Zusammenfassung
Die wissenschaftliche Reichweite chemischer Intuition und chemischer Experimentalforschung auf dem Gebiete des räumlichen Baues der Moleküle kann nicht besser bewertet und bemessen werden, all durch die voranstehende Beurteilung von seiten eines führenden Atomphysikers. Dieses Urteil gilt einem Gedankenbild, das vor sechs Jahrzehnten als eine Phantasterei abgelehnt, bespöttelt wurde, inzwischen aber — mit dem Fortschreiten der chemisch-wissenschaftlichen Erschließung der organischen Naturstoffe — eine zentrale Stellung sick gesichert hat.
„Die Strukturformeln der Stereochemie geben in so wundervoller Weise das chemische Verhalten der dargestellten Substanzen wieder, daß auch der Physiker nicht daran zweifeln kann, daß hier in der Tat die wirkliche Architektur des Atomaggregates in den wesentlichen Zügen dargestellt ist.“
P. Debye, Struktur der Materie. 1933.
„Als allgemeines Ergebnis der vorstehenden Ausführungen möchte ich hervorheben, daß die besprochenen physikalischen Methoden neben einer Präzisierung eine glänzende Be-stätigung der auf rein chemischem Wege zuerst gewonnenen Ansichten über den räumlichen Bau der Moleküle geliefert haben.“
P. D e bye, Nobelvortrag 1936 [Z. angew. Ch. 50, 3 (1937)].
Zur Literatur über die Stereochemie seien genannt:
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Literatur
aus der älteren Zeit die beiden klassischen Werke: J. H. van’ t Hoff: Lagerung der Atome im Raume, 2. Aufl. 1894; 3. Aufl. 1908, und A. Werner: Lehrbuch der Stereochemie. 1904; dann auch die umfangreiche Zusammenfassung von C. A. Bischof f und P. Walden: Stereochemie. 1893/94.
aus der letzten Zeit: G.-Wittig: Stereochemie. 1930; St. Goldschmidt: Stereochemie. 1933; F. M. Jaeger: Lectures an the Principle of Symmetrie. 1920; insbesondere die grundlegende Enzyklopädie: K. Freudenberg: Stereochemie. 1933:
Historische Überblicke gab P. Walden: Fünfundzwanzig Jahre stereochemischer Forschung. Naturwiss. Rundschau 15, Nr. 12–16 (1900).
Fünfzig Jahre stereochemische Lehre und Forschung. B. 58, 237 (1925).
Vergangenheit und Gegenwart der Stereochemie. Naturwiss. 18, Nr. 15 u. f. (19.25).
Versuche zur Umbildung der klassischen Stereochemie lieferten u. a.:
E. Knoevenagel: Entwicklung der Stereochemie zu einer Motochemie, 1907; A. v. Weinberg: Kinetische Stereochemie der Kohlenstoffverbindungen,.1914; A. Schleicher: Formale Stereochemie, 1917; K.WeiBenberg: Geometrische GrundIagen der Stereochemie. B. 59, 1526 (1926) [vgl. dazu W. Hückel: B. 59, 2826 (1926)]. Zur Stereochemie ringförmiger Gebilde: insbesondere H. Sachse (1890 u. f.) und E. Mohr (1903; 1918 u. f.). Über „dynamische Stereochemie“ vgl. H. Erlenmeyer: Hely. chim. Acta 13, 731 (1930).
Die stereochemische Wirklichkeit des in der dreidimensionalen Welt wirkenden Eaperimentalchemikers verschwindet in der höheren vierdimensionalen Welt, da in dieser die optischen Antipoden und ihre entgegengesetzten Drehungen identisch werden sollen [Chem. News 131, 373 (1925)].
Beachtenswert ist der Befund [A. Lüttringhans und K. Buchholz: B. 73, 136 (1940)3, daß in der J. H. van’t Hoff geschaffenen Lehre vom regulären Kohlenstofftetraeder dem von A. Baeyer zugrunde gelegten Tetraederwinkel von rund 110° (bzw. 109° 28’) „eine wesentlich höhere Realität zukommt als bisher angenommen wurde, und als auch die Begründer der Tetraederlehre selbst zu erwarten gewagt hatten“.
Literatur: M. Scholtz: Einfluß der Raumgruppen usw. Stuttgart 1899. L. Anschütz: Z. Angew. Chem. 41, 691 (1928).
G. Wittig: Stereochemie, S. 333–361. 1930.
St. Goldschmidt: Stereochemie, S. 215–255. Leipzig 1933.
W. Hückel: Theoretische Grundlagen usw., Bd. II, 8. 222–244. 1935.
V. Meyer: B. 27, 510 (1894)., 14*
V. Meyer u. J. J. Súdborough: B. 27, 1580, 1586, 3146 (1894).
V. Meyer: B. 28, 188, 1254 (1895).
V. Meyer: B. 29, 830, 839 (1896).
V. Meyer: B. 28, 2775, 2788 (1895). 5) A. W. Hofmann: B. 5, 704 (1$72). 6) Kachier: A. 162, 263 (1872).
A. W. Hofmann: B. 17, 1415 (1884); 18, 1824 (1885); Küster u. Stollberg: A. 278, 207 (1894).
J. Wislicenus: Abhandl. d. Sächs. Akad. d. Wissensch. Leipzig 1887.
F. Kehrmann: B. 21, 3315 (1888); 28, 130, 135 (1890); 41, 435 (1908); J. prakt. Chem. (N. F.) 42, 134 (1890).
Henry: B. 10, 2041 (1877); s. auch A. Werner: Stereochemie, S. 401. 1904.
Wegscheider: M. 16, 75 (1895); B. 28, 1468 (1895).
Angeli: B. 29, Ref. 591 (1896).
G. Bredig: Ph. Ch. 21, 154 (1896).
A. Michael: B. 42, 310, 317. (1909).
Sachse: Ph.“Ch. -10, 240 (1892).
Lowry: Soc. 75, 223 (1899).
Tanatar: B. 29, 1297 (1896); A. 273, 54 (1893).
Berthelot: C. r. 118, 1123 (1894); B. 27, Ref. 464.
Über,.Alloergatie = dynamische Isomerie vgl. H. Klinger: B. 32, 2195 (1899).
Abnorm hohe Werte des optischen Drehungsvermögens zeigen z. B. Nitromandel-säure mit M:4%, _ ± 594° in Aceton (A. McKenzie und P. A. Stewart: Soc. 1935, 104); von komplizierteren Gerüsten seien genannt die Derivate des Bisiminocamphers mit [a] bis zu + 2875° [B. K. Singh, M. Singh und S. Lal: Soc.119,1971 (1921)] sowie das Crocin mit [a] `,t _ — 1760° in Wasser [R. Kuhn und J. W ang: B. 72, 871 (1939)]; weitere Beispiele gibt M. Singh [J. Indian chem. Soc. 16, 19 (1939)]. Die Einführung der Nitrogruppe in den Benzolring bringt auch eine mehrfache Steigerung des Drehungswertes in der a-Phenoxy ([4, = + 39,3°) zu der d-o-Nitrophenoxy-própionsäure NO2 • C6H4.O•CH(CH3) COOH mit [a]„ =+ 166,25°- hervor [E. Fourneau: Bl. (4) 31, 988 (1923)].
Über Mutarotation und optische Superposition vgl. das Kapitel Zucker.
E. Beckmann: A. 250, 373 (1889); ebenso L. Claisen: Ber. d. Bayr. Akad.d.• Wiss. 20, 451 (1891).
A. v. Baeyer: B. 19, 1797 (1886).
A. v. Baeyer: B. 27, 454 (1894).
Wallach: A. 281, 127 (1894).
A. v. Baeyer: B. 27, 3495 (1894).
G. Wagner: B. 27, 1653 (1894).
S. auch Tiemann und Semmler: B. 28, 2146 (1895).
A. v. Baeyer: B. 29, 4’(1896).
J.Böeseken und Langedyk (C.1927II, 1932 ) haben mittels der Lichtoxydation der Alkohole, z. B. durch Anwendung von photoaktivem Benzophenon-p-carbonsäure-l-menthylester, das razem. Methyläthylcarbinol aufspalten können.
Ähnlich dürfte der Fall von M. Betti und. E. Lueohi (C. 1940 I, 2779) liegen, die z. B. aus Acetaldehyd mit CeH5MgBr in optisch-aktivem Dimethylbornylamin ein aktives Methylphenylcarbinol CBH5CH(OH) • CH,, a,, = + 1,33° erhielten.
Daß die Natur von gewissen Stoffklassen sowohl die d-als auch die 1-Antipoden erzeugt, tritt namentlich unter den „ätherischen Ölen“ u. ä. entgegen, z. B. d-und 1-Linalool, d-und 1-Citronellol, d-und 1-Pinen, d-und 1-Campher, d-und 1-Borneol. Neuerdings sind auch zwei Naphthochinonfarbstoffe als in der Natur vorkommende optische Antipoden gefunden worden: 1-Alkannin und d-Shikonin [H. Brock m a n n und H. Roth, 1935; über die Synthese vgl. H. Brockmann und K. Müller: A. 540, 51 (1939)].
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Walden, P. (1941). Lagerung der Atome im Raume (Stereochemie). In: Geschichte der organischen Chemie seit 1880. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-28693-7_10
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