1 Einleitung

Am Beispiel der Mader GmbH & Co. KG wird gezeigt, dass es zu den wichtigsten unternehmerischen Herausforderungen gehört, qualifiziertes Fachpersonal zu finden, bereichsübergreifend zu arbeiten, auf Chancen zeitnah und flexibel zu reagieren, sich im Wettbewerb zu differenzieren und den professionellen Blick – unter Berücksichtigung der Internationalität – aufs Wesentliche zu richten. Sich an Ergebnissen zu orientieren, nicht nur an den zur Zielerreichung notwendigen Prozessen (Ergebnisorientierung statt Prozessorientierung). Auf Kundenseite kommt es darauf an, flexibel, dynamisch und schnell auf deren Anforderungen zu reagieren, fair und wettbewerbsfähig zu sein sowie Qualität und Nachhaltigkeit im Herstellungs- und Beschaffungsprozess zu berücksichtigen. Zur wichtigsten Führungsaufgabe gehört es daher in diesem Zusammenhang, vor allem die Selbstverantwortung im Unternehmen zu stärken. Sie verändert das Handeln des Einzelnen, weil es die Frage nach Verantwortung anders und auf einer persönlichen Ebene stellt. Denn Aufgabe von Führungskräften ist es nicht, Mitarbeiter bei Problemlösungen an die Hand zu nehmen, sondern Bedingungen zu schaffen, die ihr Potenzial zur Entfaltung bringen.

2 Die Mader GmbH & Co. KG

2.1 Kooperative Wirtschaftsmodelle

Die Mader GmbH & Co. KG gehört zu den erfolgreichen mittelständischen Unternehmen in Baden-Württemberg. Als einziges Unternehmen deutschlandweit deckt Mader mit seinem Leistungsspektrum die gesamte „Druckluftstrecke“ – von der Erzeugung der Druckluft im Kompressor über deren Aufbereitung und Verteilung bis zur Druckluftanwendung, beispielsweise mit Pneumatik-Zylindern – ab (Landhäußer 2014, S. 362). Im Ballungsraum Stuttgart ist der Mittelständler allerdings von den Großen wie Daimler und Porsche umgeben. Er steht mit ihnen im Wettbewerb, wenn es um gut ausgebildeten Nachwuchs geht und darum, ihn zu gewinnen bzw. zu halten.

Gemeinsam mit den geschäftsführenden Gesellschaftern Werner LandhäußerFootnote 1 und Peter MaierFootnote 2 vertrete ich ein kooperatives Wirtschaftsmodell, das die Katastrophe dieser neunziger Jahre – Dienst nach Vorschrift – hinter sich gelassen hat. Ziel ist ein nachhaltiges, gesundes und stabiles Wachstum. Mitarbeiter sind die Kernkompetenz des Unternehmens. Ausbildung und Weiterbildung haben bei uns einen hohen Stellenwert – so sichern wir unseren qualifizierten Nachwuchs von morgen und stellen sicher, dass wir den heutigen Anforderungen gewachsen oder sogar einen Schritt voraus sind. „Es ist allerdings wichtig, dass der Mittelstand in einem enger werdenden Arbeitsmarkt diese Vorteile noch deutlicher nach außen kommuniziert“ http://www.huffingtonpost.de/alexandra-hildebrandt/warum-jungen-menschen-gehalt-und-status-egal-ist_b_4452824.html, sagt Werner Landhäußer. Denn für junge Talente ist die Art und Weise, wie Unternehmen kommunizieren, zum Auswahlkriterium für einen attraktiven Arbeitgeber geworden.

2013 übernahm ich die Verantwortung für die Bereiche Produktmanagement Pneumatik, Datenpflege und Katalogmanagement, Key Account OEM, Einkauf, Fertigung und Logistik, einschliesslich Fuhrpark Gebäudemanagement. Dazu gehören konkrete Themen wie:

  • Produktivitätssteigerung durch Organisationsoptimierung: Gemeinsame Identifikation und Realisierung von Produktivitätssteigerungen innerhalb der bestehenden Organisation in Form von Schnittstellenreduzierungen (am Beispiel Einkauf/Produktmanagement/Key Account OEM) oder einer konsequent auf Kundenanforderungen ausgerichteten Vertriebs-und Servicestruktur

  • Übertragung von Verantwortung: Begleitung des Projekts „Shared Leadership“ – Mitarbeiter Initiativ Teams/Befragung und Einbeziehung aller Mitarbeiter

  • Leistungsorientierte Entlohnung: Begleitung des Projekts „Mader 1.0“ – Erarbeitung eines neuen Prämienmodells

  • Optimierung der bestehenden Produkt- und Beschaffungsstrategie: Erarbeitung und Umsetzung neuer Ansätze zur langfristigen strategischen partnerschaftlichen Zusammenarbeit, einschliesslich der strategischen Entwicklung des Produktsortiments.

Der Fachkräftemangel verschärft den Wettbewerb um Talente. Unternehmen, die ihren Mitarbeitern Sinn vermitteln können, sind im Vorteil. Im Personalwesen ist auch Shared Leadership inzwischen ein viel diskutiertes Thema – dabei geht es um die Verlagerung der Führung vom Vorgesetzten hin zum Team.

Viele junge Menschen fühlen sich bei einem Mittelständler wohler als in einem Konzern. Hier haben sie vielfach eigene Gestaltungsspielräume, eine schlanke und transparente Organisation sowie kurze Entscheidungswege. Auch persönlich schätze ich den Mittelstand, weil er näher am Markt(geschehen) ist und die Firmenstrategie näher am Unternehmen. Die Zuständigkeitsbereiche sind oft abwechslungsreicher, da die Organisation schlanker und weniger starr ist: Teamgeist wird positiv gesehen und nicht als Einmischung in fremde Kompetenzen empfunden. Dadurch können Ideen schneller umgesetzt werden, weil Inhalte und Resultate hier in der Regel wichtiger sind als „Politik“ und Beziehungen zu den „richtigen“ Personen in Großunternehmen mit ihrer ausgeprägten „Power Point-Kultur“. Informelle soziale Zusammenhänge gewinnen im digitalen Zeitalter immer mehr an Relevanz, parallel zur Qualifikation. Der Mensch zählt bei uns als Person, mit seiner Persönlichkeit – und nicht nur in seiner unmittelbaren, aktuellen Funktion für das Unternehmen. Personalentwicklung ist ein elementarer Baustein der Unternehmenskultur.

Diese Erkenntnis wird durch die eigene Biographie gestützt: Schon in meiner Schulzeit hatte ich vielseitige Interessen wie Sprachen, Naturwissenschaften und Musik. Nach dem Abitur absolvierte ich ein freiwilliges soziales Jahr in einem Pflegeheim. In dieser Zeit erkannte ich, dass man sich im Alter mehr ärgert über das, was man nicht gewagt hat, als über das, was im Leben nicht rund gelaufen ist. Während meines Studiums und verbrachte ich einen längeren Studien- und Arbeitsaufenthalt in Taiwan. Nach meiner Rückkehr nach Deutschland kam ich 1996 zum Technischen Handel Freudenberg. Nach weiteren Stationen, unter anderem in der Spielzeugindustrie, und in der Automobilzulieferindustrie, wo ich in China für Firmengründungen sowie die Etablierung eines erfolgreichen Shared Service- Konzepts für die Firmengruppe zuständig war, wurde ich 2013 Geschäftsführerin bei der Mader GmbH & Co. KG. Werner Landhäußer war für mich schon zu Freudenberg-Zeiten einer der wichtigsten Mentoren. Seine Philosophie war, mir immer „eine Aufgabe zu übertragen, die zunächst eine Nummer zu groß schien“ http://www.huffingtonpost.de/alexandra-hildebrandt/nicht-loeschen-warum-wir-mehr-kluge-feuermacher-brauchen_b_5301874.html. Der Begriff „Mentor“ kommt ursprünglich aus der Odyssee, wo sich die gleichnamige Gestalt um die Erziehung von Odysseus’ Sohn Telemach kümmerte: ein weiser Lehrer, der den Jungen auf das Leben vorbereitet.

Diese Erfahrungen prägten auch meine Gedanken und Ansichten zum Thema Vorbild. Damit verbunden ist für mich die Erkenntnis, dass niemand in eine Schublade gesteckt und Rat – auch und manchmal gerade dann – angenommen werden sollte, wenn der „Sender“ nicht auf einer Wellenlänge mit dem „Empfänger“ liegt. Kritik sollte dazu beitragen, den eigenen Standpunkt zu hinterfragen, aber nicht dazu führen, sich „aus der Bahn“ werfen zu lassen. Worauf es ankommt ist, zuzuhören, Charakter zu haben, ohne anderen eine innere Ideologie aufschwatzen zu wollen, kritisch zu bleiben (gerade auch sich selbst gegenüber) – sich nicht gemein machen – weder nach unten noch und nach oben und das zu tun, was einen innerlich leitet. Unabhängig davon, ob es gerade Mode ist oder ob es die eigene Lebensart erlaubt. „Menschen wie diese machen auch Unternehmen zu echten Vorbildern.“ http://www.spitzenfrauen-bw.de/startseite/aktuelles/blog/blogartikel/?uid_single=535&topic=12&theme_uid=72&cHash=75f0a8736e81c21fef43725968e51e19

2.2 Qualität statt Quote

Persönlichkeitsentwicklung und Karriere sind bei Mader nicht mit Quote, sondern mit Eignung, Engagement, Lösungsorientierung und Freude an der Zielerreichung verbunden – und „Macht“ mit Gestaltungsmöglichkeiten und dem Teilen von Wissen. Denn wer Informationen hortet, schwächt die Macht, ein System positiv zu beeinflussen und es lebendig zu halten. Während Wissen früher Macht bedeutete und Informationen gehortet wurden, gewährleisten die neuen technischen Systeme im digitalen Zeitalter einen offeneren Datenzugang. An Kennzahlen orientierte Prämienmodelle, die Unternehmenserfolg bedeuten (Rohertrag bzw. EBIT oder EBT), „sind im Mittelstand oft transparenter und dem Geschäftsverlauf angemessener als in Großunternehmen, wo sie häufig kontraproduktiv oder im Extremfall sogar geschäftsschädigend sind. Wesentliche Kennzahlen sind über ein Online-Tool für alle Mitarbeiter jederzeit einsehbar.“

Stefanie Kästle, verantwortlich für Qualitäts-, Umwelt-, Energiemanagement bei Mader, betont ebenfalls die Bedeutung der Kommunikation der Kennzahlen sowie die gemeinsame Analyse mit den entsprechenden Kollegen, um gegebenenfalls auch Verbesserungspotenziale zu ermitteln: „Sie müssen für alle verständlich sein und auf die Strategie und Ziele in den einzelnen Bereichen heruntergebrochen werden. Denn es geht nicht um eine reine Betrachtung der Zahlen, sondern um die Wahrnehmung des Gesamtbildes. Eine Kennzahl ist nur ein Indikator. Einzelbetrachtungen sind nicht aussagefähig, sondern nur der übergeordnete Zusammenhang.“ http://www.huffingtonpost.de/alexandra-hildebrandt/qualitaet-statt-quote-war_b_5126244.html Erst mit einer ausreichenden Zahl verschiedener Daten können die Umrisse ihrer Dynamik fokussiert werden: Je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto schärfer die (Unternehmens-)Landkarte. Kennzahlen werden bei Mader nicht nur quantitativ gemessen, sondern auch qualitativ. Prozesssteuerung wird hier ebenfalls unter dem Begriff Controlling gefasst, was die Verbindung zum Thema Qualitäts- und Umweltmanagement einschließt. Themen wie Energieeffizienz und die Ermittlung von Umweltkennzahlen gehören ebenfalls dazu.

Damit verbunden ist auch die Stärkung des Umweltbewusstseins der Mitarbeiter und Kunden. Im Rahmen der Frühjahrskonferenz der Klimaschutz- und Energie-Effizienzgruppe der Deutschen Wirtschaft Ende März 2014 in Berlin zeichneten das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) und der Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) das Unternehmen für sein langjähriges und umfassendes Umweltengagement aus.

Auf einer gewaltigen Datenmenge beruht auch die gesamte Erfahrung der Mader-Mitarbeiter und Führungskräfte – nach innen entstehen Synergieeffekte durch Teamarbeit. Dazu gehört z. B. das „Miteinander im Team“ (MIT-)Projekt, das dem Shared Leadership-Ansatz folgt: Es wird von Mitarbeitern für Mitarbeiter initiiert und umgesetzt. Regelmäßig wird auch darüber gesprochen, warum Dinge nicht funktionieren und was man gemeinsam dagegen tun kann. http://www.huffingtonpost.de/alexandra-hildebrandt/shared-leadership-die-zuk_b_4803248.html

Unterschiedliche Meinungen und Sichtweisen werden dabei nicht als störend empfunden, sondern als willkommene Stimulation der Weiterentwicklung des Unternehmens. Wenn ein konkretes Projekt oder ein Problem auftritt, können wir sofort reagieren. Die Mitarbeiter haben im Bedarfsfall immer einen Ansprechpartner, der (meist) zeitnah entscheiden kann.

Auch Mitarbeiter ohne dauerhaften PC-Arbeitsplatz werden regelmäßig informiert. Planüber- oder -unterschreitung ist nicht entscheidend, weil nicht vorsichtige Planung, sondern das erreichte Ergebnis belohnt werden soll. Wissen verteilt sich bei Mader auf allen Ebenen, angefangen bei der Aus- und Weiterbildung, die in diesem Unternehmen einen hohen Stellenwert hat, über themenbezogene Unterweisungen (auch gerne einmal von Auszubildenden für die Mitarbeiter), bis hin zu berufsbegleitenden fach- und themenbezogenen Schulungen.

Auch wenn ein Unternehmen letztlich eine betriebswirtschaftliche Institution ist, in der eine zukunftsfähige Entwicklung nur bei gesunder Profitabilität gewährleistet werden kann, so bin ich davon überzeugt: wenn wir in Summe – wie bei Mader, dank der gelebten Überzeugung der geschäftsführenden Gesellschafterleistung unabhängig von Alter, Geschlecht, Nationalität beurteilen und leben würden, wenn Leistungsträger gefördert würden, ohne Angst, dass sie einem „gefährlich“ werden, weil sie zu gut werden könnten, wenn tatsächlich die Freude darüber überwiegen würde, solche Mitarbeiter zu haben – wenn das überall so wäre, dann gäbe es nach meiner Überzeugung keine Notwendigkeit für irgendeine Quotendiskussion.

Kompetenz und Gestaltungsmacht ist bei der Mader GmbH & Co. KG also keine Frage der Quote. Dass sich Führungsstile hier wie in erfolgreichen Unternehmen mischen, macht die Kraft der Vielfalt im Unternehmen aus (vgl. Landhäußer 2014, S. 364), wenn es darum geht, einander zuzuhören, zu motivieren und zu kooperieren. „Es gibt auch männliche Führungskräfte mit eher weiblichem Führungsstil oder umgekehrt“, bestätigt Geschäftsführer Werner Landhäußer: „Diese stehen vor den gleichen Herausforderungen. Es gibt Menschen mit Kinderstube, Werten, Empathie, sozialem Gewissen, Konfliktfähigkeit und Führungsfähigkeiten, die aus meiner Sicht auch nicht erlernbar sind, sondern nur verbesserbar – diese Eigenschaften machen gute Führungspersönlichkeiten aus.“ http://www.huffingtonpost.de/alexandra-hildebrandt/qualitaet-statt-quote-war_b_5126244.html

Worauf es im Unternehmen Mader ankommt, sind Sach-, Lösungs- und Erfolgsorientierung, immer mit Blick auf das gesamte Unternehmen. Dies steht im häufig anzutreffenden Gegensatz zur Selbstvermarktung einiger Karrieristen: diese lernen vor allem in anonymen Großorganisationen, Eigenschaften wie Durchsetzungsvermögen, Rationalität, Härte und zielorientierte Taktik in erster Linie für das eigene Wohl – und nicht das Wohl des Unternehmens – einzusetzen. Macht wird zur Manipulation vorwiegend im Sinne der eigenen Zielerreichung eingesetzt – die Ziele des Unternehmens werden oft als anonym empfunden und ganz selbstverständlich den eigenen Zielen untergeordnet. Bei Mader dagegen wird Macht nicht über eine Position definiert. Eine gute Führungskraft zeichnet sich für mich auch dadurch aus, dass sie sich der Verantwortung sich selbst gegenüber bewusst ist, aber auch Anteil am Anderen nimmt. Dazu gehören Werte wie Geduld, Zuhören, die Schaffung und Bewahrung von Chancenräumen, aber vor allem Vertrauen, Respekt und gegenseitige Wertschätzung. Eine der grössten Herausforderungen besteht meiner Erfahrung nach darin, Themen in ihrer Komplexität erkennen und zulassen zu können, es sich nicht zu schnell zu leicht machen, sich nicht auf einer zweidimensionalen „entweder – oder“-Schiene hin- und herzubewegen, sondern manchmal einen Schritt zurückzugehen, um aus einem anderen Blickwinkel im vermeintlich Unvereinbaren das Verbindende und eine unerwartete Idee oder Lösung erkennen zu können. Damit sich die Energie der Vielfalt frei entfalten kann.