Zusammenfassung
Vor langen Jahren lebte im Oberland ein Gemsen,jäger, Namens Kaspar. Er war weder so arm, wie ein Geinsenjäger von Beruf es gewöhnlich ist, noch so reich, tun dem Geschäfte aus blosser Liebhaberei obliegen zu können. Er ging gerade so zwischen durch, wie man zu sagen pflegt. Die kleine Alp, auf welcher er Winters und Sommers hauste, die er frei und ledig besass, und die paar blanken braunen Kiihlein d’rauf, die ihm tapfer Milch zum Trinken und Käsen lieferten, reichten just aus, den Kaspar und sein Töchterlein, ’s schön Anneli, anständig zu ernähren, besonders da das Meidschi in der Wirthschaft wacker mithalf. Was der alte Jäger im Herbst und Winter an Gemsen, an feinen Bergvögeln und ausserdem an Kristallen verdiente, passte zum Aeufnen des Erworbenen. Es heisst aber, der Kaspar habe ein gut Theil davon extra bei Seite gelegt, um es dein Anneli aufzusparen für einen wichtigen Anlass, der ziemlich häufig eintritt, wenn die Mädchen einmal tausend Wochen hinter sich haben. Wär’ just nicht nöthig gewesen, denn ’s schön Anneli konnte für sich ganz allein als ein gehöriges Kapital an Leib und Seele gelten, schöner nützt nichts und braver auch nicht; der brauchte es nicht bange zu sein, dass sie keinen Mann bekomme, höchstens den Buben, dass sie vergebens am Fensterladen klopften. Allein es scheint, die Fürnehmeren haben es überall und hatten es schon vor alten Zeiten so, dass sie meinten, Tugend und Schönheit ständen für sich allein auf zu schwachen Füssen, die Sache sei erst richtig, wann ein paar währschafte Geldrollen das junge Leben unterstützten, wie man es sonst mit alten Kirschbäumen macht, die ihre faulen Arme nicht selber tragen können. Unser Einem gefällt der junge Saft, der frei von Stangen und Gabeln aus dem Boden schiesst, von Jahr zu Jahr immer tiefere Wurzeln schlägt, aus den Lüften die Nahrung zieht, die Wetter und Sonnenschein ihm gerade zuführen, und der im Uebrigen den lieben Herrgott walten lässt.
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Roth, A. (1863). ’s schön Anneli. In: Finsteraarhornfahrt. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-25783-8_3
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