Zusammenfassung
Unter Strafe im weitesten Sinne versteht man ein Übel, welches über jemanden wegen eines unzulässigen Verhaltens verhängt wird 1).
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Literatur
Meyer, Strafrecht S.3.
Aufgehoben durch EG. z. BGB. Art. 95.
Vgl. Rechtsspr. Bd. IV S. 418.
Wohl aber bisweilen bei der Vereins-Standeszucht (vgl. dieses Kapitel § 3.
Vgl. das preuß. Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Studierenden vom 29. Mai 1879.
Meist in der Form des Ordnungsrufes oder des Ausschlusses von der Sitzung.
Gierke, Deutsches Privatrecht Bd. I § 19 I.
Vgl. z. B. die vom Sächs. Ministerium des Innern (§ 8 d. Sächs. Ärzteordnung) erlassene Sächs. Standesordnung.
Friedlander § 41 Anm. 7–10, Kulemann, Berufsvertretungen S. 64, Hellwig, Lehrbuch des Zivilprozesses Bd. II S. 132.
Vgl. Deutsche Jur.-Ztg. 1909 S. 755.
Rehm Anm. 72 zu § 1.
Ebendort.
Vgl. ferner für Sachsen § 6, Baden § 1, Hamburg § 11 und 12, Lübeck § 1, Braunschweig § 61, Anhalt § 1 der S. 9 Anm. 1 aufgezählten Gesetze.
Der Geschäftskreis der Arztekammern der übrigen Bundesstaaten ist von dem der Preuß. Kammern nicht wesentlich verschieden, abgesehen davon, daß einzelnen von ihnen die Standeszucht übertragen ist, worüber S. 53/54 ausführlich gehandelt wird. Ich darf mich daher wohl hier auf die Mitteilung der Preuß. Bestimmungen beschränken.
Dazu kommt noch nach § 49 ff. ärztl. EG. das hier nicht interessierende Umlagerecht.
Gesetze von Preußen § 50, Anhalt § 20; anders Sachsen und Baden nach § 1 Abs. 2 bzw. § 18.
Auch hier darf ich wohl aus den S. 41 Anm. 1 angegebenen Granden auf die preußischen Bestimmungen mich beschränken.
Kuhlmann, Berufsvertretgn. S. 65/66. Dagegen haben die Apothekerkammern in Baden nach dem Gesetz vom 10. Oktober 1906 § 62 in Verb. mit § 18 und in Bayern nach der Kgl. Verordn. v. 27. April 1908 § 1 Abs. 2 juristische Persönlichkeit.
Es ist sogar möglich, daß die Standesgenossen zusammentreten zu gemeinsamer Beratung darüber, ob ein bestimmtes Verhalten nach der im Kreise der Berufsgenossen geltenden Denkweise in Zukunft als ein standesmäßiges anzusehen ist oder nicht, vgl. den Jur. Woch. 1908, S. 419, 420, mitgeteilten derartigen Fall.
Einen interessanten Beleg für die Bildung und Fortentwickelung von Standesordnungen besitzen wir für einen der jüngsten bestehenden Berufsstände, die Patentanwälte, in den beiden vom Verband deutscher Patentanwälte aufgestellten „Grundlagen für die Geschäftsführung von Patentanwälten“, von denen die ersteren vom Februar 1900 datieren, die zweiten umfassenderen und strengeren im November 1903 erlassen sind, vgl. unten 5.64/65.
Eine Standeszucht, die sich etwa in der Forni der Prügelstrafe äußern wollte, würde der Staat natürlich nicht dulden.
RG. 49 S. 150–155, Rechtspr. 4 S. 419, 5 S. 14. 50
Die Bestimmungen dieser Gesetze über die Ehrengerichtsbarkeit vgl. S. 9 ff. Aum. zu a, b, c, f, g und h. Außerdem aber weist die sächsische Ärzteordnung in § 4 den Bezirksvereinen, in § 6 Abs. 2 den Kreisvereinen für deren weiteren Bezirk u. a. als Aufgabe zu, die»Aufrechterhaltung und Stärkung der Standesehre unter den Standesgenossen“ und unterstellt diese Vereine in § 7 der Aufsicht der Kreishauptmannschaften, »welche insbesondere darauf zu achten haben, daB die Vereine und deren Vertreter ihre Obliegenheiten erfüllen” — also auch die genannte Obliegenheit der Ausübung der Standeszucht — „und sich ungesetzlicher Maßregeln, insbesondere tberschreitung ihrer Zuständigkeit“ — dies wäre z. B. Verhängung ehrengerichtlicher Strafen an Stelle von Maßregeln der Standeszucht (vgl. OLG. Hamburg i. d. Jahresberichten der Vorstände d. Anw.-Kammern, Beilage zur Jur. Woch. 1903 S. 8) — »enthalten”. Das badische Gesetz vom 10. Oktober 1906 weist der Arztekammer die Aufgabe zu, „sich mit allen Fragen und Angelegenheiten zu befassen, welche… die Wahrung... der ärztlichen Standesinteressen… betreffen“, während die Ehrengerichtsbarkeit anderen Behörden zugewiesen ist. Das Medizinalgesetz von Braunschweig bestimmt in § 65 als zum Geschäftskreis der Ärzte- und Apothekerkammer gehörig in Nr. 3 „die Sorge für die Entfaltung und Erhaltung eines würdigen Standesgeistes” und stellt dem in Nr. 4 als etwas Neues und davon Wesensverschiedenes den Erlaß von Disziplinarverfügungen gegenüber. Die Hamburger Arzteordnung gibt in § 27 dem Vorstand der Ärztekammer das Recht, einen pflichtwidrig handelnden Arzt »auf das Unangemessene seines Verhaltens aufmerksam zu machen od er ihm eine Warnung oder einen Verweis zu erteilen oder auch ihm die Wahlberechtigung oder die Wählbarkeit zur Arztekammer auf Zeit oder dauernd abzuerkennen“. Nur bezüglich der drei letzteren Maßregeln, also der ehrengerichtlichen Strafen, ist die Berufung zugelassen. In Lübeck hat nach § 1 Nr. 1 des Gesetzes vom 2. März 1903 die Ärztekammer die Aufgabe, „den Gemeingeist und die Standesehre unter den Ärzten aufrecht zu erhalten”, während die Ehrengerichtsbarkeit anderen Behörden anvertraut ist. In Lippe-Detmold ist gemäß § 3 Nr.2 und 4 der Ärzteordnung in Verbindung mit § 6 der am 20. Juli 1904 staatlich bestätigten „Ärztlichen Standesordnung“ neben der durch Ehrenrat und Ehrengerichtshof ausgeübten Ehrengerichtsbarkeit der Vorstand des Ärztevereins befugt, „Vereinsmitglieder (d. h. nach § 3 der Ärzteordnung sämtliche Lippeschen Ärzte) in den geeigneten Fällen auf die Unvereinbarkeit ihres Verhaltens mit der Standesordnung vertraulich aufmerksam zu machen”.
Vgl. z. B. § 62 RAO. 3 Preuß. ärztl. EG.: „Ein Rechtsanwalt (Arzt), welcher die ihm obliegenden Pflichten verletzt, hat die ehrengerichtliche Bestrafung verwirkt.“
So ausdrücklich die Entscheidungen des Preuß. Ehrengerichtshofes für Ärzte vom 30. Oktober 1905 und 29. November 1901, Arztl. EGH. Bd. 1 S. 62 und 164–65, nach S. 165 Anm. 1,,in Übereinstimmung mit vielen anderen Urteilen“.
Bei den Rechtsanwälten der Staatsanwalt, den Patentanwälten der Reichskanzler, den Börsenbesuchern der Staatskommissar, den Ärzten und Apothekern der Beauftragte bzw. Kommissarius des Oberpräsidenten.
Der Ehrengerichtshof far Rechtsanwälte führt das Siegel des Reichsgerichts, bezüglich der Siegel der Vorstände der Anwaltskammern bzw. dieser selbst enthalten Bestimmungen die Geschäftsordnungen von Hamm § 14, Jena § 23, Rostock § 20, Oldenburg § B. Die preußischen ärztlichen Ehrengerichte führen nach der ministeriellen Ausführungsbestimmung vom 21. Dezember 1899 unter Nr. 2 als Dienstsiegel den heraldischen preußischen Adler, die braunschweigischen nach dem braunschw. Medizinalgesetz § 62 Abs. 1 das springende Pferd, die bayerischen Apothekerkammern nach § 1 Abs. 2 der Kgl. Verordn. vom 27. April 1908 das Herzschild des bayerischen Staatswappens mit der Königskrone usw.
Dagegen möchte ich annehmen, daß im ehrengerichtlichen Verfahren auch dann, wenn der Rechtszug nicht an einen Ehrengerichtshof, sondern an eine Ministerial-Instanz geht, z. B. im preußischen und bayrischen Apothekerverfahren, eine Milderung der Strafe, z. B. Ersetzung des dauernden Wahlrechtsverlustes durch zeitige Entziehung, zulässig ist.
Nur die preußische Apothekerkammer bedarf anscheinend zum Einschreiten keiner besonderen Klageerhebung durch den „Kommissarios des Ober-Präsidenten“. Da derselbe indessen zur Beratung und Beschlußfassung hinzuzuziehen und jederzeit zu hören ist, und die Beschwerde hier an den Medizinal-Minister geht, welcher den Beschluß aufheben darf, trifft das Gesagte de facto auch hier zu.
Eine Andeutung dieses Gedankens dürfte in den Ausführungen Pemsels auf dem 10. deutschen Anwaltstag, Beil. z. Jur. Woch. 1887 S. 11, liegen: „Der Ehrengerichtshof in seiner durch das Gesetz vorgeschriebenen Zusammensetzung ist keine Instanz unseres Standes. Der Ehrengerichtshof ist ein staatliches Korrektiv gegen eine Institution unseres Standes. Die Notwendigkeit dieses staatlichen Korrektivs ist gewiß zuzugeben auf dem Gebiete der ehrengerichtlichen Strafrechtspflege mit ihrer großen Tragweite und den empfindlichen Folgen für den einzelnen; allein das Mißbilligungsrecht des Vorstandes hat mit der ehrengerichtlichen Strafrechtspflege nichts za tun, und die Mißbilligung des Vorstandes trifft auch den einzelnen in gar keiner Weise mit einer Rechtsfolge so, wie es die ehrengerichtliche Strafe tut.“
Darüber, daß hier kein „bis in idem“ vorliegt, vgl. unten S. 110 ff.
So für die Patentanwälte richtig Damme S. 127.
Vgl. v. Liszt, Art. „Ordnungs- und Disziplinarstrafen“ in Holtzen -dorffs Rechtslexikon Bd. I S. 970: Die Disziplinarstrafe bezweckt Schutz des staatlichen Interesses an getreuer Pflichterfüllung und standesgemäßem Verhalten seiner Organe. Von demselben Gesichtspunkte aus ist die Disziplinarstrafe gegen Rechtsanwälte zu beurteilen.”
Zum gleichen Resultate, daß das Recht auf ehrengerichtliche Bestrafung ein Recht des Staates sei, kommen bezüglich der Rechtsanwälte auch Friedländer und Schuster, Friedländer S. 232 Anm. 7 darum, weil staatliche Behörden (Staatsanwaltschaft, Untersuchungsrichter, Oberlandesgericht end Reichsgericht als Beschwerdegerichte, vier beamtete Mitglieder des Ehrengerichtshofes) am Verfahren beteiligt seien. Diese Begründung reicht nicht aus: Ein Recht wird damit noch zu keinem staatlichen, daß der Staat zur Festsetzung und Durchsetzung desselben seine Behörden zur Verfügung stellt. Dies ist sogar die Regel; so sei hingewiesen auf die Tätigkeit der Gerichtsbehörden im Zivilprozeß und in der Zwangsvollstreckung, die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft in Ehe-und Kindschaftssachen, die dort den Prozeß sogar teilweise selbständig betreiben kann und doch nicht staatliche Rechte, sondern nur öffentliche Interessen wahrnimmt. Schuster hält S. 10–12 den Strafanspruch im Verfahren der Rechtsanwälte darum für staatlich, weil dem Staat über die Rechtsanwälte ein,Gewaltverhältnis“ zustehe, und zwar „wegen der öffentlichrechtlichen Stellung der Rechtsanwälte, die an der Rechtspflege teilnehmen”. Auch dies ist unrichtig: Dem Staate steht über die Rechtsanwälte ein Gewaltverhältnis in keinerlei Form zu. Für die Börsenehrengerichte wie hier Pfleger, Art. Börsenrecht im Handw. Buch der Staatsw. Bd. II. S. 990 mit der Ausführung, daß diese Ehrengerichtsbarkeit nur aus der richterlichen Gewalt des Staatsoberhauptes abgeleitet werden könne; sie sei daher nur der Ausübung nach an die Handelsorgane übertragen, wodurch an ihrem inneren Wesen nichts geändert werde, und sei staatliche Gerichtsbarkeit, die Börsenehrengerichte staatliche Behörden. Dies ist richtig, doch fehlt der Beweis. Rehm Anm. 4 zu § 9 hält die Börsenehrengerichtsbarkeit für staatliche Gerichtsbarkeit, die indessen an „seibstverwaltliche Laiengerichte“, Einrichtungen des Börsenhalters, delegiert sei. N uBbaum endlich hält S. 54 die Börsenehrengerichte zwar für „dauernde Einrichtungen zur Erfüllung von Aufgaben, die ihrem Wesen nach staatshoheitsrechtlicher Natur sind, Behörden aber nicht staatliche Behörden, sondern Behörden eines Selbstverwaltungskörpers (des Handelsorgans)”. Die Unrichtigkeit dieser Ausführungen folgt am besten daraus, daß Nußbaum selbst (S. 54) die Berufungskammern mangels eines hier in Betracht kommenden Handelsorgans zutreffend für Reichsbehörden erklären muß. Das Gesetz bietet aber keinerlei Anlaß, die Börsenehrengerichte erster und zweiter Instanz verschieden zu konstruieren.
Fiad in Jur. bloch. 1908 S. 419/21; EGH. Bd. VI S. 5ff. Kammerger. in Jur. Woch. 1887 S. 63, 1894 S. 610, im Just.-Ministerial-B1. 1887 S. 95 und in Rechtspr. Bd. VIII S. 160,62; May in Jur. Woch. 1880 S.177 ff.; Wreschner in Bl. f. Rechtspfl. Bd. XV S.1 ff.; Berger, Anm. 3 zu § 49; Sydow-Jacobsohn,Anm.1 zu §49; Meyer, Anm.1 zu § 49: Friedländer S. 200/3; v. Wilmowski in Jur. Woch. S. 126/27; Verhandlungen des B. Deutschen Anwaltstages in Beilage z. Jur. Woch. 1881 S. 41/49; Verhandlungen des 10. Deutschen Anwaltstages in Beil. z. Jur. Woch. 1887 S. 9:17. Unrichtig OLG. Marienwerder in Jur. Woch. 1882 S. 169.
v. W i l m o w s k i auf dem B. Deutschen Anwaltstage Beil. z. Jur. Wochenschr. 1881 S. 42; Friedlander, Anm. 11 zu § 49.
Beilage zur Juristischen Wochenschrift 1887 S. 11.
Ebenso Friedländer S. 227; Flad in Jur.RVoch. 1908 S. 419/21: Rechtspr. Bd. VIII S. 160/62; EGH. Bd. VI S. 8,9. Jur. Woch. 1887 S. 347; Verhandl. d. 10. Deutsch. Anwaltstages in Beil. z. Jur. Woch. 1887 S. 9 /17.
Vgl. die Beratungen der Kommission zur Schaffung des PatAnwGes. u. die Verhandlungen d. Reichstages vom 16. Jan., 22. u. 23. März 1900.
Es gibt zurzeit in Deutschland an folgenden Plätzen Börsen (vgl. Apt, Anm. 4 zu § 1): Berlin, Breslau, Danzig, Düsseldorf, Elbing, Essen, Frankfurt a. M., Hannover, Koblenz, Köln, Königsberg, Ruhrort, Stettin, München, Augsburg, Dresden, Leipzig, Chemnitz, Zwickau, Stuttgart, Mannheim, Bremen, Hamburg, Lübeck, Straßburg, Mülhausen, Mainz und Braunschweig.
Die strittige Frage, wer zum Erlaß der Börsenordnung befugt ist, der Unternehmer oder das mit der Aufsicht betraute Handelsorgan, ist für den hier zu führenden Nachweis, daß überhaupt bezüglich der Börsenbesucher eine Standeszucht besteht, ohne Einfluß und daher hier nicht zu behandeln. Ich möchte mit A p t, Anm. 1 zu § 4, das erstere annehmen. Vgl. dagegen Rehm, Anm 5–10 zu § 4.
Darüber, daß hier nur eine über §§ 20d und 19 der Börsenordnung hinausgehende Standeszucht gemeint sein kann, vgl. S. 67 Anm. 1.
Verschieden von der Standeszucht einerseits, der Ehrengerichtsbarkeit anderseits, ist eine dritte an der Börse vorhandene Institution, die Handhabung der äußeren Hausordnung in den Börsenräumen und die hierfür erforderlichen Maßregeln. Während die Ehrengerichtsbarkeit und die Standeszucht sich nur auf die Börsenbesucher im technischen Sinne naturgemäß erstrecken kann, sind demgegenüber die Maßregeln zur Wahrung der Hausordnung jeder innerhalb der Börsenräume befindlichen Person gegenüber, also z. B. auch gegenüber besichtigenden Fremden, zulässig. Hieraus folgt schon an sich, daß die Maßregeln des § 20 der;Börsenordnung bzw. des Abs. 2 Satz 2 § 8 des Börsengesetzes nicht die Handhabung der Hausordnung betreffen können. Das Börsengesetz, dessen Wortfassung und juristische Technik hier freilich recht unglücklich ist, spricht im § 8 nur von der Handhabung der Ordnung, und die Börsenordnung verwischt den Unterschied vollständig, indem sie diese Maßregeln und die Maßregeln der Standeszucht bunt durcheinander behandelt: Nach § 6 Nr. 1 hat der Börsenvorstand u. a. die Aufgabe, „die Ordnung in den Börsenräumen zu handhaben“, nach § 9 haben die Mitglieder des Börsenvorstandes,für die Erhaltung der Ruhe und des Anstandes in den Verhandlungsräumen der Börse und den dazu gehörigen Nebenräumen zu sorgen” und können zu diesem Zweck Börsenbesucher entfernen lassen. Nach § 20 a—c endlich kann der Börsenvorstand in den Fallen der Störung der Ordnung in der oben angegebenen Weise eine Verurteilung zu verschiedenen Strafen aussprechen. Der in § 20 vorgesehene Tatbestand ist aber nur in den Fallen a—e Störung der Hausordnung, in dem letzten trotzdem in diesem Zusammenhange unter d behandelten Falle dagegen eia allgemeines pflichtwidriges Verhalten, wie dasselbe auch den Tatbestand des § 19 bildet. Um das Maß der Verwirrung voll zu machen, spricht die Börsenordnung zu alledem aber auch noch in § 6 Nr. 4 dem Börsenvorstand die Ausübung der „Disziplinargewalt“ an der Börse zu! Was ist hiermit gemeint? Sicherlich nicht die Handhabung der Hausordnung; denn sonst wäre diese Nr. 4 nur eine Wiederholung von Nr. 1, die noch dazu ihrerseits in § 9 und § 20 a—c ihre Ergänzung erfährt. Es kann sich also hier nur um eine neben der Hausordnung bestehende Zuchtgewalt handeln, wie sie auch in § 19 und 20 d ihren Ausdruck gefunden hat, wo nicht Störung der Hausordnung, sondern ein allgemeines pflichtwidriges Verhalten unter Strafe gestellt ist, die aber als allgemeine Zuchtgewalt über diese beiden Einzelbestimmungen hinausgehen soll. Die Rechtslage dürfte demnach folgende sein: a) Im Falle des § 10 BG. tritt die Ehrengerichtsbarkeit ein. b) Im Falle von Verstößen gegen die Hausordnung erläßt der Vorstand die geeigneten Anordnungen und läßt den Störenfried eventuell entfernen, § 8 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 des Börsenges., § 6 Nr. 1 und § 9 Börsenordnung. Diesen Maßregeln unterliegen alle in den Börsenräumen anwesenden Personen, z. B. auch besichtigende Fremde. c) Nur über „Börsenbesucher” steht dem Börsenvorstand eine Stande,zucht zu, welche denselben in den Fallen des § 20 d und § 19 BO. und außerdem auch noch in den unter b genannten Fällen der Störung außer zu den dort zulässigen Anordnungen bei Börsenbesuchern, aber im Gegensatz zum Falle b nur gegen diese, auch noch zum Erlaß bestimmter Strafen befähigt, § 8 Abs. 2 Satz 2 BG., §§ 2, 6 Nr. 4, 19, 20–23 BO.
In Bayern besteht keine Ehrengerichtsbarkeit, sondern nur gesetzlich geregelte Standeszucht in der S. 49 ff. angeführten Weise. Ähnlich andere Bundesstaaten.
Berufsvereine Bd. I S. 146.
Vgl. Alexander, Geschichte des Verbandes der Berliner ärztlichen Standesvereine, Berlin 1903, und Herzfeld, Der ärztliche Standes-verein West-Berlin, Festschrift z. 25jährigen Bestehen, Druck von Thor-mann und Goetsch, Berlin 1901.
Statut fiber den gemeinsamen Ehrenrat nach den Beschlüssen vom 29. Nov. 1878. § 2.
Das genauere Datum ist aus den Satzungen nicht ersichtlich.
In dem badischen Gesetz vom 10. Oktober 1906 wird der den Ârztekammern die Ausübung der Standeszucht zuweisende Abs. 2 des § 2 für die Apothekerkammern in § 62 ausdrücklich nicht mit zitiert.
Nur die»Begnadigung im engeren Sinne“, nicht auch die Abolition, ist Gegenstand dieser Arbeit. Wer auch in der Abolition einen Verzicht auf den Strafanspruch sieht — vgl. über die Abolition die Schrift von Heimberger —, muß auch die Zulässigkeit der Abolition im ehrengerichtlichen Verfahren bejahen, natürlich nur, soweit dieses Institut in einzelnen Bundesstaaten besteht.
Über das Far und Wider in Literatur und Praxis vgl. die ausführlichen Angaben in Kap. I § 3 dieser Arbeit. Die abweichenden Meinungen werden im folgenden Paragraphen besprochen. Zustimmend: Bezüglich der Rechtsanwälte: Friedlander und Schuster, aber vgl. oben S. 60 Anm. 1 mit unzureichender Begründung; bezüglich der Rechtsanwälte und Ärzte Str a sm ann, weil die Disziplinarstrafgewalt den beruflichen Zwangsverbänden nur mit der Einschränkung eines staatlichen Begnadigungsrechts verliehen sei; von einer solchen Beschränkung ist indessen in den „verleihenden“ Gesetzen und Verordnungen mit keinem Wort die Rede, und bei den Patentanwälten, bei denen Str a sm ann S. 7 die Begnadigung ebenfalls zulassen will, fehlt auch der „berufliche Zwangsverband”; bezüglich der Patentanwälte D am m e S. 138–39 mit dem Hinweise auf § 118 Reichs-Beamten-Ges. und die allgemeine Erwägung, daß kein Rechtssystem dieses „Sicherheitsventil des Rechts“ entbehren könne (vgl. oben S. 16). Das erste Moment bedürfte indessen des Nachweises, daß die Patentanwälte unter das Reichsbeamtengesetz fallen, dem zweiten Moment dürfte umsoweniger Beweiskraft beizumessen sein, als es bekanntlich Gegner überhaupt jedes Begnadigungsrechtes gibt (Filangieri, Beccaria, Tieftrunk, Grolman, Bentham,Feuerbach, Lombroso, vgl. Plochmann S. 49–50, Seuffert in v. Stengels Wörterb. S. 148 und insbesondere v. Bar S. 464–65).
Syring a. a. O. S. 128. Ebenso Edner a. a. O. S. 637–38.
Auch nicht in der von Schuster S. 10 angenommenen Form.
Ebenso Edner S. 63 3) Richtig Schuster S. v. Bar S. 474.
Wilmowski S. 295, waltskammern, Beil. z. Jur. S. 129; Edner S. 639. 12–13 und Strasmann S. 16–17, vgl. auch
Übersichten d. Jahresb. der Vorstände der AnWoch. 1906 S. 2–3, 1907 S. 2–3; Syriug
Syring S. 129, Friedländer S. 235. Unrichtig Edner S. 639.
Wilmow ski S. 295, Übersichten d. Jahresberichte der Vorstände der Anwaltskammern Beil. z. Jur. Woch. 1906 S. 2–3, 1907 S. 2–3, S.-ring S. 129, Friedländer S. 30.
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Kaskel, W. (1911). Zulässigkeit der Begnadigung im ehrengerichtlichen Verfahren. In: Begnadigung im ehrengerichtlichen Verfahren der freien Berufsstände. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-40252-8_2
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