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Die kulturpathologischen Erscheinungen vom Wertgesichtspunkt aus

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Grundƶüge der Kulturpsychopathologie
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Zusammenfassung

Wir nähern uns dem Schlusse. Die Kulturpsychopathologie darf sich letzten Endes einer Betrachtungsweise nicht ganz entziehen, die an sich zwar außerhalb des Rahmens der erfahrungswissenschaftlichen Untersuchung fällt, aber sich allenthalben hinein- und aufdrängt, wo immer von Kulturellem überhaupt die Rede ist: So selbstverständlich es ist, daß werthaltungsfreie, rein objektiv-empirische Feststellungen die allgemeine Grundlage für eine Kultur-psychopathologie abzugeben haben, so natürlich ist es, daß sich auf diese noch eine wertende Stellungnahme aufbaut: Zwar nicht in dem Sinne, daß nun allerlei ästhetische, ethische usw. Aburteilungen über die Einzelerscheinungen einsetzen, sie stehen uns nicht zu, wohl aber in der Weise, daß ein wertender Gesamtüberblick in allgemeinen Umrissen gegeben wird: über den Anteil positiver und negativer Werte am kulturpathologischen Formenkreis, über das allgemeine Verhältnis von Werterhöhungen und Wertschöpfungen, von Wertminderungen und -zerstörungen im Rahmen der kulturpathologischen Vorgänge u. a. m. Es wäre ja schon innerhalb der empirischen Betrachtung ein sinnloses Tun, wollte man unterschiedslos alles zusammentragen und zusammenstellen, was sich an kulturpathologisch gefärbten Phänomenen darbietet, und die Kritzeleien eines verblödeten Paralytikers, die ideenflüchtigen Reimereien eines Manischen mit den ernsten Kunstleistungen psychotischer Künstler wie Blake oder pathologischer Dichter wie Gogol in gleichem Niveau nebeneinander betrachten. Dabei kann man sich sehr wohl der Tatsache bewußt bleiben, daß sie an sich in gewissem Sinne zusammengehören und daß diese ihre Zusammengehörigkeit durch den gleicherweise pathologischen Ursprung wie ihre Übereinstimmung als Niederschlag und Ausdrucksformen pathologischer Zustände, Vorgänge oder Persönlichkeitsartungen zur Genüge erwiesen wird. Eine solche Niveauunterschiede übergehende Gleichstellung und distanzlose Nebeneinanderanordnung hat für einzelne Sonderzwecke gewiß ihren Sinn: so zum besseren Vergleich der äußerlich auseinandergehenden kulturellen Erscheinungen mit verschieden starkem pathologischem Einschlag, zum besseren Nachweis vorhandener innerer Gemeinsamkeiten oder fließender Übergänge zwischen ihnen u. dgl. m. Für eine aufs Kulturelle gerichtete Betrachtung ist aber eine systematische Differenzierung der kulturpathologischen Phänomene vom Wertstandpunkte — wenn auch nur zur Ergänzung der empirischen Feststellungen — nicht zu entbehren. Wir gehen ihr daher nicht länger aus dem Wege, wenden uns ihr vielmehr bewußt mit starker geistiger Umstellung zu. Dabei übersehen wir durchaus nicht, daß wir gerade mit diesem Hineintragen der Wertgesichtspunkte in die Kulturpathologie den heterogenen Charakter ihrer beiden gegensätzlichen (pathologischen und kulturellen) Komponenten besonders kraß herausstellen.

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Dieses Kapitel ist Teil des Digitalisierungsprojekts Springer Book Archives mit Publikationen, die seit den Anfängen des Verlags von 1842 erschienen sind. Der Verlag stellt mit diesem Archiv Quellen für die historische wie auch die disziplingeschichtliche Forschung zur Verfügung, die jeweils im historischen Kontext betrachtet werden müssen. Dieses Kapitel ist aus einem Buch, das in der Zeit vor 1945 erschienen ist und wird daher in seiner zeittypischen politisch-ideologischen Ausrichtung vom Verlag nicht beworben.

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Birnbaum, K. (1924). Die kulturpathologischen Erscheinungen vom Wertgesichtspunkt aus. In: Grundƶüge der Kulturpsychopathologie. J.F. Bergmann-Verlag, Munich. https://doi.org/10.1007/978-3-662-29972-2_4

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  • Publisher Name: J.F. Bergmann-Verlag, Munich

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