Man kann mit Recht behaupten, dass in allem psychischen Leiden, modern ausgedrückt in allen Varianten der ICD10 F-Diagnosen, auch, vielleicht oft sogar vorrangig, ein Leiden am Schicksalhaften zu finden ist – ein Leiden etwa, nicht das Leben führen zu können, für das man sich entscheiden würde, sondern innerhalb vorgegebener und schwer bis gar nicht veränderbarer innerer wie äußerer Bedingungen zu existieren. Dies sind Krankheit, Tod, Unsicherheit, Unausweichlichkeit, all diese von dem deutschen Existenzphilosophen und Psychiater Karl Jaspers (1996) als „Grenzsituationen“ bezeichneten schicksalhaften Gegebenheiten, deren Unbeeinflussbarkeit kaum ertragen werden kann und die sich dann etwa in Angststörungen aller Art Ausdruck verschaffen. Gleichzeitig ist ein verstärktes Leiden an der schier überwältigenden Freiheit in postmodernen Gesellschaften zu verzeichnen. Hier scheint zu wenig vorgegeben, die Verleugnung des Schicksalhaften und das Postulat, das Schicksal ‚in die eigenen Hände zu nehmen‘ und aktiv umgestalten zu müssen, führt in permanente Bedrohungsszenarien und Überforderungsgefühle – nicht zuletzt bei uns Psychotherapeuten (die im Text durchweg gebrauchte männliche Form ist lediglich der vereinfachten Schreibweise geschuldet). Die dritte Variante des Zusammenhangs zwischen Schicksal und Psychopathologie finden wir gleichermaßen in der Existenzphilosophie wie auch in der Analytischen Psychologie. Es ist die Feststellung, dass der Mensch dann beginnt, psychisch zu leiden, wenn er ‚sein‘ Schicksal nicht auf sich nehmen kann, wenn er also den Lebensweg, der sein ureigenster ist, nicht authentisch leben kann (oder will). Schicksal wäre hier nah am griechischen Schicksalsbegriff ananke, der v. a. ‚Notwendigkeit‘ meint (Horn und Rapp 2002), in unserem Fall die Notwendigkeit, aus dem Vorgegebenen sein Ureigenstes zu gestalten.