Zusammenfassung
Das 2. Kapitel behandelt die individuelle Konsumnachfrage im intertemporalen Kontext. Die optimale intertemporale Konsumnachfrage wird sowohl bei endlichem und unendlichen Zeithorizont als auch unter Sicherheit und Unsicherheit analysiert, um die wesentlichen Einflussgrößen der individuellen Konsumnachfrage zu identifizieren. Da intertemporale Konsumwahlprobleme bei Unsicherheit nur in Ausnahmefällen analytisch lösbar sind, werden die wesentlichen Resultate durch numerische Beispiele illustriert. Der Anhang des Kapitels gibt zudem einen Einblick in das Verfahren der dynamischen Optimierung, das zur formalen und numerischen Analyse intertemporaler Entscheidungsprobleme verwendet werden kann.
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Notes
- 1.
Vgl. hierzu Mas-Colell et al. (1995, Chap. 20).
- 2.
Es könnte alternativ auch unterstellt werden, dass ein beschränkter Schuldenstand a T+1≥−A hinterlassen werden darf. In diesem Fall impliziert die Nichtsättigungsannahme dann, dass a T+1=−A gilt. Hier soll ausschließlich der ökonomisch nicht unplausible Fall betrachtet werden, in dem keine Schulden hinterlassen werden dürfen.
- 3.
Die Keynes-Ramsey-Bedingung wird in Abschn. 3.2 eingehender diskutiert.
- 4.
Die Bedingung \(\frac{u''(c) c}{u'(c)}=-\rho\) ist eine gewöhnliche Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten. Mit g(c)=u′(c) lässt sich diese folgendermaßen schreiben:
$$g'(c)=-\rho\frac{g(c)}{c} $$Die Lösungen dieser Differentialgleichung, das heißt die Menge aller Funktionen g(c), die dieser Gleichung genügen, sind gegeben durch g(c)=c −ρ K, wobei K eine beliebige Konstante ist. Sofern ρ≠1 gilt, liefert nochmalige Integration die Funktion \(G(c)=K \frac{1}{1-\rho}c^{1-\rho}\). Gilt dagegen ρ=1, liefert die Integration von g(c) die Funktion G(c)=Kln(c). Da die Konstante K bei Marginalbetrachtungen keine Rolle spielt, kann ohne Beschränkung der Allgemeinheit K=1 gesetzt werden.
- 5.
Alternativ kann dieses Resultat hergeleitet werden, indem beachtet wird, dass für μ(β,r,T) aus (2.8) gilt:
$$\lim_{T\to\infty} \mu(\beta,r,T)=\frac{1}{1-\beta} $$ - 6.
- 7.
Aggregiertes Risiko ist im Allgemeinen nicht mit der unten zu treffenden Annahme konstanter intertemporaler Preise vereinbar, kann aber prinzipiell in ähnlicher Form analysiert werden. In späteren Kapiteln wird aggregiertes Risiko explizit behandelt.
- 8.
Eine eingehende Diskussion dieser Bedingung findet sich bei Ljungqvist und Sargent (2004, Chap. 14).
- 9.
Damit wird angenommen, dass der Zustandsraum eindimensional ist. Die Verallgemeinerung auf mehrdimensionale Zustandsräume ist aber ohne Weiteres möglich.
- 10.
In der Tat weisen nahezu alle üblicherweise im ökonomischen Kontext betrachteten dynamischen Optimierungsprobleme eine Struktur wie (2.22) auf – oder lassen sich zumindest in eine solche transformieren –, so dass der letztgenannte Aspekt nicht bedeutsam ist.
Literatur
Deaton, A. 1993. Understanding consumption. Oxford: Oxford University Press.
Deaton, A., und J. Muellbauer. 1980. Economics and consumer behavior. New York: Cambridge University Press.
Friedman, M. 1957. A theory of the consumption function. Princeton: Princeton University Press.
Heer, B., und A. Maussner. 2005. Dynamic general equilibrium modelling: Computational methods and applications. Berlin: Springer.
Judd, K. 1998. Numerical methods in economics. Cambridge: MIT Press.
Ljungqvist, L., und T. Sargent. 2004. Recursive macroeconomic theory, 2. Aufl. Cambridge: MIT Press.
Mas-Colell, A., M. Whinston, und J. Green. 1995. Microeconomic theory. Oxford: Oxford University Press.
Modigliani, F., und R. Brumberg. 1954. Utility analysis and the consumption function: An interpretation of cross-section data. In Post-Keynesian economics, Hrsg. K. Kurihara, 388–436. New Brunswick: Rutgers University Press.
Sargent, T. J. 1987. Dynamic macroeconomic theory. Cambridge: Harvard University Press.
Stokey, N. L., und R. E. Lucas. 1989. Recursive methods in economic dynamics. Cambridge: Harvard University Press.
Sydsaeter, K., P. Hammond, A. Seierstad, und A. Strøm. 2005. Further mathematics for economic analysis. New York: Prentice Hall.
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Appendices
Anhang: Dynamische Programmierung
2.1.1 A.1 Dynamische Optimierungsprobleme
Die dynamischen Optimierungsprobleme, die in diesem und anderen Kapiteln analysiert werden, haben die folgende Struktur:
Hierbei ist v eine gegebene Funktion und 0≤β<1 ist ein Diskontierungsfaktor. Die Variable x t wird als Zustandsvariable bezeichnet – sie beschreibt den relevanten Zustand eines ökonomischen Systems zum Zeitpunkt t, wobei die Menge X⊆R den Zustandsraum dieses Systems darstellt.Footnote 9 Die zu treffenden ökonomischen Entscheidungen beeinflussen den künftigen Zustand des Systems, wobei die Korrespondenz Γ(x t )⊆X – für alle x t ∈X ist die Menge Γ(x t ) künftiger Zustände erreichbar – die Restriktionen dieser Entscheidung beschreibt. Schließlich ist der anfängliche Zustand durch x 0∈X gegeben. Das Optimierungsproblem besteht darin, die Folge der Zustände \(\{ x_{t} \}_{t=0}^{\infty}\) so zu bestimmen, dass die Zielfunktion maximiert wird.
Das in Abschn. 2.3.1 betrachtete Konsumwahlproblem kann mit a t =x t und mit y t =y für alle t folgendermaßen in einer zu (2.22) äquivalenten Form notiert werden:
Damit (2.22) ein wohlformuliertes Problem darstellt muss zunächst sichergestellt sein, dass das unterstellte Maximum auch tatsächlich existiert. Die hierfür erforderlichen Annahmen werden von Stokey und Lucas (1989, Chap. 4) eingehend diskutiert. Ohne darauf hier näher einzugehen, soll im Weiteren folgendes angenommen werden:
-
(1)
Die Funktion v(x t ,x t+1) ist für alle x t ∈X und x t+1∈Γ(x t ) stetig und beschränkt.
-
(2)
X ist konvex und die Korrespondenz Γ(x) ist nichtleer, stetig und kompakt.
Unter diesen Annahmen existiert eine Folge \(\{x^{*}_{t} \} _{t=0}^{\infty}\), die die Zielfunktion unter den zu beachtenden Restriktionen maximiert und J(x 0) ist der für alle x 0∈X maximal erreichbare Lebensnutzen bzw. die Wertefunktion. Für diese optimale Folge gilt dann (wobei \(x^{*}_{0}=x_{0}\)):
Da \(J(x^{*}_{0})\) den Lebensnutzen maximiert, erfüllt die Wertefunktion J(x) die Funktionalgleichung
Da dieser Zusammenhang für alle Anfangswerte x 0∈X gilt, kann diese Funktionalgleichung auch folgendermaßen notiert werden:
Gleichung (2.24) ist die Bellman-Gleichung des dynamischen Optimierungsproblems (2.22). Unter den oben getroffenen Annahmen hat diese Bellman-Gleichung eine eindeutige Lösung. Die Lösung des in (2.24) formulierten Optimierungsproblems kann für alle x∈X dann durch eine Funktion x′=g(x) ausgedrückt werden. Diese Funktion g(x) wird auch als Politikfunktion bezeichnet, weil sie den ausgehend vom Zustand x für die nächste Periode anzustrebenden Zustand x′=g(x) beschreibt, der durch eine entsprechende Politik (z. B. Konsum) herbeizuführen ist. Für diese Politikfunktion gilt demnach:
Die hier zu betrachtenden dynamischen Optimierungsprobleme lassen sich daher auf die Suche nach der Wertefunktion bzw. der Politikfunktion reduzieren, sofern sie eine geeignete Struktur aufweisen.Footnote 10 Problematischer ist dagegen das Finden einer Wertefunktion bzw. Politikfunktion, da bisher ja lediglich deren Existenz sichergestellt wurde.
Zunächst kann die Lösung eines dynamischen Optimierungsproblems das mit Hilfe einer Bellman-Gleichung formuliert wird, wie üblich auch durch Euler-Gleichungen charakterisiert werden. Dazu wird zunächst notwendige Bedingung für das in (2.24) formulierte Optimierungsproblem betrachtet:
Aus dem Umhüllendentheorem folgt zudem, dass:
Einsetzen in die notwendige Bedingung (2.25) liefert dann die Euler-Gleichung:
Betrachten wir zur Illustration wieder das Konsumwahlproblem aus Abschn. 2.3.1. Die Bellman-Gleichung lautet in diesem Fall:
Die sich daraus ergebende Euler-Gleichung lautet:
und ist äquivalent zu der oben im Text betrachteten Euler-Gleichung.
Lösungen der Bellman-Gleichung können manchmal, wie in Abschn. 2.3.3 dargestellt, durch Probieren (Methode der unbestimmten Koeffizienten) gefunden werden. Im Allgemeinen lassen sich geschlossene analytische Lösungen der Bellman-Gleichung jedoch nicht ermitteln. Allerdings kann gezeigt werden, dass sich die Lösung J(x) der Bellman-Gleichung (2.24) ausgehend von einer beliebigen Funktion J 0(x) für n→∞ aus der folgenden Iteration ergibt:
Dieses Resultat kann genutzt werden, um konkret spezifizierte dynamisch Optimierungsprobleme numerisch mit Hilfe des Computers zu lösen. Im nachfolgenden Abschnitt wird kurz dargestellt, wie dabei vorgegangen werden kann. Neben dieser Nutzung bei der numerischen Lösung von Optimierungsproblemen ist die Bellman-Gleichung auch hilfreich, wenn stochastische dynamische Optimierungsprobleme analysiert werden sollen, da sich durch deren rekursive Struktur – wie in Abschn. 2.4.2 gezeigt – der formale Aufwand erheblich reduziert.
2.1.2 A.2 Numerische Lösung eines dynamischen Optimierungsproblems
Das oben betrachtete deterministische Optimierungsproblem (2.22) kann numerisch durch die folgende iterative Prozedur gelöst werden:
-
1.
Es wird eine diskrete Menge möglicher Vermögenswerte X=[x 0,x 1,…,x n ] unterstellt. Hierbei gilt x 0=−A und x n wird (möglicherweise iterativ) so bestimmt, dass diese Obergrenze niemals erreicht wird.
-
2.
Es wird eine anfängliche Wertefunktion J 0(x) spezifiziert (eine mögliche Wahl ist J 0(x)=u(x)).
-
3.
Ausgehend von J 0(x) wird das Optimierungsproblem
$$\max_{-A\leq x'\leq(1+r)(x+y)} u\bigl(x-x'/(1+r)\bigr)+\beta J_0\bigl(x'\bigr) $$für alle x∈X gelöst. Hierzu können existierende numerische Optimierungsroutinen genutzt werden. Die Lösung wird mit \(x'=\tilde{g}(x)\) bezeichnet. Als Ergebnis erhält man für alle x∈A die Werte \(u(x-\tilde{g}(x)/(1+r))+\beta J(\tilde{g}(x))\).
-
4.
Aus diesen Werten kann eine für beliebige −A≤x≤x n definierte Funktion z. B. durch lineare Interpolation gewonnen werden. Auch hierfür können existierende Routinen genutzt werden. Die daraus resultierende Funktion wird mit J 1(x) bezeichnet.
-
5.
Üblicherweise wird J 0(x)≠J 1(x) gelten (als Abstandsmaß zwischen den Funktionen kann z. B. |J 0(x)−J 1(x)| verwendet werden). In diesem Fall wird J 0(x)=J 1(x) gesetzt und die Prozedur ausgehend von Schritt 3 wiederholt, bis die Konvergenz der Wertefunktion hinreichend gut (d. h. bis |J 0(x)−J 1(x)|<ε, wobei ε ein vorgegebenes Konvergenzkriterium ist) ist.
-
6.
Aus der letzten Iteration folgen dann eine Wertefunktion J(x) und eine (ebenfalls durch lineare Interpolation aus den Werten \(\tilde{g}(x)\) gewonnene) Politikfunktion g(x), die die approximative Lösung des Optimierungsproblems darstellen.
Übungsaufgaben
2.1
Zeigen Sie, dass bei additiv separabler Nutzenfunktion \(V=\sum_{t=0}^{\infty} \beta^{t} u(c_{t})\) die intertemporale Substitutionselastizität des Konsums durch \(\sigma=-\frac {u'(c_{t+1})}{c_{t+1} u''(c_{t+1})}\) gegeben ist.
2.2
Erläutern Sie die Keynes-Ramsey-Regel für den optimalen Konsumpfad. Inwiefern werden die Eigenschaften des optimalen Konsumpfades durch den Realzins und die Zeitpräferenzrate der Wirtschaftssubjekte beeinflusst?
2.3
Erläutern Sie die Bedeutung der permanenten Einkommenshypothese für die Größenordnung des Ihnen aus dem keynesianischen Makromodell bekannten Einkommensmultiplikators.
2.4
Wie begründet die permanente Einkommenshypothese, dass der Konsum auf dauerhafte Einkommensänderungen stärker reagiert als auf transitorische Einkommensänderungen?
2.5
Ein Haushalt plant sein Konsumprofil über die Perioden t=0,1,…,T. In den Perioden t=0,1,…,T R mit T R <T bezieht er jeweils das Einkommen y>0. Für t=T R+1,…,T wird kein Einkommen bezogen. Es gilt β=1/R und die Periodennutzenfunktion des Haushalts ist u(c t )=lnc t .
-
(a)
Formulieren Sie das intertemporale Optimierungsproblem des Haushalts und ermitteln Sie das optimale Konsumprofil.
-
(b)
Skizzieren Sie den Zeitpfad des Vermögens des Haushalts, der sich bei diesem optimalen Konsumprofil ausgehend von a 0=0 ergibt.
2.6
Betrachten Sie das folgende intertemporale Konsumwahlproblem:
-
(a)
Formulieren Sie die Bellman-Gleichung für das hier dargestellte Optimierungsproblem, indem Sie das Vermögen a als Zustandsvariable verwenden.
-
(b)
Unterstellen Sie, dass u(c)=ln(c) gilt. Zeigen Sie, dass die Wertefunktion V(a)=γln(a)+δ – mit zu bestimmenden Koeffizienten γ und δ – die durch die Bellman-Gleichung gegebene Funktionalgleichung löst. Zeigen Sie auch, dass die resultierende Konsumfunktion die Form c=κa hat.
2.7
Betrachten Sie ein Individuum mit dem Anfangsvermögen a 0=0,5, das seinen intertemporalen Konsum über 5 Perioden (t=0,1,…,4) plant. Die Periodennutzenfunktion hat die Form u(c t )=lnc t und es gilt β=0,9 sowie R=1,05. Der Haushalt bezieht in jeder Periode ein identisches Arbeitseinkommen y t =5.
-
(a)
Bestimmen Sie den optimalen Konsumplan des Individuums und leiten Sie daraus den Zeitpfad des Vermögen a t für t=1,…,4 her.
-
(b)
Unterstellen nun, dass das Einkommen des Individuums folgendermaßen gegeben ist:
$$y_t= \begin{cases}2, &t=1,3 \\ 6{,}99604,&t=0,2,4 \end{cases} $$Bestimmen Sie wiederum den optimalen Konsumplan des Individuums und leiten Sie daraus den Zeitpfad des Vermögen a t für t=1,…,4 her. Vergleichen Sie diesen Zeitpfad mit dem unter a) ermittelten Pfad für a t
-
(c)
Welche maximale anfängliche Verschuldung des Individuums ist zulässig? In welcher Relation steht diese Verschuldungsgrenze zum laufenden Einkommen des Haushalts?
2.8
Betrachten Sie ein Wirtschaftssubjekt mit der Periodennutzenfunktion \(u(c_{t})=1- e^{-\rho c_{t}}\), wobei ρ>0 (CARA-Nutzenfunktion)
-
(a)
Zeigen Sie, dass diese Periodennutzenfunktion für ρ>0 die „üblichen“ neoklassischen Eigenschaften besitzt. Was gilt für den Grenznutzen des Konsum im Fall c t →0?
-
(b)
Unterstellen Sie β=0,9, R=1,15 und ρ=0,2. Nehmen Sie des weiteren an, das Individuum plane seinen intertemporal optimalen Konsum über 5 Perioden t=0,1,…,4, beziehe in jeder Periode ein identisches Einkommen y t =2 und verfüge über ein Anfangsvermögen A 0=−7. Bestimmen Sie den optimalen intertemporalen Konsumplan (Hinweis: Beachten Sie die Nichtnegativitätsbedingung).
-
(c)
Welches Anfangsvermögen muss mindestens gegeben sein, damit der Haushalt einen Konsumpfad wählt, für den tatsächlich c t >0 für alle t gilt?
2.9
Die Präferenzen eines Haushalts werden durch die Periodennutzenfunktion u(c t )=ln(c t ) beschrieben. Der Haushalt verfügt in t=0 über keinerlei Anfangsvermögen (a 0=0) und bezieht in den Perioden t=0,1,… ein zyklisch schwankendes Einkommen:
Für den Zinssatz r gilt, dass (1+r)=1/β. Bestimmen Sie den optimalen intertemporalen Konsumplan des Haushalt für den Fall y=10 und a=0,5 sowie β=0,9. Welcher Zeitpfad des Vermögens a t+1 ergibt sich für t=1,2,…?
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Heinemann, M. (2015). Intertemporale Konsumnachfrage. In: Dynamische Makroökonomik. Springer Gabler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-44156-5_2
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