Zusammenfassung
Wenn man die verschiedenen Eigenheiten der Lebewesen, der Menschen, Tiere und Pflanzen untersucht, kommt man zum Ergebnisse, daß allen Lebewesen eine Eigenschaft zukommt: der Wille zum Leben, der sich im Selbsterhaltungstriebe äußert (Spinoza: „conatus sese conservandi“; Pufendorf: „se ipsum conservare“). Hier soll nicht untersucht werden, woher dieser Wille stammt und welche Zwecke er verfolgt, sondern es soll nur die bloße Tatsache festgestellt werden, die an sich so bekannt ist, daß sie wohl keinen Beweis erheischt.1 Aus diesem Selbsterhaltungstriebe ergibt sich notwendigerweise für alle Lebewesen, also auch für die Menschen, ihre egoistische Einstellung zu der gesamten Umwelt. Für jeden Menschen ist grundsätzlich die Erhaltung seines individuellen Lebens, die Wahrung seiner individuellen Interessen, das Wichtigste. Interessen für Ideale zeigen die Menschen erst, bis ihre materiellen Interessen gesichert sind. Primum vivere, deinde philosophari.2 Man kann daher ruhig sagen, daß im allgemeinen die Menschen ihr Tun und Lassen, ihre Gedanken und Wünsche nach dem richten, was ihnen nützt, wenn sich auch der einzelne nicht immer dessen voll bewußt ist, sondern glaubt, aus anderen, idealen Motiven zu handeln. Dies ist die natürliche Art, wie sich der Selbsterhaltungstrieb beim Menschen äußert. Wer sich mit Erscheinungen beschäftigt, die, wie das Recht, Beziehungen zwischen Menschen und Völker betreffen, muß mit diesem Egoismus als der Grundeigenschaft der Menschen rechnen.1
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Author information
Authors and Affiliations
Additional information
Besonderer Hinweis
Dieses Kapitel ist Teil des Digitalisierungsprojekts Springer Book Archives mit Publikationen, die seit den Anfängen des Verlags von 1842 erschienen sind. Der Verlag stellt mit diesem Archiv Quellen für die historische wie auch die disziplingeschichtliche Forschung zur Verfügung, die jeweils im historischen Kontext betrachtet werden müssen. Dieses Kapitel ist aus einem Buch, das in der Zeit vor 1945 erschienen ist und wird daher in seiner zeittypischen politisch-ideologischen Ausrichtung vom Verlag nicht beworben.
Rights and permissions
Copyright information
© 1934 Springer-Verlag Wien
About this chapter
Cite this chapter
Blühdorn, R. (1934). Das Wesen der Menschen. In: Einführung in das Angewandte Völkerrecht. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-28832-0_2
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-662-28832-0_2
Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg
Print ISBN: 978-3-662-27345-6
Online ISBN: 978-3-662-28832-0
eBook Packages: Springer Book Archive