Zusammenfassung
Die „Fundamentalreflexion über die Verantwortung ärztlichen Tuns“ unter dem Titel „Warum der Samariter nicht nach der Krankenkasse des Überfallenen fragte“ fragt nach der Identität des modernen Medizinbetriebes und seiner Vertreter im Verhältnis des Arztes zum Patienten, beleuchtet die Semantik und Geschichte(n) zum Arzt-Sein, erläutert, was die Stoa uns heute über Verantwortungsreichweiten lehren kann, weist auf den Utilitarismus als Gefahr für die Arzt-Patientenbeziehung hin und begründet die ärztliche Ethik als essentialistische Verpflichtung zum Heilen.
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Notes
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Ich verdanke dieses feinsinnige Narrativ zur Kritik einer utilitaristischen Effizienzethik Herrn Prof. Dr. Franz-Josef Radermacher, der wohl für immer allen wirtschaftsethisch Suchenden die Augen geöffnet hat, dass Ziele und Methoden auch in rebus ethicis zwei verschiedene Kategorien sind, ja kontrafaktisch zueinander stehen können.
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Das Arzt-Patienten-Verhältnis ist eben die sittliche Beziehung, aus der heraus klar sein muss, dass der Arzt meine Gesundheit, die Linderung meines Leidens wollen muss. Begibt er sich dieser Verpflichtung, ist er kein Arzt mehr. Vgl. dazu Maio (2012, S. 387): „Ab dem Moment, da das medizinische Handeln nicht mehr primär von der Motivation zur Hilfe getragen ist, hat sich Medizin als Medizin aufgelöst.“
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Jüngere Forschung – anhand der Notizen zu Webers frei gehaltenem Vortrag vor den linksliberalen Studenten am 28. Jan. 1919 – zeigt jedoch, dass Weber sehr wohl die Verantwortungsethik (für den Politiker) präferiert: Tenschert (2008).
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In einer leider zu wenig bekannten Stelle (vgl. Summa theologica I–II, quaestio 19, articulus 10; nach Spaemann 2001a) erzählt der Kirchenlehrer Thomas von Aquin ein – wie man heute sagen würde – ethisches Dilemma: Die Häscher des Königs verfolgen einen Rechtsbrecher, der sich bei seiner Frau versteckt. Für unsere modernen „totalen“ Lösungsansprüche differenziert Thomas hier die Verantwortlichkeiten erstaunlich irritierend: Was soll die Frau tun? Sie ist – nach Thomas – für das private Wohl ihres Mannes verantwortlich und soll ihn verstecken. Was sollen die Staatsanwälte tun? Sie müssen dem Recht (dem öffentlichen Wohl) zur Geltung verhelfen. Und nun kommt die entscheidende Frage: Und welche Entscheidung hat eine höhere Verpflichtung? Welche Kriterien haben wir – nach Thomas von Aquin –, um zu klären, was das letztlich beste Handeln ist? Die Antwort des Kirchenlehrers verblüfft: Das weiß nur Gott allein. Hier wird ein moralischer Totalitätsanspruch infrage gestellt, der vermeintlich zu wissen glaubt, was das letzte Beste für alle ist. Thomas bleibt hier bescheiden. Da sich die ethische Verpflichtung aus konkreten sittlichen Verhältnissen ergibt, sollen wir nicht wissen wollen, was am Ende für alle gut ist. Das weiß nur Gott allein.
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So in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (GMS BA 77): „Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes , als Äquivalent, gesetzt werden; was dagegen über allen Preis erhaben ist, mithin kein Äquivalent verstattet, das hat eine Würde.“
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„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die Du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ (AA IV, S. 421).
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Siehe den Text auch im Internet unter: http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/Genf.pdf..
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Meier, U. (2015). Warum der Samariter nicht nach der Krankenkasse des Überfallenen fragte. In: Büssing, A., Surzykiewicz, J., Zimowski, H. (eds) Dem Gutes tun, der leidet. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-44279-1_7
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