Zusammenfassung
Wie wir in der Zeit ein streng punktuelles Jetzt gesetzt haben, so setzen wir in der kontinuierlichen räumlichen Ausbreitung, die ebenfalls unendlicher Teilung fähig ist, als letztes einfaches Element ein exaktes Hier, den Raumpunkt. Der Raum ist nicht wie die Zeit ein eindimensionales Kontinuum, die Art seines kontinuierlichen Ausgebreitetseins läßt sich nicht auf das einfache Verhältnis von früher und später zurückführen ; wir lassen dahingestellt, in was für Relationen diese Kontinuität begrifflich zu erfassen ist. Hingegen ist der Raum wie die Zeit Form der Erscheinungen, und damit ist die Idee der Gleichheit gegeben : identisch derselbe Gehalt, genau dasselbe Ding, welches bleibt, was es ist, kann so gut an irgend einer andern Raumstelle sein als an der, an welcher es sich wirklich befindet; das von ihm dann eingenommene Raumstück C‘ ist demjenigen G gleich oder kongruent, welches es wirklich einnimmt. Jedem Punkt P von G entspricht ein bestimmter homologer Punkt P’ in G‘, der nach jener Ortsversetzung von demselben Teile des gegebenen Gehalts bedeckt sein würde, der in Wirklichkeit P bedeckt. Diese »Abbildung«, vermöge deren dem Punkte P der Punkt P’ entspricht, nenne ich eine kongruente Abbildung. Bei Erfüllung geeigneter subjektiver Bedingungen würde uns jenes Materiale nach seiner Ortsversetzung genau so erscheinen wie das tatsächlich gegebene.
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Literatur
Die präzise Fassung dieser Gedanken lehnt sich aufs engste an Husserl an, »Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie« (Jahrbuch f. Philos. u. phänomenol. Forschung, Bd. 1, Halle 1913).
Eine eingehende Analyse dieses Problems, insbesondere der begrifflichen Schwierigkeiten, welche mit dem Kontinuum verbunden sind, enthält die Schrift des Verfassers »Das Kontinuum« (Leipzig 1918).
Helmholtz hat in der Arbeit »Über die Tatsachen, welche der Geometrie zugrunde liegen« (Nachr. d. K. Gesellschaft d. Wissenschaften zu Göttingen, math.-physik. Kl., 1868) den ersten Versuch gemacht, die Geometrie auf die Eigenschaften der Bewegungsgruppe zu stützen. Eine schärfere mathematische Fassung und Lösung fand dieses »Helmholtzsche Raumproblem« in den Arbeiten von S. Lie (Berichte d. K; Sächs. Ges. d. Wissenschaften zu Leipzig, math.-phys. Kl., 1890) mit Hilfe der von Lie geschaffenen Theorie der kontinuierlichen Transformationsgruppen (man vgl. Lie -Engel, Theorie der Transformationsgruppen Bd. 3, Abt. 5)- Im Geiste der Mengenlehre sind die zugrunde liegenden Voraussetzungen dann von Hilbert weitgehend eingeschränkt worden (Grundlagen der Geometrie, 3. Aufl., Leipzig 1909, Anhang IV).
Für die systematische Behandlung der affinen Geometrie, unter Abstreifung der speziellen Dimensionszahl 3, ist wie für das Gesamtgebiet des geometrischen Kalküls Grassmanns »Lineale Ausdehnungslehre« (Leipzig 1844) das bahnbrechende Werk. In der Konzeption des Begriffs einer mehr als dreidimensionalen Mannigfaltigkeit sind Grassmann sowohl als Riemann durch die philosophischen Ideen Herbarts beeinflußt.
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Weyl, H. (1919). Der Euklidische Raum: seine mathematische Formalisierung und seine Rolle in der Physik. In: Raum · Zeit · Materie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-43111-5_2
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