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Wissenschaft und Politik

Zum Problem der Anwendbarkeit einer wertfreien Sozialwissenschaft

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Probleme der Wissenschaftstheorie

Zusammenfassung

Seit den bekannten Abhandlungen Max Webers zu diesem Thema1 ist die Diskussion um die sozialwissenschaftliche Wertproblematik nicht zur Ruhe gekommen2. Immer wieder hat man sich vor allem mit seinem Postulat der Werturteilsfreiheit auseinandergesetzt und versucht, seine diesbezüglichen Argumente zu entkräften3. Ich bin der Auffassung, daß diese Bemühungen bisher nicht von Erfolg gekrönt waren. Die folgenden Ausführungen sind vor allem dem Nachweis gewidmet, daß die praktische Anwendung der Sozialwissenschaften und damit ihre politische Relevanz keineswegs die Aufnahme von Werturteilen in den sozialwissenschaftlichen Aussagenzusammenhang erfordert. Dieser Nachweis stützt sich im wesentlichen auf Argumente, wie sie von den Vertretern der kritisch-analytischen Richtungen der Philosophie, vor allem auch von Victor Kraft 4, entwickelt wurden.

„Eine empiriscche Wissenschaft vermag niemanden zu lehren, was er soll, sondern nur was er kann und — unter Umständen — was er will“ (Max Weber: Die „Objektivität“ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis)

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Literatur

  1. M. Weber: Die „Objektivität“ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis, und: Der Sinn der „Wertfreiheit“ der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften, beide in: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, 2. Aufl., Tübingen 1951.

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  2. Siehe dazu W. Weber und E. Topitsch: Das Wertfreiheitsproblem seit Max Weber. Z. Nat.-Ökon. 13, Wien 1952; sowie meinen Aufsatz: Das Werturteilsproblem im Lichte der logischen Analyse. Z. ges. Staatswiss. 112, 1956.

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  3. Siehe u.a. G. Weippert: Vom Werturteilsstreit zur politischen Theorie. Weltwirtschaftliches Archiv, Bd. 49.

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  4. Siehe sein Werk: Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre, 2. Aufl., Wien 1951.

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  5. Siehe z. B. W. Stegmüller: Unvollständigkeit und Unentscheidbarkeit. Die metamathematischen Resultate von Gödel, Church, Kleene, Rosser und ihre erkenntnistheoretische Bedeutung, Wien 1959, S. 6 ff.; zur Unterscheidung von Meta- und Objektsprache siehe außerdem B. Juhos: Elemente der neuen Logik, Frankfurt-Wien 1954, S. 42 und 219 ff.; W. Stegmüller: Das Wahrheitsproblem und die Idee der Semantik, Wien 1957, S. 38 ff. In diesen Büchern werden u. a. die Gründe erörtert, die zu dieser Unterscheidung geführt haben.

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  6. Siehe z.B. P. Edwards: The Logic of Moral Discourse, Glencoe 1955, S. 43 ff.

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  7. Damit hängt die wichtige Unterscheidung von „verwenden“ und „erwähnen“ zusammen. Auf der metasprachlichen Ebene werden die Ausdrücke der Metasprache verwendet und die der Objektsprache erwähnt. Dabei kann es vorkommen, daß bestimmte Ausdrücke der Objektsprache als Namen ihrer selbst verwendet werden, z. B. wenn man über die Verwendung des Wortes „gut“ spricht und sich dabei dieses Wortes selbst bedient. Man pflegt das betreffende Wort (als Ausdruck der Metasprache) dann in Anführungszeichen zu setzen, um es von dem betreffenden objektsprachlichen Ausdruck zu unterscheiden, zumindest, wenn andernfalls eine Konfusion zu erwarten wäre.

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  8. Solche Verwechslungen sind auch in der wissenschaftlichen Diskussion an der Tagesordnung. Wenn z.B. das Wort „Geschichte“ gebraucht wird, ist es oft nicht klar, ob die Geschichtsschreibung oder die historische Realität gemeint ist, was sehr leicht zu seltsamen Konsequenzen führt, z. B. wenn es um das Problem der vielberufenen Einmaligkeit und Einzigartigkeit geschichtlicher Ereignisse geht im Gegensatz zu den Regelmäßigkeiten, denen die Ereignisse in der Natur unterliegen. In der Nationalökonomie war die Statik-Dynamik-Diskussion ähnlichen Mißverständnissen ausgesetzt, bis die auf Ragnar Frisch zurückgehende Unterscheidung von statischen und dynamischen Aussagen im Bereich des ökonomischen Denkens einerseits (ein metaökonomisches Begriffspaar) und stationären und evolutorischen Prozessen in der wirtschaftlichen Realität andererseits (ein ökonomisches Begriffspaar) sich durchsetzte.

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  9. V. Kraft hat (a. a. O., S. 7) mit Recht darauf hingewiesen, daß dem Wertabsolutismus vor allem ein ethisches Motiv zugrunde liegt. Zur Kritik derartiger Argumente auf falscher Ebene siehe u. a. A. Moore: Emotivism: Theory and Practice. J. Phil. 55, 1958, S. 375 ff. Bedenken gegen den sogenannten „Wertnihilismus“ der skandinavischen Hägerströmschule (eine Auffassung, die z.B. von Ingemar Hedenius vertreten wird in: On Law and Morals. J. Phil. 56, 1959) scheinen vielfach ebenfalls auf eine Konfusion metaethischer und moralischer Thesen zurückzugehen. Schon der Name, den sich diese Richtung gegeben hat, wirkt gewissermaßen moralisch „anstößig“.

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  10. Siehe dazu z.B. M. Scheler: Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik, 4. Aufl., Bern 1954, passim.

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  11. Siehe z.B. G. E. Moore: The Indefinability of Good, in: Readings in Ethical Theory, ed. by W. Sellars and J. Hospers, New York 1952.

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  12. Die Vertreter dieser philosophischen Richtung sind vorwiegend in den angelsächsischen und skandinavischen Ländern zu finden. Siehe z.B. A. Ross: Kritik der sogenannten praktischen Erkenntnis, Kopenhagen-Leipzig 1933; Ch. L. Stevenson: Ethics and Language, New Haven 1944; A. Sesonske: Value and Obligation, Berkeley-Los Angeles 1957. Im deutschen Sprachraum ist vor allem V. Kraft mit seinem oben erwähnten Werk zu nennen, aber auch E. Topitsch: Vom Ursprung und Ende der Metaphysik, Wien 1958, und: Sachgehalte und Normsetzungen. Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 44, 1958.

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  13. Wo dennoch eine kognitive Interpretation der Werturteile vorgeschlagen wird, wie z. B. vom angelsächsischen ethischen Naturalismus, werden sie als eine besondere Klasse empirischer Aussagen gedeutet. Zur Diskussion zwischen Intuitionismus, Naturalismus und Emotivismus (der nicht-kognitivistischen Variante des Wertempirismus) siehe: Readings in Ethical Theory, a. a. O.

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  14. Siehe dazu und zum Folgenden V. Kraft: Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre, a. a. O., S. 12 ff. und passim.

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  15. Als Quellen der Auszeichnung kommen verschiedene Faktoren des Seelenlebens in Betracht, denen Kraft (a.a.O., S. 76–182) eine sorgfältige Untersuchung widmet.

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  16. Siehe dazu Kraft, a. a. O., S. 74 ff. Es genügt also nicht, in Werturteilen einfach den Ausdruck von Stellungnahmen zu sehen. Damit wird man dem in ihnen enthaltenen begrifflichen Element und ihrer präskriptiven Funktion nicht genügend gerecht. Eine Würdigung der präskriptiven Funktion findet man auch bei Ch. L. Stevenson: Ethics and Language, a. a. O., bei R. M. Hare: The Language of Morals, Oxford 1952, bei P. H. Nowell-Smith: Ethics, Melbourne-London-Baltimore 1954, und bei P. Edwards: The Logic of Moral Discourse, a. a. O. Der in Deutschland übliche Wertpiatonismus dürfte ihr schwerlich Rechnung tragen können.

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  17. Siehe dazu meinen oben angeführten Aufsatz, S. 422. Möglicherweise ist diese gegenüber der früheren etwas modifizierte Formulierung noch redundant.

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  18. Siehe dazu Kraft, a. a. O., S. 20 f. Diese reinen Wertbegriffe (siehe oben) drücken nur die positive oder negative Auszeichnung aus. Sie verbinden mit diesem „Wertakzent“ keine deskriptive Komponente.

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  19. Siehe E. Topitsch: Soziologie des Existenzialismus. Merkur 7, 1953, S. 504, und derselbe: Sozialtheorie und Gesellschaftsgestaltung. Archiv für Rechts-u. Sozialphilosophie 42, 1956, S. 183.

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  20. Siehe dazu H. Albert: Das Werturteilsproblem im Lichte der logischen Analyse, a. a. O.

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  21. Siehe dazu meinen oben angeführten Aufsatz, S. 424 ff.

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  22. Wie ich schon oben hervorgehoben habe, glaube ich zeigen zu können, daß auch die politische Verwendung der Sozialwissenschaften keineswegs eine Einführung von Werturteilen erforderlich macht. Ich möchte bei dieser Gelegenheit bemerken, daß ich in dieser Beziehung gerade von Vertretern des entgegengesetzten Standpunktes viel gelernt habe. Die Hartnäckigkeit, mit der sie teilweise das Max Webersche Wertfreiheitspostulat angriffen und die Notwendig-, keit einer normativen Wissenschaft verteidigten, hat mich gezwungen, Thesen, die ich für selbstverständlich hielt, erneut zu durchdenken und neue Argumente zu formulieren. Wer den Eindruck hat, daß ich manche Unterschiede zu nahe verwandten Auffassungen überbetont habe, sei auf den reinen Sachgehalt der Argumente verwiesen.

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  23. Siehe dazu z. B. G. Weisser: Politik als System aus normativen Urteilen, Göttingen 1951, passim;

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  24. K. Schiller: Der Ökonom und die Gesellschaft. Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 1. Jahr 1956

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  25. W. A. Jöhr und H. W. Singer: Die Nationalökonomie im Dienste der Wirtschaftspolitik, Göttingen 1957

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  26. G. Myrdal: Value in Social Theory, London 1958; von den Marxisten, für die das von jeher eine Selbstverständlichkeit war, ganz zu schweigen.

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  27. Siehe dazu z. B. G. Myrdal: Das politische Element in der nationalökonomischen Doktrinbildung, Berlin 1932, passim

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  28. H. Peter: Freiheit der Wirtschaft, Köln 1953, passim; sowie meine Schrift: Ökonomische Ideologie und politische Theorie, Göttingen 1954, passim.

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  29. Diesen Unterschied macht z. B. G. Weisser (Politik als System aus normativen Urteilen, a. a. O., S. 13) und bringt damit sicher eine weit verbreitete Anschauung zum Ausdruck.

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  30. Siehe dazu meinen Aufsatz: Politische Ökonomie und Sozialpolitik. Probleme der politischen Verwendung ökonomischer Theorien. Recht der Arbeit, 11. Jg., 1958, S. 130 ff.

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  31. Siehe dazu K. R. Popper: Logik der Forschung, Wien 1935, erweiterte englische Auflage: The Logic of Scientific Discovery, London 1959; sowie meinen Aufsatz: Theorie und Prognose in den Sozialwissenschaften. Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, 93. Jg., 1957.

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  32. Siehe dazu K. R. Popper: The Poverty of Historicism, London 1957, S. 5, 58 ff. In der Praxis werden als Grundlage der Transformation oft sogar falsche Theorien genügen, die nach unserer Kenntnis als ausgezeichnete „Annäherungen“ anzusehen sind, siehe dazu Popper: Philosophy of Science: A Personal Report, in: British Philosophy in the Mid-Century, S. 185.

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  33. Siehe dazu G. Weisser: Politik als System aus normativen Urteilen, a.a.O., S. 18 ff.

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  34. G. Weisser, a. a. O., S. 20.

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  35. G. Weisser, a. a. O., S. 21.

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  36. G. Myrdal vertritt neuerdings die Auffassung (siehe dazu sein Buch: Value in Social Theory, London 1958), daß auch für die empirische Forschung die Einführung von Wertprämissen erforderlich sei. Ich hahe versucht, zu zeigen (siehe H. Albert: Das Wertproblem in den Sozialwissenschaften. Bemerkungen zu Myrdals neuem Buch. Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, 94. Jg., 1958), daß diese Anschauung auf die mangelnde Unterscheidung zwischen der Wertbasis der Wissenschaft und den Wertprämissen eines Systems zurückzuführen ist.

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  37. Siehe oben.

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  38. Siehe dazu W. A. Jöhr: Der Kompromiß als Problem der Gesellschafts-, Wirtschafts- und Staatsethik, Tübingen 1958, eine Schrift, die eine praktisch sehr wichtige Problematik behandelt. Mit der Ontologisierung der Wertprobleme, die sich darin findet, bin ich allerdings nicht einverstanden.

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  39. Siehe dazu G. Myrdal : Das Zweck-Mittel-Denken in der Nationalökonomie. Z. Nat.-Ökon.4, 1933, englische Übersetzung in: Myrdal: Value in Social Theory, a.a.O., siehe auch den dort abgedruckten Aufsatz von P. Streeten, S. XXI ff., eine Erweiterung von Programs and Prognoses. The Quarterly Journal of Economics, Jg. 1954.

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  40. Die Anwendung des Zweck-Mittel-Schemas unabhängig von bestimmten Aktionszusammenhängen ist eine sehr fragwürdige Angelegenheit. Sobald man den Kontext aufgibt, läßt sich nur noch unter Schwierigkeiten entscheiden, was unter die eine und was unter die andere Kategorie zu subsumieren ist. Was unter einem bestimmten Gesichtspunkt als Zweck erscheint, ist unter einem anderen als Mittel anzusehen und umgekehrt. Wenn man sich daran macht, die möglichen Zweck-Mittel-Beziehungen in einer Richtung weiter zu verfolgen, gerät man allmählich in das Dunkel schwer durchschaubarer Motivationszusammenhänge, kaum aber in den Bereich „absoluter“ Zwecke. Bei solchen Betrachtungen tut man gut daran, das Wundtsche Prinzip der „Heterogonie der Zwecke“ und das Allport-sche Prinzip der „funktionellen Autonomie der Motive“ in Rechnung zu stellen (für deren Bedeutung für die Moralphilosophie siehe Ch. L. Stevenson: Ethics and Language, New Haven 1944, S. 194 ff.).

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  41. Siehe dazu H. Gomperz: When does the End Sanctify the Means? in: Gomperz: Philosophical Studies, Boston 1953, wo dieses Prinzip diskutiert und reformuliert wird.

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  42. Wer die Frage des Instrumentalismus für ein müßiges Problem hält, sei auf den oben angeführten Aufsatz von P. Streeten hingewiesen, in dem gezeigt wird, in wie großem Maße sogenannte Selbstverständlichkeiten der Nationalökonomie auf einem instrumentalistischen Vorurteil beruhen. Siehe auch meinen Aufsatz: Das Ende der Wohlfahrtsökonomik. Gewerkschaftliche Monatshefte, 9. Jahr, 1958.

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  43. Man spricht hier vielfach auch von der „Wissenschaftsauffassung“, vom „Wissenschaftsbegriff“; siehe z. B. G. Weippert: Vom Werturteilsstreit zur politischen Theorie. Weltwirtschaftliches Archiv 49, S. 17 ff.

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  44. Siehe dazu z. B. M. R. Cohen und E. Nagel: The Nature of a Logical or Mathematical System, in: An Introduction to Logic and Scientific Method, New York 1934, wiederabgedruckt in: Feigl-Brodbeck: Readings in the Philosophy of Science, New York 1953, S. 129 ff.

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  45. Siehe dazu z. B. Ch. W. Morris: Foundations of the Theory of Signs, International Encyclopedia of Unified Science, Vol. I, Chicago 1938. In bezug auf das, was der pragmatischen Dimension (im Gegensatz zur syntaktischen und semantischen D.) der Sprache zuzurechnen ist, bestehen allerdings gewisse Anschauungsdifferenzen, auf die ich hier nicht näher eingehen will, da der Hinweis auf semiotische Unterscheidungen nur einen Anhaltspunkt für das hier Gemeinte geben soll.

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  46. Für eine entsprechende Interpretation der Naturgesetze siehe K. R. Popper: Logik der Forschung, Wien 1935, passim (engl. Neuauflage siehe oben).

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  47. Gehaltvoll bedeutet hier nur, daß es sich nicht um analytische Werturteile handelt oder um solche, die nur das normativ ausschließen, was sowieso faktisch nicht möglich ist. Ein normatives Prinzip, das keine mögliche Verhaltensweise „verbietet“ (Leerformel), ist in diesem Sinne gehaltlos und hat daher keine regulative Funktion.

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  48. Wie das z. B. in dem ausgezeichneten Buche von I. M. D. Little: A Critique of Welfare Economics, Oxford 1950, für die Wohlfahrtsökonomik geschehen ist.

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  49. Siehe dazu E. Topitsch: Vom Ursprung und Ende der Metaphysik. Eine Studie zur Weltanschauungskritik, Wien 1958, vor allem S. 221 ff. (Tradition, Ideologie und Wissenschaft), sowie meine Schrift: Ökonomische Ideologie und politische Theorie, Göttingen 1954, passim.

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  50. Siehe dazu meinen Aufsatz: Marktsoziologie und Entscheidungslogik. Z. ges. Staatswiss. 114, 1958.

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  51. Arrows Analyse in seinem Buch: Social Choice and Individual Values, New York-London 1951, behandelt wohlfahrtsökonomische Probleme offenbar als solche einer Entscheidungslogik, obwohl er durch den häufigen Gebrauch des Wortes „Werturteil“ einen anderen Eindruck erweckt. Seine fundamentalen „Werturteile“ sind tatsächlich hypothetische Entscheidungsprinzipien ohne jede Appellfunktion, deren Konsequenzen und deren Kompatibilität er durch logische Analyse zu überprüfen sucht. Natürlich bleibt es jedem unbenommen, hier von normativen Aussagen zu sprechen. Siehe z. B. A. Rapoport: Various Meanings of „Theory“, in: The American Political Science Review 52, 1958, S. 983 ff., wo der „normative“ Charakter der Spieltheorie betont wird, eines Systems, das offenbar „normativ“ in einem sehr „hypothetischen“ Sinne ist. Es empfiehlt sich dann aber, den Unterschied zu den sonst üblichen moralisch-politischen Wertungen zu sehen. Der Weg von den pseudo-objektiven Aussagen der Ideologien, in denen der Wertakzent hypostasiert wird und dadurch einen quasi-faktischen Charakter erhält, über die explizit normativen Systeme, deren Wertprämissen offen als Ausdruck von Stellungnahmen (oder „Bekenntnissen“) deklariert werden, bis zur reinen Technologie und zur Entscheidungslogik, wo von jedem normativen Anspruch abstrahiert wird und nur noch der Sachgehalt von Aussagen, ihre logischen Beziehungen und ihre materiale Wahrheit zur Diskussion stehen, ist nicht nur ein Fortschritt im Hinblick auf das Wertfreiheitspostulat und das ihm zugrunde liegende Wissenschaftsideal, sondern gleichzeitig eine Eliminierung von Elementen, die der intersubjektiven Überprüfung entzogen sind und damit ein Weg zur Ausschaltung von fruchtlosen Richtungsstreitigkeiten in den angewandten Sozialwissenschaften.

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  52. Da bei der allgemeinen Behandlung des Problems keine Bezugnahme auf Aktionszusammenhänge notwendig ist, ist es gleichgültig, ob es sich dabei jeweils um „Zwecke“, „Mittel“ oder anders aufzufassende, in irgendeiner Weise „bewertete“ oder nicht „bewertete“ Sachverhalte handelt. Ich verwende daher den verhaltensneutralen Ausdruck „Tatbestände“. Dabei wird natürlich implizit immer Bezug genommen auf Aussagen und Aussagensysteme, in denen solche Tatbestände beschrieben werden. Ich bediene mich hier sozusagen der „inhaltlichen“ statt der „formalen“ Redeweise (siehe dazu: R. Carnap: The Logical Syntax of Language, London 1937, S. 277 ff.) in der Hoffnung, daß der Leser sie „durchschaut“. Logische Beziehungen gibt es ja nur zwischen Aussagen, nicht zwischen Fakten; siehe dazu z. B. E. Nagel: Logic without Ontology, in: Nagel, Logic without Metaphysics, Glencoe 1956.

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  53. Es kann sich dabei um zwei oder mehrere, im Grenzfall sogar um einen „Tatbestand“ handeln, wenn er nämlich durch eine kontradiktatorische Aussage „beschrieben“ wird. Das bedeutet natürlich eine ungewöhnliche Verwendung der Ausdrücke „Tatbestand“ und „beschreiben“, die mir aber für diesen speziellen Zweck gerechtferigt erscheint.

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  54. Bei der Anwendung einer Theorie auf eine konkrete Sachlage kommt zu den nomologischen Aussagen der Theorie ja eine theoretisch relevante Beschreibung der Ausgangssituation (Interpretation dieser Situation im Lichte der Theorie) hinzu. (Siehe dazu z. B. K. R. Popper: Logik der Forschung, a.a.O., passim.) In einer bestimmten Situation kann also die Realisierung eines Tatbestandes die eines anderen ausschließen, obwohl beide unter anderen Umständen miteinander vereinbar wären.

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  55. Das bedeutet außerdem, daß die Kompatibilität von A mit B und von B mit C nicht auch die Kompatibilität von A und B mit C verbürgt. Das zeigt sich leicht, wenn man für A Sozialproduktsteigerung, für B Konstanz des effektiven Geldvolumens und für C Konstanz des Preisniveaus setzt.

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  56. Im unstrengen Sinne, d. h. im Grenzfall ist auch ein gleichbleibender Spielraum möglich. Er ist aber wohl im allgemeinen nicht zu vermuten.

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  57. In seinem interessanten Buch: Die Grenzen der Wirtschaftspolitik (Wien 1934), charakterisiert O. Morgenstern (a. a. O., S. 50) das „Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Wirtschaftspolitik“ als „das einzige wissenschaftlich-wirtschaftspolitische Prinzip, das sich ohne Fällung von Werturteilen aufstellen läßt“. Nun ist natürlich unter Widerspruchsfreiheit im allgemeinen eine ganz bestimmte, logisch präzisierte Eigenschaft von Aussagensystemen zu verstehen, so daß nicht ohne weiteres feststeht, was man sich unter einer widerspruchsfreien Wirtschaftspolitik vorzustellen hat. Nach den Andeutungen, die Morgenstern in dieser Beziehung macht (a. a. O., S. 49) läuft sein Prinzip der Widerspruchsfreiheit auf die Forderung an die Träger der Wirtschaftspolitik hinaus, keine Maßnahmen zu treffen, deren Wirkungen sich durchkreuzen, eine Aussage, die ohne Zweifel normativen Charakter hat, wenn sie auch selbstverständlich und daher akzeptabel erscheinen mag. Auch triviale Werturteile sind ja keine reinen Sachaussagen. Aber auch die Selbstverständlichkeit des Morgensternschen Prinzips ist letzten Endes nicht ganz unbestreibar. Daß sich die Wirkungen bestimmter Maßnahmen „durchkreuzen“, kann unter Umständen durchaus in der Absicht der Träger der Wirtschaftspolitik liegen (wobei ich nicht etwa an verschiedene Träger mit Interessendivergenzen denke!) Um das Prinzip wirklich „selbstverständlich“ zu machen, müßte man vermutlich an die gewünschten Wirkungen von Maßnahmen anknüpfen. Man kann dabei allerdings sehr leicht in eine Tautologisierung des Prinzips abgleiten. Eine befriedigende Formulierung, die etwa den Morgensternschen Intentionen entsprechen wurde, müßte wohl auf die Forderung nach einer „rationalen Politik“ im oben angeführten Sinne hinauslaufen. Aber auch diese Forderung ist im Rahmen der Sozialwissenschaften (auch einer Wissenschaft von der Wirtschaftspolitik) völlig überflüssig. Eine einwandfreie Technologie ist zwar als Grundlage einer „rationalen Politik“ anzusehen, aber sie erlaubt weder die Ableitung einer Forderung nach einer solchen Politik, noch hat sie eine solche Forderung zur Voraussetzung. Sie ist praktisch verwendbare informative Theorie, die Forderung nach Rationalität dagegen Teil einer normativen Konzeption. Gerade Nationalökonomen pflegen solche Unterschiede gern zu übersehen, was ihnen eine bequeme und meist unauffällige Übergangsmöglichkeit von der theoretischen Überlegung zum politischen Appell verschafft.

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  58. E. Nagel: Die Wissenschaft und die Zukunft des Menschen. Perspektiven 7, S. 70 ff.

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  59. Hierhin gehört vor allem die Analyse sozialer Vorurteile, die eine durchaus kritische Funktion hat. Siehe dazu P. Heintz und D. Rüschemeyer: Kritik und soziale Vorurteile. Studium generale 12, 1959.

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  60. Siehe dazu z. B. das Buch von E. Topitsch: Vom Ursprung und Ende der Metaphysik, a. a. O., passim, sowie die Aufsätze desselben Verfassers zur Metaphysik- und Ideologieproblematik, insbesondere: Society, Technology, and Philosophical Reasoning. Philosophy of Science 21, 1954; Soziologie des Exi-stenzialismus, a.a.O.; Gesetz und Handlung. Zur Kritik der marxistischen Geschichtsphilosophie. Merkur 8, 1954; Der Historismus. Studium generale 7, 1954; Kosmos und Herrschaft. Ursprünge der „politischen Theologie“. Wort und Wahrheit 1955; Sozialtheorie und Gesellschaftsgestaltung, a.a.O.; Seelenglaube und Selbstinterpretation. Arch. Phil. 9, 1959/60.

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  61. Damit sind jene „persuasive definitions“ gemeint, die Ch. L. Stevenson in seinem Buch: Ethics and Language, New Haven 1944, S. 206 ff. als Werkzeuge der Beeinflussung herausgestellt hat.

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  62. Siehe dazu R. König: Wandlungen in der Stellung der sozialwissenschaftlichen Intelligenz, S. 56 und passim, in: Soziologie und moderne Gesellschaft, Stuttgart 1959.

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  63. So ist z. B. die Analyse der totalitären Sozialstruktur in dem interessanten Buche von K. A. Wittfogel: Oriental Despotism. A Comparative Study of Total Power, New Haven 1957, eine sozialkritische Leistung ersten Ranges, auch wenn man von den ab und zu eingestreuten Werturteilen des Verfassers abstrahiert, deren Vorkommen über den essentiellen Sachgehalt der Analyse nicht hinwegtäuschen darf. Was dieses Buch von manchen soziologischen Untersuchungen unterscheidet, ist vor allem die Wahl der moralisch-politisch hochbedeutsamen Sachproblematik. Man braucht den Purismus ja nicht so weit zu treiben, daß man jedes soziologische Werk verdammt, in dem der Verfasser stellenweise offen und deutlich erkennen läßt, auf welcher Seite seine Sympathien sich befinden, solange die Analyse der Sachproblematik nicht darunter leidet.

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  64. Siehe dazu K. R. Popper: The Poverty of Historicism, London 1957, S. 64 ff., wo der Unterschied zwischen „Utopian“ und „piecemeal“ „social engineering“ eingeführt und expliziert wird, der Unterschied nämlich zwischen einer „holistischen“ Art der praktischen Bewältigung sozialer Probleme, die die Gesellschaft als „Ganzes“ umwandeln will, also ihre „totale“ Umkonstruktion auf Grund vorausgesetzter Leitbilder anstrebt, und einer „pragmatischen“ Art, die unsere begrenzte Kenntnis der sozialen Wirkungszusammenhänge und die begrenzte Macht jeder Einzelgruppe in einer pluralistischen Gesellschaft für eine schrittweise Änderung sozialer Tatbestände nach der wissenschaftlichen Methode von „Versuch und Irrtum“ auszunutzen sucht.

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  65. Zur Kritik der heute üblichen negativen Einstellung zur angeblich „überwundenen“ Aufklärung siehe zum Beispiel das Referat K. R. Poppers auf den Alpbacher Hochschulwochen 1958 über das Freiheitsproblem, an das ich mich hier weitgehend anschließe; sowie den Aufsatz: Soziologie und empirische Sozialforschung, in: Soziologische Exkurse, Frankfurt 1956, einem Buch des Frankfurter Instituts für Sozialforschung, S. 111.

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  66. Siehe dazu K. R. Popper: The Open Society and its Enemies, Princeton 1950, S. 414 ff.

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  67. Siehe dazu den interessanten Bericht W. Kaufmanns über seine Erfahrungen auf deutschen Universitäten nach dem zweiten Weltkrieg, in: Deutscher Geist heute. Texte und Zeichen, 3. Jahr, 1957, S. 633 ff.

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  68. Siehe dazu K. R. Poppers oben angeführtes Referat.

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Albert, H. (1960). Wissenschaft und Politik. In: Topitsch, E. (eds) Probleme der Wissenschaftstheorie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-25138-6_8

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