Zusammenfassung
Hitzig hatte sich die eigenartige Einseitigkeit im Denken seiner Queru lantenwahnsinnigen mit der Hypothese erklärt, als ob ein durch anatomische Faserausfälle im Gehirn bedingter Schwachsinn zugrunde läge und dem Auf treten der Wahnbildung zeitlich voraufginge. Die moderne Psychiatrie betrachtet die Entstehung solcher überwertiger Ideen und Wahnvorstellungen mehr psycho logisch als eine einfühlbare seelische Entwicklung, die durch das Auftreffen widriger Umweltsreize auf eine angeborene abnorme Veranlagung zustande kommt. Nach Bonhoeffer dürfen wir etwa vermuten, schuld sei eine an geborene Dysharmonie in der seelischen Dynamik mancher schlecht beherrschten Psychopathen, indem bestimmten Vorstellungsgebieten Affektüberschüsse zu geleitet würden, die Gegenvorstellungen schlecht aufkommen ließen. Dadurch komme es bei gegebenem Anlasse zur Bildung überwertiger Ideen und bei Steigerung ihrer Affektbetonung zum Übergang in Wahnvorstellungen. Zwischen beiden bestände sozusagen nur eine gradweise Verschiedenheit. Man darf nicht verkennen, daß uns dieser Erklärungsversuch zwar ein Verständnis bietet für die mannigfachen Übergänge zwischen bloßen psychopathischen Reaktionen und ausgesprochener Geisteskrankheit bei Querulanten, daß er jedoch anderer seits die praktisch so wichtige Grenze zu verwischen droht. Wir haben noch eine andere Stufenleiter mannigfachster Übergänge ins Auge zu fassen: Je stärker die von der angeborenen Veranlagung gesetzte Bereitschaft ist, um so geringere Reize mögen schon genügen, eine heftige und langdauernde Reaktion hervorzurufen.
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Raecke (1926). Querulatorische Wahnbildung und Diagnose. In: Der Querulantenwahn. Grenzfragen des Nerven- und Seelenlebens. J.F. Bergmann-Verlag, Munich. https://doi.org/10.1007/978-3-662-34430-9_4
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-662-34430-9_4
Publisher Name: J.F. Bergmann-Verlag, Munich
Print ISBN: 978-3-662-34160-5
Online ISBN: 978-3-662-34430-9
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