Einleitung. Überblick über die geschichtliche Gestaltung des in Deutschland geltenden Rechts

Zusammenfassung

I. Bei ihrem Eintritte in die Geschichte treten uns die Deutschen nicht als einheitliches Volk entgegen, sondern als eine Bielheit selbständiger Völkerschaften, welche, aus einer Vereinigung von Sippen hervorgegangen, in der Sippe deutlich den Zusammenhang mit der Familie als den Ausgangspunkt alles menschlichen Gemeinlebens erkennen lassen. Die Sippe (gens) selbst ist ihrerseits nichts anderes als der Inbegriff der durch gemeinsame Abstammung miteinander verbundenen Einzelfamilien. Sie ist zugleich ein überaus wichtiges Gemeinwesen, in welchem der Einzelne seine Daseinsbedingungen findet. Der Sippe steht (ursprünglich ausschließlich) das Recht auf Bebauung und Benutzung von Grund und Boden zu, und daher hat der Einzelne nur als Mitglied der Sippe einen Anteil am Ertrag desselben; die Sippe aber ist andererseits auch zum Schutz ihrer Mitglieder verpflichtet und muß bei Verletzung derselben zur Fehde und Blutrache schreiten. Gleichwohl hat der Zwang der Umstände die Germanen schon früh auf ihren gefahrvollen Zügen gegen Westen bestimmt, sich zu größeren Verbänden, den Völkerschaften, zusammenzuschließen und diesen eine feste, dauernde Organisation zu geben, welche, entsprechend den des Angriffes und der Verteidigung, nur die Heeresverfassung sein konnte und behufs Beilegung entstehender Streitigkeiten unter den Heeresgenossen zugleich eine Gerichtsverfassung sein mußte.

Arndts, §§ 99–152; Gareis, § 16, S.73–77; serner (grundlegend) Brunner, Grundzüge der deutschen Rechtsgeschichte, 6. Aufl., München 1913, jowie derselbe, Quellen und Geschichte des deutschen Rechts, in Fr. v. Holúendorffs Enzyklopädie der Rechtswissenschaft, Bd. I, 5. Aufl., Leipzig 1890, jeút in 7. Aufl., neu bearbeitet, herausgegeben von F. Kohler, München u. Berlin 1904, Bd. I, S. 171–287: Gierkc, Deutsches Privatrecht, Leipzig 1895, Bd. I, S. 3–25: K. v. Amira, Grundriß des germanischen Rechts, 3. Aufl., Straßburg 1913, 2. Abdruck daselbst 1901; H. O. Lehmann, Deutsche Rechtsgeschichte und Grundzüge des deutschen Privatrechts, in Birkmeyers Enzykl., 2. Aufl., Berlin 1904, S. 185; Cosack, Lehrbuch des deutschen bürgerlichen Rechts, 6. Aufl., Jena 1913, Bd. I, §§ 3–7; Chrome, System des deutschen bürgerlichen Rechts, Tübingen und Leipzig 1900–1912, Bd. I, §§ 2–6; R. Sohm, Bürgerliches Recht, in der Systematischen Rechtswissenschaft, S. 1–19, 2. Aufl., Berlin und Leipzig 1913 (II, 8 der Kultur der Gegenwart, ihre Entwicklung und ihre Ziele, herausgegeben von Paul Hinneberg).