Die Entstehung der nervösen Grundhaltung

Zusammenfassung

Die Bilder der nervösen Erkrankungen sind wechselvoll wie die menschlichen Individualitäten selber. Welche Art nervöser Symptome ein Mensch wählt, hängt davon ab, was für ein Mensch er ist. Der eine unterliegt einem Zwangsdenken und Zwangshandlungen, ein anderer leidet an Schlaflosigkeit, und unabsehbar ist das Heer der Befürchtungen (Phobien), kaum ein Gegenstand ist zu nennen, der nicht schon Objekt einer zwanghaften Angst gewesen wäre. Trotz bester Einsicht in die Unbegründetheit der Angst, will diese nicht weichen, ja eine jede Willensanstrengung zu ihrer Unterdrückung verstärkt sie gesetzmäßig. Das sog. Lampenfieber, die Platzangst, 90% aller Examensängste, Angst vor der Frau, vorm Verkehr mit Menschen sind heute so geläufige und allgemein verbreitete Erscheinungen, daß die wenigsten aus ihnen ein Hehl machen und sich offen zu ihnen bekennen, während wieder andere nervöse Symptome wie ein Weltengeheimnis von ihrem Besitzer gehütet werden. Zu letzteren rechnen insbesondere die nervösen Störungen der Sexualfunktionen und der Verdauungsvorgänge. Das äußere Bild aller nervösen Störungen zeigt immer den Zug einer Übertreibung, welche bei geringeren Graden oft nur für den Kundigen erkennbar ist, während der Nervöse selbst sie bestreitet.