Zusammenfassung
Bei der Beurteilung der Gesetzgebungsfunktion im Rahmen des Regierungstyps Großbritanniens sieht man sich einer erstaunlichen Divergenz von Theorie und Praxis gegenübergestellt. Der klassischen Staatslehre gilt die Gesetzgebung als die wesentlichste der Staatsfunktionen und das Parlament als der eigentliche Träger der Gesetzgebungsfunktion. Einer realistischeren Auffassung allerdings erscheint die Gesetzgebung eher als ein Attribut der Regierungsführung, als die Aus- und Durchführung der von der Regierung getroffenen Entscheidungsfällung (policy determination). Aber auch von diesem Gesichtswinkel her betrachtet ist das Parlament nach wie vor zum Erlaß der Gesetzgebung formell unentbehrlich. Keine Regierungsvorlage kann ohne die Zustimmung der Commons zum gültigen Gesetz werden. Die Parlamentssouveränität1 gilt also nach wie vor insofern, als jedes allgemein gültige Gesetz — public bill — vom Parlament erlassen werden muß und daß dieses jede beliebige Materie zum Gegenstand der Gesetzgebung machen kann. Demgemäß gehen die Gerichte von der Grundtatsache aus, daß keine andere Instanz zum Erlaß von allgemein gültigen Normen berechtigt ist, es sei denn, sie sei dazu durch ein Parlamentsgesetz ermächtigt worden (delegated oder subordinate legislation). Zahlreiche Gerichtsentscheidungen sprechen von der Gesetzgebungsmacht des Parlaments als absolute, supreme, omnipotent, und noch in neuester Zeit konnte ein hoher Richter sagen (National Union of General and Municipal Workers v. Gillian [1946] [1. K. B. 81] [C. A.]): “Parliament ... can make new legal creatures if it desires”.
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Loewenstein, K. (1967). Das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren I: Die allgemeinen Gesetze. In: Staatsrecht und Staatspraxis von Grossbritannien. Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-38477-0_13
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