Skip to main content

Modernisierung und Algebraisierung: Von der Zeitschrift- zur Handbuchwissenschaft

  • Chapter
  • First Online:
Book cover Emmy Noether, die Noether-Schule und die moderne Algebra

Part of the book series: Mathematik im Kontext ((Mathem.Kontext))

  • 1579 Accesses

Zusammenfassung

Die moderne Algebra kann als ein kultureller Aufbruch verstanden werden, die Noether-Schule als Teil einer kulturellen Bewegung zur Algebraisierung der Mathematik. Als ein Denkraum zur Entwicklung neuer Auffassungen und Methoden wirkte die Noether-Schule über die Algebra hinaus in andere Disziplinen wie etwa Geometrie, Topologie oder Zahlentheorie hinein. Dabei fanden begriffliche Verschiebungen statt. In Bezug auf die Algebra wurden die Auffassungen Noethers als modern oder abstrakt in Abgrenzung zu dem Herkömmlichen oder Konkreten der bis dato üblichen algebraischen Herangehensweise bezeichnet. Von algebraischer Geometrie oder algebraischer Zahlentheorie ist schon vor Noether gesprochen worden. In der Überführung ihrer begrifflichen Auffassungen und Methoden in diese und andere Gebiete aber wurde die moderne Algebra mit Algebra gleichgesetzt und algebraisch zur Beschreibung dieser Auffassungen und der Neukonzeption alter Forschungsgebiete verwendet.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 59.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 74.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    Ausführlich ist die Rolle des Springer-Verlags für die Göttinger Mathematiker/innen in Remmert, Schneider 2010, S. 46 ff. dargestellt.

  2. 2.

    Mit der Formulierung „inhaltsleeres Spiel mit Formeln“ scheint Hasses Vortrag auch eine Replik auf Positionen, wie etwa Weyl sie vertrat, zu sein (Weyl 1924, zitiert nach Mehrtens 1990, S. 294).

  3. 3.

    Hierzu gehören etwa Meyberg 1974 und Kowalsky 2003, die sich in ihrer äußerst knappen Darstellungsstruktur von Definition, Satz, Beweis nicht unterscheiden.

  4. 4.

    Erste Überlegungen hierzu wurden 1999 anläßlich eines Vortrags „Emmy Noether, die Noether-Schule und die ‚Moderne Algebra‘ “ vorgestellt (Koreuber 2001).

  5. 5.

    So nutzte etwa Mac Lane, der sich noch 1930 als Student in Yale auf Empfehlung Ores mit Otto Haupts Buch „Einführung in die Algebra“ in algebraische Fragestellungen eingearbeitet hatte, für seine Lehrveranstaltungen in Harvard 1935 die „Moderne Algebra“ (Mac Lane 1988, S. 324). Der Mathematiker Paul Halmos erinnerte sich in seiner Autobiografie an den Unterricht bei Hazlett Mitte der 1930er Jahre: „Algebra was taught by Olive Hazlett who was, by our lights, a famous and important mathematician: she published papers and she taught advanced courses … Hazlett’s cours was based mainly on the first volume of van der Waerden, with, of course, some deletions and additions.“ (Halmos 1985, S. 45). Auch über Tsen wird berichtet, dass er die moderne Algebra anhand des Buchs von van der Waerden unterrichtete (Lorenz 1999, S. 114). Gleiches mag auch für Japan vor Erscheinen des Buchs „Abstract Algebra“ von Shoda gegolten haben (Shoda 1932).

  6. 6.

    Vgl. zur Biografie van der Waerdens Schneider 2012, S. 69 ff., 109 ff., 135 ff.

  7. 7.

    Vgl. zu den intuitionistischen Positionen im Grundlagenstreit Mehrtens 1990, S. 187−191.

  8. 8.

    Van der Waerden beschrieb in „Meine Göttinger Lehrjahre“ ausführlich die Rolle, die Noether bei der Entwicklung der neueren algebraischen Geometrie gespielt hatte, deren Grundlegung seine Doktorarbeit war (van der Waerden 1979).

  9. 9.

    Vgl. auch van der Waerden 1975, S. 28.

  10. 10.

    Vgl. Neugebauer 1930, S. 2.

  11. 11.

    Weber promovierte 1928 bei Noether und habilitierte bei ihr drei Jahre später ebenfalls zu einem algebraischen Thema.

  12. 12.

    Noch sprach van der Waerden von der Theorie der hyperkomplexen Zahlen, und nur an einer Stelle im Buch verwendete er den Begriff Algebren (van der Waerden 1930, S. 149).

  13. 13.

    Hilbert schrieb: „Wir denken drei verschiedene Systeme von Dingen“ und entwickelte an diesen Systemen von Dingen die Axiome der Geometrie und zugleich die Bedeutung, die er axiomatischem Arbeiten zuwies (Hilbert 1899, S. 4). Vgl. auch Mehrtens 1990, S. 144 ff.

  14. 14.

    Mehrtens etwa weist auf die Bedeutung der „Moderne[n] Algebra“ im Kontext der „Entstehung der Verbandstheorie“ hin, die die abstrakte Konzeption des Verbandsbegriffs befördert habe (Mehrtens 1979a, S. 144−158).

  15. 15.

    Vgl. hierzu Trettin 1991, S. 63 ff. Käthe Trettins Untersuchungen der Strichsymbolik Freges, entwickelt in seiner „Begriffsschrift. Eine der arithmetischen nachgebildete Formelsprache des reinen Denkens“ (Frege 1879), sind über ihren Gegenstand hinaus im Hinblick auf ein tieferes, wissenschaftstheoretisches Verständnis mathematischer Notationen sehr instruktiv.

  16. 16.

    Es sind einige wenige Änderungen gegenüber der ersten Auflage vorgenommen worden, die für die obigen Überlegungen keine Rolle spielen. Vgl. hierzu und zur Rezeption der „Moderne[n] ­Algebra“ in Deutschland nach 1933 Siegmund-Schultze 2011.

  17. 17.

    Vgl. Jentsch 1986, S. 11.

  18. 18.

    Doch gab es in den 1950er Jahren weiterhin sehr kritische Positionen. Anders als Brandt hatte etwa Siegel die modernen Entwicklungen in der Algebra nicht akzeptiert. Er äußerte sich gegenüber Weil in einem Brief: „Es ist mir völlig klar, welche Umstände des allmählichen Absinkens der Mathematik von ihrem hohen Niveau innerhalb von etwa 100 Jahren bis zu dem heutigen hoffnungslosen Tiefstand bewirkt haben. Die Entartung begann mit den Ideen von Riemann, Dedekind und ­Cantor, durch die dann der solide Geist von Euler, Lagrange und Gauß mehr und mehr zurückgedrängt wurde. Durch die Einwirkung von Lehrbüchern im Stile von Hasse, Schreier und van der Waerden wurde späterhin der Nachwuchs schon empfindlich geschädigt, und das Werk von Bourbaki versetzte ihm endlich den Todesstoß.“ (Siegel an Weil 1. 6. 1959, zitiert nach Grauert 1994, S. 218 f.)

  19. 19.

    Die Vorlesung ist in dem Buch „Emmy Noether. Gesammelte Abhandlungen“ 1983 publiziert worden (Noether 1929).

  20. 20.

    In den Promotionsakten der Doktorand/inn/en Noethers sind in der Regel die Prüfungsprotokolle vorhanden, aus denen Schwerpunkte und Komplexität der gestellten Fragen hervorgehen.

  21. 21.

    Vgl. Mehrtens 1987, Siegmund-Schultze 2011 sowie die Korrespondenz zwischen Hasse und Kapferer, wie sie im ersten Kapitel vorgestellt wurde.

  22. 22.

    Auch Noether hatte bereits 1934 einen Konflikt mit Tornier, der ihr den Zugang zur mathematischen Bibliothek nur als auswärtiger Gelehrten gestattete, wie sie mit deutlich durchklingender Empörung im Juni 1934 während ihres Besuchs in Göttingen an Hasse schrieb (Noether an Hasse 21. 6. 1936). Vgl. auch Lemmermeyer, Roquette 2006, S. 210.

  23. 23.

    Die Unklarheit über den genauen Titel der Reihe in Noethers Brief erklärt sich aus der Tatsache heraus, dass diese Reihe des Springer-Verlags gerade gestaltet worden war und in Verbindung mit dem ebenfalls gerade konzipierten „Zentralblatt für Mathematik“ stand.

  24. 24.

    Wie kritisch das Buch Dicksons im Kontext der modernen Algebra diskutiert wurde, zeigte bereits sehr deutlich eine Rezension Hasses, die ausführlich im dritten Kapitel vorgestellt wurde. Auch Deurings Bemerkung ist nichts anderes als die klare Aussage, dass das Buch Dicksons überholt ist.

  25. 25.

    Der Springer-Verlag hatte früh begonnen, für seine Reihe und auch für diesen Bericht zu werben. So wird etwa in einer Anzeige eines 1932 vom Springer-Verlag herausgegebenen Buchs auf die ersten fünf bereits erschienenen Hefte verwiesen und im weiteren Verlauf sowohl die „Idealtheorie“ von Krull als auch Deurings „Hyperkomplexe Größen“ genannt (Alexandroff 1932, S. 49).

  26. 26.

    Diese doppelte Vertragsüberschreitung in Zeit und Umfang bedurfte der persönlichen Genehmigung durch Ferdinand Springer, Enkel des Verlagsgründers Julius Springer. Vgl. Lemmermeyer, Roquette 2006, S. 127.

  27. 27.

    Taussky schrieb in ihren Erinnerungen: „I know that she [Noether] was busy giving Deuring advice on his Ergebnisse volume entitled Algbren“ (Taussky 1981, S. 90).

  28. 28.

    Vgl. Remmert, Schneider 2010, S. 38 ff.

  29. 29.

    Eine Ergänzung und gedacht für die Ausbildung noch nicht graduierter Mathematikstudierender ist das Buch der Doktorandin Noethers in Bryn Mawr, Weiss, die 1949 „Higher Algebra for the Undergraduate“ veröffentlichte (Weiss 1949).

  30. 30.

    Lemmermeyer und Roquette sehen in dieser doppelten Auftragsvergabe nur eine Kuriosität (Lemmermeyer und Roquette 2006, S. 127). Das scheint mir angesichts des Ringens um die Begrifflichkeiten und damit auch um die Definitionshoheit für dieses Forschungsfeld zu kurz gegriffen.

  31. 31.

    Vgl. Mehrtens 1979, Edwards 1980 und Haubrich 1992.

  32. 32.

    Vgl. zu Dedekinds methodischen Ansätzen Mehrtens 1979, Haubrich 1992 und Corry 2004, S. 64−129.

  33. 33.

    Insbesondere das Supplement XI wurde von Noether in ihren Lehrveranstaltungen intensiv erörtert und bildet den Hintergrund ihrer vielfach zitierten Äußerung, es stehe alles bereits bei Dedekind.

  34. 34.

    Viele japanische Zeitschriften waren deutschsprachig, sodass es für Krull unproblematisch war, die dortigen Entwicklungen zur Kenntnis zu nehmen. Den in Osteuropa auf Russisch geführten Diskurs zur Idealtheorie hatte Krull aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nicht mit einbeziehen können. So sind nur auf Deutsch verfasste Arbeiten russischer Mathematiker aufgeführt.

  35. 35.

    Das von Noether spontan gewählte „Du“ als Anrede war ungewöhnlich und ebenfalls Ausdruck ihrer freundschaftlichen Zuneigung.

  36. 36.

    Hirzebruch bezog sich hier auf die Note „Ableitung der Elementarteilertheorie aus der Gruppentheorie“ (Noether 1926).

  37. 37.

    Ein stärker auf die mathematische Entwicklung hin orientierter Artikel zur Bedeutung Noethers für die Entwicklung der Topologie ist der Aufsatz von Colin McLarty „Emmy Noether’s ‚Set Theoretic‘ Topology: From Dedekind to the Rise of Functor“, der, in die mathematischen Details gehend, eine Entwicklungslinie von Dedekind über Noether bis zu Mac Lane zieht (McLarty 2006). Auch Mac Lane selbst, auf den u. a. der Begriff des Functors zurückgeht, äußerte sich über die Entwicklung der algebraischen Topologie (Mac Lane 1986). Vgl. auch Volkerts Anmerkungen zur Algebraisierung der Topologie in seinen Untersuchungen „Das Homöomorphismusproblem insbesondere der 3-Mannigfaltigkeiten in der Topologie 1892–1935“, der auf die Bedeutung van der Waerdens in diesem Kontext verweist (Volkert 2002, S. 283–296), sowie Hirzebruch 1999.

  38. 38.

    Tatsächlich lautet der Titel „Topologie I“ und auf dem Deckblatt werden die Inhalte des ersten Bandes in Stichworten genannt: „Erster Band: Grundbegriffe der mengentheoretischen Topologie – Topologie der Komplexe – topologische Invarianzsätze und abschließende Begriffsbildungen – Verschlingung im n-dimensionalen – stetige Abbildungen von Polyedern“ (Alexandroff, Hopf 1935, S. IV). Da die geplanten weiteren zwei Bände nicht geschrieben wurden, wird in den meisten Literaturangaben der Titel auf „Topologie“ verkürzt.

  39. 39.

    Diese Formulierung eines gestandenen Topologen, „Topologie lernen zu müssen“, ist nur im Kontext der neuen, algebraischen Entwicklungen in diesem Forschungsfeld zu verstehen, worauf auch Scholz in seinem Aufsatz „Hausdorffs Blick auf die entstehende algebraische Topologie“ verweist (Scholz 2008, S. 870).

  40. 40.

    Zwar war es auch die Absicht des 1934 erschienenen „Lehrbuch[s] der Topologie“ von Herbert Seifert und William Threlfall, „einen Überblick über die zur Zeit in Blüte stehende Disziplin der Topologie“ zu geben und dies aus einer algebraischer Perspektive, wovon auch der Verweis auf die Unterstützung van der Waerdens zeugt (Seifert, Threlfall 1934 S. IIIf.), doch war damit nicht der Anspruch verbunden, eine grundlegend neue, den modernen Auffassungen verpflichtete Darstellung zu präsentieren. Zu Seiferts und Threlfalls Beitrag zur dreidimensionalen Topologie vgl. Volkert 2000.

  41. 41.

    Diese Phasen sind durch persönliche und fachliche Kontakte eng miteinander verwoben. Mitglieder der Bourbaki-Gruppe hatten bei Noether studiert. Alexander Grothendieck gehörte ebenso wie Samuel Eilenberg, Mitbegründer der Kategorientheorie, der zweiten Bourbaki-Generation an.

  42. 42.

    Veröffentlichungen wie etwa Joseph Goguens Streitschrift für die Kategorientheorie mit seinem provokanten Titel „A categorical manifesto. Mathematical Structures“ zeigen, dass die Diskussion über die Relevanz der Kategorientheorie in der Mathematik und in der ihr eng verbundenen theoretischen Informatik auch 20 Jahre nach Erscheinen des Buchs noch intensiv geführt wurde (Goguen 1991). Zur Geschichte der Kategorientheorie als mathematischem Konzept, als „Tool and Object“ vgl. auch Krömer 2007.

  43. 43.

    Zu Ores Bedeutung für die Entwicklung eines strukturellen Zugangs in der Mathematik vgl. Corry 2004, S. 259–288.

  44. 44.

    Die Ergebnisse dieses und des folgenden Unterkapitels basieren auf einem in Kooperation mit dem Kategorientheoretiker Martin Große-Rhode verfassten Aufsatz (Koreuber, Große-Rhode 1998).

  45. 45.

    Vgl. Corry 2004, S. 345 ff.

  46. 46.

    Corry diskutiert das Verhältnis von Kategorientheorie und Wissensvorstellungen in der Mathematik ausführlich in seinem Buch „Modern Algebra and the Rise of Mathematical Structures“ (Corry 2004, S. 381 ff.).

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Mechthild Koreuber .

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2015 Springer-Verlag Berlin Heidelberg

About this chapter

Cite this chapter

Koreuber, M. (2015). Modernisierung und Algebraisierung: Von der Zeitschrift- zur Handbuchwissenschaft. In: Emmy Noether, die Noether-Schule und die moderne Algebra. Mathematik im Kontext. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-44150-3_5

Download citation

Publish with us

Policies and ethics