n^{2}+\sum^{n}_{\nu=1}\nu> n^{3}=3\cdot\sum^{n}_{\nu=1}\nu^{2}-n^{2}-\sum^{n}_{\nu=1}\nu> 3\cdot\sum^{n-1}_{\nu=1}\nu^{2}.$$

    Damit ist \(3C_{n}> (r(2\pi))^{2}\cdot\pi,\) d. h. \(C_{n}> K\) für alle n. Entsprechend ist \(\displaystyle{I_{n}=\frac{(r(2\pi))^{2}}{n^{3}}\cdot\pi\cdot\sum^{n-1}_{\nu=1}\nu^{2}<\frac{(r(2\pi))^{2}\cdot\pi}{3}=K}\).

  38. 38.

    Siehe dazu Gericke (2), S. 265.

  39. 39.

    Als Beispiel ist hier vor allem Carl Friedrich Gauß zu nennen, der in seiner Kritik an den Mathematikern des 18. Jh. immer wieder auf die Notwendigkeit des rigor antiquus hinwies.

  40. 40.

    AO I, S. 236.

  41. 41.

    Die Formeln selbst stehen nicht bei Archimedes, dem ja noch keine indizierten Größen zur Verfügung standen. Sein schrittweises Vorgehen wird aber durch diese Formeln adäquat wiedergegeben.

  42. 42.

    Es gilt ja: \(\pi^{u}_{n}=\dfrac{n}{B_{n}}\), \(\pi^{e}_{n}=\dfrac{n}{C_{n}}\), \(B_{6}=\sqrt{3}\), \(C_{6}=2\); \(B_{2n}=B_{n}+C_{n}\) und \(C_{2n}=[1+(B_{n}+C_{n})^{2}]^{\frac{1}{2}}\).

  43. 43.

    Für eine gute Übersicht der bis 1942 entwickelten, auf der Kettenbruchmethode fußenden Verfahren siehe J. E. Hofmann (1) bis (4).

  44. 44.

    Siehe Gazis und Herman.

  45. 45.

    Zur Kritik an Hofmann siehe Vogel (1), S. 152.

  46. 46.

    Siehe Czwalina (2).

  47. 47.

    Euklid, Elemente VII 12.

  48. 48.

    Siehe Knorr (2), S. 138 f., der die Möglichkeit eines solchen Vorgehens von Archimedes durch eine Pythagoreische Tradition der Methode von Seite und Diagonale und das Auftreten ähnlicher Techniken in der ‚Arithmetik‘ des Diophant gestützt sieht. Dass Archimedes zumindest teilweise mit den Diophantischen Techniken vertraut war, folgert Knorr aus dem Rinderproblem, das ja die Lösung Diophantischer Gleichungen erforderlich macht.

  49. 49.

    Siehe Vogel (1).

  50. 50.

    Andere und z. T. vollständigere Übersichten der jeweils angebotenen Alternativen bieten Heath, The Works of Archimedes (Literaturverzeichnis 1.2.2.), S. LXXIV–XCIX; Dijksterhuis, Archimedes (1.2.2.), S. 229–238; Stamatis (1), Gazis und Herman sowie Knorr (2), der S. 127 auch auf einen in Vorbereitung befindlichen Artikel über die Auf- und Abrundungstechnik von Archimedes beim Quadratwurzelziehen hinweist.

  51. 51.

    Siehe Heron Metrika I 37 = Heronis Alexandrini Opera Bd. 3 (hrsg. v. H. Schöne), Leipzig 1903, S. 86.

  52. 52.

    Metrika I 25 = Opera Bd. 3, S. 66.

  53. 53.

    Siehe Knorr (2), S. 133, der es andererseits für möglich hält, dass Heron die ihm fachlich näher stehende Schrift ‚Über Plinthiden und Zylinder‘ zitiert, obwohl er auch auf die diese Berechnungen noch enthaltende ‚Kreismessung‘ hätte hinweisen können.

  54. 54.

    Unter dieser Voraussetzung glaubt Knorr (2), S. 131, die Aussage des Archimedes-Kommentators Eutokios, wonach Apollonios eine Verbesserung der von Archimedes abgeleiteten Näherungswerte für π in einen ‚Okytokion‘ betitelten Werk erzielte und dabei Werte in der Größenordnung von 104 bei den Berechnungen verwendete, als Missverständnis deuten zu können. Danach hätte Apollonios die Werte von Archimedes als Beispiel herangezogen und Eutokios später dieses Beispiel als von Apollonios selbst stammend angesehen.

  55. 55.

    Siehe Knorr (2), S. 122 f. Die Argumente gegen Hoppe finden sich bei Knorr (2), S. 119 f.

  56. 56.

    Knorr (2), S. 134 f.

  57. 57.

    Almagest I 11.

  58. 58.

    Toomer (1), insbes. S. 19.

  59. 59.

    Tropfke (1), S. 433–436; für die Kritik an Tropfke siehe Toomer (1), S. 21–23, aber auch S. 28, Fußnote 34.

  60. 60.

    Siehe AO IV und Dold-Samplonius (1).

  61. 61.

    Siehe Abschnitt 3.5.

  62. 62.

    Für vollständige Darstellungen des mathematischen Werkes von Archimedes siehe Heath (Literaturverzeichnis 1.2.1. und 1.2.2.) sowie Dijksterhuis (Literaturverzeichnis 1.2.2.).

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Schneider, I. (2016). Archimedes am Staubbrett: Die Schöpfung einer neuen Mathematik. In: Archimedes. Mathematik im Kontext. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-47130-2_4

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