Vergleichende Physiologie des Gehörs

Zusammenfassung

Im Leben des Menschen ist als adäquater akustischer Reiz jener Schall von besonderer Bedeutung, der von den Menschen selbst produziert wird. Mit Hilfe von der Willkür unterworfenen Stimm- und Sprachorganen bauen sich die Menschen ihre akustische Umwelt auf, durch welche sie untereinander in Beziehung zu treten bzw. eine Verständigung anzubahnen vermögen. Außerdem hat der Mensch es gelernt, Instrumente, angefangen von solchen primitivster Art, bis zu den kompliziertesten herzustellen, durch die er seine eigene Ton- und Geräusch-produktion in der mannigfaltigsten Art zu ergänzen, zu variieren oder durch eine besondere Tonwelt zu ersetzen vermag. Der Gehörapparat des Menschen ist nun befähigt, alle Elemente dieser eigenartigen akustischen Umwelt als Reize aufzunehmen und sie mit Hilfe eines eigenen zentralen Mechanismus zu verarbeiten. Außer diesen Schallquellen gibt es nun in seiner eigenen Umwelt noch eine Reihe von solchen, teils von Tieren stammend teils als Begleiterscheinungen von Kultur und Zivilisation. Das menschliche Ohr bzw. die receptorischen Sinnesflächen in Verbindung mit den Endstätten im Zentralorgan vermögen nicht nur bei all diesen Schallquellen die Unterscheidung zwischen Geräuschen und Klängen vorzunehmen, sondern auch bei beiden Schallarten Höhe, Stärke und Farbe zu erkennen und als typischer Fernsinn die größere oder geringere Nähe und Richtung des Schalles anzugeben. Durch das Ohr werden zentrale Mechanismen im Sinne einer Regulation für die Sprache beeinflußt und durch die psychische Verwertung der akustischen Reize das Verständnis der Sprache und der damit verbundenen höchsten geistigen Leistungen bedingt. Nimmt man noch dazu, daß durch die akustischen Reize in das Affektleben eingegriffen wird und daß mit ihnen die einfachen Lust- und Unlustempfindungen ebenso wie die verwickelten Seelenvorgänge bei der Musik und dem Gesang verknüpft sind, so wird man mit Recht das Gehörorgan des Menschen in bezug auf die Mannigfaltigkeit der Leistungen an die Spitze der Tierreihe stellen dürfen, wenn auch zuzugeben ist, daß dies nicht so sehr durch den Bau im peripheren Sinnesorgan, als vielmehr in der Ausbildung der zentralen Endstätten, im Nervensystem, bedingt sein mag.