Zusammenfassung
In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern schützen Rechtssysteme die einfachen Menschen, insbesondere die Armen, nicht vor Gewalt und Unrecht. Eine wesentliche Ursache für die Funktionsunfähigkeit der aktuellen Rechtssysteme sind ihre kolonialen Wurzeln. Während im 19. Jahrhundert und teilweise noch Anfang des 20. Jahrhunderts Polizei- und Rechtsreformen in den westlichen Ländern für eine Annäherung zwischen Polizei und Bevölkerung sorgten, exportierten die Kolonialmächte ihre alten, militärischen Polizeisysteme in die Kolonien, um ihre Beamten sowie ausgewählte reiche Eliten zu schützen. Die eingesetzten Polizeibeamten wurden ausgebildet, um die Regierenden vor der allgemeinen Bevölkerung zu schützen. Mit dem Ende der Kolonialherrschaften wurden die etablierten Strukturen übernommen. Bis heute werden Polizisten in Entwicklungsländern in der Regel nicht darin geschult, die (arme) Bevölkerung zu schützen, sondern vielmehr agieren sie nach wie vor als (unterbezahlter und schlecht ausgebildeter) Schutztrupp für mächtige Eliten. Auch die Sprachbarriere vor Gericht wurde bislang nur in wenigen Entwicklungsländern durchbrochen. Die meisten armen Staaten übernahmen die Sprache der ehemaligen Kolonialherren als Amtssprache. Allerdings beherrschen je nach Land nur 1 bis 10 Prozent der Bevölkerung diese Amtssprache. Ein normaler Bürger hat daher keine Chance, seine Anklage zu verstehen, einem Prozess zu folgen oder sich vor Gericht Gehör zu verschaffen. Viele Staatsanwälte und Richter beherrschen die Amtssprache selbst nur mangelhaft.
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Haugen, G.A., Boutros, V. (2016). Warum das koloniale Erbe das Scheitern der Rechtssysteme erklärt. In: Gewalt – die Fessel der Armen. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-47054-1_7
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