25.1 Ackerrandstreifenprogramme

Seit mindestens einem halben Jahrhundert sind die ursprünglich zahlreichen Arten der Ackerunkräuter (Abb. 25.1) weitgehend von den Feldern verschwunden, darunter schön blühende und weithin geschätzte Pflanzen wie der Klatschmohn (Papaver rhoeas), die Kornblume (Centaurea cyanus) , die Kornrade , der Feldrittersporn (Consolida regalis), die Kamille oder das Ackerstiefmütterchen (Viola arvensis) . Viele dieser Ackerwildkräuter waren geradezu perfekt an das Leben im Acker angepasst, einschließlich der Tatsache, dass sie mit dem Getreide reif wurden und die Samen somit mit dem zurückbehaltenen Getreidesaatgut immer wieder zwangsläufig mit eingesät wurden.

Abb. 25.1
figure 1

Traditionelle Ackerunkräuter wie Echte Kamille(Matricaria chamomilla) , Ackerkratzdistel (Cirsium arvense) und Klatschmohn (Papaver rhoeas) (alle im Bild) sind aus den Getreidefeldern dank Saatgutreinigung und Herbiziden weitgehend verschwunden. Ackerrandstreifen können nur teilweise Abhilfe schaffen. (Eigene Aufnahme)

Saatgutreinigung und Herbizide haben inzwischen jedoch ganze Arbeit geleistet. Einige der Ackerwildkräuter sind nicht selten geworden, weil sie auf Ruderalflächen insgesamt ähnliche, weil konkurrenzarme, kurzlebige Standorte fanden bei ungehindertem Lichteinfall. Dies gilt unter den genannten Arten weithin für den leuchtend roten Klatschmohn und für die Echte Kamille (Matricaria chamomilla) . Andere Arten wie die Kornrade (Agrostemma githago), die Acker-Spatzenzunge (Thymelaea passerina) oder der Venusspiegel (Legousia speculum-veneris) starben weithin aus.

Der häufig vorgebrachten Ansicht, mit einer verstärkten Ausweitung von Ackerrandstreifen, etwa zwischen unterschiedlichen Nutzungs- und Besitzparzellen oder entlang von Wegen, könnten die bedrohten Ackerwildkräuter ein Refugium finden, muss allerdings widersprochen werden. Grundsätzlich ist ein im Frühjahr entweder winterbrach liegender oder von Wintergetreide spärlich bewachsener Acker ein anderer Wuchsort als ein Randstreifen. Selbst wenn Letzterer einmal im Jahr oder häufiger gemäht wird, gleicht er doch in der Dichte der Vegetationsbedeckung und gerade eben durch dieses Mähen eher einer Wiese als einem traditionellen Getreidefeld. Zudem unterliegt er als schmaler Randstreifen einem stärkeren Eintrag an Düngemitteln und Pestiziden vom Acker her, sodass seine Naturbelassenheit stark infrage zu stellen ist. Immerhin liefert er mit einem stärkeren Bewuchs an Wildpflanzen eine Futterbasis für viele Wildtiere wie Rebhühner und Feldhasen und bietet auch einen Ersatz für das vor allem in den niederen Lagen immer weiter zurückgehende Grünland.

Ackerrandstreifenprogramme werden aus Mitteln der Europäischen Union und auch von vielen deutschen Landesregierungen mit Zuschüssen gefördert. Der Landwirt darf die Ackerrandstreifen im Zuge dieser Programme zwar durch die Mahd nutzen, unterliegt aber dort Beschränkungen, insbesondere im Gebrauch von Agrarchemikalien.

25.2 Flächenstilllegungs- und Flächenextensivierungs­programme

Staatliche Programme der EU, der Bundesregierung und der Landesregierungen zur Flächenstilllegung und Flächenextensivierung sind eingebunden in die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union. Diese zeichnete sich nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst durch den Versuch aus, die Flächenerträge zu steigern. Dies war in der unmittelbaren Nachkriegszeit ein dringendes Erfordernis, um die Ernährung der Bevölkerung zu sichern.

Diese Politik der Steigerung der Nahrungsmittelproduktion garantierte den Landwirten auf zahlreiche Produkte wie Weizen, Butter und Rindfleisch hohe Erzeugerpreise, völlig unabhängig von den jeweiligen Weltmarktpreisen. Die mit zunehmenden Hektarerträgen zwangsläufig immer höheren Überschüsse gingen an staatliche Lagerhäuser und erzeugten bis in die 1970er-Jahre stetig wachsende „Getreideberge “, „Butterberge “ und „Milchseen “. Diese staatlichen Vorräte an Nahrungsmitteln konnten oft nur abgebaut werden, indem die entsprechenden Produkte auf den Weltmarkt exportiert wurden. Das konnte nur funktionieren, weil diese Agrarprodukte für den Export drastisch verbilligt wurden, sodass sie dem Preisniveau auf dem Weltmarkt entsprachen. Dies sorgte in den Medien regelmäßig für Skandale, wenn beispielsweise an „die Russen“ die Butter billiger ging, als sie die deutschen Verbraucher kaufen konnten.

Das allgemeine Unbehagen an dieser traditionellen Agrarpolitik führte in den 1980er-Jahren zu einem kompletten Wandel der Agrarförderung. Künftig sollte die Förderung an die Landwirte, zeitweilig mehr als die Hälfte des EU-Haushalts, nicht mehr zu einem Zuwachs an Agrarprodukten führen. Zumindest ein Teil der Zuschüsse wurde für das schiere Gegenteil gezahlt: Für das einfache Liegenlassen und Nichtbewirtschaften der Agrarfläche. Es wurden Flächenstilllegungsprämien an die Landwirte gezahlt. Vielleicht kamen die Landwirte niemals einfacher an ihr Einkommen als gerade in dieser Zeit (vom bürokratischen Beantragungsaufwand einmal abgesehen).

In eine ähnliche Richtung gehen Flächenextensivierungsprogramme wie beispielsweise das baden-württembergische MEKA (Marktentlastung und Kulturlandschaftsausgleich). Es förderte insbesondere den Verzicht auf Agrarchemikalien (synthetische Dünger, Pestizide). Der Vorteil zu Flächenstilllegungsprogrammen war ein zweifacher: Zum einen wurden die entsprechenden Flächen, weitgehend Grünland, weiterhin regelmäßig gemäht und wirkten daher anders als Brachflächen nicht „verwildert“. Andererseits breiteten sich auf den entsprechenden Flächen auch keine Ruderalpflanzen aus, sondern die vom Naturschutz stärker geschätzten traditionellen Wiesenpflanzen, die eben gerade solche nährstoffarmen Lebensräume bevorzugen: etwa Arnika (Arnica montana) , zahlreiche Arten von Glockenblumen (Campanula spec.) , Orchidee narten. Damit wurde und wird ein Stück traditionelle Agrarlandschaft wiederhergestellt.

Flächenextensivierung wie Flächenstilllegung hatten jedoch den gleichen Effekt. Im Verlauf der 1980er-Jahre gingen alle agraren „Berge“ und „Seen“ drastisch zurück und die EU-Nahrungsmittelproduktion näherte sich allmählich dem EU-Nahrungsmittelverbrauch an. Für einen umfangreichen Export auf den Weltmarkt waren die in der EU erzeugten Nahrungsmittel nach wie vor zu teuer. Die Regelung befriedigte also Landwirte, Behörden, Staatsbürger und konkurrierende Agrarexporteure auf dem Weltmarkt gleichermaßen.

Doch auch die Flächenstilllegungsprogramme sind weitgehend ausgelaufen bzw. wurden nicht wieder erneuert. Der Grund liegt darin, dass sich zu Beginn des neuen Jahrtausends der Weltagrarmarkt und damit auch die Agrarsituation der EU grundsätzlich gewandelt hat. Bedingt durch das Ansteigen der Preise für fossile Brennstoffe sowie durch Gesetze wohl aller Industriestaaten, die eine stärkere Verwendung erneuerbarer Energien fördern, kam es zu einer zunehmenden Nutzung von Agrarprodukten zur Energiegewinnung (Biodiesel, Äthanol, Methan). Die traditionelle Aufgabe des Agrarraumes, Nahrungsmittel zu erzeugen, trat damit in eine immer stärkere Konkurrenz mit der neuen Aufgabe, Energie zu produzieren. Damit werden Agrarprodukte wie Agrarflächen zunehmend knapp und teuer. Die Landwirtschaft, die bisher ökonomisch gesehen in ihren Wachstumsaussichten immer abgehängt war hinter dem produzierenden Gewerbe und hinter dem Dienstleistungssektor, scheint nun einer goldenen Zukunft entgegenzugehen. – Damit haben sich jedoch aus der Sicht vieler Flächenstilllegung und Flächenextensivierung, deren Ziel es ja war, agrare Erträge zu begrenzen, eindeutig erledigt.

25.3 Wiesenbrüterprogramme

Die meisten Vogelarten sind bekanntlich Höhlenbrüter oder brüten in Sträuchern oder auf Bäumen. Eine geringere Anzahl ist Bodenbrüter , wobei einige Arten Wälder, andere Äcker bevorzugen. Einige Arten legen ihre Nester auch auf Grünland an, die sogenannten Wiesenbrüter. Die vielleicht bekanntesten Wiesenbrüter unserer Avifauna sind die Feldlerche (Alauda arvensis) und der Kiebitz (Vanellus vanellus). Beide brüten neben dem bevorzugten Grünland auch auf Ackerland.

Obgleich sowohl Feldlerche als auch Kiebitz in den meisten Regionen noch als durchaus häufig gelten können, haben sie doch Bestandseinbußen erfahren. Dies hängt mit der zunehmenden Intensivierung der Agrarwirtschaft zusammen. Die Bevorzugung von Wintergetreide und die erhebliche Düngung von Wiesen und Getreideäckern bewirken gerade im Frühjahr bereits hohen Pflanzenwuchs, der das Nest des Kiebitzes wie der Lerche, die von Natur aus beide trockenen Steppenarealen entstammen, stark beschattet und feucht hält. Die Populationsentwicklung des Kiebitzes zeigt, dass insbesondere Jahre mit einem kühl-feuchten Frühjahr zu Bestandsrückgängen führen, wenn die Bruten nicht aufgezogen werden können.

Ein weiterer Gefährdungspunkt bei Wiesenbrütern liegt darin, dass die erste Mahd aufgrund der verstärkten Düngergaben so frühzeitig stattfindet, dass die Brut noch nicht flügge geworden ist und dem Mäher zum Opfer fällt.

Wiesenbrüterprogramme, wie sie im Bundesnaturschutzgesetz vorgesehen sind und von den meisten Bundesländern mit eigenen Programmen gestützt werden, sollen einer Extensivierung von Grünland dienen. Außerdem soll der zunehmenden Umwandlung von Grünland in Ackerland entgegengewirkt werden. Die Finanzierung erfolgt im Rahmen der sogenannten Cross Compliance (etwa: wechselseitige Verpflichtung) aus den öffentlichen Agrarhaushalten, die in den vergangenen Jahrzehnten im Zuge einer Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik von der Höhe der Agrarerträge weitgehend entkoppelt wurden, in Form von Prämienzahlungen an die Landwirte, die bestimmte Natur- und Umweltschutzauflagen einhalten müssen.