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Der herkömmliche Vorsatzbegriff im Licht der neueren Psychologie

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Die Bewußtseinsform des Vorsatzes
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Zusammenfassung

Die Bedenken, die man gegen die traditionelle Auffassung vom intellektuellen Vorsatzelement vorbringt, sind also durchwegs psychologischer und kriminologischer Natur. Sie lassen sich in zwei Gruppen zusammenfassen:

Im älteren Schrifttum wurde noch gelegentlich bezweifelt, ob es psychologisch gesehen überhaupt möglich sei, daß der Täter bei komplizierteren Tatbildern zu einer in allen Stücken tatbildgerechten Motivation gelange. Man berief sich dazu auf die „Enge des Bewußtseins“, die es dem Menschen verbiete, mehrere Vorstellungen zur selben Zeit in sein Bewußtsein aufzunehmen und zu beachten1.

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Referenzen

  1. Zimmerl, MonKrimPsych. 1928, S. 450; dagegen Heims, ZStrW. 40, S. 764, Anm. 21.

    Google Scholar 

  2. Willwoll, in Brugger, Philosophisches Wörterbuch, 8. Aufl., S. 25 und 38; Ebbinghaus-Bühler, Grundzüge der Psychologie I, 4. Aufl., S. 636; James-Dürr, Psychologie, 2. Aufl., S. 216; Klemm, in Titchener-Klemm, Lehrbuch der Psychologie, 2. Aufl., S. 247; Lipmann, Grundriß, 2. Aufl., S. 31 f. — Nach Rohracher, aaO. 8. Aufl., S. 495 f., besagt die Tatsache der Enge des Bewußtseins nicht, daß nicht mehr Inhalte gleichzeitig bewußt sein könnten, wohl aber, daß zwei verschiedene psychische Funktionen nicht gleichzeitig mit ihrer maximalen Leistung arbeiten können.

    Google Scholar 

  3. Heims, MonKrimPsych. 13, S. 94 f.

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  4. Zum Vorgang der Assoziation näher unten S. 71 mit Anm. 24.

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  5. Vgl. bes. Mezger, oben S. 15.

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  6. Motiv und Motivation, S. 18 f.

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  7. Hofstätter, Fischer-Lexikon, S. 7.

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  8. So Hofstätter, aaO. S. 9.

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  9. Die Bedeutung der Kriminologie für die Strafrechtsdogmatik hat Würtenberger, Die geistige Situation, besonders nachdrücklich hervorgehoben, wenn er sagt: „Ohne stete Berücksichtigung der Lebenswirklichkeit hängt alles rechtsdogmatische Denken in der Luft“ (S. 31); der Jurist werde „nie zu echter straf -rechtswissenschaftlicher Erkenntnis vorstoßen“, wenn er die wichtigsten empirischen Grundlagen seiner Forschung mißachtet; denn gleichgültig, ob es sich nun um Fragen des Allgemeinen Teils oder um die Auslegung von Tatbeständen des Besonderen Teiles handle: „überall stehen Fragen der Kriminologie im Vordergrund und sollten die dogmatischen Problemlösungen wesentlich mitbestimmen“ (S. 37). Auch Leferenz, ZStrW. 1958, S. 37, hat, u. zw. gerade im Hinblick auf die Vorsatzlehre, mit Recht darauf hingewiesen, daß nur von einer lebensnahen Betrachtungsweise her wieder eine sachgerechte normative Aussage erfolgen kann. Wenn Binding, Normen II/l, 2. Aufl., S. 14 f., bes. auch Anm. 17, noch leidenschaftlich vor der „traditionellen juristischen Bescheidenheit“ gewarnt hat, die durchaus die Psychologie zu Rate ziehen wolle, um die gesetzliche Vorsatzregel „zu deuten oder gar zu berichtigen“, so wohl nur deshalb, weil er zwischen der Feststellung eines psychischen Sachverhaltes und seiner juristischen Wertung noch nicht genügend scharf unterschieden hat; dagegen mit Recht schon Heims, MonKrimPsych. 13, S. 95, Anm. 1. Wo es sich um „psychologische Rechtsbegriffe“ handelt, kann der Jurist gar nicht auf die Hilfe des Psychologen verzichten, um die gemeinten Sachverhalte eindeutig zu umschreiben. Er darf sich dabei nicht auf überwundene psychologische Anschauungen festlegen. Die in der Vorsatzregel enthaltene Wertaussage ist auf das heute als maßgeblich erkannte Menschenbild zu übertragen und so in das moderne Wissenssystem einzufügen.

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  10. LK. J, 8. Aufl., S. 316. Die Zielvorstellung ist selbst wieder das Ergebnis eines Interessen des Menschen wesentlichen Anteil haben. Denn alle inhaltlichen Ziele des Wollens stammen, wie Welzel, Strafrecht, 8. Aufl., S. 127 f., treffend hervorhebt, letztlich aus der Tiefenschicht des Menschen. Sie sind das Werk eines tiefenseelischen und oft unbewußten Antriebs, dem Sinnesorgane und Intellekt dabei behilflich sind, die Mittel und Wege zu seiner Befriedigung zu suchen. Vgl. Grassberger, Kriminalbiol. Gegenwartsfragen, Heft 2, S. 54, und Psychologie des Strafverfahrens, S. 88.

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  11. Rohracher, aaO. S. 456.

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  12. Mezger, aaO. S. 316.

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  13. Rohracher, aaO. S. 460.

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  14. Auf den „Doppelcharakter“ der Antriebe hat schon Welzel, aaO. S. 127, aufmerksam gemacht: Die Antriebe haben neben einer bestimmten Antriebsoder Drangstärke, die sie aus dem tiefenseelischen Bereich mitbringen, auch einen bestimmten Sinngehalt, der sich freilich erst dem nach Richtigkeit, Sinn und Wert orientierten, „sinngeleiteten Wollen“ erschließt.

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  15. Hier kommt vor allem eine Triebverirrung oder abnorme Triebfixierung in Betracht, so wie es etwa manche Lüstlinge gerade auf kindliche Mädchen abgesehen haben. Aber auch das „irrende Gewissen“ und die Einstellung des Überzeugungsverbrechers kann hier eine Rolle spielen.

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  16. Zum Begriff der tiefenseelischen Teilperson im Gegensatz zur vollen, bewußten Persönlichkeit vgl. Heiss, Allgem. Tiefenpsychologie, S. 213 ff.

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  17. Dazu Rothacker, Die Schichten der Persönlichkeit, 5. Aufl., S. 86 ff.

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  18. Rohracher, aaO. S. 474, 475, 477; vgl. KadbČka, Gesammelte Aufsätze, S. 79.

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  19. So Rohracher, aaO. S. 342.

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  20. Vgl. Th. Newcomb, Social Psychology, S. 91, Rohracher, aaO. S. 342.

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  21. Wie Rohracher, aaO. S. 471 ff., meint.

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  22. Heinzel, Summa I, 34. Aufl., S. 22.

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  23. So Heinzel, aaO. S. 28; er verweist in diesem Zusammenhang insbesondere auf den Einfluß der Erziehung, der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse, auf die Neigungen des Menschen und überhaupt auf die „propensiones voluntatis“ (S. 28 f.), die sich zur Gewohnheit verdichten und dann die geistige und die Willenstätigkeit derart beschränken können, daß der Mensch zu einem „actus perfectus“, also zu einer echten Wertentscheidung, untauglich wird (S. 61). Auch Willwoll, in Brugger, Philos. Wörterbuch, 8. Aufl. S. 386, hebt hervor, daß „viele Handlungen des Alltags ohne jede Motiverwägung geschehen“ und daher nicht eigentlich zum Willen zuzurechnen seien.

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  24. Rohracher, aaO. S. 460.

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  25. Grassberger, Psychologie des Strafverfahrens, S. 92; zum „lügnerischen Typ“ vgl. auch Altavilla, Forensische Psychologie I, S. 110 ff.

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  26. Vgl. Rohracher, aaO. S. 462.

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  27. Der Gedanke wird vor allem von einer Reihe von Lehrmeinungen zur Frage des Unrechtsbewußtseins verwertet. Vgl. Nowakowski, Gmndzüge S. 72 f., und ZStrW. 1953, S. 379 ff., bes. S. 396 ff.; KadeČka, Gesammelte Aufsätze S. 72 ff., bes. S. 78; Mezger, Studienbuch I, S. 183 f., Kohlrausch-Festschrift S. 184, Moderne Wege S. 43, NJW. 1953, S. 4. Siehe auch Schönke-Schröder, Kommentar, 11. Aufl. S. 383. — Gegen die Lehre von der „Rechtsblindheit“ oder Rechtsfeindlichkeit H. Mayer, Strafrecht, S. 261, Welzel, aaO. S. 144 f., und Neues Bild, 4. Aufl., S. 63, Lange, ZStrW. 63, S. 469, Maurach, Lehrbuch I, 2. Aufl., S. 261.

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  28. Würden werthafte Assoziationen mit Notwendigkeit auftreten, hätte die Rechtsfigur der unbewußten Fahrlässigkeit keine Berechtigung mehr. Auch bei ihr sind immer Hinweise auf die Möglichkeit der Rechtsgutsbeeinträchtigung gegeben, die unter der Voraussetzung der richtigen Wertverbundenheit zur Vorstellung der Tatbildverwirklichung führen würden. Die Schuld besteht hier gerade darin, daß der Täter aus Mangel an Wertverbundenheit diese Verbindung nicht hergestellt hat. Vgl. Nowakowski, Grundzüge, S. 71, und JB1. 1953, S. 508? Rittler, aaO. S. 216, KadeČka, Gesammelte Aufsätze, S. 66 ff., Exner, Wesen der Fahrlässigkeit, S. 163 ff., Engisch, Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit, S. 165 ff.; vgl. auch Seelig, Schuld, Lüge, Sexualität, S. 23 f.

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  29. Zu dieser Modellfigur Nowakowski, SchwZStr. 1950, S. 310 ff., Grundzüge, S. 67; KadeČka, JB1. 1928, S. 215, auch Gesammelte Aufsätze, S. 61; Platzgummer, JB1. 1959, S. 341 f.; OGH. in JB1. 1959, S. 351.

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  30. Schon Zimmerl, MonKrimPsych. 19, S. 449 ff., spricht treffend von „juristisch bedeutsamen, für den Täter unwichtigen Tatumständen“, ohne den Gedanken freilich voll auszuschöpfen.

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  31. Auch Mezger, NJW. 1951, S. 870, betont, daß die Aufmerksamkeit gerade des gefährlichen Asozialen nur selten allen Deliktsmerkmalen gelten werde.

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  32. Zur Unterscheidung von Trieben und Affekten ausführlich Heiss, Allgem. Tiefenpsychologie, S. 258 ff.; auch Stumpfl, Motiv und Schuld, S. 47 (Trieb: „wenn die Erregung primär inneren Ursprungs ist mit allgemeinem Richtungssinn und die erste sich bietende Gelegenheit ergriffen wird“, Affekt: „wenn die Erregung sekundärer Natur ist, reaktiv wachgerufen durch äußere Situation und Gegebenheit“).

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  33. Die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit, 3. Aufl., 1956.

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  34. AaO. S. 18 f.

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  35. Vgl. auch Hadamik, GA. 1957, S. 102, Hoche, Handbuch der gerichtl. Psychiatrie, 3. Aufl., S. 294, Willwoll, aaO. S. 386.

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  36. Schneider, aaO. S. 21 ff.

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  37. AaO. S. 22.

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  38. AaO. S. 20.

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  39. ZStrW. 1958, S. 38 f.

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  40. Vgl. dazu auch Hadamik, MonKrim. S. 19.

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  41. Lersch, Aufbau der Person, 8. Aufl., S. 225, spricht davon, daß der Affekt „einen Abbau der noetisch-willensmäßigen Schicht der Person, ein Absinken in eine vorintellektuelle, ungeistige und willensmäßig unkontrollierte Haltung“ mit sich bringe. Vgl. Lipmann, aaO. S. 38, und Bettiol, Diritto penale, 4. Aufl., S. 334: „Chi è portato dalla veemenza di una passione a compiere una data azione, supera piu facilmente di chi opera a mente fredda i controstimoli all’azione delittuosa. La volontà perde quasi i freni inibitori“.

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  42. Altavilla, aaO. S. 78, betont, daß eine starke Gemütserregung „die gesamte Aufmerksamkeit auf einen begrenzten Ideenbereich lenkt und konzentriert, die Ideenassoziation lahmt und jede Vorstellung beiseiteschiebt, die mit der Ursache des Erregungszustandes keine Berührung hat“. Eine Reihe von Vorstellungen und Wahrnehmungen beherrsche die Seele sosehr, „daß unsere Sinne gleichsam unempfindlich werden für alles, was zu ihnen keine Berührung hat“ (S. 77). Vgl. Hadamik, MonKrim. 1953. S. 12 f.

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  43. Lipmann, aaO. S. 38, auch Eliasberg, MonKrimPsych. 21, S. 417, der von Triebhandlungen spricht, und Klee, ZStrW. 1928, S. 6: „Das ist gerade das Wesentliche bei Jähzorns-, Eifersuchts-, Haß- und Rachehandlungen, daß der Täter blind auf sein Ziel losrennt, ohne sich um das Für und Wider zu kümmern, daß die Vorstellung und der Wunsch, dem andern Übles zu tun, so mächtig ist, daß er gar nicht die Zeit und die Ruhe des Gemütes findet, andere Vorstellungen wie die der Rechtlichkeit und Sittlichkeit in sich lebendig werden zu lassen“.

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  44. Im übrigen nicht erst heute; den Zornaffekt hat schon Horaz, Epist. I, 2, 62 als furor brevis charakterisiert.

    Google Scholar 

  45. So auch Jenull, Das Österr. Criminal-Recht I, 3. Aufl., S. 95, 253 ff., der im übrigen ein für seine Zeit (1837) erstaunlich reifes psychologisches Urteil beweist, wenn er sagt: „Ohne alle Gemütsbewegung ... wird kein Verbrechen begangen. Unser ganzes Leben, soweit wir es im Zustand des Bewußtseins durchbringen, wird zum mindesten von einigen Tropfen Gefühles bewegt“ (S. 253).

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  46. Vgl. dazu unten S. 48 mit Anm. 32.

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  47. Siehe Bürger-Prinz, Motiv und Motivation, S. 38.

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  48. Seelig, Kriminalbiol. Gegenwartsfragen VIII, S. 35.

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  49. Seelig, aaO. S. 35, vgl. auch die Typologie im Lehrbuch der Kriminologie S. 43 f., 45 ff., und Altavilla, Forensische Psychologie I, S. 76, der S. 82 ff. eine ganze Reihe von solchen typischen Erregungszuständen darstellt, die eine anschauliche Illustration zu der Behauptung Seeligs abgeben.

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  50. Seelig, Schuld, Lüge, Sexualität, S. 29.

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  51. Allgemeine Psychopathologie, 5. Aufl., S. 17. Vgl. auch S. 15: „Wo ein theoretisches Vorurteil herrscht, wird die Auffassung der Tatbestände befangen. Man sieht die Befunde immer schon im Schema der Theorie“.

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  52. Motiv und Motivation, S. 19.

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  53. Kriminalbiol. Gegenwartsfragen V, S. 101.

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  54. Auf dieses rationalistische Vorurteil ist es wohl auch zurückzuführen, wenn der traditionelle Vorsatzbegriff noch immer nicht allgemein in seiner Fragwürdigkeit erkannt ist. Er muß erst dann wirklich problematisch werden, wenn man den konkreten Lebenssachverhalt, der darunter subsumiert werden soll, mit den Augen des empirisch geschulten Psychologen betrachtet. Erst dann kommt man überhaupt in die Lage zu erkennen, daß die Formel vom „Bedenken und Beschließen“ sämtlicher Tatumstände vielleicht doch keine ganz wertgerechte Vorsatzgrenze zieht.

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  55. ZStrW. 1958, S. 39.

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  56. Schichten der Peisönlichkeit, 5. Aufl., S. 33.

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Platzgummer, W. (1964). Der herkömmliche Vorsatzbegriff im Licht der neueren Psychologie. In: Die Bewußtseinsform des Vorsatzes. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-26331-0_3

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