Zusammenfassung
In diesem Kapitel werden zunächst die für die Neurointensivmedizin wesentlichen bakteriellen Infektionen (Meningitis, spinale und Hirnabszesse, Spondylodiszitis, septisch-embolische Herdenzephalitis) abgehandelt, die trotz gezielt eingesetzter Antibiotika und neurochirurgischer Therapieoptionen noch mit einer erheblichen Morbidität und Mortalität behaftet sind. Besonderheiten wie neurovaskuläre Komplikationen, die Tuberkulose des Nervensystems, Neuroborreliose, Neurosyphilis und opportunistische Infektionen bei Immunsuppressionszuständen finden hierbei besondere Berücksichtigung. Der zweite Teil dieses Kapitels behandelt akute und chronische Virusinfektionen des ZNS sowie in einem gesonderten Abschnitt die HIVInfektion und HIV-assoziierte Krankheitsbilder sowie Parasitosen und Pilzinfektionen, die in Industrieländern seit Einführung der HAART bei HIV zwar eher seltener, aber mit zunehmender Globalisierung auch in unseren Breiten immer noch anzutreffen sind.
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In diesem Kapitel werden zunächst die für die Neurointensivmedizin wesentlichen bakteriellen Infektionen (Meningitis, spinale und Hirnabszesse, Spondylodiszitis, septisch-embolische Herdenzephalitis) abgehandelt, die trotz gezielt eingesetzter Antibiotika und neurochirurgischer Therapieoptionen noch mit einer erheblichen Morbidität und Mortalität behaftet sind. Besonderheiten wie neurovaskuläre Komplikationen, die Tuberkulose des Nervensystems, Neuroborreliose, Neurosyphilis und opportunistische Infektionen bei Immunsuppressionszuständen finden hierbei besondere Berücksichtigung.
Der zweite Teil dieses Kapitels behandelt akute und chronische Virusinfektionen des ZNS sowie in einem gesonderten Abschnitt die HIV-Infektion und HIV-assoziierte Krankheitsbilder sowie Parasitosen und Pilzinfektionen, die in Industrieländern seit Einführung der HAART bei HIV zwar eher seltener, aber mit zunehmender Globalisierung auch in unseren Breiten immer noch anzutreffen sind.
1 Bakterielle Meningitis
Trotz gezielt eingesetzter Antibiotika sind die Letalitätszahlen der bakteriellen (eitrigen) Meningitis weiterhin hoch; Überlebende haben häufig neurologische Residuen. Die ungünstigen klinischen Verläufe sind meist Folge intrakranieller Komplikationen , wie z. B. eines generalisierten Hirnödems, einer zerebrovaskulären arteriellen oder venösen Beteiligung oder eines Hydrozephalus.
1 Inzidenz
Die jährliche Inzidenz der Meningokokkenerkrankungen beträgt in Industrieländern derzeit etwa 0,5–4 Erkrankungen/100.000 Einwohner. In Deutschland wurden im Jahr 2013 341 Meningokokkenerkrankungen gemeldet; dies entspricht einer Inzidenz von etwa 0,4 Erkrankungen/100.000 Einwohner. Die Serotypisierung über die letzten Jahre zeigte, dass Serogruppe-B-Meningokokken (ca. 2/3) und Serogruppe-C-Meningokokken (ca. 1/4) am häufigsten zu beobachten waren [37].
Die Inzidenz der Pneumokokkenmeningitis liegt etwa bei 1–2/100.000; in Entwicklungsländern kann sie aber bis zu 20/100.000 erreichen.
1 Ätiologie
Die häufigsten Erreger einer bakteriellen Meningitis im Erwachsenenalter sind Streptococcus pneumoniae und Neisseria meningitidis. Ferner wird die bakterielle Meningitis verursacht durch: Listerien (< 5 % der Fälle), Staphylokokken (je nach Literaturangabe 1–9 % der Fälle), gramnegative Enterobakterien inkl. Pseudomonas aeruginosa (< 10 % der Fälle) und Haemophilus influenzae (1–3 %).
Die häufigsten Keime der eitrigen Meningoenzephalitis im Kindesalter sind Pneumokokken und Meningokokken und in der Neugeborenenperiode Streptococcus agalactiae (Gruppe-B-Streptokokken), gramnegative Enterobakterien und Listerien.
Meningokokkenmeningitisepidemien werden überwiegend durch Serogruppe-A-Meningokokken verursacht und kommen in Entwicklungsländern vor, z. B. im „Meningitisgürtel“ Afrikas (südlich der Sahara und nördlich des Äquators von der Ost- bis zur Westküste) sowie in Südamerika und Asien. Meningokokken werden durch Tröpfcheninfektion übertragen, die Inkubationszeit beträgt in der Regel 3–4 Tage, kann aber in einem Bereich zwischen 2 und 10 Tagen liegen.
Die häufigsten Erreger der bakteriellen Meningitis bei immunsupprimierten Patienten sind gramnegative Enterobakterien inkl. Pseudomonas aeruginosa, ferner Streptococcus pneumoniae und Listeria monocytogenes.
Im Erregerspektrum einer nosokomialen bakteriellen Meningitis dominieren Staphylokokken (Staphylococcus aureus und Staphylococcus epidermidis, inkl. methicillinresistente Staphylokokken) und gramnegative Enterobakterien.
Anaerobe Bakterien sind häufige Erreger eines Hirnabszesses , jedoch selten Ursache einer eitrigen Meningitis (< 1 % der Fälle). Gemischte bakterielle Infektionen finden sich bei etwa 1 % der Meningitisfälle, insbesondere bei Patienten mit Immunsuppression, posttraumatischer oder postoperativer Meningitis oder bei parameningealen Infektionsherden [31].
Bei mehr als 50 % der erwachsenen Patienten mit einer bakteriellen Meningitis finden sich prädisponierende Faktoren oder Grundkrankheiten, insbesondere parameningeale Infektionen (z. B. Otitis oder Sinusitis, Mastoiditis, Hirnabszess oder subdurales Empyem), eine vorausgegangene neurochirurgische Operation, einen anamnestischen Hinweis auf ein Schädel-Hirn-Trauma mit oder ohne Durafistel, einen septischen Herd, wie z. B. Pneumonie oder eine septische Endokarditis, oder aber Zeichen einer Abwehrschwäche (z. B. Diabetes mellitus, chronischer Alkoholismus, Z. n. Splenektomie, immunsuppressive medikamentöse Therapie, HIV-Infektion) oder eine Malignomerkrankung (Tab. 32.1; [14]).
1 Pathophysiologie
Durch die Ergebnisse von tierexperimentellen Studien und Zellkulturuntersuchungen konnte in den letzten Jahren unser Verständnis der komplexen pathophysiologischen Mechanismen des zerebralen Schadens im Verlauf der bakteriellen Meningitis deutlich verbessert werden [21]. Die Ursache der intrakraniellen Komplikationen liegt neben direkt toxischen Effekten bakterieller Toxine maßgeblich in einer durch die körpereigene Immunantwort induzierten ZNS-Schädigung.
Zunächst können Bakterien, die durch einen parameningealen Fokus, hämatogen oder iatrogen in das ZNS gelangt sind, weitgehend ungehindert proliferieren, da opsonierende Substanzen wie Antikörper oder Komplement im ZNS nur in sehr geringen Mengen vorhanden sind. Freigewordene bakterielle Zellwandkomponenten (z. B. Lipopolysaccharide, Teichonsäuren oder Peptidoglykane), aber auch mikrobielle Toxine (z. B. Pneumolysin) werden schließlich über Pathogenerkennungsrezeptoren (wie z. B. Toll-like-Rezeptoren) durch immunkompetente Zellen erkannt [17], es kommt zu einer Aktivierung von Transkriptionsfaktoren (z. B. NF-Kappa-B bei der Pneumokokkenmeningitis) und einer Produktion von Zytokinen und Chemokinen, die die Entzündungsantwort dirigieren [16]. In das ZNS eingewanderte Entzündungszellen (vor allem Granulozyten) werden aktiviert und produzieren toxische Substanzen wie reaktive Sauerstoff- und Stickstoffmoleküle, auf die das ZNS nicht vorbereitet ist [15].
Die eigentlich gegen die eindringenden Bakterien gerichtete Immunantwort schädigt das körpereigene Gewebe, insbesondere Endothelzellen, Gliazellen und Neurone. Infolge einer endothelialen Funktionsstörung kommt es zu einer Beeinträchtigung der zerebrovaskulären Autoregulation , einer Störung der Kohlendioxidreaktivität zerebraler Gefäße und einer Störung der Blut-Hirn-Schranke. Die Entstehung eines vasogenen Hirnödems gehört neben der Entwicklung eines Hydrocephalus internus infolge von Liquorzirkulationsstörungen zu den wichtigsten Ursachen eines erhöhten intrakraniellen Drucks im Verlauf der Meningitis . Ein erhöhter intrakranieller Druck kann durch Entstehung einer zerebralen Herniation und durch Reduktion des zerebralen Perfusionsdrucks mit der Gefahr zerebraler Ischämien gefährlich werden.
1 Symptomatik
Klinische Leitsymptome der bakteriellen (eitrigen) Meningitis sind:
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Kopfschmerzen,
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Meningismus und
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hohes Fieber.
Das Fehlen eines Leitsymptoms schließt allerdings die Diagnose einer bakteriellen Meningitis nicht aus.
Neben den Leitsymptomen können ein Verwirrtheitssyndrom, eine Vigilanzstörung, Übelkeit und Erbrechen sowie Lichtscheu und epileptische Anfälle auftreten. Etwa 10 % der Patienten haben eine Hirnnervenbeteiligung , der Häufigkeit nach des III., VI., VII. und VIII. Hirnnerven. Hörstörungen, die meist Folge einer eitrigen Labyrinthitis sind, finden sich bei etwa 10–20 % der Patienten mit bakterieller Meningitis, bei Patienten mit Pneumokokkenmeningitis sogar bei bis zu 30 %. Bei etwa 75 % der Patienten mit einer Meningokokkenmeningitis ist bei Krankenhausaufnahme ein Exanthem (das Spektrum reicht von einzelnen Petechien bis zu ausgedehnter Purpura mit Hautnekrosen) nachweisbar [11].
Etwa 50 % der invasiven Meningokokkenerkrankungen verlaufen als eitrige Meningitis, 25 % schwerpunktmäßig als Sepsis, weitere 25 % zeigen Mischformen (Meningitis und Sepsis). Bei etwa 10–15 % der septischen Erkrankungen treten besonders schwere Formen des septischen Schocks auf, die als Waterhouse-Friderichsen-Syndrom bekannt sind und eine sehr hohe Letalität aufweisen.
1 Verlauf
Komplikationen unterschiedlichen Schweregrades kommen bei etwa 50 % der erwachsenen Patienten mit einer bakteriellen Meningitis in der Akutphase der Erkrankung vor (Tab. 32.2 und Tab. 32.3; [14, 30]).
Da die erste Woche der Erkrankung als kritische Zeit im Verlauf der bakteriellen Meningitis angesehen wird, sollen Patienten mit einer bakteriellen Meningitis in der Initialphase der Erkrankung auf einer Intensivstation behandelt werden.
Die wichtigsten zerebralen Komplikationen sind Hirnödem (vasogen, zytotoxisch oder interstitiell), Hydrozephalus (sowohl Verschlusshydrozephalus als auch kommunizierender Hydrozephalus) und zerebrovaskuläre Komplikationen (Abb. 32.1, Abb. 32.2, Abb. 32.3).
Zerebrovaskuläre Komplikationen im arteriellen (Arteriitis, Vasospasmus) und im venösen Bereich (septische Sinus- oder kortikale Venenthrombose) können zu Infarkten mit schweren irreversiblen zerebralen Schäden führen. Zerebrale arterielle Gefäßkomplikationen können auch noch Tage bis 1–2 Wochen nach bereits erfolgter guter klinischer Besserung der Patienten auftreten („delayed stroke“) [19, 20, 40].
Neben den zerebralen Komplikationen können sich folgende extrakranielle Komplikationen in der Akutphase der bakteriellen Meningitis entwickeln: septischer Schock, Verbrauchskoagulopathie, Adult Respiratory Distress Syndrome (ARDS), Arthritis (septisch und reaktiv), Elektrolytstörungen wie Hyponatriämie, Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH), zerebrales Salzverlustsyndrom oder zentraler Diabetes insipidus, Rhabdomyolyse, Pankreatitis, septische einseitige (selten beidseitige) Endophthalmitis oder Panophthalmitis, Blindheit als Folge einer Vaskulitis und spinale Komplikationen (z. B. Myelitis oder spinale Vaskulitis; [14, 46]).
1 Diagnostik
Entscheidend für die Diagnose der bakteriellen Meningitis ist die Liquoruntersuchung . Der eitrig-trübe Liquor zeigt eine granulozytäre Pleozytose über 1000 Zellen/µl, eine schwere Blut-Liquor-Schrankenstörung und eine Liquorglucoseerniedrigung (meist < 30 mg/dl; Liquor-/Serum-Glucose-Quotient < 0,3) . Bei Patienten mit extrem niedrigen Liquorglucosekonzentrationen (< 5 mg/dl) findet sich in der Regel eine sehr große Zahl von Bakterien im Liquor (Bakterienrasen im Gram-Präparat). Anstelle des Liquor-Serum-Glucose-Quotienten kann auch die Bestimmung von Liquorlaktat hilfreich sein: Bei bakterieller Meningitis finden sich meist erhöhte Laktatwerte im Liquor (Werte meist > 3,5 mmol/l) [39]. Liquorzellzahlen < 1000 Zellen/µl können bei der bakteriellen Meningitis sehr früh im Krankheitsverlauf, bei antibiotisch anbehandelten Patienten, bei fulminanten Krankheitsverläufen und bei abwehrgeschwächten (z. B. leukopenischen) Patienten beobachtet werden.
Der Erregernachweis im Liquor ist mit verschiedenen Methoden möglich:
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mikroskopisch mittels Gram-Färbung (oder Methylenblau-Färbung),
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bakteriologisch mittels Kultur und
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molekularbiologisch mittels Polymerasekettenreaktion (PCR).
Der Nachweis von Bakterien im Liquor ist mit den genannten Methoden bei 70–90 % der Patienten mit eitriger Meningitis möglich. Bei etwa 50 % der Patienten mit bakterieller Meningitis sind die Blutkulturen positiv; Blutkulturen müssen deshalb vor Beginn der Antibiotikatherapie angelegt werden. Zudem stehen Antigennachweise für N. meningitidis, S. pneumoniae, H. influenzae und Streptococcus agalactiae zur Verfügung [18].
Im Blut finden sich eine Leukozytose sowie eine Erhöhung des C-reaktiven Proteins (mögliche Ausnahme: immunsupprimierte Patienten). Eine Metaanalyse ergab, dass der negative CRP-Befund bei Patienten mit dem klinischen Bild einer Meningitis mit einer Vorhersagewahrscheinlichkeit von größer 97 % für eine nichtbakterielle Ursache spricht, ein positiver Befund allerdings nicht sehr hilfreich ist [27]. Ferner wird die Bestimmung des Serumprocalcitonins für die Unterscheidung einer bakteriellen von einer nichtbakteriellen Meningitis herangezogen: Procalcitonin ist bei der bakteriellen Meningitis mit hoher Sensitivität (bis 99 %) erhöht, die Spezifität liegt jedoch unter 85 % [5, 8, 23]. In einer frühen Krankheitsphase kann das Procalcitonin (bei parameningealem Entzündungsfokus und nicht primärer hämatogener Entstehung der Meningitis) jedoch noch normal sein, sodass ein negativer Procalcitoninwert eine bakterielle Meningitis nicht ausschließt.
Bei jedem Patienten mit bakterieller Meningoenzephalitis muss noch am Aufnahmetag eine bildgebende Untersuchung durchgeführt werden, in der Regel eine Schädel-CT mit Knochenfenster [31]. Mögliche Befunde, die in der Schädel-CT oder -MRT bei einem Patienten mit bakterieller Meningoenzephalitis nachgewiesen werden können, sind in der folgenden Übersicht zusammengefasst.
Mögliche Befunde, die in der Schädel-CT oder -MRT bei der bakteriellen Meningitis zur Darstellung kommen können
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Hirnschwellung (Hirnödem; Hirnvolumenzunahme bei Sinus-/Venenthrombose)
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Hydrozephalus
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Infarkte (evtl. hämorrhagisch transformiert) bei zerebraler Vaskulitis oder septisch-embolischer Herdenzephalitis oder Stauungsinfarkte bei Sinus-/Venenthrombose
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Intrazerebrale Blutung (Blutung bei Verbrauchskoagulopathie; Stauungsblutung bei Venenthrombose)
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Zerebritis (Hirnphlegmone)
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Ventrikulitis (Ventrikelempyem)
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Hirnabszess oder subdurales Empyem (die sekundär zu einer Meningitis geführt haben)
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Parameningealer Infektionsherd im Knochenfenster (z. B. Sinusitis, Mastoiditis)
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Intrakranielle freie Luft bei Durafistel
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Meningeale und ventrikuläre ependymale Kontrastmittelaufnahme
In Absprache mit den HNO-ärztlichen Kollegen erfolgen ggf. eine CCT-Untersuchung in koronarer Schnittführung sowie eine Dünnschicht-CT von Felsenbein und Mastoid.
Für die Diagnostik zerebrovaskulärer Komplikationen können eingesetzt werden:
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transkranielle Dopplersonographie (TCD)
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CT-Angiographie und CT-Perfusion
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Kernspintomographie (insbesondere T2-Wichtung, perfusions- und diffusionsgewichtete MRT)
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MR-Angiographie und
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ggf. digitale Subtraktionsangiographie.
Zum Nachweis vestibulokochleärer Funktionsstörungen im Verlauf der Meningitis werden folgende Untersuchungen durchgeführt:
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Audiometrie
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akustisch evozierte Hirnstammpotenziale
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otoakustische Emissionen und
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Elektronystagmographie mit Kalorik.
1 Allgemeines Vorgehen
Das nach den Leitlinien der DGN empfohlene Vorgehen im Krankenhaus bei erwachsenen Patienten mit Verdacht auf bakterielle Meningitis sieht folgendermaßen aus: Nach der klinischen Untersuchung soll bei dringendem Verdacht auf eine bakterielle Meningitis unmittelbar die lumbale Liquorpunktion angestrebt werden. Bei 235 prospektiv untersuchten Patienten mit V. a. bakterielle Meningitis fanden sich keine Veränderungen im CT, die gegen eine Liquorpunktion sprachen, wenn klinisch keine fokalen neurologischen Defizite und keine Vigilanzminderung vorhanden waren und keine epileptischen Anfälle aufgetreten sind [10]. Infolgedessen kann bei Patienten ohne entsprechende Zeichen eine Liquorpunktion ohne vorherige Bildgebung erfolgen (Abb. 32.4); nach Abnahme von Blutkulturen werden sofort Dexamethason und empirisch Antibiotika gegeben (Tab. 32.4).
Bei bewusstseinsgestörten Patienten, Patienten mit epileptischen Anfällen und Patienten mit fokalneurologischem Defizit (z. B. Hemiparese), bei denen der dringende Verdacht auf eine bakterielle Meningitis besteht, ist vor der Liquoruntersuchung eine Schädel-CT mit der Frage nach Kontraindikationen für eine Lumbalpunktion (z. B. Hirnabszess, Hydrozephalus) erforderlich. Sollte es durch die CT-Untersuchung zu einer signifikanten Zeitverzögerung der Liquordiagostik kommen, müssen bereits unmittelbar nach der Blutentnahme (für das Anlegen einer Blutkultur) Dexamethason und empirisch Antibiotika gegeben werden. Sollte der CT-Befund nicht dagegen sprechen, wird die Liquorpunktion ergänzt [31]. Dies soll so bald wie möglich erfolgen, da die Wahrscheinlichkeit, einen Erreger im Liquor zu identifizieren, mit der Zeit nach begonnener Antibiotikatherapie sinkt.
Kontraindikationen für eine Liquorpunktion sind raumfordernde Veränderungen im CT, die mit einem erhöhten intrakraniellen Druck einhergehen (z. B. generalisiertes Hirnödem, Hydrocephalus internus, Hirnabszess) oder klinische Zeichen der Einklemmung (z. B. komatöser Patient, einseitig erweiterte und nicht lichtreagible Pupille). Eine signifikante Erhöhung des intrakraniellen Drucks kann allerdings mittels CT nie sicher ausgeschlossen werden [47].
Es muss möglichst bald nach Aufnahme des Patienten eine HNO-ärztliche Konsiliaruntersuchung erfolgen. Wenn klinisch (z. B. Otitis) oder in der CT ein parameningealer Entzündungsherd (z. B. Sinusitis) als mögliche Ursache für die bakterielle Meningitis nachgewiesen wird, soll möglichst rasch (wenn möglich am Aufnahmetag) die operative Fokussanierung erfolgen. In Abhängigkeit von der Anamnese und vom klinischen Befund muss ggf. auch nach anderen infektiösen Foci gesucht werden (z. B. Thoraxröntgenaufnahme, Abdomensonographie/CT, Echokardiographie).
1 Therapie
1 Antibiotikatherapie der bakteriellen Meningitis
Ist der Erreger nicht bekannt , wird empirisch unter Berücksichtigung des Alters des Patienten, der prädisponierenden Faktoren und der damit wahrscheinlichsten Bakterien behandelt (Tab. 32.4 und Tab. 32.5). Bei Erwachsenen mit ambulant erworbener bakterieller Meningitis sind die häufigsten Erreger Streptococcus pneumoniae und Neisseria meningitidis, bei Erwachsenen ab 50 Jahren spielen Listerien zudem eine wichtige Rolle. Infolgedessen wird bei Erwachsenen mit ambulant erworbener Meningitis eine empirische Antibiotikatherapie mit Ceftriaxon und Ampicillin empfohlen.
In einigen Ländern wie Frankreich, Belgien, Spanien oder den USA findet sich ein hoher Anteil an Penicillin- und Cephalosporin-resistenten Pneumokokken [13, 18, 45], sodass bei entsprechender Anamnese zusätzlich Vancomycin in der Initialtherapie verabreicht werden muss. In Deutschland wurde zwar ein Anstieg von Penicillin-resistenten Pneumokokken im Nordosten des Landes verzeichnet, Cephalosporin-resistente Pneumokokken fanden sich allerdings bisher als Erreger einer bakteriellen Meningitis nicht [13].
Eine Antibiotikatherapie muss bei Patienten mit Verdacht auf bakterielle Meningitis schnell begonnen werden, möglichst eine Stunde nach Aufnahme [18]. Eine Verzögerung der Antibiotikatherapie nach Krankenhausaufnahme muss unbedingt vermieden werden [2]; in einer prospektiven Multicenterstudie bei 156 erwachsenen Patienten mit Pneumokokkenmeningitis konnte nachgewiesen werden, dass eine Verzögerung der Antibiotikatherapie um mehr als 3 h mit einer ungünstigen Prognose vergesellschaftet ist. Ferner wurde in einer retrospektiven Datenanalyse (119 Patienten mit einem Alter ≥ 16 Jahren und einer bakteriellen Meningitis, 56 % hatten eine Pneumokokkenmeningitis) gezeigt, dass Patienten, die später als 6 h nach Krankenhausaufnahme mit Antibiotika behandelt wurden, ein 8,4-mal höheres Risiko hatten, an der Meningitis zu versterben [32].
Liegt das Antibiogramm vor, muss die intravenöse Antibiotikatherapie entsprechend angepasst werden (Tab. 32.6 und Tab. 32.7).
Die empfohlene Behandlungsdauer mit Antibiotika liegt bei unkompliziertem Verlauf einer H.-influenzae-Meningitis und Meningokokkenmeningitis bei 7–10 Tagen, bei einer Pneumokokkenmeningitis bei (10–)14 Tagen. Bei der Listerienmeningitis und der durch gramnegative Enterobakterien verursachten Meningitis wird meist über 3 Wochen (oder länger) therapiert.
Eine routinemäßige Liquorkontrollpunktion ist nicht erforderlich. Bei unbekanntem Erreger und fehlender klinischer Besserung kann – wenn keine Kontraindikationen bestehen – eine erneute Liquorpunktion erwogen werden.
Wenn es innerhalb von 2 Tagen nach Beginn der Antibiotikatherapie zu keiner klinischen Besserung kommt, müssen folgende Ursachen bedacht werden:
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Auftreten von intrakraniellen Komplikationen,
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persistierender infektiöser Fokus (insbesondere ein nichtsanierter oder unzureichend operierter parameningealer Fokus wie z. B. eine Mastoiditis, Sinusitis oder Otitis media),
-
inadäquates Antibiotikaregime (z. B. unwirksames Antibiotikum oder zu niedrige Dosis).
Es müssen dann entsprechende diagnostische Maßnahmen (z. B. Bildgebung, HNO-Konsiliaruntersuchung) in die Wege geleitet werden. Wenn der Erreger der eitrigen Meningitis nicht isoliert werden konnte, sollte bei fehlendem Ansprechen auf die Antibiotikatherapie eine Erweiterung bzw. ein Umsetzen der Antibiotika erwogen werden.
1 Therapie wichtiger intrakranieller Komplikationen
Finden sich Zeichen eines erhöhten intrakraniellen Druckes, müssen Hirndruck-senkende Maßnahmen erfolgen (z. B. Oberkörperhochlagerung auf 30°, bei beatmeten Patienten Normoventilation, bei sonst nicht beherrschbarem intrakraniellen Druck möglichst kurzzeitige Hyperventilation mit einem Zielwert des pCO2 um 32 mmHg, tiefe Sedierung, Osmotherapie mit Mannitol, bei Hydrozephalus externe Liquordrainage [22]. Stuporöse oder komatöse Patienten können von einem ICP-Monitoring profitieren ([47] ; Kap. 11). Für die arteriellen zerebralen Gefäßkomplikationen (Arteriitis, Vasospasmus) gibt es bislang keine gesicherten Therapieformen. In Analogie zu Vasospasmen nach Subarachnoidalblutung können die Gabe von Nimodipin sowie eine Hypervolämie mit Hämodilution bei leicht hypertonen Blutdruckwerten erwogen werden. Sollte Nimodipin gegeben werden, ist eine intraarterielle Blutdruckmessung aufgrund der Gefahr einer induzierten Hypotonie obligat.
Der wissenschaftliche Beleg für die Wirksamkeit einer Antikoagulation septischer Sinus-/Venenthrombosen bei der bakteriellen Meningitis ist nicht gegeben. Prospektive kontrollierte Studien liegen bisher nicht vor. In einer retrospektiven Studie zeigte sich allerdings ein günstiger Effekt der Heparintherapie bei Patienten mit septischer Sinus-cavernosus-Thrombose [41] . Bei Patienten mit meningitisassoziierter Thrombose des Sinus transversus wurde eine erhöhte Blutungsgefahr berichtet [41]. Derzeit wird deshalb die Antikoagulation mit intravenösem Heparin (PTT-wirksam) bei kernspintomographisch (oder in der DSA) nachgewiesenen septischen Sinus-/Venenthrombosen infolge einer bakteriellen Meningitis – mit Ausnahme bei Beteiligung des Sinus transversus (hier Gefahr von intrazerebralen Blutungen) – empfohlen (Abschn. 30.1).
Eine Antiepileptikatherapie (z. B. mit Phenytoin, Valproat oder Levetiracetam) ist indiziert, wenn epileptische Anfälle auftreten oder im EEG epilepsietypische Muster nachweisbar sind.
1 Dexamethason
Die Wirksamkeit von Dexamethason wurde in einer europäischen prospektiven, placebokontrollierten, randomisierten Multicenterstudie bei 301 Erwachsenen mit bakterieller Meningitis untersucht [7]. Dexamethason (10 mg) oder Placebo wurden in dieser Studie 15–20 min vor der ersten Antibiotikagabe appliziert und dann alle 6 h für insgesamt 4 Tage. In der Studie konnte ein günstiger Effekt der Dexamethasonbehandlung gezeigt werden: Dexamethason führte zu einer signifikanten Reduktion der Letalität und der Häufigkeit ungünstiger klinischer Verläufe. Eine Subgruppenanalyse zeigte, dass Dexamethason nur bei den Patienten mit Pneumokokkenmeningitis wirksam war, nicht bei Meningitiden anderer Ätiologie. Bei 358 prospektiv untersuchten Patienten mit Meningokokkenmeningitis hatte eine adjuvante Therapie mit Dexamethason keinen positiven oder negativen Effekt; signifikante Nebenwirkungen traten nicht auf [12]. Infolgedessen ist Dexamethason bei Meningokokkenmeningitis nicht indiziert. Falls Dexamethason allerdings trotzdem gegeben wird (z. B. im Rahmen einer empirschen Antibiotikatherapie bei initial unbekanntem Erreger), scheint dies jedoch keine nachteiligen Folgen zu haben.
Der günstige Effekt von Corticosteroiden auf die Letalität konnte in mehreren Metaanalysen für Länder mit einem hohen Grad medizinischer Versorgung bestätigt werden [3, 4, 43]. Entsprechende Studien, die in Ländern mit eingeschränkter medizinischer Versorgung und einem hohen Anteil HIV-positiver Patienten durchgeführt wurden, konnten keine Wirksamkeit für Dexamethason bei der bakteriellen Meningitis zeigen [24, 28, 44].
Subgruppenanalysen zeigten den günstigen Effekt von Corticosteroiden auf die Letalität nur für die Pneumokokkenmeningitis in Ländern mit einem hohen Grad medizinischer Versorgung.
Zusammenfassend kann aufgrund der zur Verfügung stehenden Daten die Gabe von Dexamethason bei erwachsenen Patienten mit Verdacht auf eine bakterielle Meningitis (d. h. klinischer Verdacht plus trüber Liquor, Nachweis von Bakterien im Liquor in der Gram-Färbung oder eine Liquorleukozytenzahl von > 1000/µl) in Deutschland empfohlen werden; Dexamethason (z. B. Fortecortin) wird in einer Dosis von 10 mg i. v. unmittelbar vor Gabe des Antibiotikums verabreicht. Daraufhin wird mit 10 mg Dexamethason alle 6 h für insgesamt 4 Tage behandelt.
Es wird eine Behandlung mit Magenschutzmitteln (z. B. Pantoprazol) während der Dauer der Dexamethasontherapie empfohlen, ferner eine Low-dose-Heparinisierung zur Thromboseprophylaxe.
Die Nebenwirkungsrate (z. B. gastrointestinale Blutung) scheint unter Dexamethason im Vergleich zu Placebo nicht erhöht zu sein. Wenn sich andere Erreger als Pneumokokken identifizieren lassen, sollte Dexamethason wieder abgesetzt werden.
Bei Patienten mit einer Meningitis als Folge einer bakteriellen Endokarditis und bei der bakteriellen Meningitis im Neugeborenenalter wird der Einsatz von Corticosteroiden nicht empfohlen.
Inwieweit Dexamethason die kernspintomographisch (oder angiographisch) nachgewiesenen arteriellen zerebralen Gefäßkomplikationen (Arteriitis, Vasospasmus) beeinflusst, ist bislang unklar.
Aufgrund experimenteller Daten scheint Dexamethason die Liquorgängigkeit von Vancomycin in der Therapie der Pneumokokkenmeningitis ungünstig zu beeinflussen. Daher sollte in Regionen mit hoher Penicillinresistenzrate von Pneumokokken der Kombination Ceftriaxon/Rifampicin gegenüber Ceftriaxon/Vancomycin der Vorzug gegeben werden, wenn gleichzeitig Dexamethason verabreicht wird.
1 Andere adjuvante Therapiemaßnahmen
Neben Dexamethason gibt es keine klinisch etablierte adjuvante Therapiestrategie, die bei bakterieller Meningitis empfohlen wird. Eine aktuelle Studie bei Kindern zeigte keinen Nutzen einer Therapie mit Glycerol oder Paracetamol [25]. Bei Erwachsenen war eine adjuvante Gabe von Glycerol sogar mit signifikant mehr Komplikationen und einer erhöhten Sterblichkeit (im Vergleich zur Placebogruppe) assoziiert, sodass eine Studie in Malawi abgebrochen werden musste [1]. Hypothermie wurde bei bakterieller Meningitis in einer aktuellen Studie in Frankreich evaluiert und führte zu einer signifikanten Zunahme der Letalität von 31 auf 51 % [26]. Infolgedessen kommt einer adjuvanten Therapie mit Paracetamol bei der bakterellen Meningitis keine Bedeutung zu; Glycerol und Hypothermie sind kontraindiziert.
1 Hygienische Maßnahmen
Patienten mit dem Verdacht auf eine Meningokokkenmeningitis (z. B. petechiales Exanthem, gramnegative Kokken im Liquor-Gram-Präparat) müssen bis 24 h nach Beginn einer adäquaten Antibiotikatherapie isoliert werden [34]. Unterdessen sollen Pflege- und ärztliches Personal grundlegende Hygienemaßnahmen (Tragen von Schutzkitteln, Nasen-Mund-Schutz, Handschuhe, Händedesinfektion) beachten. Bereits bei begründetem Verdacht auf eine Meningokokkenmeningitis soll eine Meldung an die zuständigen Gesundheitsbehörden erfolgen, damit eine lokale Häufung von Erkrankungsfällen rechtzeitig erkannt werden kann. Enge Kontaktpersonen sollen ausfindig gemacht, über das erhöhte Risiko und mögliche Symptome einer Meningokokkenerkrankung (z. B. Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen) aufgeklärt und ihnen eine Chemoprophylaxe empfohlen werden (Tab. 32.7).
Nach den Empfehlungen des Nationalen Referenzzentrums für Meningokokken sind enge Kontaktpersonen [34]:
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alle Haushaltsmitglieder,
-
Personen, bei denen der begründete Verdacht besteht, dass sie mit oropharyngealen Sekreten des Patienten in Berührung gekommen sind, z. B. Intimpartner, enge Freunde, evtl. Banknachbarn in der Schule, medizinisches Personal – z. B. durch Mund-zu-Mund-Beatmung, Intubation und Absaugen des Patienten ohne Mundschutz,
-
Kontaktpersonen in Kindereinrichtungen mit Kindern unter 6 Jahren – bei guter Gruppentrennung nur die betroffene Gruppe und
-
enge Kontaktpersonen in sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen, z. B. Internate, Kasernen.
Die Chemoprophylaxe ist indiziert, wenn enge Kontakte mit dem Indexpatienten in den letzten 7–10 Tagen vor dessen Erkrankungsbeginn stattgefunden haben. Sie soll möglichst schnell in die Wege geleitet werden.
Im Falle einer Infektion des Indexpatienten mit Meningokokken der Serogruppen A, C, W oder Y wird für enge Kontaktpersonen (Haushaltsmitglieder) zusätzlich eine Impfung mit einem entsprechenden Impfstoff empfohlen [33]. Bei Infektion des Indexpatienten mit Serogruppe-B-Meningokokken könnte gemäß RKI eine Impfung enger Kontaktpersonen mit dem neu verfügbaren Impfstoff gegen Meningokokken Serogruppe B nach individueller Kosten-Risiko-Abschätzung ebenfalls sinnvoll sein; eine generelle Empfehlung der STIKO liegt allerdings aktuell noch nicht vor [36].
1 Prognose
Über 20 % der Patienten mit einer Pneumokokkenmeningitis und Listerienmeningitis versterben [3]. Die Letalitätszahlen invasiver Meningokokkeninfektionen liegen bei 3–10 % (Tab. 32.8, [11, 42]). Der Anteil von neurologischen Residuen (insbesondere Hörstörungen, neuropsychologische Auffälligkeiten, Hemiparese, epileptische Anfälle, seltener Ataxie, Hirnnervenparesen und Sehstörungen wie z. B. homonyme Hemianopsie) liegt bei 20–40 % [9, 14].
1 Meldepflicht
Meldepflichtig ist in Deutschland nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG, § 6 Meldepflichtige Krankheiten) der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an Meningokokkenmeningitis oder -sepsis. Die namentliche Meldung muss durch den behandelnden Arzt unverzüglich, d. h. ohne zeitliche Verzögerung, auf jeden Fall innerhalb von 24 h an das Gesundheitsamt erfolgen, das für den Aufenthalt des Betroffenen zuständig ist. Der Meldepflichtige hat dem Gesundheitsamt unverzüglich mitzuteilen, wenn sich eine Verdachtsmeldung nicht bestätigt hat.
Darüber hinaus regelt der § 7 des IfSG die meldepflichtigen Nachweise von Krankheitserregern. Dementsprechend muss der Leiter des untersuchenden Labors namentlich den direkten oder indirekten Nachweis von Krankheitserregern melden, soweit die Nachweise auf eine akute Infektion hinweisen. Hierzu zählen z. B.:
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Haemophilus influenzae (Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Liquor oder Blut) ,
-
Listeria monocytogenes (Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Blut, Liquor oder anderen normalerweise sterilen Substraten sowie aus Abstrichen von Neugeborenen) und
-
Neisseria meningitidis (Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Liquor, Blut, hämorrhagischen Hautinfiltraten oder anderen normalerweise sterilen Substraten sowie aus Abstrichen von Neugeborenen) .
2 Hirnabszess und spinale Abszesse
2.1 Hirnabszess
Die Inzidenz von Hirnabszessen liegt bei 4/10 Mio./Jahr, Männer sind häufiger betroffen als Frauen, und das mittlere Lebensalter beträgt 30–45 Jahre. Neben primären Infektionen – bei Zustand nach neurochirurgischen Operationen oder penetrierendem Schädel-Hirn-Trauma (Häufigkeit bis zu 20 %) – werden sekundäre Infektionen (in 25–30 %) bei Herzerkrankungen sowie als Folge anderer Infektionsfoci (Lunge, Niere, Haut) und – bei bis zu 50 % – per continuitatem (Otitis media, Mastoiditis, Sinusitis, dentogen) gesehen.
Solitäre Hirnabszesse werden bei primären Infektionen sowie bei Infektionen per continuitatem entdeckt, diese sind häufig polymikrobiell und im Frontallappen bzw. Temporallappen (gelegentlich auch zerebellär) lokalisiert. Sekundäre Infektionen sind häufig multiple Abszesse und typischerweise monomikrobiell bedingt. Der überwiegende Teil (86 %) der Patienten (m:w = 2,4:1) mit Hirnabszess zeigt zumindest einen prädisponierenden Faktor. In den letzten 60 Jahren verbesserte sich die Prognose kontinuierlich, die Sterblichkeitsrate sank von 40 auf 10 % und die symptomfreie Über- lebensrate stieg von 33 auf 70 %.
Eine Besonderheit sind Hirnabszesse bei Immunsuppressionszuständen (AIDS, Z. n. Organtransplantation, immunsuppressive Therapie, zytostatische Therapie, etc.), die häufig multiplen Abszesse zeigen keine eindeutige anatomische Präferenz, die Erreger sind jedoch gegenüber den bei immunkompetenten Patienten gesehenen Hirnabszessen völlig unterschiedlich (Abschn. 32.3, 32.7 und 32.8).
2.1 Ätiologie und Pathogenese
Prädisponierende Faktoren finden sich bei 86 % und bestimmen die Lokalisation des Hirnabszesses und grenzen das Erregerspektrum weitgehend ein. Die wichtigsten prädisponierenden Faktoren, der Infektionsweg, das typische Erregerspektrum sowie die entsprechend typische Abszesslokalisation sind in. Tab. 32.9, Tab. 32.10 und Tab. 32.11 aufgeführt.
Per continuitatem entstehende Hirnabszesse sind meist polymikrobiell, wenngleich in einer riesigen Serie von 5894 positiven Hirnabszesskulturen bei mehr als der Hälfte Streptokokken (34 %) oder Staphylokokken (18 %) gefunden wurden. Diese stellen somit die häufigste Ursache eines Hirnabszesses dar. Bei 20 % der Hirnabszesse erfolgt die Infektion primär, entweder durch Einbringen der Erreger während einer neurochirurgischen Operation oder bei penetrierendem Schädel-Hirn-Trauma; diese Hirnabszesse sind häufig monomikrobiell, können aber auch polymikrobiell bedingt sein. Sekundäre Hirnabszesse – mit einer Häufigkeit von 25–30 % – sind typisch multipel, häufig einem Gefäßversorgungsgebiet entsprechend lokalisiert und charakteristischerweise monomikrobiell bedingt. Bei 10–15 % der Patienten lässt sich keine pathogenetische Ursache finden.
2.1 Symptomatik
Die klassische Symptomtrias von Fieber, Kopfschmerzen und fokalem neurologischen Defizit wird nur bei ≤ 50 % der Patienten in voller Ausprägung gesehen (Tab. 32.12). Die Dauer der Symptomatik vor der Diagnosestellung eines Hirnabszesses kann nur wenige Stunden, jedoch auch Wochen betragen; im Durchschnitt dauert es 1–2 Wochen, bis die Diagnose eines Hirnabszesses nach dem Auftreten der ersten Symptome gestellt wird. Der raumfordernde Effekt des einschmelzenden Prozesses und vor allem das perifokale Hirnödem sind die überwiegende Ursache der neurologischen Symptomatik; 10–20 % der Hirnabszesspatienten weisen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits eine deutliche Bewusstseinstrübung auf, ein prognostisch ungünstiges Zeichen. Fieber wird bei 50 % der Patienten gesehen.
Weiterführende Diagnostik mit Positronenemissionstomographie (PET) oder mit speziellen MR-Techniken (z. B. diffusionsgewichtete MRT) tragen zur Differenzialdiagnose des Hirnabszesses bei, aber nicht zur ätiologischen erregerspezifischen Einordnung.
Differenzialdiagnosen des Hirnabszesses
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Akute bakterielle Meningitis
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Epidurales oder subdurales Empyem
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Virale Meningoenzephalitis
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Primärer Hirntumor (höhergradige Astrozytome)
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Primäres intrazerebrales Lymphom
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Metastasen eines extrakraniellen Malignoms
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In Resorption befindliches intrazerebrales Hämatom
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Hämorrhagischer venöser Infarkt bei Sinus- bzw. Hirnvenenthrombosen
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Zerebrale Ischämie im subakuten Stadium
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Radionekrose
2.1 Diagnostik
Diagnostische Methoden der Wahl sind die zerebrale Computertomographie oder die Kernspintomographie. Nach der Phase der Zerebritis zeigt die Formation eines Abszesses mit Bildung einer Bindegewebskapsel eine typische, meist ringförmige Kontrastmittelaufnahme mit perifokalem Ödem und Raumforderung. Parallel zur Beurteilung der zerebralen Strukturen müssen bei Verdacht auf einen per continuitatem entstandenen Hirnabszess die parameningealen Strukturen (Sinus, Mastoidzellen etc.) genauestens dargestellt werden. Eine HNO-ärztliche und zahnärztliche Konsiliaruntersuchung sind essenziell .
Bei primärem oder sekundärem Hirnabszess zeigen sich in der Bildgebung evtl. Hinweise für eine Schädelosteomyelitis, Knochendefekte oder Frakturen bzw. Operationsresiduen. Ein sekundärer Hirnabszess bedarf weiterführender Diagnostik mit Thoraxröntgenaufnahmen oder Thorax-CT, Ultraschalluntersuchung des Abdomens (evtl. Abdomen-CT), Echokardiographie, kardiologischer, pulmonologischer, internistischer, urologischer und evtl. dermatologischer Untersuchung.
Eine Lumbalpunktion ist bei Patienten mit raumforderndem Hirnabszess kontraindiziert (Einklemmungsgefahr, intraventrikuläre Rupturgefahr), der Liquor cerebrospinalis ist meist nur unspezifisch verändert, daher die Aussagekraft der Liquoruntersuchung wenig hilfreich.
Weiterführende Diagnostik (Tab. 32.13) mit PET oder mit speziellen MR-Techniken (z. B. diffusionsgewichtete MRT) tragen zwar zur Differenzialdiagnose eines Abszesses von anderen Raunforderungen, zur ätiologischen Differenzialdiagnose allerdings nur wenig bei.
Der aus dem Hirnabszess (stereotaktisch) aspirierte Eiter muss sofort gramgefärbt und eine bakteriologische Routinekultur (aerob und anaerob!) angelegt werden. Bei immunkompromittierten Patienten ist eine weitere Kultur auf Pilze und Mykobakterien notwendig.
2.1 Therapie
Die antibiotische Therapie soll so früh wie möglich, d. h. unmittelbar nach der „Keimgewinnung“ (Aspiration, neurochirurgische Sanierung) initiiert und in ausreichender Dosis nach empirischen Richtlinien ausgewählt werden. Diese empirische antibiotische Therapie richtet sich nach dem zugrunde liegenden Infektionsweg (Tab. 32.14), sie muss gegebenenfalls nach Eintreffen des Antibiogramms adaptiert, evtl. auch eskaliert oder deeskaliert werden.
2.1 Interdisziplinäre Therapie
Die Indikation für stereotaktische Aspiration bzw. offene neurochirurgische Sanierung ist in Tab. 32.13 dargestellt. Bei obstruktivem Hydrozephalus bzw. Pyozephalus wird eine externe Ventrikeldrainage angelegt. Eine schnellstmögliche Sanierung des initialen Infektionsfokus, der entweder per continuitatem oder im Sinne einer sekundären Infektion zum Hirnabszess geführt hat, ist essenziell und unverzüglich anzustreben.
2.1 Adjuvante Therapiestrategien
Die Wirksamkeit von Corticosteroiden wurde nie prospektiv untersucht. Bei ICP-Erhöhung kann sie im Einzelfall überlegt werden, wie auch eine kurzdauernde Therapie mit hyperosmolaren Substanzen sowie eine neurochirurgisch entlastende Intervention. Wache Patienten mit rezidivierenden zerebralen Anfällen werden mit Diphenylhydantoin oder Carbamazepin antikonvulsiv therapiert. Der Stellenwert neuerer Antiepileptika wie z. B. Topiramat oder Levetiracetam nimmt zu, sie sind aber nicht etabliert.
Die Kombination konventioneller Therapien mit hyperbarer Sauerstofftherapie (HBO) wird zwar angewandt, aber immer noch kontrovers diskutiert.
2.1 Prognose
Bei bis zu 10 % der Patienten werden, typischerweise innerhalb von wenigen Wochen nach Beendigung der antibiotischen Chemotherapie, Rezidive gesehen . Abhängig von der Größe und der Lokalisation der Hirnabszesse zeigen sich bei 10–70 % der Patienten zerebrale Anfälle im Sinne einer Residualepilepsie . Die Letalität beträgt bis zu 10 % und ist direkt proportional der Störung der Bewusstseinslage (Tab. 32.15).
Bis zu 70 % sind nach durchschnittlich 5 Jahren zumindest grob neurologisch weitgehend rehabilitiert. Jüngste neuropsychologische Untersuchungen weisen jedoch darauf hin, dass ein breites Spektrum von neuropsychologischen Defiziten – insbesondere einem subkortikalen Muster entsprechend – auch noch nach > 10 Jahren bei der überwiegenden Zahl der Patienten mit einem Hirnabszess bestehen, und zwar teilweise unabhängig von Größe und Lokalisation.
Der vor einiger Zeit publizierte „Imaging Severity Index“ (ISI) unterstützt eine frühzeitige potenzielle Prognoseeinschätzung.
2.2 Spinale Abszesse
Die überwiegende Zahl der Abszesse im Spinalkanal sind epidural lokalisiert, typischerweise thorakal und/oder lumbal sowie häufig dorsal dem Rückenmark anliegend. Am häufigsten werden sie im höheren Lebensalter (7. Lebensjahrzehnt) gesehen. Sie erstrecken sich meist über nur wenige Wirbelsegmente, können jedoch in Einzelfällen auch deutlich ausgedehnter sein. In sehr seltenen Fällen werden auch ein spinales subdurales Empyem sowie ein intramedullärer Abszess gesehen. Alle 3 Entitäten können häufig mit einer Spondylitis (= vertebrale Osteomyelitis) vergesellschaftet sein bzw. von einer Spondylitis/Spondylodiszitis den Ausgang nehmen.
Nur in seltenen Fällen wird ein Patient mit einem spinalen Abszess intensivpflichtig, dann zumeist bei Abszessausbreitung in den oberen Zervikalmarkbereich oder bei begleitender Meningitis.
Aus diesem Grund wird dieses komplexe Krankheitsbild nur kurz in Hinblick auf Intensivpflichtigkeit dargestellt. Die scheinbare Zunahme der Inzidenz dürfte eher mit erhöhter Aufmerksamkeit und verbesserter Diagnostik zusammenhängen und nicht eine tatsächliche sein.
2.2 Ätiologie und Pathogenese
Ventral des Rückenmarks gelegene epidurale Abszesse (auch subdurale Empyeme) haben häufig eine Spondylitis, Spondylodiszitis oder Diszitis als Ursache. Dorsal des Myelons gelegene epidurale Abszesse sind Folge eines neurochirurgischen Eingriffes oder hämatogen entstanden. Nur 20 % der spinalen bzw. epiduralen Abszesse finden sich im zervikalen Bereich.
Es gibt eine Reihe allgemeinmedizinischer Erkrankungen, die eine Prädisposition für spinale bzw. epidurale Abszesse darstellen.
Allgemeinmedizinische Erkrankungen, die zur Entwicklung eines spinalen/epiduralen Abszesses prädisponieren
Sekundär
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Alkoholkrankheit mit Leberzirrhose
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Maligne Neoplasien
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Nierenversagen
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Diabetes mellitus
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Intravenöse Drogenabhängigkeit
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Chronisch obstruktive Lungenerkrankung
Per continuitatem
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Retropharyngealer Abszess
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Spondylodiszitis
Primär
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Neurochirurgische oder orthopädische Eingriffe im Bereich der Wirbelsäule/des Rückenmarks
Zwei Drittel aller spinalen Abszesse werden durch Staphylococcus aureus verursacht, bis zu 20 % durch aerobe gramnegative Bakterien. Polymikrobielle spinale Abszesse werden bei bis zu 10 % gefunden, bei jedem spinalen Abszess ist jedoch auch Mycobacterium tuberculosis (Morbus Pott) in die differenzialdiagnostische Aufarbeitung einzubeziehen, in Einzelfällen werden extrem seltene Bakterien, Pilze oder sogar Helminthen als Auslöser gefunden.
2.2 Symptomatik
Ein spinaler Abszess wird dann zu einer akuten, potenziell intensivpflichtigen neurologischen Erkrankung, wenn entweder eine Durchwanderungsmeningitis klinisch führend ist oder wenn bei zervikaler Ausbreitung eine Tetraplegie mit Ateminsuffizienz als führendes neurologisches Symptom besteht.
Die initiale Symptomatik eines spinalen Abszesses ist meist relativ unspezifisch mit schwer zuzuordnenden Rückenschmerzen , Krankheitsgefühl und Fieber.
Die Dauer dieser initialen Symptomatik kann Tage oder Wochen bis Monate betragen. Während diese unspezifischen Symptome Wochen bis sogar Monate persistieren können, kann der Übergang in ein potenziell lebensbedrohliches Krankheitsbild mit akuter hoher Querschnittssymptomatik und/oder Entwicklung einer akuten bakteriellen Meningitis akut bis perakut verlaufen, da weniger der raumfordernde Effekt als sekundär ischämische (arteriitische) oder thrombophlebitische (venöse Thrombosen) Phänomene mit sekundärer arterieller und/oder venöser Infarzierung einerseits und lokaler Toxinwirkung andererseits zu einer sehr raschen, auch kompletten Funktionsstörung in der entsprechenden Rückenmarkshöhe führen können. Nur selten ist der raumfordernde Effekt der pathogenetisch entscheidende (und damit auch therapierbare) Faktor.
2.2 Diagnostik
Bildgebende Verfahren im Sinne eines stufenweisen multimodalen neuroradiologischen Vorgehens sind bei Verdacht auf einen spinalen Abszess essenziell. Das Nativröntgen der Wirbelsäule wird evtl. eine Diszitis/Spondylodiszitis bzw. Spondylitis zeigen. Eine spinale Computertomographie in der appropriaten Höhe mit intravenösem Kontrastmittel visualisiert die spinalen oder auch subduralen Abszesse/Empyeme. Wenn verfügbar, stellt allerdings die MRT die beste bildgebende diagnostische Methode dar. Begleitende paraspinale, paravertebrale Abszesse können mit der MRT und der CT eindeutig identifiziert und vor allem in ihren anatomischen Beziehungen klar dargestellt werden.
Schwierig erscheint die Differenzierung einer tuberkulösen Spondylitis/Spondylodiszitis von einer pyogenen Spondylitis. Einige wesentliche MR-tomographische Parameter zu dieser Differenzierung sind in Tab. 32.16 aufgeführt. Der Liquor cerebrospinalis zeigt bei klinisch auch eindeutiger Durchwanderungsmeningitis die typischen Zeichen einer bakteriellen Meningitis (Abschn. 32.1).
Die wichtigsten Differenzialdiagnosen des spinalen Abszesses sind:
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degenerative Bandscheibenveränderungen,
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nichtinfektiöse entzündliche Wirbelsäulenerkrankungen,
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spinale Tuberkulose,
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im Einzelfall eine Querschnittmyelitis oder ein spinaler Tumor bzw. maligne Raumforderung im Wirbelsäulen- oder Rückenmarksbereich.
2.2 Therapie
Eine akute, progrediente neurologische Symptomatik, die am ehesten (bildgebend) dem raumfordernden Effekt des spinalen Abszesses/Empyems zuzuschreiben ist, erfordert eine unverzügliche notfallmäßige operative Entlastung. Neben der akuten neurologischen Symptomatik lassen Alter > 65 Jahre, MRSA als Ursache und Diabetes mellitus mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Versagen der konservativen Therapie erwarten. Die schnellstmögliche Einleitung der adäquaten, erregerorientierten antibiotischen Therapie ist essenziell.
Da Staphylokokken in der überwiegenden Mehrzahl der spinalen Abszesse die Erreger sind, wird sich die empirische antimikrobielle Chemotherapie primär an den Staphylokokken zu orientieren haben. Staphylococcus aureus (aber auch gramnegative Erreger) sind typisch bei hämatogener Ausbreitung, bei perforierenden Verletzungen, nach neurochirurgischen Eingriffen (auch lokalen Infiltrationen) sowie bei lokaler Ausbreitung von einem Infektionsfokus. Bei hämatogener Streuung muss die empirische antimikrobielle Chemotherapie ein penicillinasefestes Penicillin (z. B. Oxacillin i. v., Floxacillin i. v. 4 × 4 g täglich) oder ein Cephalosporin der ersten Generation (z. B. 3 × 2 g Cefazolin i. v.), am besten in Kombination mit Fosfomycin (3 × 8 g i. v.), enthalten. Alternative Therapeutika sind Vancomycin i. v., Rifampicin i. v. und evtl. Linezolid, diese vor allem bei bereits längerdauernder Hospitalisierung und der Gefahr von multiresistenten/methilicillinresisten Staphylokokken. Bei lokaler Ausbreitung von einem Infektionsfokus, evtl. auch nach neurochirurgischen oder Infiltrationseingriffen (neben Staphylokokken auch gramnegative Erreger!) sollte die obige Therapie mit einem Cephalosporin der dritten Generation und evtl. sogar Metronidazol (4 × 500 mg i. v.) erweitert werden.
Zu den intensivmedizinischen Maßnahmen einer bakteriellen Meningitis sowie dem Management bei hoher spinaler Läsion: Abschn. 32.1 und 32.10.
2.2 Prognose und Verlauf
Wenn die neurologische Ausfallssymptomatik, insbesondere die Querschnittsymptomatik, bereits 2 Tage oder länger besteht, ist nur mehr bei 50 % der Patienten eine Erholungschance gegeben. Eine komplette Paraplegie, vor allem wenn sie als Ausdruck eines vaskulären Geschehens plötzlich aufgetreten ist, zeigt nur noch minimale neurologische Erholungschancen.
Bei allen spinalen Abszessen zusammengenommen ist zu erwarten, dass sich nur 40 % komplett erholen, 25 % mit einer radikulären oder diskreten Querschnittsymptomatik und 20 % mit einem weitgehend vollständigen Querschnittssyndrom verbleiben. Die Letalität beträgt 10–15 %, insbesondere bei Meningitis, Sepsissyndrom oder intensivmedizinischen Komplikationen.
3 Tuberkulose und andere seltene bakterielle Infektionen des Nervensystems
Weltweit ist die Tuberkulose für 3 Mio. Todesfälle/Jahr verantwortlich, d. h. ca. 30 % aller an Tuberkulose erkrankten Menschen versterben an dieser Infektion. Mykobakterien (Mycobacterium tuberculosis) können alle Organsysteme des menschlichen Körpers befallen, 4 % aller mykobakteriellen Infektionen betreffen das zentrale Nervensystem; dies bedeutet, dass weltweit 400.000 Menschen pro Jahr an einer ZNS-Tuberkulose erkranken. In Europa (wie auch in den USA) beträgt die Inzidenz einer ZNS-Tuberkulose jedoch nur 0,1/100.000 Einwohner/Jahr. In den ärmeren sozialen Schichten Europas und der USA, vor allem aber in Afrika und in Asien, ist heute eine ZNS-Tuberkulose zum Teil bei mehr als 50 % der Fälle mit HIV assoziiert. Prädisponierende Faktoren für eine ZNS-Tuberkulose sind HIV-Infektionen, Alkoholkrankheit, Diabetes mellitus, eine zugrundeliegende maligne Erkrankung sowie Cortisontherapie.
3.1 Tuberkulose
3.1 Ätiologie und Pathogenese
Mycobacterium tuberculosis ist für den überwiegenden Teil der ZNS-Tuberkulosen verantwortlich, bei HIV-Patienten können andere Mykobakterien („mycobacteria others than tuberculosis“, MOTT) eine ZNS-Infektion verursachen, bei denen im Rahmen eines „immune reconstitution syndromes“ (IRIS) mit einer akuten Verschlechterung der zentralnervösen Symptomatik zu rechnen ist. Bei 50 % der ZNS-Tuberkulosen besteht eine konkommittierende extrakranielle Tuberkulose. Nur sehr selten ist Mycobacterium bovis Ursache einer ZNS-Tuberkulose.
Die durch Tröpfcheninfektion aufgenommenen Mykobakterien vermehren sich intrapulmonal und werden bereits frühzeitig hämatogen ausgestreut. Sie können bereits zu diesem Zeitpunkt den Subarachnoidalraum erreichen und mit einer langen Latenz Ausgangspunkt einer ZNS-Tuberkulose sein.
Mycobacterium tuberculosis ist ein obligat aerobes, nicht sporenbildendes unbewegliches Stäbchen, das sich nicht mit konventioneller Gramfärbung, allerdings mit Ziehl-Neelsen-Färbung, Fluorchromfärbung oder Kinyoun-Färbung anfärbt. Die Generationszeit dieser säurefesten Stäbchen ist bis zu 20-mal länger als die anderer Bakterien und beträgt ca. 20 h. Mykobakterielle Kolonien benötigen bis zu 8 Wochen, um auf Löwenstein-Jensen- oder Middlebrook-Medium sichtbar zu wachsen.
Eine ZNS-Tuberkulose ist typischerweise eine Meningitis mit zusätzlicher Affektion des Hirnparenchyms und der intrakraniellen Gefäße. Es findet sich eine vorwiegend basal gelegene granulomatöse Entzündung der Meningen, häufig aggraviert durch ein dickes, geleeartiges Exsudat.
3.1 Klinik
Eine ZNS-Tuberkulose kann sich als chronische basale Meningitis , mit ZNS-Tuberkulomen, sehr selten als Pachymeningitis sowie assoziiert mit einer Spondylitis präsentieren.
Die Manifestation einer tuberkulösen Meningitis nimmt typischerweise einen subakuten bis chronischen Verlauf, in seltenen Fällen kann sie sich jedoch akut manifestieren. Charakteristischerweise bestehen über Wochen (bis Monate) unspezifische Prodromalsymptome, Krankheitsgefühl, Übelkeit, Kopfschmerzen sowie subfebrile Temperaturen.
Die klassische Trias einer tuberkulösen Meningitis mit
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Hirnnervenneuropathie,
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Vaskulitis mit zerebraler Ischämie sowie
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Hydrozephalus
findet sich nur selten und kann auch oligosymptomatisch bestehen.
Ein Meningismus kann vorhanden sein, ist jedoch nur selten massiv ausgeprägt. Insbesondere ein Hydrozephalus (mit Bewusstseinstrübung, Koma), aber auch vaskulär ischämische Komplikationen (Halbseitensymptome, Hirnstammsymptome, etc.) führen potenziell zur Intensivpflichtigkeit eines Patienten mit einer ZNS-Tuberkulose.
Tuberkulome , granulomatöse Entzündungsherde, werden in seltenen Fällen durch ihre raumfordernde Wirkung (hintere Schädelgrube), gelegentlich durch Obstruktion der Liquorzirkulation (Hydrocephalus occlusus), häufiger jedoch als Ursache für einen epileptischen Anfall (Status epilepticus) zu einem intensivpflichtigen Krankheitsbild führen.
Symptome einer ZNS-Tuberkulose, die sich für eine Bewusstseinsstörung bis zum Koma verantwortlich zeigen, sind: multiple raumfordernde Prozesse (Tuberkulome), multifokale vaskulär ischämische Läsionen, insbesondere im Bereich der A. basilaris, Hydrocephalus occlusus, evtl. diffuses Hirnödem sowie Zustand nach tonisch-klonisch generalisiertem Anfall bzw. Status epilepticus, sowie – selten – eine akute disseminierte Enzephalomyelitis.
3.1 Diagnostik
Die Untersuchung des Liquor cerebrospinalis ist für die Diagnose einer chronischen Meningitis unverzichtbar , der Liquor ist typischerweise klar, bei deutlich erhöhtem Eiweiß auch xanthochrom wirkend. Es findet sich eine geringe bis mäßige gemischtzellige, gelegentlich überwiegend lymphozytäre Pleozytose (bis zu 500 Zellen/µl), bei akuten Verläufen kann auch initial eine granulozytäre Pleozytose bestehen. Das Liquoreiweiß ist auf bis zu 500 mg/dl erhöht, exzessive Eiweißwerte (> 1000 mg/dl) werden bei Liquorzirkulationsstörungen gesehen. Die Liquorglucose (bzw. Liquor-/Serum-Glucoseratio) ist bei protrahiertem Verlauf weitgehend normal, bei eher subakuten (akuten) Verläufen gering bis mäßiggradig erniedrigt, sie korreliert mit der Nachweisbarkeit von Erregern im Liquor cerebrospinalis.
Mittels Ziehl-Neelsen-Färbung gelingt der Nachweis von Mycobacterium tuberculosis bei 10–25 % der Patienten mit chronischer tuberkulöser Meningitis, bei 30–50 % der Patienten ist eine Liquorkultur positiv. Seriell angelegte Liquorkulturen erhöhen die Ausbeute auf > 50 %. Wenngleich die Ergebnisquote des Nachweises von mykobakterieller DNA (mittels PCR) nicht höher liegt als die der Liquorkultur, ist eine PCR trotzdem indiziert, da die Ergebnisse schon nach 24 h vorliegen. Die „nested-PCR“, insbesondere die MPB-64-PCR, erhöht die Sensitivität auf 90 % – dies bei vergleichbarer Spezifität.
Weitere diagnostische Methoden, die bereits erfolgreich zum Nachweis von Mykobakterien im Sputum eingesetzt wurden, müssen noch auf ihre Tauglichkeit bei einer ZNS-Tuberkulose überprüft werden, die Liquoradenosindeaminase kann als eine solche komplementäre diagnostische Methode mit einer Spezifität von > 90 % und einer Sensitivität von ca. 70 % gewertet werden.
Bei Patienten mit Bewusstseinsstörung und/oder neurologischer Herdsymptomatik muss jeder Lumbalpunktion eine bildgebende Untersuchung vorgeschaltet werden, dies vor allem in Hinblick auf vaskulitisbedingte Ischämien, auf das Vorhandensein einer basal anspeichernden granulomatösen Meningitis sowie in Hinblick auf einen Hydrocephalus occlusus. Bei letzterem ist eine lumbale Liquorgewinnung kontraindiziert, eine evtl. notwendige Liquordrainage erlaubt die Untersuchung des ventrikulären Liquors. Sowohl die typischen Entzündungszeichen als auch der Erregernachweis sind jedoch beim ventrikulären Liquor häufig unspezifisch bzw. nicht erfolgreich.
Eine transkranielle Dopplersonographie erlaubt das frühzeitige Erkennen einer Arteriitis sowie deren Monitoring. Ein Tuberkulintest ist nicht notwendig, da häufig falsch positiv oder falsch negativ. In seltenen Fällen kann eine meningeale Biopsie indiziert sein, vor allem zur Abgrenzung eines Tuberkuloms oder einer granulomatösen lokalen Meningitis von einem malignen Tumor (z. B. Lymphom).
In der Bildgebung wurden bei Kindern und Jugendlichen bestimmte computertomographische Kriterien definiert, die in Kombination eine Spezifität von nahezu 100 % und eine Sensitivität von ca. 80–90 % zeigen, bei älteren und alten Patienten mit tuberkulöser Meningitis sind diese radiologischen Parameter häufig deutlich weniger ausgeprägt.
Eine Hyponatriämie, am ehesten im Sinne eines zerebralen „salt wasting syndromes“ (CSW), bedarf engmaschigsten Monitorings der Elektrolyte und resultiert nicht selten in Intensivpflichtigkeit.
Gerinnungsuntersuchungen zeigen nicht selten einen Zustand der Hyperkoagulabilität , möglicherweise mit einem erhöhten Risiko für zerebrale Infarkte assoziiert.
HIV-positive Patienten mit intrakraniellen Tuberkulomen können im Rahmen des „immune reconstitution syndrome“ (IRIS ) eine durchaus dramatische klinisch neurologische Verschlechterung erfahren, mit Zunahme der neurologischen Herdsymptomatik und/oder Verschlechterung von epileptischen Anfällen.
3.1 Therapie
Die Chronizität der ZNS-Tuberkulose erfordert eine ausreichend lange Therapie. Komplikationen , insbesondere Tuberkulome, Hydrozephalus und Vaskulitis können allerdings ein sich rasch veränderndes, sich plötzlich verschlechterndes klinisch neurologisches Bild verursachen, das unverzügliche adjuvante therapeutische Maßnahmen inklusive neurochirurgischer Interventionen und intensivmedizinische Betreuung erforderlich macht.
Der möglichst frühzeitige Beginn einer spezifischen antimikrobiellen Chemotherapie verbessert die Prognose entscheidend.
Die spezifische Chemotherapie einer ZNS-Tuberkulose besteht mindestens in einer Dreifachkombination aus Isoniazid, Rifampicin und Ethambutol.
Bei klinisch bereits fortgeschrittenem Stadium oder bei bildgebend ausgedehnten Befunden wird eine Vierfach-, evtl. Fünffachtherapie empfohlen und die Dreifachkombination mit Pyrazinamid und evtl. Cycloserin ergänzt (Tab. 32.17).
Die Dreifachkombination (Vierfach-/Fünffach-Kombination) wird für mindestens 3–6 Monate gegeben, anschließend eine Zweifachkombinationstherapie für weitere 6–9 Monate. Regelmäßige klinisch neurologische Kontrollen, Neuroimaging- und Liquorkontrollen sind essenziell. Intrakranielle Tuberkulome sind ebenfalls primär konservativ zu therapieren, in Einzelfällen nehmen sie unter der spezifischen Chemotherapie an Größe zu, in solchen Fällen ist eine Vier- bis Fünffachkombinationstherapie bis zum bildgebenden Nachweis einer Größenreduktion durchzuführen.
Eine frühzeitige externe Liquordrainage bzw. die Implantation eines ventrikuloperitonealen oder ventrikuloatrialen Shunts verhindert bzw. behandelt die hydrozephalusbedingte ICP-Erhöhung. Die endoskopische Ventrikulostomie (3. Ventrikel) ist im Management eines obstruktiven Hydrozephalus bei Patienten mit tuberkulöser Meningitis meist nicht zielführend. Daneben ist auf ausreichende Ernährung, engmaschigste Elektrolytkontrollen (cave: SIADH-/CSW-Syndrom) und entsprechenden Elektrolytausgleich Wert zu legen.
Im fortgeschrittenen Stadium einer tuberkulösen Meningitis bzw. bei drohender oder tatsächlicher spinaler Symptomatik ist eine Steroidtherapie (Prednison 1 mg/kgKG) indiziert , wenngleich ein Cochrane-Review [114] zu dem Schluss kommt, dass insbesondere bei HIV-positiven Patienten mit tuberkulöser Meningitis bisher keine Evidenz für eine positive Beeinflussung des Outcomes durch eine Steroidtherapie erbracht werden konnte. Unter INH-Therapie bedarf es einer täglichen Gabe von 50 mg Vitamin B6 (Pyridoxin).
Multiresistente Mykobakterien (MDR bzw. XDR) sind – bisher – nur sehr selten als Auslöser einer ZNS-Tuberkulose identifiziert worden, trotzdem sollte diese weltweite Entwicklung auch Neurologen und Intensivneurologen geläufig sein.
3.1 Prognose
Die Prognose der tuberkulösen Meningitis ist direkt korreliert mit dem Stadium der Erkrankung zum Zeitpunkt des Therapiebeginns. Die Letalität und Langzeitmorbidität liegen bei initial bewusstseinsgetrübten Patienten bei ca. je 30 %. Das heißt, dass nur 30 % der Patienten im fortgeschrittenen Stadium mit bester spezifischer antimykobakterieller Therapie und allen intensivmedizinischen sowie adjuvanten Therapiestrategien ohne wesentliche neurologische Defizite überleben.
Sehr hohes Alter, eine koexistierende milliare Aussaat sowie extrem hohe Liquoreiweißspiegel und deutlich erniedrigte Liquorglucosespiegel sind zusätzliche Indikatoren einer schlechten Prognose.
3.2 Seltene bakterielle Infektionen des Nervensystems
Die in diesem Kapitel aufgelisteten bakteriellen Erreger einer akuten, potenziell intensivpflichtigen Erkrankung des zentralen/peripheren Nervensystems werden in Europa grundsätzlich selten gesehen, präsentieren sich mit unterschiedlichster neurologischer Symptomatik und bedürfen spezifischer diagnostischer Untersuchungstechniken und therapeutischer Strategien.
Wichtig zu beachten ist, dass neben der direkten invasiven Infektion des ZNS mit Bartonellen, Legionellen, Mycoplasma spp. oder Brucella spp. auch parainfektiöse Mechanismen schwere intensivpflichtige Manifestationen verursachen können.
Ein wesentlicher Hinweis sind prädisponierende Faktoren, Anamnese – insbesondere Expositions- und Reiseanamnese – sowie das Vorhandensein von systemischen spezifischen Symptomen bzw. Organmanifestationen (Tab. 32.18).
Eine Legionellenpneumonie kann in Einzelfällen von einer Zerebellitis gefolgt sein, bei Immunkompromittierten (insbesondere unter Cortisontherapie) können multiple Granulome und/oder Abszesse durch Nocardia-Spezies bedingt sein. Häufig von einer Primärinfektion/Lokalinfektion (pulmonal, zervikofazial) ausgehend, kann sich eine Actinomyces-israelii-Infektion per continuitatem ausbreiten und eine Meningitis, vor allem Zerebritis und Hirnabszessbildung verursachen.
4 Neuroborreliose und Neurosyphilis
Neuroborreliose und Neurosyphilis, beides Erkrankungen, die durch Erreger der Familie der Spiroachetaceae hervorgerufen werden, sind entzündliche Multisystemerkrankungen, die in einer bestimmten Phase des Krankheitsverlaufes auch das zentrale Nervensystem betreffen können, in den meisten Fällen allerdings keine Intensivpflichtigkeit verursachen.
4.1 Neuroborreliose
Die Lymeborreliose ist in weiten Teilen Europas und Nordamerikas endemisch. Die Erreger sind Borrelia-burgdorferi-Genuspecies; die menschenpathogenen Genuspecies sind: B. burgdorferi sensu stricto, B. garinii, B. afzelii, B. spielmanii und evtl. B. pacifica. Sie unterscheiden sich in ihrem regionalen Vorkommen sowie in ihrer Organotropie: B. afzelii typischerweise die Haut, B. garinii das Nervensystem involvierend, B. b. sensu stricto weist keine typische Organotropie auf.
Die Vektoren sind Schildzecken, in Europa meistens Ixodes rhizinus (gemeiner Holzbock). Bis zu 30 % der Zecken sind Borrelia-burgdorferi-übertragend . Die saisonale Aktivität der Zecken bestimmt auch das Infektionsrisiko.
4.1 Ätiologie und Pathogenese
Die Übertragung erfolgt durch einen Zeckenstich, nicht nur die adulten Zecken, sondern auch Lymphen und Larven sind dazu in der Lage. Nach einer initial lokalen Ausbreitung kommt es frühzeitig zu einer hämatogenen Disseminierung und zu einer Penetration der Blut-Hirn-Schranke. Der durch die Borrelien induzierte Entzündungsprozess geht mit einer Aktivierung der Zytokinkaskade, aber auch mit erregerassoziierten und -getriggerten Autoimmunmechanismen einher.
4.1 Symptomatik
Die lokale Infektion (Erythema migrans) sowie die frühe Disseminierung bedingen nie eine lebensbedrohliche, intensivpflichtige Erkrankung. Die potenziell intensivpflichtige Symptomatik wird evtl. durch eine Myokarditis, Meningovaskulitis, in sehr seltenen Einzelfällen durch Myelitis und Polyradikuloneuritis hervorgerufen.
Der überwiegende Prozentsatz der Neuroborreliosen verläuft im Sinne der klassischen Trias (Bannwarth-Garin-Bujadoux-Syndrom):
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Meningitis,
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Radikulitis/Radikuloneuritis,
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Hirnnervenneuritis.
Das Bannwarth-Garin-Bujadoux-Syndrom bedarf keiner intensivpflichtigen diagnostischen oder therapeutischen Strategien. Von den Hirnnerven ist sehr häufig der N. facialis – häufig auch bilateral – betroffen. Eine Myositis sowie die chronische Borrelien-Enzephalomyelitis und die eine Acrodermatitis chronica atrophicans begleitende Polyneuropathie nehmen ebenfalls nie einen intensivpflichtigen Verlauf.
Bei atypischen oder seltenen Krankheitsbildern und positiver Serologie ist immer an eine Koinzidenz einer früher durchgemachten Borreliose/Neuroborreliose und an aktuell andere entzündliche ZNS-Erkrankungen zu denken.
4.1 Diagnostik
Die klinische Diagnose einer klassischen Trias ist – bei entzündlichem Liquor – weitestgehend pathognomonisch. Der Liquor cerebrospinalis zeigt eine lymphoplasmazelluläre milde bis mäßige Pleozytose, eine deutliche Eiweißerhöhung, (in den meisten Fällen IgG, IgM und IgA). Der Nachweis der intrathekalen spezifischen Antikörperproduktion beweist die Diagnose „Neuroborreliose“.
Der direkte Erregernachweis gelingt aus dem Liquor nur sehr selten, auch die PCR konnte sich für die Diagnostik der Neuroborreliose noch nicht etablieren. In den Einzelfällen einer parallel zur Neuroborreliose bestehenden Erythema migrans kann eine PCR aus einer Hautbiopsie diagnostisch sein.
Grundsätzlich sind folgende Labormethoden für die Diagnostik einer akuten Neuroborreliose derzeit (noch) nicht geeignet: Antigennachweis aus Körperflüssigkeiten, PCR aus Serum und Urin, Lymphozytentransformationstest (LTT) und der sog. „visual contrast sensitivity“-Test (VCS-Test, Graustufentest).
Die Kernspintomographie sowie elektrophysiologische Techniken sind als adjuvante diagnostische Strategien durchaus brauchbar, jedoch wenig spezifisch.
4.1 Therapie
Die Behandlung einer disseminierten bzw. späten Neuroborreliose erfolgt mit Ceftriaxon (1. Tag 4 g, dann 2 g/24 h über mindestens 2 Wochen, i. v.). Alternativen sind Cefotaxim (3 × 2 g täglich über 2 Wochen) oder Doxycyclin (2 × 100 mg täglich p. o., über 14–21 Tage).
Die akute Schmerzsymptomatik der klassischen Trias der Neuroborreliose bildet sich sehr rasch zurück, bestehende Paresen brauchen sehr viel länger zur Rückbildung. Während sich die Entzündungszeichen im Liquor cerebrospinalis innerhalb von 2–4 Wochen weitestgehend normalisieren, ändert sich der serologische Befund häufig nur sehr langsam bzw. überhaupt nicht; d. h. eine Serodiagnostik zur Therapie- und Verlaufskontrolle ist nicht geeignet, da die nichtprotektiven Antikörper persistieren.
4.1 Prognose
Ein frühzeitiger Therapiebeginn ist für eine günstige Prognose essenziell. Bereits eingetretene zerebrovaskuläre Folgen einer Myokarditis mit sekundärer Embolisierung bzw. einer Meningovaskulitis entsprechen in ihrer Prognose anderen zerebrovaskulären Ischämien.
Eine sehr häufig gesehene Jarisch-Herxheimer-Reaktion kann in Einzelfällen eine akute, potenziell lebensbedrohliche Symptomatik verursachen und eine Intensivpflichtigkeit bedingen. Die ersten intravenösen Antibiotikaapplikationen sollten immer unter stationären Beobachtungsbedingungen durchgeführt werden.
4.2 Neurosyphilis
4.2 Symptomatik
Die im zweiten Stadium gelegentlich beobachtete meningovaskulitische Symptomatik einer Treponema-pallidum-Infektion kann ebenso im Einzelfall eine intensivmedizinische Überwachung oder Betreuung erforderlich machen wie die sehr seltene Polyradikuloneuritis des Sekundärstadiums.
Tertiäre Verlaufsformen der Syphilis (Tabes dorsalis und progressive Paralyse) werden nur noch sehr selten gesehen und können in Einzelfällen auch intensivpflichtige Symptome bzw. Syndrome verursachen. Neben der Jarisch-Herxheimer-Reaktion, die in diesem Krankheitsstadium nur bei 1–2 % zu erwarten ist, kann eine eine intensivpflichtige Situation bewirkt werden durch statusartige epileptische Anfallsmanifestation oder ein passageres enzephalitisches Krankheitsbild bei der progressiven Paralyse sowie die sog. Oblongata-Krise (abdominelle Schmerzen, Tachykardie, Bewusstseinsstörung, Atemstörung bis Atemstillstand), die in früheren Jahren gelegentlich die unmittelbare Todesursache eines Patienten mit Tabes dorsalis war und deren Pathomechanismus unbekannt ist.
4.2 Diagnostik
Die Serodiagnostik mit den spezifischen antitreponemalen Antikörpertests, FTA-ABS und TPHA sowie die IgM-erfassenden Verfahren (T.p.-IgM-Elisa, 19S- (IgM)-FTA-ABS-Test) sind von den unspezifischen Testmethoden (VDRL etc.) abzugrenzen.
Zur definitiven Diagnose bedarf es des positiven Ausfalls spezifischer Tests. Der Liquor cerebrospinalis zeigt in der überwiegenden Zahl der Fälle eine intrathekale IgM-Produktion , gelegentlich auch eine intrathekale IgG- und IgA-Produktion. Bei progressiver Paralyse findet sich fast immer eine Liquorpleozytose, während dies bei Tabes dorsalis nur in 50–75 % der Fälle gesehen wird. Eine Meningovaskulitis zeigt ebenfalls in den meisten Fällen eine Pleozytose. Das Gesamtprotein sowie eine intrathekale IgG- (häufig auch IgM- und IgA-)Produktion ergänzen den Liquorbefund. Die Pleozytose ist häufig lymphozytär, aber auch ein lymphoplasmazelluläres Bild wird gesehen.
Bildgebende Befunde (zerebrale CT- oder MR-Untersuchung) zeigen unspezifische Veränderungen im Sinne einer Arteriitis oder zerebraler Ischämie oder auch unspezifische Läsionen in der weißen Substanz.
4.2 Therapie
Jede Form einer Neurosyphilis wird mit hoch dosiertem Penicillin G (z. B. 3 × 10 Mio. E. täglich) über mindestens 2 Wochen behandelt. Drittgenerationscephalosporine sowie Doxycyclin sind Alternativen (z. B. bei β-Lactam-Allergien).
4.2 Prognose
Während die meningitische Symptomatik unter antibiotischer Therapie abklingt, entspricht die Prognose von vaskulitisch bedingten Hirninfarkten der Prognose anderer zerebrovaskulärer Ischämien. Eine komplette Remission ist im Tertiärstadium in den meisten Fällen nicht mehr zu erreichen.
5 Akute Virusinfektionen des ZNS
In moderaten Klimazonen sieht man eine signifikante Häufung insbesondere in den Sommer- und Herbstmonaten, was das saisonale Vorherrschen von Enteroviren und Arboviren, den Hauptverursachern der sog. aseptischen Meningitiden, widerspiegelt. Enteroviren stellen hierbei bis zu 90 % der Erreger. Zu dieser Gattung werden Picornaviren (Coxsackie,- Echo,- Polioviren sowie humane Enteroviren 68 und 71) hinzugezählt.
Im Liquor findet sich eine leichte Pleozytose (25–500 Zellen/µl), hierbei kann in der Frühphase ein granulozytäres Zellbild dem dann charakteristischen lymphozytären Zellbild vorangehen .
Das wichtigste Kriterium bei der Differenzialdiagnose ist der Ausschluss nichtviraler Ursachen, wie z. B. bakterielle Meningitiden, parameningeale Infektionen, infektiöse Meningitiden durch anderweitige Erreger (Tuberkulose, Pilze, Parasiten) sowie neoplastische Meningitiden und nichtinfektiös entzündliche Erkrankungen (z. B. Sarkoidose, M. Behcet).
Zu einer Beteiligung des Hirnparenchyms (Meningoenzephalitis ) kommt es selten, allerdings erfordert dieses Krankheitsbild häufig eine intensivmedizinische Behandlung, rasche Diagnostik und Therapie. Der Krankheitsverlauf ist meist zweigipflig mit einem Prodromalstadium aus Fieber, Kopfschmerz und Allgemeinsymptomen. In der Folge entwickeln sich Bewusstseinsstörungen, fokal-neurologische Ausfälle und nicht selten epileptische Anfälle. Auch eine spinale und radikuläre Beteiligung sind möglich (Enzephalomyeloradikulitis ). In einer klinischen Auswertung waren bei den Patienten mit Virusenzephalitis zum Aufnahmezeitpunkt vorwiegend Fieber (92 %) und neuropsychologische Störungen (Wesensänderung 85 %, Aphasie 76 %), seltener motorische Ausfälle (Hemiparese 38 %) nachweisbar [193]. Die virale Enzephalitis wird bis zu 60 % von Viren aus der Herpesfamilie (HSV-1/2, VZV) ausgelöst, wobei nach wie vor die HSV-1-Enzephalitis klinisch am bedeutsamsten ist, auch wenn die Letalität mit einer frühzeitigen Aciclovir-Therapie deutlich (auf 20 %) gesenkt werden konnte. In vielen Fällen (ca. 2/3) kann kein eindeutiger Auslöser identifiziert werden, Autoimmunenzephalitiden und seltene Erreger sind hier mögliche Differenzialdiagnosen [152].
Bei viralem Befall des Myelons sind häufig Coxsackie-A- und -B-, ECHO-, Varizella-Zoster- und FSME-Viren beteiligt. Das humane T-Zell-lymphotrope Virus (HTLV-1) ist Auslöser der tropischen spastischen Paraparese/HTLV-1-assoziierten Myelitis und sollte bei Migranten und zurückliegender Reisetätigkeit bedacht werden. Differenzialdiagnostisch kommen bei der direkten viral bedingten Myelitis parainfektiöse und immunvermittelte Pathomechanismen in Frage. Hier helfen anamnestische Hinweise über den zeitlichen Verlauf sowie der Erregernachweis. Die Entwicklung neuer neuroradiologischer und molekularbiologischer Methoden brachte erhebliche Fortschritte für die frühzeitige Identifizierung von ZNS-Infektionen und das Monitoring des Therapieeffekts. Auch nimmt die Zahl antiviraler Substanzen stetig zu, jedoch gibt es weiterhin virale Enzephalitiden, die aufgrund mangelnder spezifischer Therapien oder vorbeugender Impfungen letal enden.
5 Ätiologie und Pathogenese
Zu den häufigsten Erregern viraler akuter Meningoenzephalitiden zählen in Europa Enteroviren, gefolgt von Arboviren (diverse Alpha-, Flavi-, und Bunyaviren). Darüber hinaus kommen auch Masern-, Mumps-, Epstein-Barr-Viren (EBV), humane immunodefiziente Viren (HIV) und „lymphocytic choriomeningitis“-Viren (LCMV) in diesem Zusammenhang vor [178].
Die Infektion erfolgt meist im Rahmen eines systemischen Virusinfekts.
Die Erreger erreichen das ZNS über eine hämatogene Ausbreitung (wie z. B. CMV, EBV, Togaviren) oder über eine neurale ZNS-Invasion (HSV, Tollwut, Polio). Das Ausmaß der viralen ZNS-Infektion hängt hauptsächlich vom Erregertyp und der Immunkompetenz des Patienten ab. Aber auch bestimmte genetische Mutationen scheinen das Infektionsrisiko zu beeinflussen [156].
Bei Immundefizienten treten gehäuft akute Virusinfektionen und hierbei gelegentlich ZNS-Manifestationen auf:
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Zytomegalievirus- (CMV-)Retinitis und -Enzephalitis (3 %),
-
Varizella-Zoster-Virus- (VZV-)Enzephalitis (5 %),
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HSV (4 %),
-
progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML ) im Rahmen einer HIV-Infektion (2 %), zunehmende Bedeutung auch im Zusammenhang mit Antikörpertherapie/Biologika (z. B. Natalizumab, Rituximab, Efalizumab.
Für eine virale Genese eines akut oder subakut entwickelnden ZNS-Prozesses sollten folgende Argumente in Betracht gezogen werden: Epidemien (Mumps, Masern, VZV, Polio), Insektenstich (Arboviren) oder Tierbiss (Rabies), Immunsuppression oder Behandlung mit Blut- oder Blutprodukten sowie vorhergehende Auslandsaufenthalte. Saisonale Erkrankungshäufigkeiten ermöglichen eine weitere Eingrenzung häufig auftretender Virusinfektionen, so z. B. treten Arbovirus- und Enterovirus-Infektionen vermehrt im Sommer und vor allem Mumps- und LCMV-Infektionen im Winter auf.
Bei Aufenthalten in Südostasien kommen insbesondere in Betracht: die japanische Enzephalitis (JE) und das Nipah-Virus (Paramyxovirus), in Zentral- und Westafrika an das Ebola-Virus und in Nordamerika an das West-Nil-Virus (WNV), das St.-Louis-Enzephalitis-Virus, das California-Enzephalitis-Virus oder die Toga-Virus-Enzephalitis.
Eine Übersicht der diversen viralen (Meningo)Enzephalitiden findet sich Tab. 32.19.
5 Symptomatik
Die klinischen Symptome einer viralen Meningoenzephalitis sind meist diagnostisch wegweisend, jedoch nicht spezifisch. In bis zu 60 % der Fälle geht einer akuten viralen Meningoenzephalitis ein Prodromalstadium voraus, häufig in Form allgemeiner Abgeschlagenheit, grippeähnlicher oder gastrointestinaler Beschwerden. In vielen Fällen setzen die Symptome akut aus voller Gesundheit ein und erreichen bereits am ersten Tag ihren Höhepunkt.
Die Leitsymptome der Enzephalitis sind neben Fieber (70 %) und Kopfschmerzen Bewusstseinsstörungen (Somnolenz, Koma), Verhaltensauffälligkeiten (Desorientiertheit, Psychosen) sowie der Nachweis von fokalen oder disseminierten neurologischen Symptomen (Halbseitensymptome, Dysphasien/Aphasien und Hirnstamm-/Kleinhirnstörung jeweils 20 %, epileptische Anfälle 50 %).
Oft fällt in der neurologischen Untersuchung eine begleitende meningeale Reizung (ca. 60 %) als Zeichen der Meningoenzephalitis auf. Hautveränderungen können Hinweise auf eine Masern-, Röteln- oder Varizella-Zoster-Infektion geben.
Die meningeale Reizung und die erhöhte Temperatur können bei Säuglingen, immunkompromittierten Patienten oder älteren Menschen fehlen.
Die Symptomatik hängt von der Lokalisation und dem Entwicklungstempo des entzündlichen Prozesses ab. Die Enteroviren führen z. B. zu einem Befall des Hirnstamms mit dem klinischen Bild einer Rhombenzephalitis ; das Herpes-simplex-Virus (HSV) betrifft dagegen vor allem die Temporallappen.
Bei schwerem Verlauf kann es innerhalb weniger Tage zum Tod durch Folgen einer zytotoxischen Hirnschwellung mit konsekutiv erhöhtem intrakraniellem Druck kommen.
5 Diagnostik
Die Diagnostik stützt sich auf Liquoranalyse, Serologie, CCT/MRT sowie EEG.
Die frühe Diagnosestellung und der frühzeitige Therapiebeginn sind gerade bei der HSV-Enzephalitis entscheidend für die Prognose (Tab. 32.19).
Eine akute virale Enzephalitis sollte gegenüber einer Enzephalopathie , die durch eine Vielzahl nichtinfektiöser Ursachen eine virale Enzephalitis vortäuschen kann, sicher abgegrenzt werden. Dabei kann die Enzephalopathie durch metabolische Veränderungen wie Leberinsuffizienz, Niereninsuffizienz, diabetisches Koma, mitochondriale Zytopathien, Anoxie/zerebrale Ischämie, systemische Infektionen, Intoxikationen, paraneoplastische Störungen, maligne Hypertonie, nichtkonvulsiven Status sowie bestimmte Nährstoffdefizite bedingt sein.
Die Anamnese ist hierbei wie bei allen Erkrankungen unerlässlich und sollte auch eine Reiseanamnese beinhalten. Bei klinischer Konstellation von Kopfschmerzen, Fieber und Bewusstseinsstörung in Kombination mit potenziell fokal-neurologischen Ausfällen (z. B. Krampfanfälle) muss sofort an eine virale Enzephalitis gedacht werden, wobei z. B. ein abrupter Beginn mit schneller Progredienz durch HSV-1 und Erkrankungen mit biphasischen Verläufen eher durch Enteroviren bedingt sind.
Differenzialdiagnostisch treten verstärkt Autoimmunerkrankungen in den Vordergrund, nachdem auf dem Gebiet der Antikörperspezifizierungen enorme Fortschritte erzielt wurden (z. B. NMDA-Rezeptor-Antikörper, VGKC-Antikörper). Auch kommt eine akut disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM) infrage, bei der sich häufig eine vorangegangene Impfung findet [178].
Gibt die klinische Konstellation Hinweise auf eine Enzephalitis, muss sofort eine empirische antivirale Therapie begonnen werden.
Wenn keine eindeutige Abgrenzung gegenüber einer bakteriellen Ursache möglich ist, wird die zusätzliche empirische Antibiose bis zur diagnostischen Sicherheit empfohlen.
5 Allgemeine Blutuntersuchungen
Bei viralen Infektionen des ZNS zeigen die Blutuntersuchungen entweder einen Normalbefund oder geringfügig veränderte Entzündungsparameter. Typisch ist eine relative Lymphozytose bei normalen, leicht erhöhten oder sogar erniedrigten Gesamtleukozytenzahlen. Ein normwertiges Procalcitonin (< 0,5 ng/ml) kann zur Abgrenzung gegenüber einer bakteriellen Ursache herangezogen werden, da es bei bakteriellen ZNS-Infektionen praktisch immer erhöht ist [202].
5 Liquordiagnostik
Die Liquoruntersuchung muss bei allen Patienten mit Verdacht auf eine virale Enzephalitis durchgeführt werden, wenn keine Kontraindikationen (erhöhter intrakranieller Druck, relevante Gerinnungsstörung) vorliegen [161, 196].
Der Liquorbefund zeigt:
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Geringe bis mäßige Zellzahlerhöhung: 20–1500/µl (selten bis 3000). Cave: auch normale Zellzahlen können vorkommen.
-
Zytologie: vorwiegend lymphozytäre Pleozytose , initial oft granulozytäres Zellbild, bei der Kontrollpunktion nach 24–72 h sollte jedoch eine lymphozytäre Pleozytose vorliegen. Eine Persistenz der polymorphkernigen Pleozytose muss an eine bakterielle oder parameningeale Infektion denken lassen (Ausnahme: bestimmte Echoviren, WNV; [173, 174]).
-
Leicht erhöhtes Gesamteiweiß: < 150 mg/l (selten bis 500 mg/dl). Cave: in 40 % der Fälle keine Eiweißerhöhung.
-
Glucose bzw. Laktat: > 60 (L/S in %) bzw. < 4 mmol/l .
Die Liquorbefunde einer akuten Virusenzephalitis sind typisch, aber nicht spezifisch und können gelegentlich auch bei folgenden Erkrankungen gefunden werden :
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parainfektiöse Enzephalomyelitis,
-
anbehandelte bakterielle Meningitiden,
-
parasitäre ZNS-Infektionen,
-
Frühstadium der TBC- oder Pilzmeningitis,
-
parameningeale Infektionen (Abszess, Empyem).
5 Liquor-PCR
Mit der Liquorpolymerasekettenreaktion (PCR) können Genombestandteile diverser Erreger – wie z. B. HSV-1, -2, EBV, CMV, VZV, Flavi- und Enteroviren, JC-Virus – nachgewiesen werden; dieses Verfahren bildet den Goldstandard in der Diagnostik der Virusenzephalitiden. Es kann schnell durchgeführt werden, wobei die Ergebnisse bereits nach ca. 24 h vorliegen. Neuere Studien der HSV-Enzephalitis haben gezeigt, dass die Sensitivität (ca. 98 %) und die Spezifität (ca. 94 %) der Liquor-PCR gleich oder sogar besser als die der Hirnbiopsie ist [173].
Dennoch ist die PCR meist nicht rund um die Uhr erhältlich, sodass in der Akutsituation auch ohne PCR-Ergebnis allein bei klinischem bei Verdacht probatorisch antiviral behandelt werden muss.
Eine negative HSV-Liquor-PCR eines Patienten mit klinischem und labortechnisch hohem Verdacht reduziert zwar die Wahrscheinlichkeit, schließt aber damit eine Enzephalitis nie aus!
5 Erregerspezifische Antikörperdiagnostik
Durch Berechnung des Antikörperindex (AI) kann eine intrathekale Antikörperproduktion festgestellt werden. Hierbei wird der erregerspezifische Antikörperquotient mit dem jeweiligen Gesamtimmunglobulinquotienten in Beziehung gesetzt.
Ein AI > 1,5 zeigt eine intrathekale Antikörpersynthese an [189]. Die intrathekale Antikörpersynthese entwickelt sich meist gegen Ende der 1. Erkrankungswoche. Da aber auch in der Spätphase neuroviraler Erkrankungen intrathekale Antikörper gebildet werden können („Liquornarbe“), ist allein aufgrund des Antikörperindex keine eindeutige Aussage zu Akuität und Floridität der Infektion zu machen.
5 Neuroradiologie
Die Bildgebung (CCT, cMRT) bei einer vermuteten viralen Meningoenzephalitis dient dem Ausschluss von erhöhtem Hirndruck vor Liquorpunktion, dem Nachweis entzündlicher Veränderungen und der Abgrenzung gegenüber potenziellen Differenzialdiagnosen. Sofern möglich, sollte primär eine cMRT durchgeführt werden, da dessen Aussagekraft deutlich höher ist. Allerdings zeigt sich bei bis zu 10 % liquorchemisch nachgewiesener HSV-Enzephalitisfälle ein unauffälliger kranieller Computertomographie- oder Magnetresonanztomographiebefund.
Die MRT kann das Ausmaß des entzündlichen Prozesses aufzeigen und durch typische Befunde auf bestimmte Erreger hinweisen:
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temporale Marklagerveränderungen bei HSV-Enzephalitis,
-
thalamische Blutungen bei japanischer Enzephalitis,
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T2-gewichtete hyperintense Läsionen im Ncl. dentatus des Zerebellums, Hirnstamm bei Enterovirus-71-Enzephalitis,
-
multiple Marklagerläsionen (inklusive der U-Fasern) bei PML.
Wichtig ist die Bildgebung zum Monitoring bei erhöhtem ICP bzw. zur Indikationsstellung für eine externe Ventrikeldrainage.
5 EEG
Das EEG kann in der Anfangsphase der Infektion Hinweise auf eine enzephalitische Beteiligung geben, bevor sich in der Bildgebung parenchymatöse Veränderungen nachweisen lassen. Typische, aber nicht spezifische Befunde finden sich bei der Herpesenzephalitis in Form von PLEDs (periodisch lateralisierte epileptiforme Entladungen). In der Akutphase korreliert das Ausmaß der EEG-Veränderungen mit der Prognose [200].
5 Differenzialdiagnosen
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Vaskuläre Erkrankungen (Vaskulitis, zerebraler Infarkt, Sinus/-Venenthrombose)
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Abszess und Empyem
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Pilzinfektionen (Kandidose, Kryptokokkose, Aspergillom)
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Parasitäre Infektionen (Malaria, Toxoplasmose, Trypanosomiasis, Trichinose, Neurozystizerkose)
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Rickettsielle Infektionen (Q-Fieber, Rocky Mountain Spotted Fever)
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Tuberkulöse Infektionen
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Tumoren (Metastasen, Meningeosis)
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Toxische, metabolische oder sonstige Enzephalopathie
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Subdurales Hämatom
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Systemischer Lupus erythematodes (SLE)
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Limbische Enzephalitis
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ADEM
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Autoimmunenzephalitiden (z. B. Hashimoto-Enzephalitis)
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Prionenerkrankungen
Eine HSVE sollte dann vermutet werden, wenn die Klinik auf eine Beteiligung mesiotemporaler sowie frontotemporaler Regionen hinweist, einschließlich olfaktorischer und gustatorischer Halluzinationen, Anosmie, Gedächtnisstörungen und Persönlichkeitsveränderungen.
Eine akut aszendierende Parese , die einem Guillain-Barré-Syndrom (GBS) ähnelt, allerdings mit einer Pleozytose einhergeht, kann durch eine FSME-, HIV-Infektion, Rabies oder WNV-Infektion bedingt sein [173].
5 Therapie und Immunisierung
Grundsätzlich wird empfohlen, Patienten mit einer akuten viralen Enzephalitis auf der Intensivstation zu behandeln. Neben der spezifischen antiviralen Therapie (Tab. 32.19) sollte bei Patienten mit Meningoenzephalitis auf allgemeine Maßnahmen wie Thromboseprophylaxe, ausreichende Ernährung und optimales Temperaturmanagement geachtet werden. Bei Bedarf ist eine antikonvulsive Behandlung sowie eine Hirnödemtherapie erforderlich. Aussagekräftige Studien zur Hirnödemtherapie bei Meningoenzephalitis liegen nicht vor, aus der klinischen Erfahrung heraus sind Osmotherapeutika wenig wirksam. Im Einzelfall kann eine Dekompressionskraniotomie erwogen werden [151], auch Fallberichte über den möglichen Nutzen einer moderaten therapeutischen Hypothermie (32–34 °C) bei HSVE-Patienten [179, 208] liegen vor. Beschrieben ist ebenfalls die Wirksamkeit von Dexamethason bei 2 Patienten mit generalisiertem Hirnödem (1. Pat. VZV, 2. Pat. ohne Erregernachweis) [199]. Weitere Details zur Hirnödembehandlung sind Kap. 11 zu entnehmen.
Vorbeugend stehen gegen folgende Erregerimpfstoffe zur Verfügung: FSME, Masern, Mumps, Röteln, VZV, Polio, Rabies, Japanische Enzephalitis Typ B und Gelbfieber. Bei wenigen Viruserkrankungen (z. B. Rabies, Pocken) besteht die Möglichkeit der postexpositionellen Prophylaxe mit Hyperimmunglobulinen (passive Immunisierung).
5 Meldepflicht
Für Erkrankungen, die durch folgende neurotrope Viren verursacht werden, besteht eine Meldepflicht nach IfSG: Adenovirus, FSME, Gelbfieber, Influenza, Lassa, Masern, Polio, Rabies, HIV.
5 Prognose
Die Prognose viraler Enzephalitiden hängt wesentlich vom Erreger ab. Die HSVE ist in Mitteleuropa unbehandelt mit einer Mortalität von 80 % behaftet, die frühzeitige Therapie konnte diese Rate auf 20 % senken. Bei vielen Überlebenden bleiben jedoch neuropsychologische Defizite zurück.
Eine komatöse Aufnahme ist für den Patienten ebenso als prognostisch ungünstig zu werten wie ein im Verlauf einsetzendes Koma, ein erhöhtes Lebensalter bzw. Säuglingsalter sowie der Nachweis einer intrathekalen IgG-Synthese. In einer Outcome-Analyse von Patienten mit unterschiedlichen Ursachen für eine akute Enzephalitis erwiesen sich die Entwicklung eines Hirnödems, Thrombopenie und Status epilepticus als Prediktoren für ein schlechtes Outcome, unabhängig von der Ätiologie (28 % Virusenzephalitis) [203].
5 Verlauf und Spezifika einiger Enzephalitiden
Aufgrund der unterschiedlichen Verläufe und Besonderheiten wird auf die wichtigsten Enzephalitiden speziell eingegangen.
5.1 Herpes-simplex-Virus-Enzephalitis (HSVE)
Das HSV ist in Westeuropa bei Kindern (> 6 Monate) und bei Erwachsenen die häufigste Ursache einer sporadischen Enzephalitis .
Bei immunkompetenten Erwachsenen wird die HSVE in 90 % der Fälle durch das HSV-1 ausgelöst, während HSV-2 meist nur eine benigne lymphozytäre Meningoenzephalitis hervorruft, welche auch mehrfach remittieren kann (früher: Mollaret-Meningitis) . Bei Neugeborenen und Immuninkompetenten ruft HSV-2 eine diffuse hämorrhagisch nekrotisierende Enzephalitis im Rahmen einer systemischen, hämatogen fortgeleiteten Infektion hervor [186].
Die durch HSV-1 erzeugte Enzephalitis ist mit einer Inzidenz von 2-4/1.000.000 die häufigste sporadische Enzephalitis in Westeuropa [193]. Ein Drittel aller HSVE-Fälle tritt als Primärinfektion auf. Die Mehrzahl aller Patienten hat jedoch bereits Antikörper gegen HSV, wenngleich nur 10 % aller HSVE-Patienten klinische Zeichen einer rekurrierenden HSV-Infektion aufweisen (z. B. Herpes labialis).
Das Virus gelangt vermutlich über die Mund- und Nasenschleimhaut zum Bulbus olfactorius oder Ganglion Gasseri (N. trigeminus) und über durale Nervenäste zur vorderen und mittleren Schädelgrube. Jedoch wurde bei Proben aus ehemals gesundem Hirngewebe HSV-Gensequenzen auch außerhalb des Ganglion Gasseri gefunden [154].
HSV verursacht eine fokale Enzephalitis , die vorwiegend temporo- und frontobasal gelegen und durch hämorrhagische Nekrosen und eine erhebliche Hirnschwellung charakterisiert ist. Selten kann es auch zu einem Befall des Hirnstamms kommen [183]. In Einzelstudien gibt es Hinweise auf virusunabhängige chronisch-progrediente Gewebsuntergänge im Langzeitverlauf der HSVE [185].
Die initialen Symptome können sehr vielfältig sein. Nach einem mehrtägigen Prodromalstadium folgt eine variable Phase mit Persönlichkeitsveränderungen, fokalneurologischen Symptomen (Aphasie, Paresen) sowie Bewusstseinsstörungen.
Die HSVE kann einen schweren Verlauf mit erhöhtem Hirndruck und letalem Ausgang nehmen. Ohne spezifische Therapie endet sie in 80 % der Fälle letal . Die frühzeitige Therapie mit Aciclovir kann die Mortalität auf 20 % senken, ein Großteil der Überlebenden (90 %) behält jedoch leichte bis schwere kognitive Defizite zurück [207].
In der cMRT können morphologische Veränderungen bereits deutlich früher und sensitiver als in der CCT nachgewiesen werden, wobei gerade diffusionsgewichtete und Flair-Sequenzen frühzeitig enzephalitische Läsionen darstellen können. Die frontomesiotemporalen Anteile, die insuläre Region, der Gyrus cinguli, der Thalamus sowie der frontobasale Kortex sind mit fokalen Ödemen – manchmal mit vereinzelter Kontrastmittelaufnahme – häufig betroffen.
Es gibt jedoch bildmorphologische Hinweise darauf, dass bei Säuglingen und Kindern im Gegensatz zu Erwachsenen vermehrt extratemporale Läsionen entdeckt werden [205].
EEG-Untersuchungen zeigen bei Liquor-PCR-bestätigten HSVE-Fällen in bis zu 90 % fokal auf den Temporallappen bezogene Spike- und Slow-wave-Aktivität, gelegentlich auch periodisch lateralisierte epileptiforme Entladungen (PLEDs).
Charakteristischer Liquorbefund ist eine lymphozytäre Pleozytose von 10–500 (selten bis 700) Zellen/µl. Initial liegt bei 5 % der Patienten eine normale Zellzahl vor [209]. Bei sehr früher Punktion kann auch ein gemischtes Zellbild mit granulozytärer Dominanz nachgewiesen werden. Erythrozyten und Hämosiderophagen weisen auf den hämorrhagischen Verlauf hin. Der Liquoreiweißgehalt ist in über 80 % der Fälle erhöht. Mittels PCR kann frühzeitig (Tag 1 oder 2) virusspezifische DNA im Liquor nachgewiesen werden. Allerdings korreliert die Schwere der Erkrankung nicht mit der Zahl der Viruskopien [213]. Falsch-negative Liquor-HSV-PCR-Befunde sind am häufigsten innerhalb der ersten 24–48 h sowie nach 10–14 Tagen nach Krankheitsausbruch. Eine routinemäßige Kontrollpunktion nach 14 Tagen wird derzeit nicht empfohlen, die Repunktion sollte individuell in Abhängigkeit vom klinischen Verlauf durchgeführt werden.
Die Therapie mit Aciclovir (3 × 10 mg/kgKG/Tag, mind. 14 Tage) wird bereits bei klinischem Verdacht ohne zeitlichen Verzug eingeleitet (Tab. 32.20). Die Effektivität wurde in zwei Studien belegt [197, 210]. Bei passendem klinischen Bild, aber negativer HSV-PCR im Liquor und fehlendem Nachweis einer anderen Ursache sollte die Therapie mindestens 10 Tage durchgeführt werden. Patienten mit Immundefekten oder mangelndem Ansprechen auf die Therapie können mit höheren Dosierungen und längerer Therapiedauer (21 Tage) behandelt werden. Bei Aciclovir-Resistenz oder -Unverträglichkeit können Vidarabin oder Foscarnet zum Einsatz kommen.
Die antivirale Therapie reduziert die Zahl der Viruskopien im Liquor. In den meisten Fällen führt die Aciclovir-Gabe somit zu einer raschen Reduzierung des Antigennachweises im Liquor, sodass die Liquor-PCR innerhalb von 15 Tagen nach Therapiebeginn fast immer negativ ausfällt [205]. Bei persistierend positiver Liquor-PCR sollte an eine Fortführung oder alternative antivirale Therapie gedacht werden.
Bei 13–24 % der HSVE-Patienten wird ein durch Rückfälle bzw. Schübe gekennzeichneter Verlauf beobachtet. Als Ursache werden neben der Virusreaktivierung Immunmechanismen diskutiert. Es häufen sich Fallberichte und -serien über die Assoziation mit NMDA-Rezeptor-Antikörpern [171, 182]. In einer prospektiven Untersuchung konnte nachgewiesen werden, dass die Antikörperproduktion ca. 1–4 Wochen nach der HSV-Infektion einsetzt und der klinischen Symptomatik vorausgeht. Die betroffenen Patienten wurden erneut antiherpetisch sowie mit Cortison therapiert, allerdings war bei den meisten Patienten eine Eskalation mit Rituximab oder Cyclophosphamid erforderlich. Retrospektiv wurden zusätzlich 34 Patienten ausgewertet, darunter 2 mit NMDA-R-Antikörpern, 9 mit bisher unbekannten Antikörpern gegen die neuronale Oberfläche sowie 1 Patient mit NMDA-R-Antikörpern sowie unbekannten Antikörpern [153].
Die zunehmenden Hinweise auf die postinfektiöse Autoantikörperbildung nach HSVE lassen die Frage nach der adjuvanten Cortisontherapie wieder sehr aktuell werden. Hier wird die mittlerweile abgeschlossene GACHE-Studie (German Trial of Acyclovir and Corticosteroids in Herpes-simplex-Virus-Encephalitis [184]) mit der Frage nach dem Nutzen einer adjuvanten Cortisontherapie Hinweise liefern. Die Daten befinden sich aktuell noch in der Auswertung. Eine weitere laufende Therapiestudie überprüft, ob eine orale Anschlusstherapie mit Valaciclovir über 90 Tage nach initialer i. v.-Aciclovirgabe das Ausmaß der kognitiven Folgeschäden reduzieren kann (Collaborative Antiviral Study Group Trial [162]).
Die spezifische Therapie wird durch symptomatische Ansätze unterstützt, was in der Regel ein intensivmedizinisches Monitoring miteinbezieht. Im Einzelfall kann eine osteoklastische Trepanation bei schweren Verläufen aufgrund von fokaler Hirnschwellung indiziert sein [194].
Eine antikonvulsive Behandlung ist bei symptomatischen Anfällen oder beim klinischen Verdacht nichtkonvulsiver Anfälle angezeigt.
5.2 Herpes-Zoster-(VZV-)Enzephalitis
Die tatsächliche Inzidenz der Herpes-Zoster-Enzephalitis ist nicht bekannt. Gefährdet durch schwere Verläufe sind immunsupprimierte Patienten, CMV-seronegative Transplantatempfänger und Malignompatienten während einer Chemotherapie. Ein besonders hohes Risiko besteht für AIDS-Patienten im Stadium IV (Chorioretinitis).
Die VZV-Enzephalitis tritt in 1–2 von 10.000 Fällen einer VZV-Infektion auf, meist 1–2 Wochen nach dem typischen Exanthem. Gelegentlich kann sie dem Exanthem auch um bis zu 3 Wochen vorausgehen.
Klinisch kommt es entweder zu einer Meningoenzephalitis oder Zerebellitis im Anschluss an eine Windpockeninfektion oder zu einer Zosterneuritis- (Gürtelrose-)assoziierten Enzephalitis, die häufiger bei Abwehrgeschwächten vorkommt und als Polioenzephalitis oder seltener als multifokale Leukenzephalopathie verlaufen kann.
Meist beginnt sie 1–2 Wochen nach dem Exanthem, doch gelegentlich kann sie den Windpocken auch um bis zu 3 Wochen vorausgehen. Neuropathologisch finden sich entzündliche Läsionen, hämorrhagische Nekrosen, Vaskulitiden und Infarkte durch Gefäßstenosen und -verschlüsse.
Die kranielle MRT zeigt neben multiplen Läsionen in der weißen Substanz ischämische und hämorrhagische Läsionen mit Kontrastmittelenhancement. Ein normales EEG im Akutstadium spricht gegen die Diagnose. Die EEG-Veränderungen können bis zu einem Jahr persistieren. Im Liquor findet sich eine lymphozytäre Pleozytose, anfänglich mit einer Granulozytose.
Die Therapie unterscheidet sich nicht von der der HSVE. Alternativ kann auch Brivudin eingesetzt werden. Die mit Windpocken assoziierte Enzephalitis hat eine Letalität von 30 %, meist bedingt durch die oft vorbestehende Immuninkompetenz.
In einem Fallbericht wurde die Kasuistik einer älteren Patientin aufgearbeitet, welche nach Erhalt einer VZV-Lebendimpfung eine Varizellen-assoziierte Meninigits entwickelte [167].
5.3 Epstein-Barr-Virus-(EBV-)Enzephalitis
Zerebrale Beteiligungen bei EBV-Infektionen sind meist gutartig und kommen primär bei immunsupprimierten Menschen vor.
Das EBV ist ein Herpesvirus, welches verschiedene neurologische Manifestationen verursachen kann (Meningitis, Enzephalitis, AIDS-assoziiertes ZNS-Lymphom, Myeloradikulitis und Enzephalomyeloradikulitis). Die neurologischen Erscheinungen der EBV-Infektion treten meistens als Komplikationen der infektiösen Mononukleose (in ca. 5–7 % der Fälle) auf. Die Inzidenz der infektiösen Mononukleose selbst liegt bei ca. 8/1000.
Die klassischen Symptome einer infektiösen Mononukleose sind Fieber (76 %), Pharyngitis (82 %) sowie Lymphknotenschwellungen (94 %) und Splenomegalie (52 %). Neurologische Symptome können sich vor, während und nach den klassischen Symptomen manifestieren [163]. Die EBV-Enzephalitis kann als Meningoenzephalitis, als Zerebellitis (insbesondere bei Kleinkindern) und in Form von Hirnnervenausfällen in Erscheinung treten. Es wurden auch Polio-ähnliche Krankheitsbilder beschrieben [214]. Schwere Krankheitsverläufe kommen insbesondere bei Kleinkindern und immunsupprimierten Patienten vor.
Diagnostiziert wird die Erkrankung über die Liquor-PCR. Kontrollierte Studien zur Behandlung der EBV-Enzephalitis fehlen. Neben Aciclovir kann auch Ganciclovir über 3 Wochen gegeben werden.
5.4 Frühsommermeningoenzephalitis (FSME)
Das FSME-Virus gehört zu der Gruppe der Arboviren, wobei das Erregerreservoir aus kleinen Wildnagern und Vektorzecken besteht. Die Entwicklungszyklen der Ixodes-ricinus-Zecken führen zu einem saisonalen Auftreten der Erkrankung von März bis Oktober mit Erkrankungsgipfel von April bis Juli, wobei die Zecken bereits ab ca. 6 °C mobil werden und potenziell auch im Winter Zeckenstiche möglich sind.
Durchseuchte Zeckenpopulationen finden sich vornehmlich in Süddeutschland, Österreich, Tschechien, Ungarn, der Slowakei, im Baltikum und in Russland [175]. Die Durchseuchungsrate in deutschen Endemiegebieten liegt bei 0,1–5 %. Die Anzahl der beim RKI gemeldeten jährlichen FSME-Erkrankungen schwankt seit Jahren zwischen ca. 200 und 450. Zuletzt stiegen die bestätigten Fälle im Jahr 2013 wieder auf 420 Patienten an, nachdem es im Vorjahr zu einen deutlichen Rückgang auf 195 Fälle gekommen war. Die meisten Erkrankungsfälle traten in Bayern (45 %) und Baden-Württemberg (42 %) auf. Als Einflussfaktoren werden klimatische Bedingungen, das Freizeitverhalten und die Impfrate diskutiert. Die aktuellen Impfraten liegen zwischen 37 und 48 % (Allgemeinbevölkerung/Schulanfänger) in Hochrisikogebieten und zwischen 31 und 38 % in Endemiegebieten mit niedrigerer Infektionsrate. Als Risikogebiet werden Kreise definiert, in denen die Inzidenz der FSME-Fälle den festgelegten Grenzwert von 1/100.000 Einwohner in einem gleitenden 5-Jahresintervall überschreitet. Derzeit sind 142 Kreise als Endemiegebiete deklariert, 2013 ist erstmals ein Landkreis in Sachsen dazugekommen. Die aktuellen Risikogebiete in Deutschland sind auf der Website des Robert-Koch-Instituts ersichtlich (www.rki.de).
Das Erkrankungsrisiko in einem Endemiegebiet liegt bei 1:150, da eine klinische Manifestation nur in 30 % der Fälle aufritt. Nach einer Inkubationszeit von ca. 10 Tagen kommt es zu einer einwöchigen grippeähnlichen Prodromalphase. Bei ca. 70 % schließt sich nach einem kurzen, symptomfreien Intervall die zweite Krankheitsphase mit neurologischer Symptomatik an. Ein erneuter Fieberanstieg (39 °C) sowie heftige Kopf- und Gliederschmerzen mit starkem Krankheitsgefühl sind zu beobachten. Beim Erwachsenen werden meningitische (50 %), meningoenzephalitische (40 %) und myelitische (10 %) Verlaufsformen beobachtet. Die Verläufe bei Kindern sind meist etwas milder (70 % meningitische Verlaufsform), wobei auch hier über einen längeren Zeitraum neuropsychologische Defizite (Konzentrations-, Gedächtnisstörungen, verminderte Belastbarkeit) bestehen können. Bei älteren Patienten kommt es gehäuft zu einer Enzephalomyelitis, die in einer retrospektiven Langzeituntersuchung über einen Zeitraum von 10 Jahren eine Letalität von 30 % sowie eine Defizitrate von 51 % aufwies [176]. Das pathologische Korrelat ist eine fleckförmige Polioenzephalitis mit meningealer Beteiligung. Hauptmanifestationsorte sind Hirnstamm, Dienzephalon, Kleinhirn, Kortex und Vorderhörner des Hals- und des oberen Thorakalmarks. Je nach der Verteilung der Herde werden Hirnnervenausfälle, Kleinhirnzeichen, spastische und schlaffe Lähmungen, Krampfanfälle, Hyperkinesien und Myoklonien beobachtet.
Derzeit sind 3 Erregersubtypen bekannt (europäisch, östlich, fernöstlich). Die Letalität einer manifesten Erkrankung beträgt beim westlichen Erregersubtyp 1–2 % (bei der myelitischen Form bis zu 30 %), beim östlichen Subtyp 20 %. Bei 27 % der Patienten finden sich lang anhaltende neuropsychologische oder neurologische Defizite.
Eine Virusisolierung gelingt in der Akutphase des katarrhalischen Infektes aus Rachenspülwasser und Liquor, nur selten aus Blut. Anfang 2004 wurde die Falldefinition des Robert-Koch-Instituts für die FSME geändert: Als FSME-Fall gelten nur noch FSME-Virusinfektionen, bei denen ein positiver Befund vorliegt, welcher mit mindestens einer der 4 folgenden Methoden erhoben wurde.
Nachweismethoden FSME
Direkter Erregernachweis
-
1.
RNA-Nachweis (z. B. PCR) nur im Blut oder Liquor, post mortem im Organgewebe
Indirekter Erregernachweis
-
2.
Nachweis von IgM- und IgG-Antikörpern im Blut oder im Liquor (einmalig deutlich erhöhter Wert)
-
3.
deutliche Änderung zwischen 2 Proben beim IgG-Antikörpernachweis
-
4.
Nachweis intrathekal gebildeter, FSME-spezifischer Antikörper (AI)
Die Infektion hinterlässt eine lebenslange Immunität. Die Postexpositionsprophylaxe wird nicht mehr empfohlen, da Exazerbationen beschrieben sind.
Eine aktive Immunisierung sollte in Endemiegebieten sowie bei Risikogruppen durchgeführt werden. Die aktive Immunisierung erfolgt mit einem inaktivierten Virusstamm. Es erfolgen 3 Impfungen (jeweils im Abstand von 1–3 Monaten und nach 9–12 Monaten eine Booster-Impfung), die bei 98–99 % zu einer Serokonversion führen. Daneben gibt es Schnellimmunisierungsschemata. Nach 3–5 Jahren ist eine erneute Booster-Impfung erforderlich.
Eine spezifische antivirale Therapie für die FSME existiert nicht.
5.5 Rabies (Tollwut)
Rabies ist eine der ältesten bekannten Zoonosen. Erreger ist ein Rhabdovirus der Gattung Lyssavirus, welcher alle Säugetiere infizieren kann.
Schätzungen der WHO zufolge versterben jährlich weltweit rund 55.000 Menschen an Tollwut, wobei die Dunkelziffern in Afrika und Asien vermutlich hoch sind. In Europa und den angrenzenden Nachbarstaaten wurden 2013 5350 Tollwutfälle gemeldet, wobei v. a. Russland, Ukraine, Polen und die Türkei betroffen waren [212]. In Deutschland konnte durch systematische Bekämpfungsmaßnahmen (v. a. orale Immunisierung der Füchse) die Tollwut bei Wild- und Haustieren getilgt werden. Für in Deutschland lebende Menschen besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko bei Reisen in Länder mit endemischem Vorkommen. Der letzte deutsche Tollwutfall trat 2007 bei einem Marokkotouristen infolge eines Hundebisses auf [190].
Das Reservoir des Rabies-Virus umfasst viele Tierarten, darunter Füchse, Nager und Fledermäuse, wobei die Übertragung auf den Menschen zu über 90 % durch Hundebisse erfolgt. Nach Replikation im Muskelgewebe bindet das Virus an den Acetylcholinrezeptor und gelangt über die neuromuskuläre Endplatte und den peripheren Nerven bis zum Vorderhorn, wo es erneut zu einer Virusvermehrung kommt. Danach erfolgt die Ausbreitung zu den Speicheldrüsen über das sympathische Nervensystem. Hierbei ist das limbische System besonders vulnerabel, wobei im Verlauf neben perivaskulären Lymphozyteninfiltraten als typisches Merkmal sog. „Negri-Körperchen“ auftreten.
Die Inkubationszeit liegt zwischen 10 und 20 Tagen (in Einzelberichten bis 6 Jahre). Die Größe der Verletzung steht in umgekehrter Korrelation mit der Länge der Inkubationszeit. Die klassische klinische Präsentation einer enzephalitischen Rabies umfasst Fieber und eine autonome Hyperaktivität mit fluktuierend mentalem Status. In der akuten Phase kommen Krämpfe des Larynx und des Pharynx bei konsekutiver Hydrophobie oder sogar Aerophobie vor.
Der Tod tritt in der Regel im Koma und unter den Zeichen einer Atemlähmung ein, zwischen Auftreten der ersten Symptome und dem Tod liegen maximal 10 Tage.
Bei klinisch manifester Tollwut sterben die Patienten praktisch immer, intensivmedizinische Verfahren können lediglich den Verlauf etwas aufhalten. Bis zum derzeitigen Zeitpunkt wurden in der Literatur nur 5 Patienten beschrieben, die trotz klinisch manifester Erkrankung überlebten, wobei 4 von diesen Personen eine Postexpositionsprophylaxe (PEP) vor Ausbruch der Erkrankung erhalten haben und ein Erkrankter geimpft worden war.
Im Jahre 2004 wurde in den USA von einem Fall eines 15-jährigen Mädchens berichtet, das an Tollwut erkrankt war und ohne PEP oder Impfung überlebte. Die Patientin wurde über eine Woche in ein künstliches Koma versetzt sowie mit Ribavirin-Infusionen therapiert. Die Ursache für das Überleben bleibt letztlich unklar [157].
Die Diagnose wird durch das klinische Bild und den Erregernachweis gestellt. Im Liquor finden sich oft eine Schrankenstörung und eine lymphozytäre Pleozytose . Die Erregerisolierung erfolgt aus dem Speichel, der Tränenflüssigkeit, dem Liquor und dem Urin. Die rabiesspezifischen Antikörper steigen innerhalb von 2 Wochen an. Gesichert wird die Infektion im Idealfall durch Untersuchung von Hirngewebe des beißenden Tieres.
Der direkte oder indirekte Rabiesnachweis sowie die Verletzung eines Menschen durch ein tollwutkrankes oder -verdächtiges Tier sind meldepflichtig.
Eine spezifische Therapie existiert nicht. Es wird lediglich symptomatisch behandelt.
Menschen, die ein erhöhtes Risiko durch vermehrten Kontakt mit rabiesinfizierten Tieren haben, sollten eine Präexpositionsprophylaxe erhalten. Dabei handelt es sich um einen Aktivrabiesimpfstoff, der intradermal oder intramuskulär am Tag 0, 7, 21 oder 28 appliziert wird.
5.6 Enterovirus-Typ-71-Enzephalitis
Enteroviren gehören zu den häufigsten Erregern viraler Meningitiden. Hierbei ist das Enterovirus-Typ-71 ein Erreger der Hand-Fuß-Mund-Krankheit (HFMK), die durch Bläschen und leichtes Fieber gekennzeichnet ist. Im Rahmen einer Affektion des ZNS kommt es häufig zum Befall des Hirnstammes, wobei nach einem grippeähnlichem Vorstadium Vigilanz- und Verhaltensstörungen, Krampfanfälle und selten auch bizarre Verhaltensabnormalitäten auftreten. Zu schweren Verläufen neigen vor allem Kleinkinder.
Von März bis Dezember 1998 kam es in Taiwan zu einer großen HFMK-Epidemie mit 130.000 gemeldeten Fällen, im Jahr 2008 in Singapur zu einer Epidemie mit knapp 30.000 Fällen einschließlich 4 Patienten mit Enzephalitis und einem Todesfall.
Es wird eine fäkal-orale und aerogene Übertragung angenommen. Zur Vermeidung einer Infektion mit Enterovirus-Typ-71 werden vor allem hygienische Maßnahmen empfohlen.
Die Diagnose erfolgt mittels Nachweis von Virus-RNA im Liquor-PCR in Kombination mit pathologischen Veränderungen in der MRT, insbesondere in den Vorderhornzellen des Rückenmarks, der dorsalen Pons und der Medulla oblongata.
In Studien waren sowohl das oral applizierbare Virostatikum Pleconaril als auch intravenöse Immunglobuline bei potenziell lebensbedrohlichen Verläufen wirksam [187, 200]. Pleconaril hat bisher keine Zulassung erhalten.
5.7 Nipah-Virusenzephalitis
Diese neue („emerging“) Erkrankung wird durch das sogenannte Nipah-Virus ausgelöst, das zu der Gattung der Henipaviren zählt. Zu dieser Gattung zählt auch das Hendra-Virus (s. unten). Die Gattung der Henipaviren gehören zur Familie der Paramyxoviren.
Das Virus wurde nach dem gleichnahmigen malayischen Dorf Nipah benannt, wo die Erkrankung erstmals 1998/1999 auftrat und im Rahmen des ersten Ausbruchs wenig später auch auf Singapur übergriff. Seither wurden 12 weitere Ausbrüche – allesamt in Süd(ost)asien – beschrieben und bis dato 265 Fälle mit Enzephalitis registriert, und immer wieder werden neue Fälle berichtet.
Zunächst wurden ausschließlich Schweinezüchter angesteckt oder Personen, die Tätigkeiten verrichteten, bei denen sie direkten Kontakt mit Schweinen hatten. Daher wurde angenommen, dass die Exkremente (Tröpfcheninfektion, nasale Sekrete) der infizierten Tiere und deren krankes Gewebe die Infektionsquelle für den Menschen darstellen. Durch Keulung von nahezu einer Millionen Tiere in Schweinezuchtbetrieben versuchten die Behörden den Ausbruch einzudämmen.
In den aktuelleren Ausbrüchen von 2001 bis 2004 in Bangladesh und in Indien konnten in vielen Fällen jedoch keine Tierexpositionen als mögliche Infektionsquelle nachgewiesen werden, sodass eine Mensch-zu-Mensch-Transmission in Betracht gezogen werden muss [159, 170].
Vorläufige Ergebnisse legen die Vermutung nahe, dass Fledermäuse der Gattung Chiroptera das natürliche Reservoir für das Nipah-Virus bilden. Nipah selbst wird am ehesten durch den Urin der Fledermäuse verbreitet, indem beispielsweise Schweine eine Infektion durch direkte Exposition dieser Exkremente akquirieren [206].
Die Klinik bei Schweinen verläuft in der Regel relativ mild. Bei Menschen können Verläufe von einer asymptomatischen Infektion bis hin zu einer letalen Enzephalitis vorkommen. Zu Beginn wird über grippeähnliche Beschwerden mit Fieber, Halsschmerzen, Kopfschmerzen, Erbrechen und Myalgien geklagt. Nach etwa 3–14 Tagen können Schwindel, Bewusstseinsstörung bis hin zum Koma, fokal-neurologische Symptome wie Krampfanfälle, vegetative Entgleisungen und Atemregulationsstörungen folgen – allesamt Anzeichen einer Enzephalitis [180].
Die Inkubationszeit beträgt 4 bis 45 Tage. Die Mortalität ist mit 73 % als sehr hoch anzusehen.
Diagnostiziert wird diese Erkrankung durch den Nachweis von Serum-Antikörpern, Liquor-PCR und Anzüchtung in Zellkulturen aus Serum, Liquor, Rachenflüssigkeit oder Urin. In der kraniellen MRT der betroffenen Patienten konnten multiple hyperintense Läsionen subkortikal und im Marklager in den T2-gewichteten und FLAIR-Sequenzen nachgewiesen werden. EEG-Untersuchungen zeigten in der Regel entweder schwere Allgemeinveränderungen oder periodische Slow-wave-Komplexe auf.
Eine spezifische antivirale Therapie existiert derzeit nicht. Die Behandlung erfolgt in erster Linie intensivmedizinisch symptomatisch und supportiv, wobei die Hälfte der Patienten einer assistierten mechanischen Beatmung bedarf.
Eine Arbeit [155] beschrieb den erfolgreichen Einsatz eines spezifischen humanen monoklonalen Antikörpers m102.4, ein vom Nipah-Virus infiziertes Frettchen vor einer tödlichen Erkrankung zu bewahren. Dabei erfolgte die Behandlung innerhalb von 10 h nach Infektion. Dies könnte ein wirksamer Therapieansatz sein, muss aber noch durch klinische Studien untersucht werden.
Eine weitere Arbeit [188] zeigt in einem In-vivo-Tiermodell die Inhibition einer Nipah-Virusinfektion durch eine künstlich angehängte Cholesteringruppe an ein für die Fusion des Virus mit der Zellmembran notwendiges Protein. Hierdurch konnte eine tödliche Nipah-Virusenzephalitis verhindert werden. Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass dies in Zukunft ein Ansatz für eine Prävention oder Therapie gegen Nipah-Infektionen sein könnte.
Auf der Suche nach einem effektiven Wirkstoff sowohl gegen das Nipah- als auch gegen das Hendra-Virus wurden Mäuse mit Partikeln des Venezuela-Equine-Enzephalitis-Virus beimpft, die Glykoproteine entweder vom Hendra- oder vom Nipah-Virus enthielten. Daraufhin wurden hochpotente kreuzreagierende, neutralisierende Antikörper gegen beide genannten Viren produziert [164].
Eine abgeheilte Nipah-Virusinfektion kann dennoch mit zunächst latenten Residuen von später auftretenden Persönlichkeitsänderungen oder persistierendem Anfallsleiden einhergehen [158]. Ein schubförmiger Verlauf einer ZNS-Entzündung mit dem Nipah-Virus im Sinne einer „late-onset″- Enzephalitis wurde bei ca. 8 % der initial mit dieser Infektion überlebenden Patienten beschrieben [201]. Dies ist sicherlich als ein sehr ungewöhnlicher Verlauf einzustufen.
Nach Durchführung von mehreren Autopsien (32 Fälle) von durch Nipah-Enzephalitis verstorbenen Patienten konnte nachgewiesen werden, dass diese häufig eine systemische Vaskulitis aufwiesen, die mit Thrombosen und parenchymalen Nekrosen insbesondere im ZNS assoziiert war. Virale Antigene konnten zudem in den zerebralen vaskulären Endothelzellen nachgewiesen werden [215]. Daher wird nun angenommen, dass das Nipah-Virus auf hämatogenem Wege ins ZNS gelangt und dass die initialen neurologischen Symptome Ausdruck einer multifokalen Vaskulitis sind mit daraus resultierenden multizentrischen Thrombosen. Auch direkte Virusinfektion ist möglich.
6 Chronische virale ZNS-Infektionen
Chronische Entzündungen der Meningen können schwerwiegende neurologische Störungen hervorrufen und sogar tödlich enden, falls nicht erfolgreich behandelt wird. Per Definition liegt eine chronische Meningitis vor, wenn die Entzündung der Hirnhäute über mindestens 4 Wochen anhält und ein inflammatorisches Liquorprofil vorliegt. Insgesamt handelt es sich um ein seltenes Krankheitsbild insbesondere bei Immunkompetenten. Hier spielt die tuberkulöse Meningitis in Europa die wichtigste Rolle, gefolgt von parameningealen Infektionen und der Meningeosis carcinomatosa. Häufiger betroffen von einer chronischen ZNS-Infektion sind Patienten mit krankheits- oder therapiebedingter Einschränkung des Immunsystems, was zu einem anderen ätiologischen Spektrum mit häufigen differenzialdiagnostischen Schwierigkeiten führt. Trotz intensiver diagnostischer Bemühungen bleibt mindestens ein Drittel der chronischen ZNS-Infektionen ungeklärt. Eine systematische Herangehensweise mit ausführlicher Anamnese (inklusive Reise- u. Freizeitanamnese, spezielle Expositionen), ausgedehnter Erreger/Agenssuche, MRT, Nachweis extrazerebraler Manifestationen, ggf. Hirnbiopsie und interdisziplinärer Austausch sind essenziell.
Auswahl erregerbedingter Ursachen (nach [226])
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Bakteriell:
bei Immunkompetenten ohne Reiseanamnese: subakute Endokarditis, Borrellia spp., Listeria monozytogenes, Treponema pall.
bei Reiseanamnese: Brucella spp., Leptospira spp., Mycobacterium tuberculosis
bei Immunsuppression: Aktinomyzeten, Nokardien, Mycobacterium tub., atypische Mykobakterien,
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Viral:
bei Immunkompetenten ohne Reiseanamnese: HSV-1, Arboviren, Echoviren, lymphozytäre Choriomeningitis, Mumps
bei Immunsuppression: Herpes-zoster-Viren, EBV-assoziiertes Lymphom
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Pilze: Cryptococcus neoformans, Coccidioides spp., Histoplasma spp., Candida, Aspergillus
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Protozoen: Toxoplasma gondii, Trypanosomen, Akanthamoeben, Entamöben
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Helminthen: Cysticercus, Echinococcus, Schistosoma spp., Toxocara, Angiostrongylus spp.
Nicht erregerbedingte Ursachen
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Meningeosis carcinomatosa
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Morbus Behcet
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Systemischer Lupus erythematodes
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Wegnersche Granulomatose
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Sarkoidose
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Sjögren-Syndrom
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Isolierte ZNS-Vaskulitis
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Vogt-Koyanagi-Harada-Syndrom
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Steroid-sensitive chronische idiopathische Meningitis
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Chemische oder medikamenteninduzierte Meningitis
Neben den Meningen kann auch das Hirnparenchym mitbetroffen sein, was dann meist in Kombination als chronische Meningoenzephalitis in Erscheinung tritt.
Die Leitsymptome einer chronischen Meningitis sind im Anfangsstadium Kopfschmerzen ohne umschriebenen Beginn, teilweise geringgradiger Meningismus und leicht erhöhte Temperatur. Im Verlauf treten dann neurologische Zeichen wie Hirnnervenausfälle, Radikulopathien und Persönlichkeitsveränderungen auf. Als potenziell lebensbedrohliche Komplikation kann sich ein obstruktiver oder malresorptiver Hydrozephalus ausbilden.
Aufgrund der vielfältigen pathogenetischen Möglichkeiten ist eine gründliche Anamnese wichtig. Da viele Patienten zunächst symptomatisch behandelt werden, sollte auch an eine mögliche Verschleierung der Ursache gedacht werden. Systemische Erkrankungen als Ursache einer chronischen Meningitis zeigen häufig richtungsweisende Zusatzsymptome oder -befunde, auf die geachtet werden muss. Im Allgemeinen ist der Verlauf chronisch fortschreitend mit wiederholten Exazerbationen. Vaskulitiden als seltene Ursache haben meist chronisch progrediente Verschlechterungen mit krisenhaften Zuspitzungen, hingegen sind rezidivierende Krisen mit intermittierender Beschwerdefreiheit typisch für die Mollaret-Meningitis und auch für Abszessrupturen.
Neben einem entzündlich veränderten Liquor mit lymphozytärer Pleozytose von einigen 100 Zellen, Eiweißvermehrung und Glucosereduktion finden sich bei der Diagnostik chronischer Meningitiden häufig Allgemeinveränderungen in der EEG-Untersuchung.
Kernspintomographische Kontrastmitteluntersuchungen des Gehirns oder des Rückenmarks weisen häufig ein meningeales Enhancement auf und helfen darüber hinaus, eine geeignete meningeale Lokalisation vor potenziell geplanter Biopsie zu identifizieren.
Sollte eine ursachenspezifische Therapie aufgrund fehlenden Erregernachweises nicht zur Verfügung stehen, wird längerfristig mit Corticosteroiden behandelt.
In diesem Kapitel soll schwerpunktmäßig auf die chronische Masern- und Rötelninfektion, die opportunistische JC-Virus-Infektion PML sowie die Creutzfeld-Jacob-Erkrankung eingegangen werden.
6.1 Subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE)
6.1 Inzidenz und Ätiologie
Die subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE; Van-Bogaert-Leukenzephalitis) ist eine seltene, progrediente Erkrankung des ZNS, die mit einer chronischen Infektion des Hirnparenchyms mit Masernvirus assoziiert ist und meist nach ca. 1–3 Jahren tödlich endet. Aufgrund schwankender Impfraten kam es in Deutschland 2013 in einigen Bundesländern wieder zu Masernepidemien, die Anzahl der gemeldeten Erkrankungsfälle stieg auf über 1000 an. In einer aktuellen Arbeit wurde das Risiko für die Entwicklung einer SSPE bei Kinder unter 5 Jahren, die an Masern erkrankt waren, über den Zeitraum 2003–2009 mit 1:1700–3300 berechnet [233]. Diese Zahlen belegen gerade bei kleinen Kindern die Bedeutung eines gewissenhaften Impfschutzes, wobei für die noch nicht geimpften Säuglinge (< 15 Monate) die hohe Durchimpfungsrate der Bevölkerung (Herdenimmunität) den einzigen Schutz darstellt. Die Latenz zwischen durchgemachter Maserninfektion und den ersten Krankheitszeichen einer SSPE beträgt gewöhnlich zwischen 4 und 10 Jahren, kann aber zwischen einem Monat und 27 Jahren variieren [219].
6.1 Symptomatik
Die sonst bei viralen ZNS-Infektionen häufig vorkommenden Symptome wie Fieber und Kopfschmerzen bestehen hier nicht. Die Krankheit verläuft typischerweise in mehreren Stadien (Tab. 32.21).
Die SSPE ist nicht kontagiös, weder eine horizontale noch eine vertikale Übertragung wurde bislang beobachtet.
6.1 Pathogenese und Diagnostik
Die Pathogenese ist nach wie vor unklar, die Unreife des Immun- und des zentralen Nervensystems scheinen im Rahmen des frühen Kontaktes mit dem Masernvirus eine Rolle zu spielen. Bisher konnte nur der Masernwildtypus in Hirnbiopsaten nachgewiesen werden, noch nie ein Vakzinstamm. Neuropathologisch liegt eine Panmeningoenzephalitis vor, ein entzündlicher Prozess der grauen und weißen Substanz unter Einschluss der Meningen. Histologisch findet man in wechselnder Intensität plasmazytäre und lymphozytäre Infiltrate, ausgedehnten Markscheidenabbau und Gliawucherung. Fettkörnchenzellen durchsetzen diffus das Marklager und füllen die perivaskulären Räume der Gefäße. Man findet auch eosinophile, intranukleäre und intrazytoplasmatische Einschlusskörperchen in Neuronen und Gliazellen.
Die am meisten befallenen Regionen sind das periventrikuläre und subkortikale Marklager.
Es wurden Fälle beschrieben, in denen MRT-Läsionen bei SSPE-affektierten Kindern auch im Hirnstamm detektierbar waren [242].
In einer Fallberichtpublikation aus dem Jahr 2010 wurde von einem erstmaligen Auftreten von SSPE bei einem erwachsenen Patienten im zervikalen Myelon berichtet [235]. Dies ist insofern interessant, als dass neben der ungewöhnlich späten Erstmanifestation das Rückenmark untypischerweise befallen wurde.
Der Liquorbefund ist der einzige auffällige Laborparameter; Klinik und Infektparameter geben keinen Hinweis auf eine Infektion. Im Liquor und Serum finden sich sehr hohe IgG-Titer gegen Masern, der ASI zeigt eine intrathekale Synthese an. Neueste Daten zeigen, dass im Liquor von SSPE-Patienten vermehrte Plasmazellklone (CD-138+-Zellen) krankheitsrelevante Antikörper produzieren [232].
Das EEG ist stets pathologisch, und es finden sich alle 5–8 s Gruppen hoher δ-Wellen, die von rhythmischen Hyperkinesien begleitet sind (Radermecker-Komplexe: charakteristisch, aber nicht pathognomonisch).
Differenzialdiagnostisch muss an eine progressive Rötelnpanenzephalitis oder auch an Leukenzephalopathien gedacht werden, die einen ähnlichen Verlauf haben können.
6.1 Therapie
Eine kausale Therapie ist nicht bekannt. Die Krankheit lässt sich durch die Masernschutzimpfung vor dem 2. Lebensjahr verhindern.
Es wurden Therapieversuche mit Isoprinosin allein oder in Kombination mit intrathekaler oder intraventrikulärer Gabe von Interferon berichtet, die die Überlebensrate verlängert und bei manchen Patienten eine gewisse klinische Besserung gebracht hätten. Allerdings gab es hierzu nie eine kontrollierte klinische Studie [225]. Ebenso wenig gab es bisher eine klinische Studie, die die Hypothese bestätigte, dass das anti-apoptotische Präparat Flupirtin in Kombination mit antiviraler Therapie den progredienten Verlauf der Krankheit aufzuhalten vermag [237].
Die Erkrankung endete früher in 80 % der Fälle innerhalb von 3 Jahren nach Diagnosestellung letal. Inzwischen sind durch die verbesserte symptomatische Behandlung von Myoklonien, Spastik, Anfällen und Komplikationen längere Verläufe möglich.
6.2 Progressive Rötelnpanenzephalitis (PRP)
6.2 Inzidenz, Ätiologie, Pathogenese
Die progressive Rubellapanenzephalitis ist eine extrem seltene chronisch-progrediente Rötelnerkrankung des ZNS, die überwiegend Jungen mit kongenitalem Rubella-Syndrom (Retardierung, Hörverlust, verzögertem Wachstum, Mikrozephalie, Katarakt und Herzfehlern) betrifft. Es werden auch wenige Fälle berichtet, bei denen eine PRP im Anschluss an eine Rötelnerkrankung während der Kindheit auftrat. Weniger als 20 Fälle sind seit 1980 bekannt. Die Krankheit tritt meist zwischen dem 8. und 19. Lebensjahr auf.
Es findet sich eine meningeale, perivaskuläre und parenchymale (mehr weiße als graue Substanz) Entzündung. Die Pathogenese ist bislang ungeklärt, vermutlich spielen die im Serum und Liquor vorliegenden Immunkomplexe eine entscheidende Rolle.
6.2 Symptomatik, Diagnostik, Therapie
Die Klinik der PRP äußert sich zunächst in Form einer langsamen Intelligenzminderung. Im Verlauf kommt neben einer globalen Demenz vor allem eine Ataxie hinzu. Kopfschmerzen, Fieber oder Meningismus treten nicht auf. Das Spätstadium ist charakterisiert durch schwere Demenz, spastische Tetraparese und Hirnstammsyndrome.
Zur Diagnostik bedient man sich der Liquoruntersuchung, die eine mäßige lymphozytäre Pleozytose, mäßig erhöhtes Protein, deutlich erhöhte Werte für γ-Globuline und Rubella-spezifische oligoklonale Banden aufweist (Tab. 32.22).
Eine gesicherte Therapie existiert nicht.
6.3 Progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML)
6.3 Inzidenz, Ätiologie, Pathogenese
Die PML ist eine seltene demyelinisierende Erkrankung des Zentralnervensystems und wurde initial bei Malignompatienten und bei iatrogen immunkompromittierten Patienten beobachtet. Sie zählt zu den opportunistischen Infektionen. Vor dem Ausbruch von AIDS war sie eine extrem seltene Erkrankung.
Nach Einführung der hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) kam es zu einem deutlichen Rückgang der HIV-PML-Fälle, sodass mittlerweile weniger als 5 % der HIV-Patienten betroffen sind [227, 236]. Allerdings stellen die HIV-Patienten insgesamt immer noch ca. 85 % der PML-Fälle [218]. Den übrigen Fällen liegt eine andere Form der Immunsuppression zugrunde (u. a. Natalizumab, Efalizumab, Rituximab, Mycophenolatmofetil) [230]. Das Risiko für nicht Immunsupprimierte liegt unter 1 %.
Erreger ist das Polyoma-JC-Virus, ein DNA-Virus aus der Papova-Familie, welches häufig in der Bevölkerung vorkommt (Durchseuchungsrate ca. 40–75 %). Allgemein gilt die Hypothese, dass das JC- Virus eine Primärinfektion in der Kindheit auslöst und anschließend im Nierengewebe und vermutlich auch in lymphatischen Organen verweilt, bis eine Immunsuppression zu einer viralen Reaktivierung führt [241]. Die Infektion neuronaler Zellen (Astrozyten und Oligodendrozyten) führt zu deren Zelltod mit nachfolgender Demyelinisierung.
Mit der Neuentwicklung und dem verstärkten Einsatz von monoklonalen Antikörpern bei Autoimmunerkrankungen hat die Erkrankung vor einigen Jahren wieder neue Bedeutung erlangt, insbesondere durch die ersten PML-Fälle kurz nach Markteinführung von Natalizumab bei der schubförmig remittierenden multiplen Sklerose. Der monoklonale Antikörper ist gegen das „very late antigen-4“ auf Immunzellen gerichtet und verhindert u. a. den Übertritt von aktivierten Lymphozyten ins ZNS. Nach Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses wurde das Medikament als Eskalationstherapie 2006 zugelassen. Mittlerweile sind weltweit 125.800 Patienten behandelt worden, davon erkrankten bislang 472 an einer PML (Stand Juni 2014, [217]). Das statistische Gesamtrisiko für eine PML unter Natalizumab beträgt 3,6/1000 behandelte Patienten. Als Risikofaktoren wurden die Behandlungsdauer (> 24 Monate), ein positiver JC-Virus-Titer im Blut sowie eine immunsuppressive Vorbehandlung (z. B. Azathioprin, Mitoxantron, Cyclophosphamid) analysiert. Die Risikostratifizierung anhand dieser Kriterien führt für JC-Virus-negative Patienten zu einer Erkrankungswahrscheinlichkeit von < 0,1/1000, das höchste Risiko mit 11/1000 haben seropositive Patienten mit immunsuppressiver Vorbehandlung sowie einer Behandlungsdauer über 24 Monaten.
Mit Nachdruck wird an der Identifikation von Biomarkern gearbeitet, die mit dem PML-Risiko korrelieren. Hier könnte die signifikant erniedrigte L-Selectin-Expression auf CD4+-Lymphozyten hilfreich sein [234].
6.3 Symptomatik, Diagnostik, Prognose
Die klinischen Erscheinungen sind kognitive Störungen (Demenz, Verhaltensauffälligkeiten, Persönlichkeitsveränderungen), Aphasie, Sehstörungen (homonyme Hemianopsien), Paresen und psychiatrische Symptome. Der Liquorbefund ist meist unauffällig, gelegentlich zeigt sich eine geringe Pleozytose, eine Eiweiß- und lokale IgG-Erhöhung sind möglich. Die Liquor-PCR kann den Erreger in 90 % der Fälle nachweisen (unabhängiges Referenzlabor für PML-Fälle unter Natalizumab, Prof. Gold, Universitätsklinik Düsseldorf). Seit neuestem steht auch der Antikörperindex als Ergänzung bei möglicherweise falsch negativen Befunden zur Verfügung [239]. Zum Risiko-Screening eignet sich ein neu entwickelter Antikörpertest, der eine hohe Sensitivität von 97 % mit geringer falsch negativer Quote aufweist [224]. In der kraniellen MRT können bereits bei noch asymptomatischen Patienten Veränderungen nachgewiesen werden [240]. Typisch sind T2- und FLAIR- hyperintense Marklagerläsionen ohne Raumforderung, eine Mitbeteiligung der subkortikalen U-Fasern. Eine Kontrastmittelaufnahme ist häufiger bei Natalizumab-PML-Patienten beschrieben als bei HIV [243]. Typischerweise bleibt die graue Substanz ausgespart, die Läsionen sind fast immer asymmetrisch.
Differenzialdiagnostische Abgrenzungsschwierigkeiten bestehen teilweise bei HIV-Patienten gegenüber einer Enzephalopathie, bei MS-Patienten gegenüber Schubaktivität [236].
Für die Diagnose werden von der AAN 3 Schlüsselkriterien gefordert [216]:
-
klinische Präsentation verdächtig auf PML,
-
JC-Virus-DNA-Nachweis im Liquor oder im Hirngewebe mittels PCR, Immunhistochemie oder Elektronenmikroskopie sowie
-
Veränderungen in der MRT.
Die klinische Manifestation, MRT-Befunde und die Prognose können sich je nach Ursache der Immunsuppression (HIV vs. Natalizumab) unterscheiden. Die Prognose bei Natalizumab-PML-Patienten ist aufgrund der (schneller) reversiblen Immunsuppression besser als bei HIV-Patienten. Die Letalität beträgt ca. 23 % bei Natalizumab, wobei bei den Überlebenden das Ausmaß der bleibenden Behinderungen variiert. Bei HIV-assoziierter PML versterben viele Patienten innerhalb des ersten Jahres. Prognostisch bedeutsam, v. a. bei potenziell reversibler Immunsuppression, ist die frühzeitige Erkennung und Einleitung der entsprechenden Therapiemaßnahmen; auch scheinen bei MS-Patienten ein junges Erkrankungsalter, niedriger Behinderungsgrad sowie eine geringe Viruslast positive Prädiktoren zu sein [222].
6.3 Therapie
Im Vordergrund steht eine möglichst rasche Verbesserung der Immunkompetenz. Bei den HIV-Patienten sollte eine Optimierung der antiretroviralen Therapie (HAART) angestrebt werden. Unter wirksamer HAART sind deutlich langsamer progrediente Verläufe möglich. Eine frühzeitige 5-fach antiretrovirale Therapie scheint gegenüber einer 3-fach-Kombination wirksamer zu sein, die Wahrscheinlichkeit des Einjahresüberlebens konnte in einer französischen Arbeit auf 75 % angehoben werden [223]. Auch heute ist die PML bei HIV die opportunistische Erkrankung mit der höchsten Mortalität.
Die derzeitige Therapieempfehlung bei einer PML unter Natalizumab/monoklonalen Antikörpern ist eine rasche Immunrekonstitution mittels Plasmaaustauschverfahren. Dabei ist möglicherweise die Kombination aus Plasmapherese und Immunadsorption der einfachen Plasmapherese überlegen. Als empirische antivirale Therapie werden in vielen Zentren trotz fehlender robuster Wirksamkeitsdaten Mefloquin und Mirtazapin eingesetzt. Bei dem häufig auftretenden Immunrekonstitutionssyndrom sind hoch dosierte Steroide indiziert.
Spezifische antivirale Substanzen sind empirisch in Fallberichten sowie in klinischen Studien mit HIV- und nicht-HIV-assoziierter PML bisher ohne eindeutigen Wirksamkeitsnachweis getestet worden (u. a. Cytosin-Arabinosid (Ara-C), Cidofovir, Interferon-alpha, Mirtazapin, Mefloquin) [221].
6.4 Prionen /Creutzfeldt-Jakob Erkrankung (CJK/CJD)
6.4 Inzidenz, Ätiologie, Pathogenese
Die Creutzfeld-Jakob Erkrankung ist eine seltene und degenerative Erkrankung des ZNS, die ausnahmslos letal endet. Weltweit beträgt die Inzidenz 1/1.000.000 Menschen pro Jahr. Die CJD gehört zu den transmissiblen spongiformen Enzephalopathien (TSE).
Es werden 3 Formen der Erkrankung unterschieden:
-
1.
Die sporadische CJD (sCJD) ist die weitaus häufigste Form, tritt ohne bekannte Risikofaktoren auf und befällt vor allem Menschen im 6. oder 7. Lebensjahrzehnt.
-
2.
In bis zu 10 % der Fälle kommen hereditäre Formen vor, wobei die betroffenen Patienten eine positive Familienanamnese aufweisen. Zu diesen genetischen TSE werden Kuru Kuru, fatale familiäre Insomnie (FFI) sowie die Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Krankheit gezählt.
-
3.
Die erworbene CJD – auch „variant“ CJD (vCJD) genannt – bildet die dritte Form.
Angenommen wird hierbei eine iatrogene Übertragung entweder durch Kontakt mit infektiösem Gewebe (z. B. Hirnhaut- oder Korneatransplantate) oder durch medizinische Eingriffe mit nicht adäquat sterilisiertem Operationsbesteck. Bei der seit 1996 bekannten vCJD in Großbritannien und Frankreich, der insbesondere junge Menschen erlegen sind, wird eine Übertragung von BSE (einer TSE, die vor allem Rinder befällt) auf den Menschen durch den Verzehr von infiziertem Rindfleisch vermutet. Wie durch Studien belegt werden konnte, ist bei dieser Form der CJD neben dem ZNS vor allem das lymphatische Gewebe (Lymphknoten, Tonsillen, Milz) betroffen.
Die Theorie der sogenannten „slow viruses“ wurde durch den bisher fehlenden Nachweis eines Virus oder eines anderen Organismus als ursächlichem Erreger der TSE fallengelassen. Stattdessen werden heute allgemein Prionen (Proteine) dafür verantwortlich gemacht, wobei aus harmlosen Proteinen durch Faltung die infektiösen Varianten entstehen.
Es ist unbekannt, wie viele abnormale Proteine ein Mensch haben muss, um an CJD zu erkranken.
6.4 Symptomatik, Diagnostik, Therapie, Prognose
Klinisch steht bei der sCJD eine rasche progressive Demenz im Vordergrund, die anfänglich mit Persönlichkeitsänderungen, Gedächtnisstörungen und Muskelataxien einhergehen kann. Myoklonien sind hierbei relativ häufig anzutreffende Beschwerden. Auch Visusstörungen bis hin zur Amaurosis sind möglich. Im weiteren Verlauf verlieren die Patienten die Fähigkeit zu schlucken, zu sprechen und sich zu bewegen, um letztendlich in ein Koma zu fallen. Infektionen wie Pneumonien führen dann meistens zum Tod des Betroffenen.
Die vCJD beginnt hingegen mit psychiatrischen Symptomen. Sie befällt junge Menschen und hat einen längeren Krankheitsverlauf vom Beginn der Symptome bis zum Exitus letalis.
Das demenzielle Fortschreiten dieser Erkrankung ist wesentlich schneller, vergleicht man es mit Alzheimer-Demenz oder anderen Demenzen.
Derzeit existiert kein verlässlicher Test zur Diagnose der CJD. Der Ausschluss anderweitiger behandelbarer Ursachen für eine Demenz (z. B. Enzephalitis) ist vordergründig. Dieser wird vor allem durch eine zerebrale Bildgebung mittels CCT und cMRT, eine Lumbalpunktion sowie ein EEG durchgeführt, welche charakteristische bzw. spezifische Veränderungen aufweisen können. Eine sichere Diagnose für CJD kann allerdings nur durch eine Hirnbiopsie oder durch eine Autopsie gestellt werden. Aufgrund einer fehlenden therapeutischen Konsequenz und dem Risiko einer Hirnbiopsie wird diese hierbei eher nicht durchgeführt. Eine Erhöhung des Proteins 14-3-3 im Liquor ist charakteristisch für CJD, jedoch nicht pathognomisch.
Die Prognose ist infaust mit einem Krankheitsverlauf von in der Regel weniger als 1 Jahr bei der sCJD und von ca. 14 Monaten bei der vCJD. Eine jüngere Publikation [231] weist allerdings auf regionale Unterschiede hin: So konnte gezeigt werden, dass bei sCJD-Patienten in Japan die Krankheitsdauer bis zum Tod im Schnitt 16 Monate betrug, wohingegen sie in Europa nur bei ca. 5 Monaten lag.
7 HIV-Infektion und HIV-assoziierte Krankheitsbilder
AIDS („acquired immune deficiency syndrome“) wurde 1981 erstmals beschrieben. Diese übertragbare Krankheit wird durch das HI-Retrovirus verursacht und ist durch eine ausgeprägte Funktionsstörung des Immunsystems gekennzeichnet. Nach Angaben des koordinierten Programms für AIDS der Vereinigten Nationen, UNAIDS [254], gab es am Ende des Jahres 2013 ca. 35 Mio. HIV-Infizierte weltweit, davon ca. 69 % im subäquatorialen Afrika. AIDS zählt nach wie vor zu den 5 häufigsten infektiösen Todesursachen weltweit.
7.1 HIV-Infektion
7.1 Definition und Epidemiologie
HIV wird am häufigsten durch Sexualkontakt verbreitet – und zwar sowohl heterosexuell als auch durch Männer, die Sex mit Männern (MSM) haben – wie auch durch verunreinigte Injektionsnadeln, die zur intravenösen Verabreichung von Drogen dienen. Weitere Infektionswege sind die Mutter-Kind-Übertragung sowie die Verabreichung kontaminierter Blutprodukte oder Blutkonserven. Das Infektionsrisiko bei medizinischem Personal durch akzidentelle Verletzungen ist eher gering, eine Serokonversion kommt in ca. 0,3 % dieser Fälle vor [248].
7.1 Ätiologie
7.1 Erreger
Der AIDS-Erreger ist das humane Immundefizienzvirus (HIV). HIV gehört zu den RNS-Reverse-Transkriptase-tragenden Retroviren. Man kennt 2 HIV-Varianten : das weltweit verbreitete HIV-1 und das hauptsächlich in Westafrika prävalente HIV-2. Das HI-Virus verursacht eine direkte Beeinträchtigung des Immun- und Nervensystems. Das Immunsystem des HIV-Infizierten bildet Antikörper gegen das Virus, aber dadurch wird dessen Vermehrung nicht gehemmt.
7.1 Inkubation
Die HIV-Inkubation wird serologisch und klinisch definiert:
-
serologisch als der Zeitabstand zwischen der Infektion und dem Nachweis von HIV-Antikörpern im Serum, was 1–3 (selten 6) Monate dauert,
-
klinisch als der Zeitabstand zwischen der Infektion und dem Auftreten von AIDS.
Bei Erwachsenen dauert dies durchschnittlich 10 ± 2 Jahre. Die Inkubationszeit ist bei perinataler Infektion und bei Menschen mit Ernährungsmangel verkürzt.
7.1 Pathogenese
HIV zielt auf die CD4-Rezeptor-tragenden Zellen des Immunsystems: T-Helferzellen (CD4+-Lymphozyten) und mononukleäre Zellen wie Makrophagen, Monozyten, Mikroglia und Langerhans-Zellen der Epidermis. Chemokinrezeptoren sind als Kofaktoren für die virale Penetration in die Zellen zuständig, im Falle dendritischer Zellen handelt es sich um den CCR-5-Korezeptor. Durch Zerstörung der T-Helferzellen fällt deren absolute Zahl unter die Normgrenze von 400/µl. Der Quotient T-Helferzellen/T-Suppressorzellen wird deshalb auf Werte < 1,2 erniedrigt (Normalwert: 2). Dieser Prozess provoziert eine gravierende Immunschwäche, die im Verlauf der Infektion lebensbedrohliche opportunistische Infektionen und charakteristische Tumoren verursacht, eine Entwicklung, die heutzutage durch die modernen antiretroviralen Kombinationstherapien zumeist verhindert wird. Im Frühverlauf der Infektion wird das ZNS von HIV-infizierten Monozyten erreicht. Die HI-Virionen vermehren sich in den Makrophagen und Monozyten des ZNS und verändern das Sezernierungsverhalten der Astrozyten, deren Produkte neurotoxische Eigenschaften entwickeln und apoptotische Prozesse initiieren.
7.1 Symptomatik
Nach einer Klassifikation des CDC (Centers for Disease Control 1993) werden die Stadien der HIV-Infektion aufgrund klinischer Befunde und der absoluten Zahl der CD4+-Zellen eingeteilt (Tab. 32.23). Für die Stadieneinteilung gilt die am weitesten fortgeschrittene Kategorie: Eine Rückklassifizierung findet nicht statt. Hierbei wird nicht berücksichtigt, dass die antiretrovirale Therapie Immunrekonstruktionen möglich macht.
Zur Kategorie A
gehören das akute retrovirale Syndrom, auch akute HIV-Krankheit genannt, die Latenzphase oder asymptomatische Infektion und das Lymphadenopathiesyndrom (LAS). Das akute retrovirale Syndrom tritt nach 3–6 Wochen bei ungefähr 30 % der HIV-Infizierten auf. Das Krankheitsbild ähnelt dem einer Mononukleose und besteht aus Fieber, Exanthem, Myalgien, Lymphknotenschwellungen und einer Splenomegalie. Dieses Stadium kann auch asymptomatisch verlaufen, obwohl sich die HI-Virionen im lymphatischen Gewebe vermehren. Bei ca. 40 % der Patienten tritt das Lymphadenopathiesyndrom auf. Dies wird durch eine persistierende, mehr als 3 Monate dauernde, generalisierte Lymphadenopathie an mindestens 2 extrainguinalen Stellen definiert.
Zur Kategorie B
gehören Erkrankungen, die nicht AIDS-definierend, aber Folge eines kompromittierten Immunstatus sind. Zu dieser Kategorie gehören chronische Diarrhöen, subfebrile Temperaturen, die idiopathische thrombozytopenische Purpura, Dysplasien der Zervix unteri bzw. ein Carcinoma in situ in dieser Lokalisation, Candidosen (oropharyngeal, vulvovaginal), Herpes Zoster, eine orale Haarleukoplakie, Listeriose oder bazilläre Angiomatose. Für eine Progression sprechen ein Anstieg der Viruslast und eine Abnahme der CD4+-Zellen.
Zur Kategorie C
gehören die AIDS-definierenden Krankheiten oder AIDS-Indikatorkrankheiten, die in folgender Übersicht aufgeführt sind.
AIDS-definierende Krankheiten
-
Bakterielle Pneumonie, periodisch wiederkehrend (≥ 2 Episoden in 12 Monaten)
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Candidose der Bronchien, Trachea oder Lunge
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Ösophageale Candidose
-
Invasives Zervixkarzinom (Bestätigung durch Biopsie)
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Kokkidioidomykose, disseminiert oder extrapulmonal
-
Kryptokokkose, extrapulmonal
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Kryptosporidiose, chronische Darmbeteiligung (> 1 Monat Dauer)
-
Zytomegalievirus (nicht Befall von Leber, Milz oder Lymphknoten)
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HIV-assoziierte Demenz
-
Herpes simplex: chronische Ulzera (> 1 Monat Dauer), Bronchitis, Pneumonitis oder Ösophagitis
-
Histoplasmose, disseminiert oder extrapulmonal
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Isosporiasis, chronisch, intestinal, > 1 Monat bestehend
-
Kaposi-Sarkom
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Lymphom, Burkitt, immunoblastisches, primär zerebral
-
Mycobacterium avium complex oder M. kansasii, disseminiert oder extrapulmonal
-
Mycobacterium tuberculosis, pulmonal oder extrapulmonal
-
Mycobacterium, andere oder nicht identifizierte Spezies disseminiert oder extrapulmonal
-
Pneumocystis-jiroveci- (früher carinii)-Pneumonie (PCP)
-
Progressive multifokale Leukenzephalopathie
-
Salmonellenseptikämie, rezidivierend
-
Zerebrale Toxoplasmose
-
Wasting-Syndrom , HIV-bedingt: unbeabsichtigte Gewichtverlust > 10 % des Körpergewichts assoziiert mit entweder chronische Diarrhö (≥ 2-mal flüssiger Stuhlgang am Tag, ≥ 1 Monat) oder mit chronischer Schwäche und dokumentiertem Fieber ≥ 1 Monat Dauer
7.1 Diagnostik
Der Nachweis von HIV-Antikörpern im Serum mittels ELISA und/oder Western-Blot sichert die Diagnose der HIV-Infektion. Die Infektion mit HIV kann während der sog. „Fensterzeit“ (zwischen 4 und 12 Wochen nach der Primärinfektion) mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) der HIV-Genomsequenzen festgestellt werden, bevor die HIV-Antikörper nachweisbar sind. Surrogat-Marker der HIV-Infektion sind die Virusbelastung im Blut (Anzahl der HIV-RNA-Kopien im Plasma) und die Anzahl der CD4+-Zellen [250].
Bei bewusstseinsklaren Patienten muss vor Durchführung eines HIV-Tests das Einverständnis des Betroffenen eingeholt werden.
7.1 Therapie
Die Behandlung von HIV-AIDS besteht aus
-
1.
einer spezifisch antiretroviralen Therapie, die eine Mehrfachkombinationstherapie ist, die sog. hochaktive antiretrovirale Kombinationstherapie (cART) ,
-
2.
einer symptomatischen Behandlung HIV-assoziierter Erkrankungen und Komorbiditäten sowie
-
3.
der Prophylaxe opportunistischer Infektionen (heute nach Stabilisierung des Immunstatus meist nicht mehr erforderlich).
Indikationen für die Aufnahme einer antiretroviralen Therapie sind der klinische und/oder laborchemische Nachweis des Immundefekts (Tab. 32.24).
Ergebnisse der START-Studie [246] deuten darauf hin, dass ein Therapiebeginn oberhalb von 350 CD4+-Zellen/μl – insbesondere auch im Hinblick auf neurologische Systemmanifestationen – sinnvoll sein kann.
Ziele der Therapie der HIV-Infektion sind:
-
1.
die HI-Viruslast dauerhaft unter die Nachweisgrenze der gängigen Tests zu bringen,
-
2.
die Immunlage zu stabilisieren,
-
3.
die Lebensqualität zu verbessern,
-
4.
die Entwicklung von Resistenzen zu verhindern und
-
5.
die HIV-assoziierte Morbidität und Mortalität zu reduzieren [256].
Die Behandlung sollte möglichst in Zusammenarbeit mit einem in der HIV-Therapie erfahrenen Arzt oder Zentrum erfolgen. Dafür ist die Mehrfachkombinationstherapie (cART) mit antiretroviralen Substanzen erforderlich. Medikamente aus den folgenden Klassen stehen für die Initialtherapie zur Verfügung: nukleosidanaloge Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI), nichtnukleosidische RT-Inhibitoren (NNRTI), Proteaseinhibitoren (PI), Integraseinhibitoren (INI) und sog. „Entry“-Inhibitoren (Fusionshemmer und CCR-5-Antagonisten).
Eine cART besteht aus 2 NRTI in Kombination mit entweder 1 NNRTI, PI, INI oder einem Präparat aus der Gruppe der Entry-Inhibitoren, wobei häufig 3–4 Medikamente in einer Tablette kombiniert werden.
Heutzutage berücksichtigen die meisten HIV-Therapeuten den sog. Letendre Score (CPE = CSF Penetration Effectiveness Score), der den einzelnen Präparaten Penetrations-Scores von 1–4 zuordnet (Tab. 32.25) und in der Summe oberhalb von 7 liegen soll [255].
Ziel dieses Kapitels ist es nicht, alle Therapieoptionen detailliert zu beschreiben, da diese einem ständigen Aktualisierungsprozess unterliegen. Dafür verweisen wir auf die Empfehlungen in den „Guidelines for the Use of Antiretroviral Agents in HIV-1-Infected Adults and Adolescents“ (http://aidsinfo.nih.gov/), auf die Deutsch-Österreichischen Leitlinien zur antiretroviralen Therapie der HIV Infektion (http://www.daignet.de), auf die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur Diagnostik und Therapie HIV-1-assoziierter Erkrankungen (http://www.dgn.org) und auf die Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes (http://www.rki.de). Dort werden alle antiretroviralen Substanzen und deren wichtigste Nebenwirkungen genannt. Darüber hinaus werden die empfohlenen Kombinationen zur initialen antiretroviralen Therapie und die kontraindizierten Kombinationen erklärt.
Eine exzellente Informationsquelle im deutschsprachigen Raum ist das im Internet abrufbare Buch: HIV.Net: www.hiv.net.
Bei Patienten mit klinisch manifesten neurologischen Defiziten sollen nach jüngsten Ergebnissen der CHARTER-Studie die in Tab. 32.26 aufgeführten Kombinationen präferenziell eingesetzt bzw. vermieden werden.
7.1 Prognose
Die HI-Viruskonzentration im Blut 6 Monate nach der Infektion („set point“) ist von prognostischer Bedeutung (Tab. 32.27, [257]). Die Wahrscheinlichkeit, 3 Jahre nach der HIV-Infektion AIDS zu entwickeln, hängt mit der HI-Viruslast und der CD4+-Zellzahl eng zusammen.
7.2 Postexpositionsprophylaxe
Die statistische Wahrscheinlichkeit einer beruflichen HIV-Infektion nach perkutaner Exposition mit Blut von HIV-Infizierten (z. B. Nadelstich- oder Schnittverletzungen) liegt bei ca. 0,3 %. Diese Wahrscheinlichkeit steigt unter den folgenden Bedingungen: tiefe Verletzungen, frische und sichtbare Blutspuren am penetrierenden Instrument, Verletzung durch eine Kanüle, die unmittelbar vorher in einer Vene oder Arterie lag, und eine hohe Viruslast des Quellenpatienten [248].
Eine medikamentöse HIV-Postexpositionsprophylaxe (HIV-PEP) wird deshalb nach perkutanen Verletzungen mit Injektionsnadeln oder mit anderen Hohlraumnadeln und nach Schnittverletzungen unter Beteiligung von Körperflüssigkeiten mit potenziell hoher HI-Viruskonzentration empfohlen [252]. Bei oberflächlichen Verletzungen und bei Kontakt mit Schleimhaut oder verletzter Haut mit Flüssigkeiten mit hoher HI-Viruskonzentration kann eine HIV-PEP angeboten werden.
Eine HIV-PEP wird nicht empfohlen bei perkutanem Kontakt mit anderen Körperflüssigkeiten als Blut (z. B. Urin, Speichel) und bei Expositionen von infektiösem Material mit intakter Haut oder Schleimhaut.
Die HIV-PEP (Tab. 32.28) sollte, wenn möglich, innerhalb der ersten 2 h, keinesfalls später als 12 h nach der Exposition begonnen werden. Die HIV-PEP dauert in der Regel 28 Tage. Die HIV-Serologie sollte nach 6 Wochen sowie 3, 6 und 12 Monate nach der Exposition kontrolliert werden. Berufliche Expositionen mit HIV-Infiziertem Material sind meldepflichtig.
7.3 HIV-assoziierte neurologische Komplikationen
Neurologische Komplikationen entwickeln sich vor oder nach dem Auftreten von HIV-Antikörpern. HIV-assoziierte neurologische Komplikationen treten entweder primär – von HIV verursacht – oder sekundär – als opportunistische Infektionen und Neoplasien – auf [245, 261]. Zerebrovaskuläre Komplikationen unterschiedlicher Genese sind bei HIV-infizierten Patienten überdurchschnittlich häufig. Die häufigsten HIV-assoziierten neurologischen Erkrankungen und deren Pathogenese, klinischer Verlauf, Diagnostik und Therapie werden in den folgenden Abschnitten beschrieben.
Die respiratorische Insuffizienz wegen pulmonaler Komplikationen ist die häufigste Indikation für eine intensivmedizinische Behandlung von HIV-/AIDS-Patienten. Eine solche kann aufgrund neurologischer Komplikationen erforderlich sein, obwohl viele dieser Komplikationen ambulant gut therapierbar sind. Typische neurologische Komplikationen im Frühstadium sind insbesondere die HIV-Meningoenzephalitis sowie eine dem GBS analoge Polyneuroradikulitis – häufig stehen diese in zeitlichem Zusammenhang mit der Serokonversion und machen gelegentlich die Aufnahme auf einer Intensivstation erforderlich. Die HIV-assoziierten neurokognitiven Störungen bzw. die HIV-assoziierte Demenz (HAD) und Myelopathie sowie die oft sehr schmerzhafte Polyneuropathie sind in der Regel kein Grund zur intensivmedizinischen Behandlung.
Die lebensbedrohliche Erhöhung des intrakraniellen Drucks infolge opportunistischer Gehirninfektionen (OI) oder Neoplasien sind – neben HIV-unabhängigen Erkrankungen wie epileptischen Anfallsserien, zerebralen Insulten oder Herzinfarkten – Indikationen zur intensivmedizinischen Behandlung von HIV-infizierten Patienten. Opportunistische Gehirninfektionen treten dabei heutzutage am häufigsten im Rahmen von Immun-Rekonstitutions-Phänomenen („paradoxical“ oder „un-masking“ IRIS) nach Beginn einer cART auf. Die zerebrale Toxoplasmose ist nach wie vor die häufigste unter den opportunistischen ZNS-Infektion en. Darüber hinaus sind folgende Erreger auch in Westeuropa für die Entstehung opportunistischer ZNS-Infektionen epidemiologisch relevant: Cryptococcus neoformans, Zytomegalie- und JC-Virus sowie in Migrantenpopulationen mykobakterielle Infekte [245]. Das primäre ZNS- Lymphom ist der häufigste im Zusammenhang mit AIDS auftretende Tumor. Bei systemischen, HIV-assoziierten Lymphomen tritt nicht selten eine sekundäre metastatische Beteiligung der Leptomeningen und/oder des ZNS auf.
7.3.1 Zerebrale Toxoplasmose
Die zerebrale Toxoplasmose ist die häufigste opportunistische Infektion des ZNS bei HIV-infizierten Patienten in Westeuropa. Diese Erkrankung tritt bei 30 % der nichttherapierten Patienten auf und ist in 10 % der Fälle die Erstmanifestation von AIDS. Der Erreger ist das Protozoon Toxoplasma gondii ; es wird in erster Linie durch Katzenkot oder unzureichend gebratenes Fleisch übertragen. Toxoplasma gondii bleibt nach einer Primärinfektion als Pseudozyste im Gehirngewebe.
7.3.1 Symptomatik und Diagnostik
Klinisch kommt es bei 80 % der Patienten zu fokalneurologischen Symptomen. Fieber und Kopfschmerz treten bei ungefähr 50 % der Patienten auf.
In der kraniellen Computer- (cCT) und Magnetresonanztomographie (MRT) werden bei 1/3 der Patienten eine solitäre Läsion, bei ca. 2/3 der Patienten mehrere Läsionen mit perifokalem Ödem im Marklager mit ringförmiger oder nodulärer Kontrastmittelanreicherung gefunden. Entscheidend für die Diagnose ist das Ansprechen der klinischen Symptome und – in zweiter Linie – der bildgebenden Befunde auf die antiparasitäre Therapie. Kommt es nach 2 Wochen Therapie nicht zu einer Verbesserung oder tritt gar eine Verschlechterung ein, wird eine Hirnbiopsie empfohlen. Es ist darauf zu achten, dass IRIS zu untypischen Bildgebungsbefunden führen kann (meist zu Änderungen des Kontrastmittelanreicherungsverhaltens).
7.3.1 Therapie
Die Therapie besteht in der Regel aus Pyrimethamin plus Sulfalen oder Sulfadiazin in Kombination mit Folinsäure, um eine Myelotoxizität oder zerebrale Symptome wie Verwirrtheit oder Psychosen zu verhindern.
Die akute Therapie dauert in der Regel 6–9 Wochen; Zielparameter sind die klinischen Defizite; die im MRT sichtbaren Ringstrukturen können auf Jahre hinaus persistieren.
Sekundärprophylaxen müssen – unabhängig von ggf. persistierenden MRT-Auffälligkeiten – bis etwa 6 Monate nach Erreichen einer vollständigen Viruslast-Suppression im Blut und CD4+-Zellzahlen > 250/μl beibehalten werden.
Eine Primärprophylaxe ist bei einer T-Helferzellanzahl < 200/µl zu empfehlen, vor allem bei Patienten mit einer positiven Toxoplasmaserologie [247].
Die Gabe von Cortison sollte nur im Einzelfall durchgeführt werden (z. B. drohende Einklemmung ), da die Abgrenzung zum Lymphom – sollte es zu einer Biopsie kommen – sonst erschwert wird. In der Wahl von Antiepileptika ist man nicht eingeschränkt, wenn man keine Proteasehemmer der ersten Generation verwendet; allerdings ist es immer sinnvoll, die oben erwähnten Internetadressen vor Ansetzen von Dauertherapien zu konsultieren, um Arzneimittelinteraktionen zu vermeiden.
7.3.2 Zytomegalievirusenzephalitis
Die Zytomegalievirus-(CMV-)Enzephalitis wird durch die Reaktivierung einer latenten CMV-Infektion verursacht und lässt sich immunhistologisch bei ca. 40 % der verstorbenen AIDS-Patienten nachweisen. Überwiegend kommt sie bei einer T-Helferzellanzahl < 100/µl vor.
7.3.2 Symptomatik und Diagnostik
Klinisch ist sie entweder durch eine rasch progrediente Enzephalitis, die in einem hohen Prozentsatz der Fälle zu einem Mittelhirnsyndrom führt und in 85 % in ein Coma vigile mündet [245], oder durch eine chronisch progrediente Enzephalopathie (mit Demenz, psychischen Veränderungen, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen) charakterisiert. Der Nachweis des CM-Virus-Genoms im Liquor – der nicht selten granulozytäre Pleozytosen zeigt – mittels PCR sichert die Diagnose [263], dennoch wird die chronische Form häufig erst post mortem durch den Nachweis der typischen Riesenzellen mit Einschlusskörperchen (Eulenaugenzellen) im Gewebe gesichert.
7.3.2 Therapie
Die Akuttherapie besteht in erster Linie aus Ganciclovir (2 × 5 mg/kgKG/24 h i. v.) und bei Unverträglichkeit Foscarnet (2 × 90 mg/kgKG/24 h i. v.) oder Cidofovir. Ganciclovir ist myelotoxisch, deshalb sind regelmäßige Blutbildkontrollen erforderlich. Foscarnet ist nephrotoxisch, aus diesem Grund werden eine ausgeglichene Flüssigkeitsbilanz und eine Bestimmung der Kreatininclearance empfohlen. Fakultativ kann auch eine Kombination aus Ganciclovir und Foscamet gegeben werden [225].
Eine Sekundärprophylaxe mit Ganciclovir (5–6 mg/kgKG i. v. an 5 Tagen der Woche) oder Foscarnet (1 × 90 mg/kgKG i. v. an 7 Tagen oder 120 mg/kgKG i. v. an 5 Tagen der Woche) wird in der Regel nach ca. 3 Wochen Akuttherapie bis zur Stabilisierung des Immunstatus und der vollständigen Suppression der Plasmaviruslast (▶ Sekundärprophylaxe der zerebralen Toxoplasmose) in reduzierter Dosis eingesetzt.
7.3.3 Kryptokokkenmeningoenzephalitis
Die Kryptokokkenmeningoenzephalitis ist eine opportunistische Infektion mit dem Pilz Cryptococcus neoformans , deren Ausbreitung nach einer asymptomatischen Besiedelung infolge Inhalation von Vogelkot hämatogen aus dem Respirationstrakt erfolgt. Sie tritt bei einer T-Helferzellzahl < 100/µl auf.
7.3.3 Symptomatik und Diagnostik
Charakteristisch ist ein progredienter Verlauf über Tage oder Wochen mit Kopfschmerzen, Fieber, Übelkeit und schließlich einsetzender Somnolenz. Meningitische Zeichen treten bei nur 30 % der Patienten auf. Häufig ist eine Druckerhöhung der einzige pathologische Liquorbefund; gelegentlich finden sich lymphomonozytäre Pleozytosen. Selten kommt es zu epileptischen Anfällen und fokal-neurologischen Zeichen. Der Erregernachweis mittels Tuschepräparat des Liquors gelingt in 75 %, der Antigennachweis in Serum und Liquor in > 99 % der Fälle.
7.3.3 Therapie
Die Akuttherapie besteht aus Amphotericin B + Flucytosin + Fluconazol und dauert in der Regel zwischen 4 und 6 Wochen. Danach wird eine Konsolidierungstherapie mit Flu-, Itra- oder Voriconazol eingesetzt, bis der Kryptokokkenantigentiter im Liquor negativ ist [260].
7.3.4 Progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML)
Die progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) tritt bei HIV-infizierten Patienten, die keine hochaktive antiretrovirale Therapie erhalten, mit einer Inzidenz von 2–4 % auf. Die PML wird durch die Reaktivierung einer latenten Infektion mit dem Papovavirus „JC“ verursacht, das eine Entmarkung auslöst, da es prädilektiv die Oligodendrozyten befällt.
7.3.4 Symptomatik und Diagnostik
Das Krankheitsbild besteht aus progredienten fokal-neurologischen Symptomen wie Paresen, Ataxie, Gesichtsfelddefekten und Aphasie, die auch heute noch – treten sie unter laufender cART auf – innerhalb von Wochen bis wenigen Monaten zum Tode führen können. Ist eine PML eine AIDS-manifestierende Erkrankung bei Therapie-naiven HIV-Positiven, spricht sie häufig gut auf die sofortige Einleitung einer cART an. In der cCT und cMRT ist der Nachweis einzelner oder multipler, nicht raumfordernder Marklagerläsionen ohne Kontrastmittelaufnahme typisch, es sei denn, es handelt sich um eine IRIS-PML, die durch stark Kontrastmittel-aufnehmende Herde mit dramatisch raumfordernder Wirkung charakterisiert ist. Der Nachweis des JC-Virus-Genoms im Liquor mittels PCR ist in 80 % der Fälle möglich, wobei eine Repunktion nach wenigen Wochen – klinisch nicht rasch progredienten Verlauf vorausgesetzt – noch einmal zusätzliche 10 % erfasst. Eine stereotaktische Hirnbiopsie ist nur in Einzelfällen notwendig.
7.3.4 Therapie
Die einzig wirksame Behandlung ist bei Therapie-naiven Patienten die cART (s. oben) [251]. Bei bereits cART-behandelten HIV-Trägern gibt es keine gesicherte Option.
7.3.5 Primäres ZNS-Lymphom
Das primäre ZNS-Lymphom ist der häufigste in Zusammenhang mit AIDS auftretende Tumor des ZNS. Primäre ZNS-Lymphome sind in der Regel hochmaligne B-Zelltyp-Non-Hodgkin-Lymphome und fast zu 100 % mit dem Epstein-Barr-Virus assoziiert. Die wichtigste Differenzialdiagnose ist die ZNS-Toxoplasmose.
7.3.5 Diagnostik
Eine Diagnose mittels neuroradiologischen Verfahren ist nicht spezifisch, denn im Gegensatz zu den ZNS-Lymphomen bei immunkompetenten Patienten können HIV-assoziierte Lymphome ringförmig oder unregelmäßig Kontrastmittel anreichern. Die Präsenz einer positiven EBV-PCR ist hoch spezifisch und macht die Diagnose einer Toxoplasmose sehr unwahrscheinlich.
7.3.5 Therapie
Ohne Behandlung beträgt die mittlere Überlebenszeit nur wenige Wochen. Die Therapie der Wahl ist eine systemische Chemotherapie (modifiziertes CHOP), ggf. in Kombination mit einer Radiatio.
8 Parasitäre Erkrankungen des ZNS
Eine detaillierte Kenntnis der Epidemiologie, der Infektionswege und vor allem von prädisponierenden Faktoren ist notwendig, um die Diagnose einer parasitären ZNS-Infektion rechtzeitig zu stellen und eine entsprechende Therapie einleiten zu können.
Tab32.29 listet entsprechend der geografischen Verteilung die wichtigsten Parasiten auf, die eine ZNS-Infektion bzw. -Infestation verursachen können. Einzelne Parasiten werden weltweit gefunden, andere lediglich in speziellen tropischen Gebieten, wiederum andere grundsätzlich in tropischen Klimaregionen und einzelne vorwiegend in Gegenden mit gemäßigtem Klima.
Parasiten verursachen Krankheitssymptome durch direkte Gewebsinvasion, durch Raumforderung, Gewebehypoxie und Blutung oder indirekt über immunmediierte Mechanismen. Diagnose und antiparasitäre Behandlung sind spezifisch für den jeweiligen Erreger und die durch ihn bewirkten Krankheitsmechanismen. Zunehmend prognostisch wichtiger werden adjuvante, häufig intensivmedizinische Maßnahmen, die von einer besseren Kenntnis pathophysiologischer Abläufe abgeleitet werden.
8 Symptomatik
Die neurologische Symptomatik von ZNS-Parasitosen ist sehr breit gefächert und hängt vom spezifischen Parasiten, der Infestations- bzw. Infektionslokalisation, dem Krankheitsstadium und dem Immunstatus des Patienten ab. Nematoden, die eine ZNS-Infestation verursachen, sind Filarien spp., und unter mikrofilarizider Therapie entwickeln sich häufig lebensbedrohliche neurologische Symptome.
Toxocara spp., Trichinella spiralis und Trematoden verursachen nur in seltenen Fällen eine schwerwiegende lebensbedrohliche ZNS-Erkrankung. Vertreter der Zestoden sind überwiegend durch ihre raumfordernde Wirkung (Neurozystizerkose, Echinokokkose) neurologisch auffällig. Eine Übersicht über die klinisch neurologischen Symptome der einzelnen intensivneurologisch bedeutsamen parasitären Infektionen und Infestationen bietet Tab. 32.30.
8 Diagnostik
Einen allgemeinen Überblick gibt Tab. 32.31.
8 Bildgebung
Computertomographische und kernspintomographische Befunde sind häufig unspezifisch. Gelegentlich kann ein fokales oder diffuses Hirnödem beobachtet werden, bei Patienten mit zerebraler Malaria, Trypanosomiasis oder Babesiose sind CT und Kernspintomographie häufig unauffällig. Eine ZNS-Infektion mit Naegleria spp. verursacht – im Sinne einer akuten Meningitis – eine Kontrastmittelanreicherung der Meningen. Einzelne multiple parenchymatöse Hypodensitäten ohne Kontrastmittelanspeicherung werden in der CT bei Trichinose, früher Zystizerkose, Acanthamoebeninfektion, Sparganose, Coenurose und bei der frühen Toxoplasmose beobachtet. Ringförmig kontrastmittelspeichernde Läsionen werden bei Infektion bzw. Infestation mit Toxoplasma gondii, Entamoeba histolytica, Acanthamoeba spp., Toxocara spp., Cysticercus cellulosae, Schistosoma spp. und Paragonimus spp. gesehen.
Eine Schädelübersichtsröntgenaufnahme, Röntgenaufnahmen des Thorax und der Muskeln kann Kalzifikationen und/oder Zystenbildung bei Patienten mit Zestodeninfestation, bestimmten Trematoden- (Paragonimus spp.) oder Nematoden- (Trichinella spiralis)-Infestationen gesehen werden. Ein obstruktiver Hydrozephalus kann bei bestimmten Zestoden- und Trematodenerkrankungen, aber auch bei Gnathostoma-spinigerum-Infestation beobachtet werden. Letztere kann auch Ursache einer Subarachnoidalblutung und einer eosinophilen Meningitis sein.
Die Ultraschalluntersuchung kann extrakranielle Manifestationen bestimmter parasitärer Erkrankungen (z. B. Leberabszesse) entdecken.
8 Elektrophysiologische Untersuchungstechniken
Die elektrophysiologischen Untersuchungstechniken sind zur Differenzierung parasitärer Erkrankungen des zentralen Nervensystems von nur sehr geringer Bedeutung.
8 Liquordiagnostik und andere Laborparameter
Die Ergebnisse der Liquor-cerebrospinalis-Untersuchung sind bei ZNS-Parasitosen höchst unterschiedlich und in den meisten Fällen sehr unspezifisch.
Patienten, die mit Naegleria spp. oder Strongyloides stercoralis infestiert sind, zeigen das typische Liquorbild einer purulenten Meningitis mit granulozytärer Pleozytose . Auch Acanthamoeba spp. und E. histolytica können eine eitrige Meningitis verursachen, wenn die Abszessbildung nahe des Subarachnoidalraums liegt. Liquoreiweißkonzentrationen sind häufig erhöht, Glucosekonzentrationen sind unterschiedlich, gelegentlich erniedrigt. Patienten mit einer Trypanosomiasis , vereinzelt auch Patienten mit einer ZNS-Toxoplasmose haben eine lymphozytäre und/oder plasmazelluläre Pleozytose. Bei der afrikanischen Trypanosomiasis (Schlafkrankheit) ist der Liquoreiweißgehalt frühzeitig und deutlich erhöht (insbesondere IgM). Eine eosinophile Pleozytose ist typisch für eine Angiostrongylus-cantonensis- oder eine Gnathostoma-spinigerum-Infestation. Alle anderen Wurmerkrankungen des Nervensystems verursachen normalerweise keine Liquoreosinophilie.
Der Liquor ist typischerweise normal bei zerebraler Malaria, Babesiose und bei Wurmerkrankungen des Nervensystems, die einen chronischen Verlauf nehmen. In Einzelfällen können lebende Parasiten im Nativliquorpräparat gesehen werden: z. B. Naegleria spp., Trypanosoma brucei, Strongyloides stercoralis, Gnathostoma spinigerum, Angiostrongylus cantonensis oder Toxocara spp.
Patienten mit zerebraler Malaria oder Babesiose entwickeln nicht selten das klinische Vollbild eines „Sepsissyndroms“ mit Multiorganmitbeteiligung im Sinne einer Multiorganmalaria .
Eine Eosinophilie im peripheren Blut kann – muss aber nicht – bei Wurminfestation beobachtet werden. Alle Wurmerkrankungen, bei denen migrierende Larven krankheitsmitbestimmend sind, haben häufiger eine Eosinophilie im peripheren Blut (z. B. Toxocara, Filarien, Trichinella spiralis). Wurmerkrankungen mit Muskelmitbeteiligung (Myositis) können eine erhöhte Kreatinphosphokinase (CK) im peripheren Blut zeigen (Trichinella spiralis, Cysticercus cellulosae).
8 Mikrobiologie
Plasmodium falciparum , Babesia spp., Trypanosoma spp., Mikrofilarien können im peripheren Blutausstrich (Giemsa-Färbung) gesehen werden. Nativuntersuchungen des Liquors können bei Trypanosomen, Naegleria spp., Strongyloides stercoralis, Gnathostoma spinigerum, Angiostrongylus cantonensis und Toxocara spp. diagnostisch sein. Eine Muskelbiopsie führt bei Anisakiasis, Sparganose, Coenurose, Trichinose und Zystizerkose nicht selten zur Diagnose.
Serologische Untersuchungstechniken können das diagnostische Ergebnis verbessern, spielen jedoch bei lebensbedrohenden, akuten ZNS-Parasitosen eine eher untergeordnete Rolle.
Da bei vielen ZNS-Parasitosen eine systemische Infestation vorhanden sein kann – bis hin zur Multiorganmitbeteiligung (s. Malaria) ist eine interdisziplinäre Diagnostik essenziell. Patienten mit amerikanischer Trypanosomiasis (Chagas-Erkrankung) können unspezifische EKG-Veränderungen inklusive Reizleitungsstörungen oder Arrhythmien etc. aufweisen.
Eine ZNS-Strongyloidiasis ist häufig mit einer gramnegativen Sepsis und eventuell Meningitis vergesellschaftet. Nicht wenige Patienten mit einer ZNS-Parasitose leiden an fokalen und/oder generalisierten zerebralen Krampfanfällen.
8 Therapie
8 Spezifische Chemotherapie
Die spezifischen Chemotherapieempfehlungen sind in Tab. 32.32 zusammengestellt.
Viele Patienten mit parasitären Erkrankungen des ZNS können auf normalen neurologischen Stationen behandelt werden; Patienten mit zerebraler Malaria, primärer Amoebenmeningitis, Babesiose, Gnathostomiasis, Strongyloides-Hyperinfektionssyndrom etc. sind allerdings medizinische Notfälle und müssen intensivmedizinisch überwacht und therapiert werden .
In Einzelfällen können auch bei anderen ZNS-Parasitosen erhöhter intrakranieller Druck, Hydrozephalus, intraventrikuläre Zysten, perifokale Ödementwicklung, akute purulente Meningitis, meningovaskuläre Syndrome, hypoxische Enzephalopathien, Hirnstammsyndrome sowie raumfordernde Prozesse der hinteren Schädelgrube und letztlich kardiale Involvierung und Multiorganmitbeteiligung zur Intensivpflichtigkeit beitragen. In allerjüngster Vergangenheit wurden mehrere Studien über Kombinationstherapien bei Multiorganmalaria publiziert.
8 Adjuvante Therapie
Multiorganversagen bei Plasmodium-falciparum-Malaria oder Babesiose führt zur Beatmungspflichtigkeit, Hämofiltration und evtl. Gesamtblutaustauschnotwendigkeit. Solche Patienten profitieren nicht von einer Antikoagulationstherapie, einer kontinuierlichen Osmotherapie mit Mannit oder von Corticosteroiden. Unkontrollierte Hypervolämie sollte vermieden werden, engmaschiges ZNS- und kardiopulmonales Monitoring ist bei Patienten mit zerebraler Malaria dringend notwendig. Allerdings sind Steroide als Begleittherapie zu Beginn der antihelminitischen Therapie bei Neurozystizerkose, Trichinose oder Schistosomiasis unverzichtbar.
8 Neurochirurgisches Management
Neurochirurgische Interventionen können sowohl zu diagnostischen als auch zu therapeutischen Zwecken angezeigt sein. Ein akuter Hydrocephalus obstructivus erfordert die schnellstmögliche Anlage einer Liquordrainage. Intraventrikuläre Zysten sollten aus therapeutischen und diagnostischen Gründen exstirpiert werden.
8 Prognose
Die Prognose von Patienten mit ZNS-Parasitosen ist vom auslösenden pathogenen Agens abhängig. Etwa 20 % der Patienten mit zerebraler Malaria versterben, und bis zu 10 % tragen ein neurologisches Langzeitdefizit (Paresen, Krampfanfälle) davon. Die Mortalität ist bei allen Formen einer zerebralen Amoebiasis (E. histolytica, freilebende Amöben) hoch. Ohne Behandlung führt eine afrikanische Trypanosomiasis auf jeden Fall zum Tod, eine ZNS-Infektion mit Trypansoma cruzi besitzt bei Kindern eine Mortalität bis zu 12 %. Eine Infektion mit Gnathostoma spinigerum verursacht bei knapp 10 % einen letalen Verlauf, und bei knapp 40 % sind neurologische Langzeitfolgen zu erwarten. Eine Toxokarose, eine Trichinose und andere Nematoden- und Trematodeninfestationen sind nur selten mit einem tödlichen Verlauf assoziiert. Die Mortalität bei einem Strongyloides-stercoralis-Hyperinfektionssyndrom beträgt allerdings bis zu 75 %.
Der klinische Verlauf, die Langzeitfolgen und letztlich auch die Überlebenschancen sind bei ZNS-Parasitosen von der frühzeitigen Diagnose und dem frühestmöglichen spezifischen Therapiebeginn sowie den allgemeinmedizinischen bzw. intensivmedizinischen supportiven Maßnahmen abhängig.
9 Pilzinfektionen des ZNS
Pilze verursachen eine Erkrankung des Nervensystems entweder durch Direktinvasion des Gewebes, durch die Freisetzung von Toxinen oder durch die Auslösung pathologischer immunologischer Reaktionen. Die Empfindlichkeit gegenüber Pilzinfektionen wird zum überwiegenden Teil durch die immunologische Kompetenz bedingt, wenngleich geografische, klimatische, berufsexpositionelle und möglicherweise auch hormonelle Faktoren eine zusätzliche wichtige Rolle spielen. Infektionen des Nervensystems werden durch Zygomyzeten, Askomyzeten, Basidiomyzeten und Deuteromyzeten verursacht. Bei Immuninkompetenz kann praktisch jeder Pilz krankheitsverursachend sein – aber auch bei Immunkompetenz, wie im Jahre 2012 in den USA bei der bedrohlichen Epidemie deutlich wurde, die durch intrathekale Verabreichung von Methlprednisolon entstand, das durch (Haut-)Pilzsporen im Herstellungsprozess kontaminiert worden war.
Der Großteil der Patienten mit einer Pilzinfektion des Nervensystems präsentiert sich mit den Symptomen einer chronischen Meningitis, Granulom- und/oder Abszessbildung.
9 Diagnostik
9 Bildgebung
Patienten mit ZNS-Mykosen zeigen bei der Schädelübersichtsröntgenaufnahme oder beim Röntgen der paranasalen Sinus gelegentlich eine Knochendestruierung, Schleimhautverdickung sowie weichteildichte Gewebsmassen, die sich von den paranasalen Sinus in den intrakraniellen Raum ausbreiten können.
Die zerebrale CT-Untersuchung zeigt eine meningeale Anspeicherung – insbesondere im Bereich der basalen Zisternen –, Hydrozephalus, Granulome und Abszesse. Eine Begleitvaskulitis führt zu vaskulär-ischämischen CT-Veränderungen inklusive hämorrhagischer Transformierung. Immunkompetente Patienten zeigen häufig eine ringförmige Anspeicherung nach Kontrastmittelapplikation, diese fehlt bei massiv immunkompromittierender Grunderkrankung. Die CT-Veränderungen sind typischerweise unspezifisch und müssen immer im klinischen Zusammenhang gesehen und interpretiert werden.
Die Kernspintomographiebefunde ähneln der zerebralen Computertomographie, wenngleich die MRT die Weichteilgewebe der Kopf- und Nackenregion besser visualisieren kann. Sowohl die MR-Angiographie als auch die konventionelle zerebrale Panangiographie bestätigen die Diagnose einer Vaskulitis, einer arteriellen Okklusion, mykotischer Aneurysmen oder einer Sinusvenenthrombose. Elektrophysiologische Techniken zeigen unspezifische Veränderungen. Die transkranielle Dopplersonographie kann zum Monitoring einer ZNS-Vaskulitis und evtl. bei erhöhtem intrakraniellen Druck zum Einsatz kommen.
9 Liquor cerebrospinalis und andere Laborbefunde
Die Analyse des Liquor cerebrospinalis zeigt bei chronischer Meningitis eine Pleozytose von wenigen bis mehrere tausend Zellen/mm3. Typisch ist ein gemischtzelliges Bild, mononukleär betont, gelegentlich auch polymorphzellig, insbesondere bei abszedierenden Prozessen in der Nachbarschaft der Subarachnoidalräume. Die Ruptur eines mykotischen Aneurysmas resultiert in einem hämorrhagischen bzw. xanthochromen Liquor . Nicht selten findet sich bei Pilzmeningitis eine mäßiggradige Eosinophilie. Der Liquor-Serum-Glucosequotient ist üblicherweise geringgradig erniedrigt, der Eiweißgehalt im Liquor cerebrospinalis mäßig bis massiv erhöht (bis > 1000 mg/dl), letzteres insbesondere bei Arachnoiditis und/oder obstruktivem Hydrozephalus. C-reaktives Protein, Laktat- oder Aminosäurenbestimmung im Liquor sind zur Differenzialdiagnose einer ZNS-Mykose nicht geeignet. Eine zytologische Aufarbeitung hilft, eine chronische Pilzmeningitis von einer Meningeosis carcinomatosa oder leukaemica/lymphomatosa zu differenzieren.
9 Mikrobiologische Befunde
Aspergillus ssp. und Zygomyzeten erscheinen im Liquor als Hyphen, während sich Askomyzeten, Basidiomyzeten und Deuteromyzeten als Hefepilze präsentieren. Histologisch aufgearbeitete Biopsate sind häufig klinisch relevanter als Kulturen, insbesondere da ein positives Pilzkulturergebnis oft erst nach Wochen zu erwarten ist. Gomori-Methenamin-Silberfärbung oder PAS-Färbung („periodic acid“-Schiff) sind zur Direktdarstellung von Pilzen am besten geeignete Färbemethoden. Cryptococcus neoformans kann im Tuschepräparat gut visualisiert werden, ist typischerweise von einer Polysaccharidkapsel umgeben und zeigt häufig das Phänomen der Knospung. Bei Coccidioides-immitis-Infektionen wurden Laborinfektionen beschrieben, entsprechende Vorsicht bei der diagnostischen Aufarbeitung ist geboten.
9 Differenzialdiagnosen
Die wichtigsten Differenzialdiagnosen sind in nachfolgender Übersicht aufgelistet; sie ist in keiner Weise vollständig, da fast jede entzündliche Hirnerkrankung sich wie eine ZNS-Mykose präsentieren kann.
Differenzialdiagnosen einer ZNS-Mykose
Infektiöse Meningoenzephalitis
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Bakteriell (insbesondere vorbehandelt)
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Mykobakteriell (tuberkulöse)
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Brucellose
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Spirochetal
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Neuroborreliose
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Neurosyphilis
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-
Aktinomykose
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Nokardiose
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Parasitär
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Toxoplasmose
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Trypanosomiasis
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Toxokarose
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Zystizerkose
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Granulomatose Amöbenenzephalitis
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Sekundäre zerebrale Amoebiasis (E. histolytica)
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Nichtinfektiöse Meningoenzephalitis
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Parainfektiöse Enzephalitis
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Sarkoidose
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Behcet-Erkrankung
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Vogt-Koyanagi-Harada-Syndrom
-
Meningitis carcinomatosa
-
Meningitis leukaemica/lymphomatosa
Intensivneurologisch relevante Pilze sind in. Tab. 32.33 aufgelistet; die wichtigsten diagnostischen Schritte und therapeutischen Möglichkeiten finden sich in Tab. 32.34.
9 Therapie
Patienten mit einer ZNS-Mykose sind häufig immunkompromittiert und zeigen oft eine disseminierte Fungämie oder eine Sepsis mit Multiorganversagen. Aus diesem Grunde muss bei solchen Patienten eine antimykotische Therapie immer mit den entsprechenden supportiven Maßnahmen – inkl. Intensivtherapie – durchgeführt werden. Ausreichende Flüssigkeitszufuhr, frühzeitige Beatmung und Aufrechterhaltung der Diurese sind essenziell.
9 Spezifische Chemotherapie
Die jeweilig bestmögliche spezifische Chemotherapie findet sich in Tab. 32.34.
Amphotericin B (AmB) besitzt ein hohes Risiko einer renalen Toxizität , führt zu Kaliumverlust und Erhöhung der Transaminasen. 5-Fluorocytosin (5Fc) führt zu einer Knochenmarkssuppression mit Anämie, aber auch zu Thrombozytopenie . Aus diesem Grunde muss ein engstes Labormonitoring der Nierenfunktionswerte, der Leberfunktionswerte, der Elektrolyte und des gesamten Blutbildes unter einer antimykotischen Therapie gefordert werden.
Praxistipp
AmB-Therapie führt häufig zu akuten Fieberreaktionen , diese werden mit unmittelbar vor der AmB-Therapie verabreichtem Cortison kupiert.
Wenig ist bekannt über die Wirksamkeit von Fluconazol oder anderen Azol-Derivaten (z. B. Itraconazol, Miconazol) bei ZNS-Mykosen. Nur in seltenen Fällen (Tab. 32.34) ist eine intrathekale AmB-Verabreichung indiziert ; es sei auf die Notwendigkeit eines langsamen Einschleichens hingewiesen, die Dauer der intrathekalen Verabreichung hängt vom klinischen Verlauf ab. Zu diesem Zwecke ist die Implantation eines Rickham- (oder Ommaya-)Reservoirs in Einzelfällen zu diskutieren. Durch die Einführung von (liposomalen) Formulierungen von AmB oder neuerer Substanzen (Voriconazol, Posaconazol, Echinocandin, Caspofungin), haben sich die Behandlungsmöglichkeiten invasiver (ZNS-)Mykosen erst in den letzten Jahren deutlich verbessert, wobei die neueren Substanzen, wie Micafungin oder Anidulafungin, aber auch Echinocandin, eine schlechte Blut-Hirn-Schranken-Penetration aufweisen.
9 Neurochirurgische Interventionen
Stereotaktische oder offene Biopsien einerseits, die Implantation eines ventrikuloatrialen oder ventrikuloperitonealen Shunts bei Hydrozephalus andererseits sowie die Implantation eines Rickham- oder Ommaya-Reservoirs zur intraventrikulären Medikamentenapplikation sind im Einzelfall nötige neurochirurgische Therapieschritte.
9 Prognose
In vielen Fällen ist die Prognose eines Patienten mit einer ZNS-Mykose trotz antimykotischer Therapie ungünstig, zumindest sehr variabel. Die Mortalität bei Kryptokokkenmeningitis beträgt nur wenige Prozent, während eine ZNS-Aspergillose mit einer Mortalitätsrate von mehr als 80 % einhergeht.
Bei Patienten mit ZNS-Mykose ist häufig eine besonders langdauerende und auch rezidivierende spezifische Chemotherapie erforderlich. In vielen Fällen ist die zugrundeliegende immunkompromittierende Erkrankung, aber auch die rechtzeitige Diagnose – oft bei limitierten Möglichkeiten und Voraussetzungen – entscheidend für das Langzeitergebnis und macht aus diesem Grunde häufig ein interdisziplinäres Management notwendig.
10 Spinale Entzündungen
Die akuten spinalen Entzündungen sind ein potenziell risikoreiches und je nach Erkrankungsentität diagnostisch wie auch therapeutisch schwieriges und teilweise auch prognostisch ungünstiges Krankheitsbild und bedürfen einer dringlichen differenzialdiagnostischen Klärung. Die jährliche Inzidenz einer akuten transversen Myelitis (ATM) wird mit 1–4 Fällen/1 Mio. Einwohner angegeben und liegt damit deutlich niedriger als entzündliche Erkrankungen des Gehirns oder der Meningen (geschätzte Inzidenz der viralen Meningoenzephalitis 10–20 Fälle/100.000 Einwohner; [422]). Die ATM betrifft vor allem jüngere Patienten; der Altersgipfel liegt zwischen 10 und 19 sowie 30 und 39 Jahren [427]. Patienten mit einer bekannten demyelinisierenden Erkrankung sind im Vergleich mit der Normalbevölkerung häufiger betroffen.
Spondylitis und Spondylodiszitis sind meist Erkrankungen älterer Erwachsener mit zugrundeliegenden Risikofaktoren. Die Inzidenz einer infektiösen Spondylitis wird auf 1–2 Fälle/100.000 Einwohner geschätzt ([400, 401]; Abschn. 32.2).
10 Ätiologie und Pathogenese
Die Einteilung der spinalen Entzündungen kann zunächst unter anatomisch-morphologischen Gesichtspunkten in medulläre Entzündungen und extramedulläre Entzündungen erfolgen (Tab. 32.35). Letztere sind zum überwiegenden Teil erregerbedingt, wohingegen die medullären Entzündungen in erregerbedingte und nicht erregerbedingte Ursachen unterschieden werden können (Tab. 32.36).
Bei der akuten Myelitis kann in über 50 % der Fälle keine Ursache gefunden werden. Häufige Ursachen sind vor allem die Multiple Sklerose [402] und virale Entzündungen. Unter differenzialdiagnostischen Aspekten sollte auch an eine Neuromyeltis optica oder eine Sarkoidose gedacht werden [405].
Subakut verlaufende Myelitiden können parainfektiös, z. B. im Rahmen einer viralen Infektion (etwa Influenza, Varizellen, Masern, Mumps u. a.) [410] oder aber auch post-vakzinös, beispielsweise nach Impfungen gegen Influenza, Tollwut, Hepatitis, Masern, Röteln, Gelbfieber und weitere [417] auftreten.
Die extramedullären Entzündungen werden insbesondere durch hämatogene und lokale (per continuitatem) Bakterienaussaat bedingt – z. B. nach Bandscheiben- oder Wirbelsäulenoperation, lumbaler Drainage – und imponieren als Abszesse, Osteomyelitiden bzw. Spondylitiden und bei Beteiligung des Bandscheibenfachs als Spondylodiszitiden.
Häufigste Erreger sind Staphylokokken, Mycobacterium tuberculosis, E. coli spp., Klebsiella spp., Streptokokken und Pseudomonaden. Risikofaktoren für eine spinale Infektion sind neben einer Immunsuppression (HIV, immunsuppressive medikamentöse Therapie), Patienten mit Diabetes mellitus, Alkohol- und Drogenabusus, Traumata und chronischen hepatischen und renalen Erkrankungen [398–400]. Auch im Rahmen einer systemischen Infektion (Sepsis, Endokarditis) kann es, vor allem bei den genannten Risikogruppen, zu einer zusätzlichen spinalen Manifestation der Infektion kommen.
10 Symptomatik
Die Symptomatik akuter Myelitiden und extramedullärer entzündlicher Prozesse hängt im Wesentlichen von der zugrundeliegenden Ätiopathogenese ab und macht sich meist durch akut bis subakut entwickelnde neurologische Defizite bemerkbar. Neben Sensibilitätsstörungen (Hypästhesien, Parästhesien, Dysästhesien und Hyperpathien) – meist kaudal der Rückenmarksschädigung – können motorische Defizite und autonome Störungen (Blasen- und Mastdarmstörungen, sexuelle Störungen) auftreten. Die Ausfallerscheinungen können lateralisiert sein, aber auch als akute Querschnittsymptomatik imponieren. Eine aufsteigende Myelitis kann zur Beteiligung des Hirnstamms mit Hirnnervenausfällen und Ateminsuffizienz führen und klinisch dem Bild einer „Landry-Paralyse“ entsprechen. Meist liegen bei spinalen Schädigungen – als Ausdruck der zentralen Schädigung – eine Hyperreflexie der paretischen Extremitäten sowie ein positives Babinski-Zeichen vor (Reflexabschwächungen oder -ausfälle können jedoch in der intialen Phase möglich sein). Auch ein positives Lhermitte-Zeichen kann hinweisend sein für eine spinale Läsion.
Rückenschmerzen – häufig ziehend, stechend oder dumpf – sind vor allem bei extramedullären Prozessen im Bereich bzw. der Höhe der Entzündungen zu finden, können aber auch bei einer Myelitis auftreten. Fieber kann bei einer lokalen Entzündung zunächst fehlen und sich erst nach hämatogener Streuung entwickeln.
Die Symptome einer spinalen Entzündung können anfangs sehr unspezifisch sein und dadurch die Diagnosestellung erheblich erschweren und verzögern.
Die Poliomyelitis verläuft klassischerweise in mehreren Stadien und beginnt zunächst mit Fieber, gefolgt von einem meningitischen Stadium, bis sich dann das paralytische Stadium anschließt. Die mittlerweile seltene Lues spinalis mit der Tabes dorsalis (Hinterseitenstrangmyelitis) als Spätstadium der Neurolues geht mit einer progressiven Lähmung, Sensibilitätsstörungen, lanzierenden Schmerzen, Reflexverlust und Blasenstörungen einher.
Eine FSME-Myelitis ist häufig mit einer „hohen Querschnittssymptomatik“ mit Beteiligung der Arme , der Hirnnerven und des Zwerchfells verbunden und weist eine schlechte Prognose auf [423].
Die Neuromyelitis optica (Devic-Syndrom) stellt eine demyelinisierende autoimmune Erkrankung dar. Charakterisiert ist sie durch das klinische Bild einer akuten (transversen) – und meist ausgedehnten (> 3 Wirbelkörpersegmente) – Myelitis (Para- oder Tetraparese mit symmetrischen sensiblen Defiziten und Sphinkterfunktionsstörungen) und einer – vorwiegend jüngere Frauen betreffende – Optikusneuritis (Sehstörungen, die oftmals schwerwiegender sind als bei der multiplen Sklerose und bis zur Blindheit führen können) [426].
10 Diagnostik
Die Verdachtsdiagnose einer spinalen Entzündung sollte zunächst durch das klinische Bild erfolgen. Die Lokalisation der Schädigung ist über die Untersuchung der sensiblen Dermatome, der Myotome und der Muskeldehnungsreflexe möglich. Hilfreich in der Zuordnung der Höhenlokalisation ist die Untersuchung des Vibrationsempfindens einschließlich der Dornfortsätze. Autonome Störungen können beispielsweise über den analen Sphinktertonus und Blasenentleerungsstörungen mit Restharnbildung (Bestimmung mittels Ultraschall) oder Inkontinenz erfasst werden. Umschriebene Entzündungen der Wirbelsäule und angrenzender Strukturen gehen häufig mit einem lokalen Klopf- und Stauchungsschmerz einher.
(Übersichtarbeiten zur diagnostischen Herangehensweise und zu Differenzialdiagnosen der akuten transversen Myelitis bzw. der akuten und subakuten Myelopathie finden sich in [413, 425, 428].)
Die Diagnosekriterien der akuten transversen Myelitis sind in der folgenden Übersicht zusammengestellt.
Die Diagnose einer akuten transversen Myelitis (ATM) wird anhand folgender Kriterien gestellt:
-
Bilaterale sensomotorische und autonome Störungen bzw. Ausfälle
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Definiertes sensibles Hautniveau
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Zunahme der Symptomatik innerhalb weniger Stunden bis Tage
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Ausschluss von kompressiven, postradiogenen, metabolischen, tumorösen oder vaskulären Ursachen
-
Entzündliche Liquorveränderungen (Pleozytose, erhöhtes IgG) und/oder Kontrastmittel-aufnehmende Läsionen in der MRT
Neben dem klinischen Bild ist die zeitnahe neuroradiologische Bildgebung von besonderer Bedeutung. Sie dient einerseits zum Ausschluss einer chirurgisch zu behandelnden Ursache des spinalen Syndroms und andererseits zur Bestätigung der klinischen Verdachtsdiagnose einer spinalen Entzündung.
Aufgrund der hohen Ortsauflösung, der guten Differenzierbarkeit der verschiedenen Gewebe und der sensitiven Darstellung entzündlicher Läsionen stellt die Kernspintomographie (MRT; Abb. 32.5 und Abb. 32.6) die Untersuchungsmethode der Wahl dar. Entzündliche Läsionen werden besonders gut in T2-gewichteten und T1-gewichteten Aufnahmen nach Kontrastmittelgabe dargestellt. Tab. 32.37 zeigt typische MRT-Befunde bei einer Myelitis und anderen entzündlichen spinalen Erkrankungen.
Um die räumliche Ausdehnung zuverlässig beurteilen zu können, müssen Bilder in mindestens 2 Schnittebenen (bevorzugt axiale und sagittale Schnittführung) angefertigt werden (Abb. 32.7). Da pathologische Veränderungen nicht immer auf dem klinisch vermuteten Rückenmarksniveau liegen, sollte immer die gesamte Wirbelsäule bzw. der gesamte Spinalkanal untersucht werden. Zum Ausschluss einer zerebralen Beteiligung (v. a. Hirnstamm) ist, auch unter differenzialdiagnostischen Aspekten (bspw. finden sich bei multipler Sklerose meist auch zerebrale Herde), bei zervikalen Prozessen eine ergänzende zerebrale MRT sinnvoll.
Eine initiale MRT der Wirbelsäule kann bei bis zu 20 % der Patienten mit einem spinalen Syndrom ohne wegweisenden Befund sein [430].
Gründe dafür können sein:
-
1.
Die betroffenen Abschnitte wurden nicht abgebildet (klinisch vermutetes und real betroffenes Niveau stimmen nicht überein),
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2.
keine Gabe von Kontrastmittel (z. B. Übersehen einer spinalen AV-Malformation, eines epiduralen Abszesses oder eines intramedullären Tumors),
-
3.
schlechte Bildqualität/Auflösung (z. B. zu großes „field of view“ gewählt),
-
4.
fehlende radiologische/neuroradiologische Expertise,
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5.
Zeitpunkt der Untersuchung (z. B. häufig fehlende Kontrastmittelaufnahme nach Beginn einer Cortisontherapie, Untersuchung mehrere Tage nach einer transienten Symptomatik),
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6.
Erkrankungen/Störungen, die mit einem spinalen Syndrom, jedoch ohne (wesentliche) MR-Veränderungen einhergehen können (Auswahl): metabolische Störungen (z. B. Vitamin-B12-Mangel, Kupfermangel, hepatische Myelopathie), systemischer Lupus erythematodes, Sjögren-Syndrom, Sarkoidose, Motoneuronerkrankungen, spinale Ischämie, ZNS-Vaskulitis, Syphilis, HIV-Myelopathie, paraneoplastische Syndrome, Tethered Cord, radiogene Myelopathie,
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7.
zerebrale Läsionen imitieren ein spinales Syndrom (z. B. Falx-nahe Tumoren in der Zentralregion, Infarkt im Stromgebiet der A. cerebri anterior).
Besonders die Kombination mehrerer Punkte kann zu falsch-negativen Befunden führen!
Falls Kontraindikationen für die MRT-Untersuchung vorliegen, kann bei extramedullären entzündlichen Prozessen alternativ eine Computertomographie mit Kontrastmittel erfolgen. Um die Strahlendosis zu minimieren, ist eine vorherige Höhenlokalisation anhand des klinischen Bildes sinnvoll.
Eine erweiterte Bildgebung (Röntgen-Thoraxaufnahme, Computertomographie von z. B. Thorax und/oder Abdomen) ist bei Verdacht auf infektiöse und tumoröse bzw. paraneoplastische Prozesse erforderlich.
Zur weiteren Einordnung des entzündlichen Prozesses ist neben der Bildgebung die zytologische, chemische, bakteriologische und immunologische Analyse des Liquors essenziell. Auch wichtige Differenzialdiagnosen zur spinalen Entzündung (z. B. spinale Ischämie) können dadurch abgegrenzt werden (Tab. 32.38).
Bakterielle Entzündungen gehen typischerweise mit einer deutlichen Erhöhung von Zellzahl (> 1000 Zellen/µl) und Gesamtprotein einher.
Bei Verdacht auf eine bakterielle Infektion muss immer eine Erregerisolierung mittels Liquorkultur oder PCR-Diagnostik angestrebt werden. Wenn der entzündliche Prozess den Subarachnoidalraum noch nicht erreicht hat, ist die Liquordiagnostik in der Regel nicht richtungweisend. In diesem Fall gelingt –vor allem bei systemischen Entzündungszeichen – ein Keimnachweis mittels Blutkultur. Bei klar abgrenzbaren entzündlichen Prozessen (spinaler Abszess, Diszitis) kann auch eine CT-gesteuerte Punktion zum Keimnachweis hilfreich sein und sollte rechtzeitig erfolgen.
Virale Entzündungen weisen neben einer leichten bis moderaten Zellzahlerhöhung (meist 500 bis max. 1000 Zellen/µl) üblicherweise nur eine leichte Eiweißerhöhung auf. Der Nachweis spezifischer Antikörper (IgG und IgM) im Liquor kann auf eine mögliche virale Infektion hinweisen. Eine intrathekale Antikörperbildung kann zuverlässig durch Ermittlung des antikörperspezifischen Index (AI) nachgewiesen werden. Ein Wert > 1,5 ist verdächtig, Werte > 2 sprechen für eine Antikörperbildung innerhalb des zentralen Nervensystems.
Der Antigennachweis mittels PCR ist eine schnelle und zuverlässige Methode. Sie kann insbesondere in der Frühphase einer Infektion, wenn die humorale Antikörperantwort noch unzureichend ist, wichtige Informationen liefern. Autoimmune Entzündungen weisen meist nur eine leichte Pleozytose (< 100 Zellen/µl), aber auch Schrankenstörungen und Eiweißerhöhungen auf.
Bei der multiplen Sklerose finden sich bei über 80 % der Erkrankten oligoklonale Banden im Liquor.
Die Neuromyelitis optica ist bei über 70 % der Patienten mit spezifischen Antikörpern gegen Aquaporin 4 (NMO-IgG) im Serum assoziiert [429].
Die Routine-Labordiagnostik mit kleinem Blutbild und C-reaktivem Protein (CRP) ist bei isolierten spinalen Prozessen teilweise nicht richtungweisend und zeigt oftmals in der Initialphase keine oder nur geringe Entzündungszeichen. Dennoch kann die CRP-Erhöhung bei bakteriellen spinalen Entzündungen ein unspezifischer Hinweis sein, der dann eine detaillierte Diagnostik nach sich ziehen sollte.
Besteht der Verdacht einer systemischen Entzündung aus dem Kreis der Kollagenosen, der rheumatischen Erkrankungen und der Vaskulitiden, ist der Nachweis spezieller serologischer Antikörper häufig hilfreich.
Vaskulitiden können häufig erst durch die histologische Aufarbeitung von Gefäß- und/oder Nerven- bzw. Muskelbiopsaten und immunhistochemischer Färbung diagnostiziert werden.
Die Diagnostik der funktionellen Schädigung des Nervensystems kann durch elektrophysiologische Untersuchungen (v. a. somatosensibel und motorisch evozierte Potenziale) sinnvoll ergänzt werden und besitzt in der Abschätzung der Prognose einen hohen Stellenwert (Abb. 32.8).
10 Differenzialdiagnose
Aus klinischer Sicht muss bei akuten sensomotorischen Ausfällen eine akute Polyradikulitis (Guillain-Barré-Syndrom) in Betracht gezogen werden. Die Abgrenzung zur Myelitis gelingt meist durch den typischen Liquorbefund einer „zytalbuminären Dissoziation“ – mit Erhöhung des Liquorgesamteiweißgehaltes bei normaler Zellzahl (Abschn. 37.1).
Auch medulläre Tumoren (Gliome, Ependymome, Sarkome, Lipome, Lymphome, Abtropfmetastasen) müssen in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einbezogen werden. Aber auch paraneoplastische Myelopathien (z. B. beim Bronchialkarzinom und M. Hodgkin) sind beschrieben [411].
Eine Strahlenmyelopathie kann bei Bestrahlungsdosen ab 20 Gy mit einer Latenz von mehreren Wochen bis Monaten und Jahren als akute inkomplette bis komplette Querschnittssymptomatik auftreten.
Zu den vaskulären spinalen Syndromen zählen vor allem die spinale Ischämie (z. B. nach Aortenoperationen oder Aortendissektion) und spinale arteriovenöse Malformationen, Angiome, Kavernome und durale Fisteln. Letztere gehen häufig mit einer venösen Stauung und Blutungen einher.
Metabolische Myelopathien, die akut bis subakut verlaufen, sind insbesondere die funikuläre Myelose bei Vitamin-B12-Mangel und die hepatische Myelopathie bei Leberinsuffizienz [419].
Schwierigkeiten können bei der Unterscheidung einer erregerbedingten von einer parainfektiösen Myelitis auftreten. Bei letztgenannten wird häufig ein symptomfreies Intervall zwischen der vorausgegangenen Infektion und der Myelitis beschrieben.
Die extramedullären Entzündungen müssen von chronisch-entzündlichen rheumatischen Wirbelsäulenerkrankungen abgegrenzt werden [424]. Gedacht werden muss an die rheumatoide Arthritis und die seronegative Spondylarthropathie . Zu den letztgenannten zählt man die ankylosierende Spondylitis (M. Bechterew), die Psoriasisarthropathie, die enteropathische Arthropathie, die reaktive Spondylarthropathie und als Sonderform der M. Reiter. Diagnostisch hilfreich ist bei den chronisch-entzündlichen rheumatischen Wirbelsäulenerkrankungen der Nachweis von Rheumafaktoren und bei den „seronegativen“ Spondylarthropathien die häufige Assoziation mit HLA-B27.
Neben den chronisch-entzündlichen Wirbelsäulenerkrankungen müssen auch extramedulläre Tumoren (Neurinome, Meningeome, Angiome, Sarkome) und Metastasen (z. B. Bronchial-, Mamma-, Prostatakarzinom, Plasmozytom) in die differenzialdiagnostische Aufarbeitung einbezogen werden. Selten können spinale epidurale Blutungen bei Gerinnungsstörungen (Antikoagulation!), Zustand nach Trauma, Lumbalpunktion, Periduralkatheter und vaskuläre Malformationen eine Querschnittsymptomatik verursachen.
Auch an degenerative Erkrankungen mit Wirbelkörperfrakturen, Spinalkanalstenosen und Bandscheibenvorfällen muss bei extramedullären Prozessen gedacht werden. Diese können durch Kompression zu medullären Schädigungen führen (kompressive Myelopathie, T2-Signalsteigerungen in der MRT) und mit entsprechender klinischer Symptomatik einhergehen [406].
10 Therapie
Neben der (erreger)spezifischen Therapie sollten allgemeine Maßnahmen wie Anlage eines Blasenkatheters bei Blasenentleerungsstörungen, Thromboseprophylaxe, Lagerung, frühzeitige Mobilisierung, Physiotherapie und Schmerztherapie sowie medikamentöse Therapie einer Spastik von Anfang an durchgeführt werden.
10 Allgemeine Therapieprinzipien
Die medikamentöse Therapie hängt wesentlich von der zugrundeliegenden Ätiopathogenese bzw. dem Erreger ab. Oftmals gelingt in der initialen Phase keine eindeutige ätiologische Zuordnung oder Erregerisolation, sodass je nach Dringlichkeit bei akuten Erkrankungen die Wahl der Medikamente empirisch, entsprechend dem klinischen Verlauf, den Ergebnissen der initialen Labor- und Liquordiagnostik und dem zu erwartenden Erregerspektrum erfolgt.
Bei unsicheren extramedullären Befunden ohne Erregerisolation sollte eine breite antibiotische Kombinationstherapie mit einem ZNS-gängigen Antibiotikum erfolgen.
Im Vordergrund der medikamentösen Therapie steht immer der gezielte Einsatz der Antibiotika bzw. Virostatika. Die Auswahl der Präparate erfolgt entsprechend den Ergebnissen der Blut- und Liquorkulturen bzw. Punktatergebnissen (Antibiogramm anfordern!) und den serologischen bzw. immunologischen Resultaten.
Bei subakut oder chronisch verlaufenden Erkrankungen sollte, wenn es die klinische Situation zulässt, zunächst eine gezielte Diagnostik – möglichst mit Erregerisolation und ggf. differenzialdiagnostischer Aufarbeitung – angestrebt werden.
Bei bakteriellen Abszessen muss immer (soweit unter anatomischen und funktionellen Gesichtspunkten möglich) zusätzlich zur antibiotischen Therapie eine (neuro)chirurgische Herdsanierung diskutiert und individuell entschieden werden.
10 Spezielle Therapie
Auch wenn es für die Therapie der idiopathischen akuten transversen Myelitis (iATM) keine randomisierten, placebokontrollierten Untersuchungen gibt, die den Einsatz einer Cortisontherapie sicher positiv bewerten [416, 418], wird in Analogie zur Behandlung anderer entzündlicher Erkrankungen und der klinischen Erfahrung häufig eine 3- bis 5-tägige intravenöse Cortisonstoßtherapie mit 500–1000 mg Methylprednisolon durchgeführt. Klinisch schwer betroffene Patienten können evtl. auch von einer aggressiveren Therapie mit Cyclophosphamid und Plasmapherese profitieren [409].
Herpes-simplex- und Varizella-Zoster-assoziierte Myelitiden werden mit Aciclovir behandelt (3 × 10 mg/kgKG/24 h i. v. für 10–14 Tage). Alternativ kann Famciclovir (z. B. Famvir) 3 × 250–500 mg/Tag verwendet werden. Mittel der Wahl bei CMV-Infektionen ist Ganciclovir (2 × 5 mg/kgKG/24 h i. v.). Bei der seltenen Aciclovir-Unverträglichkeit kann bei HSV, VZV und CMV-Infektion auch Foscarnet (2 × 90 mg/kgKG/24 h) eingesetzt werden.
Die Therapie der Neuroborreliose besteht in einer 2- bis 4-wöchigen Antibiose mit Ceftriaxon (1 × 2 g/24 h i. v.) oder Cefotaxim (3 × 2 g/24 h i. v.).
Die Neurolues wird mit Penicillin G (25–30 Mio. IE/24 h 3- bis 5-mal tägl. i. v.) oder Ceftriaxon 2–4 g/24 h i. v. behandelt, wobei die Therapiedauer abhängig vom Stadium der Erkrankung ist.
Eine Tuberkulose wird mit einer mehrmonatigen 4-fachen Kombinationstherapie mit Rifampicin, Isoniazid, Ethambutol und Pyrazinamid behandelt.
Spinale Abszesse müssen bei progredienten neurologischen Ausfällen bzw. deutlichen Raumforderungszeichen einer raschen operativen Intervention zugeführt werden.
Spondylitiden und Spondylodiszitiden können oft konservativ mittels Ruhigstellung und antibiotischer Therapie behandelt werden. Gut ZNS-gängige Antibiotika bei grampositiven Erregern sind z. B. Fosfomycin, Ceftriaxon, Cefotaxim, Meropenem und Linezolid. Alternativ kann aber auch eine operative Sanierung mit Ausräumung der Bandscheibe und anschließender Stabilisierung notwendig sein. Insbesondere bei Kompression neuraler Strukturen oder Zeichen der Instabilität sollte rechtzeitig ein chirurgisches Vorgehen diskutiert werden.
Die Neurosarkoidose, der Neuro-Behçet und Lupus erythematodes werden immunsuppressiv behandelt. Je nach Schwere der Erkrankung werden Cortison und – vor allem in der Langzeittherapie – auch Methotrexat, Azathioprin, Ciclosporin und Cyclophosphamid eingesetzt.
Die Neuromyelitis optica wird in der akuten Phase mit einer Hochdosis-Steroidtherapie (Methylprednisolon täglich 1000 mg über 3–5 Tage) behandelt. Bei fehlendem Ansprechen auf die Steroide sollte über eine Plasmapherese nachgedacht werden. Im Weiteren wird eine immunsuppressive Therapie mit Azathioprin (2–3 mg/kgKG/Tag, initial in Kombination mit oralem Prednisolon, bis die Wirkung von Azathioprin nach 2–3 Monaten zu erwarten ist) oder Rituximab empfohlen. Weitere empfohlene Substanzen, die bei Versagen oder Unverträglichkeit von Azathioprin oder Rituximab eingesetzt werden können, sind Cyclophosphamid, Mitoxantron, Mycophenolat und Methotrexat. Auch eine intermittierende Plasmapherese stellt eine mögliche Therapieoption dar [426]. In einer Vergleichsstudie zur Behandlung der NMO zeigten Rituximab, Mycophenolat und Azathioprin gute Schubratenreduktionen (88 %, 87 % und 72 %, [420]).
10 Prognose
Prognostisch ungünstige Faktoren sind ein anfänglich rasch progredienter Verlauf sowie ein Andauern der neurologischen Ausfälle über 3 Monate [427]. Auch der Nachweis von Protein 14-3-3 im Liquor – als Zeichen der neuronalen Schädigung [412] – wie auch pathologische motorisch und sensibel evozierte Potenziale, aber auch Denervierungszeichen im EMG sprechen für eine eher ungünstigen Verlauf [414, 415]. 30–50 % der Patienten mit einer ATM haben ein schlechtes Outcome mit bleibender schwerer Behinderung, wobei die Prognose bei multipler Sklerose besser ist als bei Patienten mit anderen Ursachen eines Querschnittssyndroms [403, 404].
Die Prognose der Spondylitis bzw. Spondylodiszitis und spinaler Abszesse hängt vom Ausmaß und der Dauer einer Schädigung nervaler Strukturen ab. Der entscheidende Faktor ist daher die frühzeitige Diagnose und Therapie.
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Klein, M. et al. (2015). Infektionen. In: Schwab, S., Schellinger, P., Werner, C., Unterberg, A., Hacke, W. (eds) NeuroIntensiv. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-46500-4_32
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