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Part of the book series: Mathematik im Kontext ((Mathem.Kontext))

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Zusammenfassung

Was aber waren Noethers Auffassungen von Mathematik, und was waren ihre Methoden? Mit der tradierten, etwa durch Weyls Nachruf eingeübten Fokussierung der Analyse ihres mathematischen Wirkens auf die Algebra als Forschungsgebiet und der Axiomatik als methodischem Ansatz geht eine Einengung einher, die den Blick für andere Lesarten verstellt. „Begriffliche Mathematik“ nannte Alexandroff in seiner Gedenkrede zu Ehren Noethers im September 1935 die von ihr vertretene Auffassung. Das Wort begrifflich ist in der Mathematik anders als beispielsweise in der Philosophie relativ unbelastet von theoretischen Auseinandersetzungen, vermutlich, da es auch nach seiner Prägung durch Alexandroff kaum Verwendung fand, ein Umstand, der sich für dieses Vorhaben als Vorteil erweist. Mit einer Untersuchungsstruktur von Auffassung und Methode ist es möglich, zu einem tieferen Verständnis der Arbeiten Noethers zu gelangen, ihr Wirken als Lehrende genauer in den Blick zu nehmen und die Anonymität ihres Einflusses aufzuheben.

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Notes

  1. 1.

    Vgl. Weyl 1935, S. 214.

  2. 2.

    So ist etwa in der im ersten Kapitel zitierten Petition ihrer Studierenden und Doktorand/inn/en von der „begrifflich inhaltlichen Methode“ Noethers die Rede (Bannow et al. 1933).

  3. 3.

    Erste Überlegungen hierzu und zum dialogischen Schreiben Noethers sind in dem Vortrag „Möglichkeiten und Grenzen der Kategorie Geschlecht. Zur Dialogizität in den mathematischen Texten Emmy Noethers.“ vorgestellt worden (Koreuber, Krause 2003). Das Anliegen des gemeinsamen Arbeitens war es, das wissenschaftstheoretische Lesen von Texten Noethers mit einer mathematischen Lesart, vertreten durch den Algebraiker Henning Krause, zu kontrastieren.

  4. 4.

    Vgl. Hilbert 1897.

  5. 5.

    Vgl. Steinitz 1909.

  6. 6.

    Cassirer setzt auch hier, indem er sich u. a. auf die zahlentheoretischen Konzepte Giuseppe Peanos und Dedekinds bezog, moderne Entwicklungen in der Mathematik mit Mathematik in ihrer Gesamtheit gleich.

  7. 7.

    Auf die Entwicklung der mathematischen Bezeichnung Ideal als einem von Dedekind geschaffenen Begriff wird im fünften Kapitel in einem historischen Exkurs ausführlicher eingegangen werden.

  8. 8.

    Die Definition geht auf Fraenkels Habilitationsschrift (vgl. Fraenkel 1916, S. 143) zurück und wurde von Noether abstrakt formuliert. Bedenkt man, dass Fraenkel einer der Begründer der abstrakten Mengenlehre war, so zeigt sich die Nähe dieser Denkrichtungen.

  9. 9.

    In seinem 1992 erschienenen Buch „Experiment. Differenz. Schrift. Zur Geschichte epistemischer Dinge“ entwickelt Rheinberger ein erkenntnistheoretisches Konzept, dessen Grundlage die Experimentalstruktur der empirischen Wissenschaften ist, doch lassen sich seine zentralen Begriffe „epistemisches Ding“ und „technologisches Objekt“ (Rheinberger 1992, S. 67 ff.), wie die vorliegende Untersuchung zeigt, auch für die Analyse mathematischer Entwicklungen nutzen.

  10. 10.

    Die zu ihrer Zeit nicht selbstverständliche Verwendung der Axiomatik als Arbeitstechnik mag die Ursache der Charakterisierung Noether’scher Mathematik als axiomatisch sein, wie sie etwa von Weyl in seinem Nachruf vorgenommen wurde (vgl. Weyl 1935, S. 214) und sich in biografischen Arbeiten wiederfindet (vgl. Dick 1970, Kimberling 1981 und, in Ansätzen, in Tollmien 1990 und McLarty 2006).

  11. 11.

    Dieser texttheoretische Begriff wurde von Bachtin in den 1930er Jahren entwickelt und von ihm auf literarische Texte bezogen gedacht (vgl. Bachtin 1934/35, S. 154).

  12. 12.

    Vgl. Wußing 1969, S. 171 ff.

  13. 13.

    Fleck, dessen wissenschaftstheoretisches Konzept im nächsten Kapitel genauer vorstellen wird, spricht vom „unmittelbare[n] Gestaltsehen“ als Fähigkeit des Wissenschaftlers, erworben durch ein „Erfahrensein in dem bestimmten Denkgebiete“ (Fleck 1935, S. 121). Für die Mathematik bedeutet die Herstellung der Multiperspektivität auf einen Begriff, seine „Gestalt“ zu erzeugen.

  14. 14.

    Vgl. Einstein an Hilbert 27. 12. 1918.

  15. 15.

    Vgl. Martínez 1996, S. 433.

  16. 16.

    Multiperspektivität bekam, wie im fünften Kapitel skizziert, als methodisches Konzept in der im Anschluss auch an Noether durch Saunders Mac Lane und andere begründeten mathematischen Disziplin der Kategorientheorie seine formalisierte Gestalt.

  17. 17.

    Berühmte über die Disziplin Mathematik hinaus bekannte Beispiele sind der Gödel’sche Unvollständigkeitssatz, den Douglas Hofstadter mit „Gödel, Escher, Bach“ (Hofstadter 1985) einem breiten Publikum zugänglich machte, und die Fermat’sche Vermutung, deren nach rund 350 Jahren mathematischer Forschungstätigkeit erfolgter Beweis sogar die Tagespresse erreichte (vgl. Singh 2000). Über die Bedeutung des Konsenses in der mathematischen Forschungspraxis vgl. Heintz 2000, S. 233 ff.

  18. 18.

    Die Mathematikerin Helga Königsdorf greift dieses Thema in ihrem Essay „Der unangemessene Aufstand des Zahlographen Karl-Egon Kuller“ auf (vgl. Königsdorf 1990).

  19. 19.

    Vgl. Noether an Hasse 3. 6./Juni ohne Datumsangabe/7. 6./14. 6./16. 6. 1932.

  20. 20.

    Dabei ist unter hyperkomplexer Methode ein Vorgehen zu verstehen, das aus der begrifflichen Auffassung abgeleitet wird und sich auf den Begriff ‚hyperkomplexes System‘ (später Algebra genannt) als eine allgemeine algebraische Struktur stützt.

  21. 21.

    Corry kommt in seiner Untersuchung zu ähnlichen Ergebnissen, ohne allerdings einen Zusammenhang zum begrifflichen Denken herzustellen: „Of course, this sentence maybe understood in a vague, informal sense, but it is interesting that this is the only place where the word structure appears, and it denotes an aspect of the inner arrangement and, in particular, the inclusion properties of the ideals in a given ring.“ (Corry 2004, S. 235)

  22. 22.

    Wie auch der gemeinsamen mit Brauer und Hasse verfasste Aufsatz zeigt, interessierte sich Noether zu dieser Zeit intensiv für die „Strukturtheorie der Algebren“ (Hasse et al. 1932, S. 399).

  23. 23.

    Elkana entwickelte dieses Konzept in seinem 1986 publizierten Buch „Anthropologie der Erkenntnis. Die Entwicklung des Wissens als episches Theater einer listigen Vernunft“, doch scheint er, betrachtet man seine historischen Fallstudien, sich ebenso wie Rheinberger und Fleck auf die Naturwissenschaften zu beschränken, die Mathematik nicht mitzudenken (Elkana 1986).

  24. 24.

    Doch ist der reflexive Charakter der Mathematik beschränkt, in dem alle kritische Reflexion, die nicht Mathematik wird, auch keinen Ort in der Disziplin Mathematik hat.

  25. 25.

    Vgl. hierzu van der Waerdens „Nachwort zu Hilberts algebraischen Arbeiten“ (van der Waerden 1933, S. 402).

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© 2015 Springer-Verlag Berlin Heidelberg

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Koreuber, M. (2015). Begriffliche Mathematik. In: Emmy Noether, die Noether-Schule und die moderne Algebra. Mathematik im Kontext. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-44150-3_2

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