Zusammenfassung
Während des Ost-Feldzuges im Sommer 1941 wurden mir neben anderen Vergiftungen bei der Truppe auch 2 Fälle bekannt, wo es nach Genuß von „Heidelbeeren“ zu flüchtigen Vergiftungserscheinungen kam. In einem Fall war bei der Lazarettaufnahme des Betroffenen schon kein Anzeichen einer Vergiftung mehr erkennbar. Dieser Fall gewinnt lediglich Interesse im Zusammenhang mit dem zweiten. Auch hier konnte weder der Vergiftungsverlauf, noch das genossene Material untersucht werden. Die Aussagen des betroffenen Soldaten, der wegen eines katarrhalischen Ikterus im Lazarett lag, über den Verlauf seiner einige Wochen vorher erlittenen Vergiftung waren aber so typisch, daß daran gewisse Vermutungen angeschlossen werden können. Die Truppe habe während der Spätsommermonate häufig selbst gesammelte „Blaubeeren“ verzehrt, die sich aber von unseren Heidelbeeren durch das Fehlen des blauen Saftes unterschieden. Nach dem Genuß eines solchen Gerichtes seien bei ihm folgende Erscheinungen aufgetreten: Rauschartige Erregung, Erbrechen, weite Pupillen, Sehstörungen, rotes Gesicht und trockener Hals. Diese Erscheinungen seien am folgenden Tag abgeklungen gewesen. Nach diesen Angaben könnte der Verdacht bestehen, daß es sich um eine einfache Tollkirschenvergiftung gehandelt hat. Die Erscheinungen sind genau die gleichen, wie sie hier angegeben wurden. Es fällt lediglich auf, daß die Vergiftung hier so schnell abklang, während toxische Atropin-wirkungen tagelang anhalten können. Der Betroffene erklärte auch eindeutig auf Befragen, daß er beim Sammeln nirgendwo Tollkirschen, die ihm bekannt seien, gesehen habe. Aus den klaren Angaben des offensichtlich intelligenten Soldaten (Dentist) muß ferner noch hervorgehoben werden, daß die genossenen Beeren gar keine echten Heidelbeeren waren. Es dürfte sich nach seiner Beschreibung um die Moosbeere (Vaccinium oxycoccos L.) gehandelt haben. Diese Beerenart kommt in Nord- und Osteuropa in sumpfigen und torfigen Gegenden reichlich vor und wird besonders in Rußland von der Bevölkerung vielfach verwendet, z. B. auch in Form eines eingedickten Saftes als Teezusatz (Moeller und Griebe 1 [1]).
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Literatur
Moeller und Griebel: Mikroskopie der Nahrungs-und Genußmittel aus dem Pflanzenreich. Berlin 1928.
Nevinny, Jos.: Z. Hyg. 59, 95 (1908).
Kreuder, Fr.: Sammlung von Vergiftungsfällen 8, 33.
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Lendle, L. (1943). Vergiftung durch den Genuß von Rauschbeeren in Rußland. In: Behrens, B. (eds) Sammlung von vergiftungsfällen. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-32714-2_29
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