Zusammenfassung
Zu Anfang des Jahres schien Rußland derjenige Staat zu sein, von welchem zu befürchten war, daß er den europäichen Frieden stören, Durch einen Angriff auf Deutschland und Östreich die bulgarische oder orientalische Frage gewaltsam lösen und eben damit für Frankreich das Zeichen zumMarsch gegen den Rhein geben werde. Die Kundgebungen der russuschen presse unddie Üußerungen und das gesamte Verhalten des Kaisers Alexander III. Wurden mit prüfendem Sinn in die Wagschale gelegt. Daß der größte Teil der russischen Presse dem Panslawismus huldigte, von gründlichem Deutschenhaß erfüllt mar und für Frankreich warme Shmpathienempfand, unterlag keinem Zweifel. Aber in einem absoluten Staate hat der Wille des Monarchen ein ganz anderes Gewicht als in einem konstitutionellen, und wir wissen aus Bismarcks Rede vom 6. Februar und aus den letzten Worten des Kaisers Wilhelm I., Daß in Diesen Kreisen dem Kaiser Alexander nicht die Neigung zu einem Angriffskrieg, Sondern trotz seiner Rüstungen und Truppenvorschirbungen nur der Gedanke zugeschrieben murde, für den Fall eines Krieges, der etwa von Frankreich ausging, eine mobile Armee zu haben und an der Spitze derselben seine orientalischen Forderungen, sei es durch oder ohne Krieg, durchsetzen zu können. Aber auch in einem absolute regierten Staate, zumal in einem solchen, wo der Panslawismus das große Wort führt und der Nihilismus im Hintergrund lauert, kann der monarch die öffentliche Meinung nicht unberücksichtigt lassen. Bei allem Vertrauen, das in die Friedensliebe des Kaisers Alexander gesetzt warden darf, und bei aller Hoffnung auf die Erhaltung des durch den besuch des Kaisers Wihelm hergestellten herzlichen Einvernihmens zwischen dem Trägern beider Kronen, ist doch für das Deutsche Reich kein Verlaß auf Rußland, das im Süden die traditionelle Aufgabe hat, den Schlüssel zu seinem Hause sich anzueinen, und im Osten keine Grenze für seinen Ausdehnungsdrang kennt und seinem „Alexanderzug“ kaum am Jndus eine Schranke fetzen möchte.
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Müller, W. (1889). Rußland. In: Politische Geschichte der Gegenwart. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-36390-4_5
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