Zusammenfassung
Begrifflich ist der Lehrvertrag der gegenseitige Vertrag, durch den sich der eine Teil („Lehrherr“) zur berufsmäßigen Ausbildung, der andere Teil („Lehrling”) zur Leistung von Diensten zum Zweck der Berufserlernung verpflichtet. Der Lehrvertrag ist daher ein schuldrechtlicher Vertrag mit beiderseitigen Verpflichtungen, von denen die eine auf Leistung von Diensten geht, insoweit also dem sonstigen Arbeitsvertrag gleich steht, während die Gegenleistung hier nicht (oder nicht notwendig) auf Zahlung eines Lohnes, sondern ebenfalls auf Leistung von Diensten (Ausbildung) gerichtet ist2). Da indessen die Vergütung aus einem Arbeitsverhältnis nicht notwendig in Geld zu bestehen braucht, vielmehr auch in anderen Leistungen (Sachen oder Diensten) bestehen kann (S. 93), so folgt, daß der Lehrvertrag seinem Wesen nach ein Arbeitsvertrag ist, so daß grundsätzlich auf den Lehrvertrag alle Vorschriften über den Arbeitsvertrag Anwendung finden.
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Literatur
Literatur: Hume, Handb. II S. 236ff., Titze S. 874ff., Scxultz, Das Recht d. gewerbl. Lehrvertrages, Berlin 14; Gordan, Das Recht des kaufm. Lehrvertrages, Jahrb. Berl. Kaufmannsger. 12, S. 12ff. (auch Sonderdruck). Über den öffentlichrechtlichen Lehrlingsschutz vgl. S. 209.
Für den Erfolg der Ausbildung wird freilich nicht eingestanden; auch der Lehrvertrag ist daher ausschließlich Dienstvertrag und nicht Werkvertrag. Dagegen hält LEHMANN-HÖNIGER, Handelsrecht S. 177, den Lehrvertrag für einen „Doppelarbeitsvertrag“, bei dem der Lehrling Dienste, der Lehrherr eine Werkleistung als „selbstbestimmte Arbeit” schuldet.
Daher ist Regelung von Bestimmungen des Lehrvertrages in Tarifverträgen bzw. im Schlichtungsverfahren zulässig, soweit sie nicht durch statutarische Bestimmung einer Innung oder Handwerkskammer erfolgt ist. RAM. NZfA. 21, Sp.83; Preuß.HMin.4.6.23 (HMB1 S 196); ERBEL, Schlichtungswesen 22, S. 233; MASCRKE das. 23, S. 45 und RABI. 23, S. 343; LUPFE, RABI. 23, S. 181; DÖRFLER, NZfA. 24, Sp. 353; OLG. Dresden B. 11. 23, NZfA 24, Sp. 113.
Dagegen ist der Volontärvertrag, soweit der Volontär mangels Berufsmäßigkeit seiner Arbeitsleistung nicht Arbeitnehmer ist (S.31), überhaupt kein Arbeitsvertrag, soweit er Arbeitnehmer ist, ein Arbeitsvertrag nach Maßgabe der allgemeinen Grundsätze, bei dem jedoch der Arbeitslohn in Diensten (Ausbildung) besteht und für kaufmännische Volontäre gemäß § 82a HGB. das Wettbewerbsverbot teilweise abweichend geregelt ist.
Vgl. die S. 49 Anm. 1 zitierten Urkunden.
Hierzu BERGER, Die Strafklauseln in den Papyrusurkunden, Leipzig 1911, S. 167ff., 11
In der Papyrussprache heißt der Lehrvertrag Stlaaxaï.ax 1, der Lehrling,aa4Ns, der Meister SiScíaxaîo:.
In der Regel erhielt der Meister hierfür keine Bezahlung, mußte vielmehr seinerseits dem Lehrling bzw. dessen Gewalthaber Lohn zahlen und Kost und Kleidung des Lehrlings bestreiten, als Gegenleistung dafür, daß er in der Lehrzeit die Kräfte des Lehrlings für sich selbst ausnutzen durfte. Bereits dieser Lehrvertrag war daher rechtlich ein Dienstvertrag (locatio conductio operarum) mit dem Lehrling oder dessen Gewalthaber als locator der Arbeitskraft (BERGER, a. a. O.), und nur in den seltenen Fällen, in denen das Lehren als solches den ausschließlichen Zweck des Vertrags bildete und besonders vergütet wurde, ein Werkvertrag (1. c. operis).
§ 3 D, 9, 2; 1 13, § 4D, 19, 2. Bestimmte Bezeichnungen für Lehrvertrag, Lehrherrn und Lehrling finden wir hier aber nicht, doch dürfte tirocinium das Lehrverhältnis mit umfassen.
STIEDA, Artikel „Zunftwesen“ im Handw. d. Staatsw., 3. Aufl., Bd. 8, S. 1098, 1102 und 1105.
Vgl. zum folgenden SCHINDLER, Artikel „Lehrlingswesen“ im Handw. d. Staatsw., 4. Aufl., Bd. 6, S. 299ff.
Allgemeine Grundsätze des Präs. der RArbVerw. über Berufsberatung und Lehrstellenvermittlung RABI. 22, S. 309, dazu GAEBEL, RABI. 23, S. 210.
Die praktische Berufsberatung, herausgegeben vom Landesamte Sachsen, Dresden 1922, SYRUP, RABI. 22, S. 541, SCHINDLER, Arbeit und Beruf, 1922 S. 13ff., STETS, das. 23, S. 202.
KASREL-SYRUP, Anm. 16 zu § 2 ANG.
Die Organisation der Berufsberatung ist teilweise landesrechtlich geregelt (in Preußen durch VO. vom 18. 3. 19• Einrichtung provinzieller Berufsämter). Sondervorschriften gelten für bestimmte versorgungsbedürftige Personen, vor allem Kriegsbeschädigte. Zusammenstellung bei LEHFELDT-EILERT, Anm. 7 b zu § 2 ANG. und NZfA. 21, Sp. 152.
LEHFELD-ETLERT, Anm. 8b zu § 2 ANG.
Doch hat das Fehlen der Befugnis zum Lehrherrn nicht Nichtigkeit des Lehrvertrages zur Folge, sondern Strafbarkeit des Lehrherrn, polizeilichen Entlasungszwang und Zulässigkeit jederzeitiger fristloser Kündigung für beide Teile (§§ 144a, 145 Nr. 9, 9a, 9b).
Dies gilt freilich nur für die Anleitung, nicht schon für das Halten des Lehrlings. Besitzt daher der Lehrherr diese Eigenschaften nicht selbst, so muß er einen entsprechenden Vertreter bestellen. Es gilt ferner nur für die eigentliche Anleitung, nicht für die Unterweisung in einzelnen technischen Handgriffen und Fertigkeiten (§ 129 Abs. 4).
Der letzteren stehen gewisse Ersatztatsachen gleich § 129.
Über die Unzulässigkeit koalitionsbeschränkender Abreden vgl. S. 233. Anm. 2
Nämlich bei gewerblichen Lehrverträgen die beiderseitigen Schadensersatzansprüche bei vorzeitiger Kündigung sowie der Anspruch des Lehrherrn auf Rückkehr des unbefugt die Lehre verlassenden Lehrlings (§§ 127f und d), bei kaufmännischen LehrverträgenderAnspruch desLehrherrn gegenüber dem die Lehre unbefugt verlassenden Lehrling auf Fortsetzung des Lehrverhältnisses und Schadensersatz, (§ 79 HGB).
Der schriftliche Abschluß soll bei gewerblichen Lehrlingen binnen vier Wochen nach Beginn der Lehrzeit vorgenommen werden. Ausnahmen bestehen für Lehrlinge in staatlich anerkannten Lehrwerkstätten und für Lehrverhältnisse zwischen Eltern und Kindern, bei welch letzteren schriftliche Anzeige an die Handwerkskammer genügt, (§ 126b Abs. 3).
Jedoch nur bei schriftlich abgeschlossenem Lehrvertrag.
D. h. bis zur Auflösung durch Urteil des zuständigen Gerichts (ordentlichen Gerichts oder Innung) oder Erlaß einer einstweiligen Verfügung, wonach dem Lehrling gestattet wird, der Lehre fernzubleiben.
Überschreitung dieses Rechts durch den Lehrherrn ist indessen strafbar und gibt dem Lehrling das Recht zum fristlosen Austritt aus der Lehre sowie bei Verschulden des Lehrherrn zum Schadensersatz (§ 127 b Abs. 3.).
RG. Jur. Woch. 09, S. 685.
A. M. HUECK, Handb. II S. 246.
Von den sonstigen Gründen des Erlöschens des Arbeitsverhältnisses (S. 119) findet ein Erlöschen wegen Erreichung des Zweckes hier nicht statt. Ein Erlöschen wegen Konkurses ist unpraktisch, denn das Lehrverhältnis erschöpft sich niemals in einer Geschäftsbesorgung; im übrigen ist der Konkurs für die Beendigung des Lehrverhältnisses von gleicher Bedeutung wie für ein sonstiges Arbeitsverhältnis. Ein Erlöschen durch Tod erfolgt nur im Fall des Todes des Lehrlings, während im Fall des Todes des Lehrherrn sowohl dessen Erben wie der Lehrling innerhalb von vier Wochen (bei kaufmännischen Lehrlingen einem Monat) zur Auflösung des Lehrverhältnisses berechtigt sind (§ 127 b Abs. 4 GewO., § 77 Abs. 4 HGB.).
Auch kann hier die Handwerkskammer mitZustimmung der höheren Verwaltungsbehörde und nach Anhörung von Innungen und Gewerbevereinen die Dauer der Lehrzeit für einzelne Gewerbe oder Gewerbszweige festsetzen, die Lehrlinge andererseits aber auch in Einzelfällen von der Einhaltung der Lehrzeit entbinden.
Über Recht und Pflicht zur Weiterarbeit als Geselle entscheidet ausschließlich der Wille der Parteien hierüber; KG. 11. 4. 23, NZfA. 24, Sp. 52.
Damit entfällt zugleich ein Mitbestimmungsrecht der Betriebsvertretung bei Auflösung des Lehrvertrages (S. 134).
Diese Mindestprobezeit gilt zugleich als Regel und daher im Zweifel als vereinbart.
Ausnahme nur für die Ansprüche der kaufmännischen Lehrlinge.
Gegenüber dem neuen Arbeitgeber 4 Wochen nach Kenntnis von der Person desselben (§ 127g GewO.).
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Kaskel, W. (1925). Der Lehrvertrag. In: Arbeitsrecht. Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft, vol 31. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-29360-7_11
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