Zusammenfassung
In der Kinderheilkunde herrscht von jeher das Bestreben, mit wenigen Arzneimitteln auszukommen, einmal, weil es oft nicht leicht ist, dem Kind Medikamente beizubringen, dann aber auch, weil die Dosierung schwieriger und verantwortungsvoller ist, als beim Erwachsenen. Es gibt keine besonderen Maximaldosen für das Kindesalter und kann sie auch gar nicht geben, da die Dosengröße sich von einer Altersstufe zur anderen fortwährend ändert. Die Dosis ist nun nicht einfach abhängig von Alter und Gewicht, sondern vielmehr von dem Entwicklungsgrad und der persönlichen Empfindlichkeit, und zum Unterschied vom Erwachsenen ist über die Wirkung eines Arzneimittels irgendeine Angabe vom jungen Kind gar nicht zu erhalten, und wir sind auf die eigenen ärztlichen Beobachtungen oder die der Umgebung, also meist der Mutter oder Pflegerin, angewiesen Hinzu kommt nun noch die Schwierigkeit, daß das Kind im Gegensatz zum Erwachsenen gegenüber manchen Arzneimitteln außerordentlich empfindlich ist, während es andere in verhältnismäßig großen, ja geradezu Erwachsenendosen verträgt und sie sogar braucht, um wirksam behandelt zu werden. Einige Beispiele mögen das erläutern. Hochempfindlich sind vor allem junge Kinder gegenüber Opium (Morphin!) und Cocain (Narkose! Atemlähmung!), gegenüber Fiebermitteln, z. B. Pyramidon, Aspirin (Kollaps!), gegenüber Anregungsmitteln, z. B. Campher, Coffein (Übererregbarkeit, Krämpfe!), gegenüber Alkohol (Leberschädigung!), gegenüber Phenol (Nierenschädigung!). Auffallend hoch ist die Toleranz für Atropin, Quecksilber, z. B. auch Calomel, für Arsen und Arsenderivate, für Chinin, für Barbitursäurepräparate, für Ipecacuanha, für Nitroglycerin, für Ricinusöl und für die Sulfonamide. Die Prävalenz der vegetativen Zentren gegenüber den Impulsen von der Großhirnrinde, der lebhafte Stoffwechsel, namentlich die rasche Wasserdurchflutung, die Sukkulent der resorbierenden Schleimhäute und viele andere Besonderheiten des jungen wachsenden Organismus haben zur Folge, daß ein und dasselbe Mittel beim jungen Kind andere Wirkungen entfaltet, als beim Erwachsenen. Infolge dieser Besonderheiten sind auch die bei ausgewachsenen gesunden Tieren mit bestimmten Giften gewonnenen experimentellen Erfahrungen nicht ohne weiteres auf den noch wachsenden kindlichen Organismus zu übertragen. Unter diesen Umständen kann der praktische Arzt nicht hoffen, daß er mit den von ihm in der Erwachsenentherapie als wirksam befundenen Medikamenten, wenn er sie nur refracta dosi verwendet, auch beim Kind ohne weiteres Erfolge erzielt und Mißerfolge vermeidet. Dies um so weniger, als einige wenige Mittel überhaupt nur in der Kinderheilkunde praktische Bedeutung besitzen, wie z. B. das Spirocid oder das Nirvanol oder das Vigantol. Eine richtige Arzneiverordnung beim Kind ist also eine Kunst für sich, und diese ist von namhaften Kinderärzten auf eine hohe Stufe gebracht worden. Beispiele dafür bieten etwa die moderne Lues-, Rachitis- oder Bronchopneumoniebehandlung.
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Dieses Kapitel ist Teil des Digitalisierungsprojekts Springer Book Archives mit Publikationen, die seit den Anfängen des Verlags von 1842 erschienen sind. Der Verlag stellt mit diesem Archiv Quellen für die historische wie auch die disziplingeschichtliche Forschung zur Verfügung, die jeweils im historischen Kontext betrachtet werden müssen. Dieses Kapitel ist aus einem Buch, das in der Zeit vor 1945 erschienen ist und wird daher in seiner zeittypischen politisch-ideologischen Ausrichtung vom Verlag nicht beworben.
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Rominger, E. (1944). Arzneimitteltherapie im Kindesalter. In: Lehrbuch der Kinderheilkunde. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-41117-9_27
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