Die Osteomyelitis und ihre Prognose

Zusammenfassung

Wohl kaum eine Erkrankung auf dem Gebiete der Chirurgie ist, was ihre Behandlung angeht, so umstritten, wie die Osteomyelitis (O.). Es ist erstaunlich, wie weit die Meinungen der einzelnen Autoren auseinandergehen, wenn man bedenkt, daß die Einstellungen zu den meisten anderen großen Problemen wenigstens grundsätzlich übereinstimmen. Im Falle der O. ist das anders. Bei einem annähernden Überblick über die Weltliteratur ist man überrascht über die Anzahl der Wege, die man zur Erzielung einer Heilung beschritten hat. Merkwürdig ist nur, daß fast alle Autoren mit den von ihnen angegebenen Methoden unbestreitbare Erfolge erzielt haben wollen. Aber keine von ihnen allen hat sich bisher als die Methode der Wahl durchsetzen können. Unwillkürlich drängt sich hier die Frage nach der Ursache dieser Gegensätze auf. Versucht man einmal, den Dingen nachzugehen, so muß man zunächst allgemein feststellen, daß es auch im Laufe der Entwicklung unseres Faches Zeiten gegeben hat, in denen man glaubte, an der Grenze des menschlich Möglichen angelangt zu sein. Dann erfolgte in der Regel plötzlich, unter dem Eindruck irgendeiner neuen Entdeckung oder eines neuen Mittels eine allgemeine Überprüfung unseres Wissens und unserer Erfahrung, eine Periode der „Umwertung aller Werte“ hob an, und das Ergebnis war oft so, daß man sich über Probleme zu streiten begann, von denen man früher vielleicht glaubte, daß sie bereits, wenn auch nicht unbedingt ideal, gelöst seien.

Aus der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses St. Georg, Leipzig. Direktor: Professor Dr. E. Heller.

Der Verfasser ist sich dessen bewußt, daß er in der vorliegenden Arbeit Ansichten vertritt, die zum Teil in direktem Gegensatz stehen zu den Ergebnissen, die Philipowicz 1935 an gleicher Stelle veröffentlichte. Ihr Sinn und Zweck ist nun aber nicht der, diese Verschiedenheiten besonders herauszustellen, vielmehr soll sie dazu anregen, das Problem der Osteomyelitis von einem anderen Gesichtswinkel zu betrachten, als es Philipowicz in seiner Arbeit aus dem Jahre 1935 tut. Wir glauben, auf Grund eingehender Bearbeitung unserer Osteomyelitisfälle in den letzten 15 Jahren zu diesem Vorschlag berechtigt zu sein.