Zusammenfassung
Dem doch nur in den seltensten Fällen erreichbaren Ziele einer Entlohnung des Erfinders für das Vollziehen96) der entscheidenden Gedankenverbindung in seiner Phantasie oder mit anderen Worten für seine geistige Urheberschaft stehen andere zurzeit allerdings von Mißständen und Mißbräuchen überwucherte große Ziele gegenüber, mit deren Berücksichtigung unsere Reichsregierung sich ganz besondere Verdienste um den vaterländischen Gewerbfleiß hätte erwerben können.
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Literatur
Vgl. Erläuterungen zum Entwurf 1913, bei §§ 3–6, 9 Abstatz 2.
Was daran durch Wegelagererpatente etwa geändert wird, kann als moralisch verwerflich nicht in Ansatz kommen, ebensowenig wie die nicht selten mit Erfindungen betriebenen Schwindelmanöver, die schon recht einträglich gewesen sind.
Bei diesem kann man doch nicht annehmen, daß er etwa unredlichen Gewinn aus einem Patent mit in Betracht ziehen könnte.
Recht unglücklich sprach ja auch Kohler in bezug auf Hartig von vergeisterten Gespenstern. Diese aber halten ebensowenig Stand wie jene Gespenster am Rhein; den vor Gericht darauf hingewiesen, daß die von ihm Angegriffenen doch nur schweres Geld eingebüßt hätten, erklärte der angeklagte Verfasser jener ominösen Broschüre frei nach der Phantastefigur des weisen Nathan, es seine betrogene Betrüger, hüllte sich aber in Schweigen darüber, von wem diese betrogen sein sollen. Unter den Angegriffenen befanden sich neben redlichen Fabrikanten auch ein Rechtsanwalt und ein Freiherr. Difficile est satiram non scriber.
Allgemeiner Teil, Absatz 5.
Nur so wird es erklärlich, daß die Juristen auf ein phantastisches Erfinderrecht verfallen sind, welches frei nach Kohler als vergeistertes Gespenst anzusprechen ware, wenn es nicht doch gar zu reale Gefahren für den deutschen Gewerbfleiß in sich Bergen würde.
Hier zeigt sich der innere Zusammenhang mit der von Adam Müller angebahnten, von Friedrich List zur Zeit des deutschen Zollvereins geförderten und dann in der historischen Schule unter Führung von Roscher, Schmoller, Wagner u. a. weitergebildeten nationalen Volkswirtschaftslehre, bei der das Gesamtwohl dem Interesse des Einzelnen vorangeht. So ist es auch zu erklären, daß der Erfinder nicht so ohne weiteres eine Anspruch auf Entlohnung erheben darf; sein Privatinteresse muß zunächst einmal dem höheren Gesichtspunkt einer Förderung und Befruchtung der heimischen Industrie in ihrer Gesamtheit weichen.
„Bedeutung und Wesen des Patentanspruchs“, S. 27, auch S. 18 ff.
„Der Anspruch auf ein Patent usw.“, S. 60.
a. a. O. S. 28 f.
„Bedeutung und Wesen des Patentanspruchs“, S. 25 ff.
Vgl. Hierzu Dr. André, Sten. Bericht der Enquete 1887, S. 50 f.
Die beängstigende Fülle von Professoren-Gutachten in Patentsachen hatte schon vor 25 Jahren den Direktor eines rheinischen Industriewerkes zu dem schlechten Verse gereizt: „Gott weiß viel, doch mehr ein Professor, Gott weß alles, der alles besser.“
„Der Anspruch auf ein Patent“, S. 28 f.
Diese Lücke ist seit dem Fortfall der früher wegen Nichtausübung zulässigen Zurücknahmeklage noch verhängnisvoller geworden, als sie ohnehin schon war. Man hat da international statt nationaler Politik getrieben. Der englische Vetter und sein Freund Sam, die bekanntlich einig sind, wenn es sich um Deutschlands Schädigung im Wirtschaftsleben handelt dürften darüber mehr Freude gehabt haben, als ein das Ganze überschauender Volkswirt.
Daß ein Rechtsanwalt, der ja in Strassachen manchmal einen Wegelagerer verteidigen muß, die Vertretung bei Wegelagererpatenten mit seiner Stellung als Organ der Rechtspflege soll eine solche Vertretung gar der Befürchtung entspringen, daß sonst die „höhere“ einem profanum vulgus unverständliche Gerechtigkeit leiden könnte.
Sten. Berichte der Enquete 1887, S. 12 f.
a. a. O. S. 23.
a. a. O. S. 18 ff. und S. 50 f.
Es ist gewiß kein Zufall, daß die Gegner Hartigs gerade in solcher Richtung gegen das Patentamt geeifert haben, um die Bahn für eigene Verdienste freizumachen, die sich aber nur als Schein erweisen dürften, sobald der deutsche Gewerbfleiß dem überspannten Erfinderrecht wirklich überantwortet werden sollte. Gar seltsam ist es, daß sich neuerdings ein Mitglied des Patentamts zu derr Üußerung verstiegen hat, Hartigs Lehre dürfe nicht zum Ausgangspunkt der Diskussion gemacht werden. Sollte da etwa das Gefühl mitsprechen, daß an der wirklichen Größe Hartigs so manche Scheingröße scheitern müßte?
Wie das Reichsgericht eine Privilegierung der Amerikaner, deutsche Patente lediglich zur Unterbindung deutschen Gewerbfleißes zu benutzen, beurteilt, kann man unschwer der Entscheidung vom 20. Nov. 1909 (Blatt für P. M. und Z. 1910 S. 13) entnehmen. Dabei handelt es sich um den deusch-amerkanosche Staatsvertrag vom 23. 2. 1909, welcher unsern Begriff vom öffentlichen Interesse zugunsten der Amerikaner gewandelt hat.
Noch vor wenigen Tagen wuede des Verfassers Rat gegen den Vertragsgegenr eines Erfinder erbeten, der das alleinige Ausführungsrecht seines Patents gegen eine ganz annehmbare Stücklizenz abgetreten hatte. Mit einer geringen Minimallizenz nur für die ersten beiden Jahre hatte sich der Vertragsgegner gesichert und traf nun keinerlei Anstalt, die Erfindung auch auszuführen.
Vgl. Max Eyth, Im Strome unserer Zeit, Bf. II, S. 154.
„Bedeutung und Wesen des Patentensprunchs“, S. 26 und 58 ff.
Vgl. Archiv für burger. Recht, Bd. 36, S. 18.
Vgl. Gewerbl. Rechtsschutz 1912, S. 164. In Wahrheit geht Kohlers Übertreibung des Erfindungsgedankens so weit, daß ihm das Reichsgericht da ebensowenig folgen kann wie der Volkswirt oder der Techniker, dem das lebenswahre Bild der Erfindung nicht verborgen bleiben kann, weil er gewohnt ist, sich auf seine praktische Erfahrung zu verlassen.
Vgl. „Bedeutung und Wesen des Patentanspruchs“, S. 56 u. 80.
Vgl. „Studien in der Praxis des Patentamts“, 1890, S. 157 f.
Gewerbl. Rechtsschutz, 1912, S. 164.
Siehe Anm. 122.
Blatt für P. M. u. Z. 1912, S. 161.
„Bedeutung und Wesen des Patentanspruchs“, S. 62 ff.
a. a. O. S. 90 ff.
Ansätze dazu waren vorhanden, wie z. B. die kraftvollen Worte des biederen Kollmann, der damals freimütig erklärt hat, die Frage der Abhängigkeit von Patenten sei für ihn so einfach, dab selbst die gelehrten Deduktionen von Dr. Bolze ihn nicht hätten verwirren können, sowie daß er die einfache Frage schon auf seinem Bureau in Oberschlesien ohne Juristen beantwortet habe. Das aber erzeugte eine so eisige Stimmung, daß verschiedene gute Ansätze zum Besseren den grausamen Kälteerstarrungstod gefunden haben. Dr. Bolze hatte z. B. darauf hingewiesen, daß er über die Frage in Leipzig tagelang nachgesonnen und darüber schlaflose Nächte gehabt habe. Seitdem aber hat mancher redliche Gewerbtreibend über die Frage der Abhängigkeit nich nur schlaflose Nächte gehabt, sondern schwere Prozeßkosten bezahlt und auch sonst arge Schädigungen erlitten, weil Techniker und Volkswirte gegenüber den Juristen geschwiegen und so der von Kohler vertretenen Erstreckung des Patentschutzes die Wege geebnet haben.
An dieser Stelle tritt schon die große Überlegenheit Hartigs zutage. Dieser war nicht einseitig, nich nur Technologe von anerkannter Bedeutung, sondern er war auch Philosoph von echtem Schrot und Korn. Ein solcher aber ist geübt in denkender Betrachtung der Dinge, in philosophischer Methode und Erkenninisweise. Er weiß, daß es auf der Welt kaum gxößere Betrüger gibt als die nicht philosophisch geschulten menschlichen Sinne.
Bericht bei Julius Springer, 1909, S. 21–23.
Beide bilden in der Juristenwelt aber wohl ebenso einsame Inseln wie vor 50 Jahren die Ültesten der Kaufmannschaft und die Eisenhüttenleute bei den damaligen Bemühungen des Vereins deutscher Ingenieure um ein allgemeines deutsches Patentgesetz. Der hochverdiente Damme soll darob von anderen Juristen gar schell angesehen worden sein und ist leider nicht mehr im Patentamt wirksam.
Hartig, Studien, S. 134.
Novum Organon, Aphorismus 108.
Damme, a. a. O. S. 171.
„Der Weg des Geistes in den Gewerben“, Bd. I, S. 271 f.
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Häberlein, G.W. (1913). Erfindungsgedanke und technische Erfindung. In: Erfinderrecht und Volkswirtschaft. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-25835-4_5
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