Zusammenfassung
Von den drei apokalyptischen Reitern, Hungersnot, Krieg und Seuche, die nach biblischer Auffassung die treuesten Begleiter des Todes waren, hat in den führenden Kulturvölkern der Gegenwart der erste wohl völlig aufgehört, als Würger zahlloser Menschen eine Rolle zu spielen. Der zweite sucht uns nur noch periodisch in hoffentlich immer länger währenden Zeitabschnitten heim und wird auch dann ganz allgemein als anormale Erscheinung im Völkerleben empfunden, deren schnelle Beendigung von allen Seiten mit einem Erfolg angestrebt wird, daß die Kriegsverluste trotz der furchtbaren Wirkung der Feuerwaffen nicht mehr einen so ausschlaggebenden Einfluß auf die Bevölkerungsbewegung ausüben als wie in früheren Jahrhunderten. Nur der dritte fordert noch jahraus jahrein Opfer, wenn diese auch an Zahl mit denen früherer Jahrhunderte nicht zu vergleichen sind. Sowohl bei den chronischen Infektionskrankheiten als auch namentlich bei den akuten allgemeinen Epidemien, den Seuchen im eigentlichen Sinne, ist ein außerordentliches Absinken zu beobachten. Wir werden deshalb auch hier nicht jene auffallenden Beziehungen zu der sozialen Schichtung innerhalb der Kulturvölker finden, wie sie andere Krankheiten mehr schleichender Natur aufweisen.
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Literatur
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Unter „Leipziger Krankheitsstatistik“ sind hier und im folgenden immer die im Kaiserlichen Statistischen Amte unter P. May et bearbeiteten und im Jahre 1910 in vier Bänden herausgegebenen „Untersuchungen der Krankheits-und Sterblichkeitsverhältnisse nach Geschlecht, Alter und Beruf in der Ortskrankenkasse für Leipzig und Umgegend“ zu verstehen, die nahezu eine Million männlicher und mehr als eine Viertelmillion weiblicher Personen während der Beobachtungszeit eines Jahres umfassen. Berlin.
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In Dänemark hat Th. Sörensen in einer Arbeit, die im folgenden noch mehrmals erwähnt werden wird (De ökonomiske Forholds og Beskjaeftigelsens Indflydelse paa Dödeligheden. I–II. Kopenhagen 1884, stets hier zitiert nach Westergaard, Lehre von der Mortalität und Morbidität. Jena 1901), die dänische Bevölkerung in drei Wohlhabenheitsgruppen zerlegt und danach die Todesursachen gruppiert. Nach Westergaard (S. 477) hat er „in der ärmsten Arbeiter, Gesinde, Personen in Armenpflege zusammengefaßt, in der zweiten subalterne Beamte und Offiziere, Lehrer, Kontoristen, Handelsgehilfen, Kleinhändler, Handwerksmeister, in der dritten endlich höhere Beamte und Offiziere, Aerzte, Anwälte, Großhändler, lientiers usw. Diese Teilung führte er nun durch, indem er die offizielle Volkszählung von 1870 und die Totenscheine von 1865–1874 bearbeitete; die Sterblichkeitskoeffizienten fand er, indem er die zehnfache Volkszahl als angenähert richtigen Ausdruck der durchlebten Zeit auffaßte. Im ganzen lagen für Kopenhagen 20847 Todesfälle vor, für die Provinzstädte 22129“. Nachdem Westergaard die Tabelle über die epidemischen Krankheiten nach der Statistik Sörensens mitgeteilt hat (S. 480), resumiert er: „Trotz der vielen Unregelmäßigkeiten wegen der starken Begrenztheit des Materials gewinnt man doch den Eindruck, daß die epidemischen Krankheiten die sonst bevorzugten Klassen nicht besonders verschonen. Unterscheidet man die 2. und 3. Gruppe, so erhält man für Männer zusammen in der 2. Gruppe 306 berechnete Todesfälle und genau ebensoviele beobachtete, in der 3. Gruppe 127 bzw. 130, also ebenfalls fast dieselben Zahlen; für die Frauen hat man in der 2. Gruppe 426 beobachtete, 447 erwartete Fälle, in der 3. 216 bzw. 194.“ Wie wir später sehen werden, sind nach der Statistik von Sörensen bei anderen Krankheiten die Unterschiede in den Wohlhabenheitsklassen bedeutend größer.
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Dieses Kapitel ist Teil des Digitalisierungsprojekts Springer Book Archives mit Publikationen, die seit den Anfängen des Verlags von 1842 erschienen sind. Der Verlag stellt mit diesem Archiv Quellen für die historische wie auch die disziplingeschichtliche Forschung zur Verfügung, die jeweils im historischen Kontext betrachtet werden müssen. Dieses Kapitel ist aus einem Buch, das in der Zeit vor 1945 erschienen ist und wird daher in seiner zeittypischen politisch-ideologischen Ausrichtung vom Verlag nicht beworben.
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Grotjahn, A. (1915). Akute allgemeine Infektionskrankheiten. In: Soziale Pathologie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-25042-6_2
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