Zusammenfassung
Vom fernsten Westen Amerikas bis zum ὁstlichsten Rußland sehen wir seit zwei Jahrzehnten das Streben nach Weiterentwicklung der Binnenschiffahrt; nach einem halben Jahrhundert, in welchem alle Fortschritte des Verkehrswesens, in Europa wenigstens, auf dem Gebiet der Eisenbahnen erwartet und gesucht wurden. Wie aber jede plὁtzliche Strὁmung in ruhigen Gewἁssern sofort ihren Gegenstrom erzeugt, der oft in der unerwartetsten Richtung einsetzt, so macht sich auch hier energischer Widerstand gegen diese neue oder, richtiger gesagt, gegen das Wiedererscheinen einer alten Bewegung geltend, die man jahrzehntelang fὑr unzeitgemἁß, fὑr ὑberwunden erachtet hatte. Wir sehen dies in dem Kampf um den norddeutschen Mittelland-Kanal, das gewaltigste und aussichtsvollste Unternehmen, das bis heute in Deutschland ins Auge gefaßt wurde. In erster Linie ist jede Verkehrserleichterung, somit auch der Ausbau unserer Wasserstraßen, ein Fὁrderungsmittel der nationalen Gewerbstἁtigkeit. Das scheint so klar, da man sich schἁmt, es auszusprechen. Und was sehen wir in diesem Falle? Ganz Schlesien, vor allem die ganze Steinkohlenindustrie der Provinz, setzt dem Unternehmen durch Resolutionen, Eingaben und Proteste den heftigsten Widerstand entgegen; die Braunkohten-Industriellen der Provinzen Sachsen und Hannover, welche die geplante Wasserstraße durchschneiden wὑrde, sehen murrend und besorgt die geplante Verkehrserleichterung kommen. Unsere grὁßte Handels- und Seestadt Hamburg steht dem großen Unternehmen kὑhl bis ans Herz gegenὑber, denn sie fὑrchtet bei all ihrer gerὑhmten Weitsichtigkeit, daß der Kanal dem Seehafen der Weser, Bremen, grὁßere Vorteile bringen musse als dem der Elbe. — Ein noch wunderlicheres Beispiel bietet das Projekt des GroßschiffahrtS-Kanals Berlin-Stettin, das unzweifelhaft der Industrie und der Schiffahrt zwischen der Reichshauptstadt und ihrem nἁchsten Seehafen unberechenbare Vorteile verspricht und trotzdem selbst von den Schiffern der ietzigen Wasserstraße, der Oder und des Finow-Kanals, aufs heftigste bekἁmpft wird. Und wir brauchen nicht an das andere Ende Deutschlands ju gehen, um derartige Beobachtungen machen ju kὁnnen. Eine der grὁßten Industriestἁdte Bayherns scheint ein gelinder Schreien ju ergreifen, so oft von der Schiffbarmachung des Lechs und ihrer Verbindung mit dem grὁßten Mittelland-Kanal Sὑdost-Europas, mit der Donau, die Rede ist.
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Eyth, M. (1908). Binnenschiffahrt und Landwirtschaft. In: Lebendige Kräfte. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-36522-9_5
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