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Störungen des strafrechtlichen Selektivprozesses

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Zusammenfassung

Wir haben den Ausleseprozeß, den nach unserer Auffassung die strafgerichtliche Tätigkeit des Staates durchzuführen hat, inhaltlich dahin bezeichnet, daß das Strafrecht die Aufgabe hat, den gemeinschaftsfähigen Typus des Menschen zu erhalten und festzulegen. Im großen und ganzen strebt das Strafrecht schon in seiner jetzigen Gestalt unbewußt und mit Vordergrundsvorstellungen beschattet diesem Ziele zu. Daß in vieler Beziehung die Arbeit des Strafrechts aber eine grobe und unvollkommene ist, habe ich mich zu zeigen bemüht.

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Referenzen

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  9. Ich habe berechnet, daß in Berlin nach den Jahresangaben des Leichenkommissariats im Durchschnitt des Jahrfünfts 1907–1911 auf das Jahr 288 plötzliche Todesfälle mit unbekannter Ursache kommen. Berl. Stat. Jahrb. 1913, 717.

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  17. Wenig bekannt ist, daß zu den erfolgreichsten Kriminellen die Jugendlichen gehören.

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  18. Report of the Howard Association 1912, 69.

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  19. Dublin, Pol. Stat. 1913, VI.

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  20. Solche Verhältnisse kommen auch heute noch vor, wenn die Drohung auf der Seite des Schuldigen auch legalere und vorsichtigere Formen angenommen hat und sich mehr an den Intellekt, als an die nackte Furcht des Verletzten wendet. Und da man den unerfreulichen Zuständen, die hinter uns hegen, immer lieber Glauben schenkt als der unvollkommenen Gegenwart — jeder Trinker gibt zu, daß er früher viel getrunken hat, nicht aber, daß er jetzt trinkt — so will ich auf das erste Drittel des 19. Jahrhunderts zurückgehen. Pfaff berichtet in einer Arbeit: Landstreicher und Bettler in Schwaben (Zeitschr. f. Deutsche Kulturgeschichte, 1857, 444): „Doch zogen noch vor etlich und dreißig Jahren auf der Alb und im Schwarzwald die letzten Überbleibsel der Jauner, der Freimenschen oder Freileute herum, Landstreicher, die sich mit dem Korb- und Zäunemachen abgaben und zu 10–12, große und oft schöne Leute, die Weiber in besonders auffallender Tracht von Hof zu Hof wanderten. Dem einsamen Hofbauern preßten sie durch die Drohung, ihm das Haus über dem Kopf anzuzünden, Mehl, Milch, Schmalz und andere Lebensmittel ab, die sie bei ihnen selbst verzehrten oder sich aufs freie Feld bringen ließen. Hier wurden dann Hunde und Dachse gebraten, es wurde geschmaust und gezecht und andern sinnlichen Gelüsten gefrönt. Die vereinzelten Bewohner jener Gegenden aber hatten solche Furcht vor diesen Leuten, daß sie nicht so kühn waren, den Besuch der Obrigkeit zu melden oder auch nur zu gestehen... So erhielt sich diese eigentümliche und merkwürdige Menschenrasse, obwohl von der bürgerlichen Gesellschaft ausgestoßen und verfolgt, viele Jahre lang.“

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  21. Deutsch. Just.-Stat. 1913, 206.

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  22. Die Freisprechungen der Amtsgerichte, die auf Grund von § 211 StPO. ohne Zuziehung von Schöffen verhandelten und die nur die geringe Freisprechungsziffer von 6% aufwiesen, sind hierbei außer Ansatz geblieben.

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  23. Deutsch. Just.-Stat. 1913, 216.

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  24. Alle Zahlen beziehen sich auf die Jahresdurchschnitte des Zeitraums 1906–10.

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  25. Man könnte die Verbrechen oder Vergehen, bei denen wir sehr häufig auf Freisprechung treffen, in solche einteilen, die eine Entscheidung über die Tatfrage sehr erschweren, wie Mord, Brandstiftung, Kindstötung, Sachbeschädigung. Wichtiger für die Formulierung der Tatbestände, und in dieser Hinsicht leider niemals an der Hand der Statistik untersucht, sind die Delikte, zu deren Tatbestandsmerkmalen komplizierte und dabei elastische juristische Begriffsbildungen gehören, wie Hausfriedensbruch, Freiheitsberaubung, Nötigung, Bedrohung, Unterschlagung, Betrug, Begünstigung, Hehlerei. Alle diese Delikte zeigen in Deutschland hohe Freispruchsziffern. Dagegen zeigen andere Delikte hauptsächlich durch Erleichterung des Beweises sehr wenige Freisprüche. Das sind Widerstand gegen die Staatsgewalt, Religions-, Personenstandsdelikte, Diebstahl, Urkundenfälschung, von den Sittlichkeitsdelikten Blutschande, offenbar, weil sie nur dann zur Anzeige kommen, wenn durch Briefe oder eine Geburt kein Zweifel möglich oder durch Rache eines Beteiligten der Beweis ganz sicher gestellt ist.

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  26. Während im Jahre 1909 in Wien und Niederösterreich auf 100 Abgeurteilte 12,8 Freigesprochene trafen, waren die entsprechenden Zahlen für Dalmatien 29,1, also über doppelt so viel. In Wien wurden von den Geschworenengerichten 1906–1909 freigesprochen 18,8; in Graz 19,1; in Prag 34,4; in Lemberg 44,8; in Ragusa 52,2; in Cattaro aber 77,8. Merkwürdigerweise finden sich auch diese Unterschiede bei den Urteilen der Berufsrichter. Von den Gerichtshöfen wurden 1909 freigesprochen: Ober-Österreich 9,0%, Böhmen 16,6%, Ostgalizien 22,5%, Dalmatien 28%. Österr. Krim.-Stat, 1912, XXI ff.

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  27. „In der Tat sind gefährliche Kriminelle um so gefährlicher, als sie gesund sind und gut aussehen. Denn ich muß erklären, daß Gesundheit und Schönheit, die wegen ernsthafter und wiederholter Verbrechen angeklagt ist, viel leichter davonkommt, als Schwäche und Häßlichkeit. Ich habe oft stupide, halb schwachsinnige und abstoßend aussehende Verbrecher getroffen, die sehr viel strenger verurteilt wurden als gerissene, gefährliche Halunken mit einnehmendem Äußeren.“ Holmes, Psychology and Crime. London 1913, 37. Unter erfahrenen Verbrechern ist die Möglichkeit, aus der Strafanstalt in Zuchthaustracht dem Schwurgericht vorgeführt zu werden, gefürchtet, weil sie genau wissen, wie abstoßend Kleidung und Haartracht des Zuchthäuslers auf das Laiengefühl des Geschworenen wirkt. Wenn im Mittelalter ein Mensch zum Tode wegen Hexerei verurteilt war, so machte man seine „Toilette“. Um ihn möglichst abschreckend aussehen zu lassen, riß man ihm Augenbrauen und Nägel aus (de Fleury, Introduction à la Médecine de l’esprit. II. Aufl., Paris 1897, 62). Man stellte also künstlich körperliche Degenerationsmerkmale her, um die Abneigung des Publikums zu wecken und jede Regung des Mitleids zu ersticken.

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  28. Franz. Krim.-Stat. 1911. XLIII.

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  29. In Frankreich ist das Verhältnis sehr günstig, da 90% der bedingt Verurteilten der Strafe entgehen. In Bayern z. B. erledigte sich die bedingte Begnadigung nur in 72,5% durch endgültige Begnadigung, 24,2% durch Vollstreckung der Strafe und 3,3% durch Tod oder auf andere Weise. Bayr. Just.-Stat. 1913, XLII. Sehr viel günstiger steht auch Belgien mit den Erfolgen der bedingten Verurteilung da. Von den durch die Strafkammern bedingt Verurteilten erlitten eine erneute Verurteilung innerhalb der Bewährungsfrist (Belg. Krim.-Stat. 1913, XX):

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  30. Firing of stack: § 308 StGB. 2) Arson: § 306 StGB.

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  31. Münch. Stat. 1913, 67. Dazwischen ist allerdings die Klasse der bedingt Befähigten allmählich stark zusammengeschrumpft. Man darf aber annehmen, daß sie sich ungefähr gleichmäßig nach beiden Seiten verteilt haben.

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  32. Schweiz. Stat. Jahrb. 1912, 189.

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  33. Treffend und klar äußert sich z. B. der letzte preußische Strafanstaltsbericht über die Konnexe von Verbrechen und Tuberkulose: „Daß unter den Gefangenen sich eine verhältnismäßig größere Anzahl von Tuberkulösen befindet als unter der freien Bevölkerung ist richtig. Die Ursache liegt nicht darin, daß sie die Krankheit im Gefängnis erworben haben, sondern darin, daß die Tuberkulösen mehr als die Gesunden zur Verletzung der Rechtsordnung neigen. Durch die Tuberkulose werden die körperlichen und geistigen Kräfte des Erkrankten stark gemindert; er ist kein vollwertiger Arbeiter, dadurch wird sein Verdienst geschmälert und die materielle Not führt zu Eigentumsverbrechen; der Tuberkulöse ist reizbarer als der Gesunde und daher leichter zur Verletzung der öffentlichen Ordnung und der Person geneigt; mit der Krankheit ist eine Steigerung des Geschlechtstriebes verbunden, die Anlaß zu Verbrechen gegen die Sittlichkeit wird; das sind aber gerade die Straftaten, welche mit ihren großen Zahlen die Kriminalstatistik füllen. Neben diesen Antrieben zum Rechtsbruch steht aber eine durch die Krankheit geminderte Willensenergie und Widerstandskraft. Das Gefängnis, vorausgesetzt, daß es gut verwaltet wird, ist nicht Ursache der Tuberkulose, sondern die Tuberkulose ist eine der mannigfachen Ursachen zum Rechtsbruch...“ Preuß. Gef.-Stat. 1913, XLIV.

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  34. Ioh gehe auf die verlockende Frage der Kriminalität aus Altruismus nicht ein, über die Vallon und Perrin neuerdings in Lacassagnes Archiven Bd. 28 (1913), 81–110 und 161–189 eine sehr interessante Arbeit veröffentlicht haben.

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  35. Häufig kann man auch von psychisch Kranken die Klage hören, daß sie nach dem Aufenthalt in einer Irrenanstalt keine Anstellung mehr finden.

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  36. Siehe Fig. 13.

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  37. Engl. Gef.-Stat. 1912, I, 36/37.

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  38. Engl. Gef.-Stat. 1913, I, 9.

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  39. Thomas Holmes, Londons Underworld. London 1912, 108/109.

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  40. Von den Frauen waren 933 mehr als zehnmal bestraft. — Von 8586 in irische Zuchthäuser und Gefängnisse im Jahre 1912 eingelieferten weiblichen Gefangenen waren vorbestraft 89,3%, mehr als 20mal vorbestraft 34,8% (von den Männern nur 17%) Irl. Krim.-Stat, 1913, 7. In den englischen, schottischen und irischen Statistiken werden die Vorbestrafungen wegen Übertretungen statistisch mit verwertet, wodurch sich die ungewöhnlich hohen Zahlen teilweise erklären.

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  41. Howard Report 1912, 52.

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  42. Wir wissen, daß zu den Lebensverhältnissen, die für einzelne Naturen besondere Schwierigkeiten bieten, die Militärzeit gehört und daß diese Lebensperiode mit der Exaktheit eines Experimentes zu allerlei abnormen Reaktionen Anlaß gibt, wie Selbstverstümmlungen, Desertion, Selbstmord. Entgegen einer ganz allgemeinen Anschauung ist die Selbstmordrate in allen Heeren sehr hoch; nur wird gewöhnlich der Fehler begangen, sie mit der ganzen Selbstmordhäufigkeit und nicht jener der entsprechenden Altersklasse in Beziehung zu setzen. Jacquart (Suicide 90) berichtet, daß in Deutschland auf 100000 Zivilisten der Altersklasse 20–25 36 Selbstmorde, auf 100000 Soldaten aber 67 Selbstmorde treffen. Aber auch eine echte Kriminalität, nicht nur Selbstverstümmlung und Desertion treten als Fluchtreaktionen gegenüber einer unerträglichen Lebenslage auf und wirken wie ein Sinnbild der Verbrechensgenese überhaupt. Im letzten englischen Gefängnisbericht macht einer der Inspektoren auf auf die immer zunehmende Praxis junger Soldaten aufmerksam, absichtlich ein Verbrechen zu begehen, um ihre Entlassung zu erlangen und ihrer Dienstpflicht sich zu entziehen. Aus dem Gefängnis in Winchester, das in der Nähe des großen Truppenübungsplatzes Salisbury Plain liegt, wird weiter berichtet: „Von einer Gefängnisbevölkerung von 300 Personen waren 60 frühere Soldaten und 90% von ihnen gaben zu, daß sie mit voller Absichtlichkeit das Verbrechen begangen hätten, um aus der Armee entlassen zu werden.“ Engl. Gef.-Stat. 1913, I. 26.

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  43. Etwas anders liegt der Fall bei Jugendlichen. Denn da die Kriminalität der Jugendlichen in der Hauptsache der Ausdruck ungehemmter Expansivität ist, die normalerweise mit zunehmendem Alter allmählich zerbröckelt, da weiter im allgemeinen die kriminellen Jugendlichen in körperlicher Entwicklung weit hinter den Nicht-Straffälligen zurückstehen, so können wir erwarten, daß mit der körperlichen Kräftigung auch ätiologische Faktoren ihrer Kriminalität getroffen werden. Deshalb ist es nicht „Humanitätsduselei“ nach einem törichten und scheußlichen Wort, sondern ein sehr rationelles Vorgehen, wenn z. B. in England die Insassen der Borstalanstalten infolge guter Pflege sehr viel mehr an Gewicht und Brustumfang zunehmen als die Kinder in der freien Bevölkerung. Interessante Zahlen darüber im Engl. Gef.-Stat. 1912, II. 169.

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  44. Ein Arzt berichtet, daß bei monatlicher Wägung von 184 (weiblichen) Häftlingen mit mehr als dreimonatlicher Strafe 59 eine Zunahme, 19 eine Abnahme des Körpergewichts erfuhren. Die höchste Zunahme betrug 6, die größte Abnahme 3 kg. In einer Weiberanstalt ist es ein häufiges Vorkommnis, daß den in schlechtem Ernährungszustand eingelieferten Sträflingen bei der Entlassung ihre von draußen mitgebrachten Kleider weiter gemacht werden müssen, so erheblich hat sich ihr Ernährungszustand gebessert. Preuß. Gef.-Stat. 1913, CXXIV.

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  45. Achille Loria hat, wie Myers vor ihm, nachzuweisen versucht, daß die psycho-physiologische und die ökonomische Elite sich nicht decken (Problems in Eugenics. London 1912, 181). Unzweifelhaft hat er recht, eine solche Untersuchung hätte aber nur dann volle Bedeutung, wenn man von der ererbten Vermögensmasse abstrahieren könnte, was in Europa bei einem umfangreichen Material kaum möglich sein wird.

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  46. Kräpelin, Abschaffung des Strafmaßes 52.

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  47. Engl. Krim.-Stat. 1913, 14.

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  48. Engl. Gef.-Stat. 1913, I, 11.

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  49. Österr. Krim.-Stat. 1912. LXXXIX.

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  50. In Frankreich wurden Geldstrafen bezahlt: Franz. Krim.-Stat. 1912. LXIV.

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  51. Kommentar z. StGB. 1872, 114.

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  52. S. 121.

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  53. Die Genfer Gautier und Lachenal verteidigen den Vorentwurf erfolgreich gegen Thormann und Gabuzzi.

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  54. Garofalo, Criminologie 392 nach Turiello.

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  55. Dieser Fall hat recht deutlich gezeigt, wie kurz und schwächlich die Anhänger der Abschreckung denken. Gegen Sittlichkeitsverbrecher und Brandstifter soll mit den schwersten Strafen vorgegangen werden, um andere Minolerwertige abzuschrecken. Wenn aber kühl berechnende Leiter großer industrieller Werke in Betracht kommen, deren Intellekt abschreckenden Wirkungen sehr wohl zugänglich ist, wenn endlich einmal vernünftigerweise abgeschreckt werden kann, wird der Grundsatz nicht angewandt.

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  56. Es kann nicht achtlos übergangen werden, daß ein so hervorragender Mann wie Alfred Russel Wallace noch im Jahre 1913 schrieb: In our criminal as well as our civil law and procedure there is equal injustice. When the poor man is accused of the slightest offence and brought before a magistrate by the police, he is even though perfectly honest and respectable, arrested from the very first as if he were guilty, often refused communication with his friends; and when the accusation is serious, he is remanded to prison again and again till evidence has been hunted up, or even manufactured, against him. Social Environment and Moral Progress. London 1913, 64.

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  57. Schon im Anfange des 19. Jahrhunderts wurde man aufmerksam, daß man mehr für die Überführung des Schuldigen als den Schutz eines Unschuldigen getan hatte und daß die Praxis ein größerer Feind der Verteidigung ist als das Gesetz: „Die Praxis hatte überall in Deutschland eine seltsame Theorie, wodurch das Recht der Verteidigung auf eine höchst willkürliche Weise beschränkt wurde, adoptiert, so daß selbst die Terroristen unter den Kriminalisten sich gedrungen fühlten, sie zu bekämpfen. Man wollte das Recht der Verteidigung bei schweren und Ausnahmeverbrechen nicht zulassen und verlangte, obgleich die Carolina bestimmte, daß der Beweis der Unschuld, wenn der Inkulpat arm, auf des Gerichtsherrn Kosten geführt werden sollte, wohl gar, ehe man dem Angeklagten jenen Beweis gestattete, daß er Kaution leiste dem Ankläger wegen Schaden und Kosten. Beilageheft zum Archiv f. Kriminalrecht 1838. 35.

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  58. Deutsche Just.-Stat. 1913, 222.

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  59. Bentham. Works. Edition Bowring. Edinbourgh 1837–1844, Bd.IV. 354ff.

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  61. Figaro vom 29. November 1912.

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  62. Animals and Plants S. 8.

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  63. Hier berühren sich die beiden Extreme der Entwicklung. Sowohl das Genie, wie der Tor, der Abergläubische werden vom Strafrecht erfaßt. Das Strafrecht schützt die gegenwärtige Kulturform, nicht die verlassene oder die heraufkommende Entwicklungsstufe.

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  64. Auch bei der Festsetzung der Bewährungsfrist zeigt sich diese eigentümliche Erscheinung. Obschon kein Grund ersichtlich ist, warum bei bestimmten Individuen nicht schon nach 2 oder 4 Jahren die Strafvollstreckung endgültig wegfallen kann, sehen wir den Zahlenrhythmus obsiegen. Tn Belgien betrug die Bewährungsfrist der bedingt Verurteilten:

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  65. „Unter den mitgeteilten Kriminalfällen verdient der eines wegen Zuhälterei zu 9 Monaten Gefängnis und Arbeitshaus verurteilten Schneiders, der stets seine Unschuld beteuert hatte, besonderes Interesse. Bei einer Strafver-büßung gestand die Dirne dem sie ermahnenden Arbeitsleiter, daß sie einen Meineid geleistet habe; der Bestrafte wurde daraufhin entlassen und gegen die Dirne ein Meineidsverfahren eingeleitet. Ähnliche Fälle dürften nicht ganz selten sein.“ Ein anderer Bericht betont, daß ein nicht geringer Teil der Zuhälter die Verführten seien und im Falle der versuchten Auflösung des Verhältnisses von den. Dirnen denunziert werden. Preuß. Gef.-Stat. 1913, XCIX.

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  66. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß die Verurteilung eines Geisteskranken, der die strafbare Handlung wirklich begangen hat, nicht zu den Justizirrtümern, sondern zu den Behandlungsfehlern gehört, die unsere Strafrechtspflege täglich zu Tausenden begeht und begehen muß, solange wir nicht die unbestimmte Verurteilung haben.

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  67. Für entschuldbar hält das geltende Recht nur einen Irrtum über die Tatfrage und tatsachenähnliche außerstrafrechtliche Rechtsverhältnisse. Die Zulassung der Revision nur der Rechtsfrage gegenüber ist also logisch konsequent. Für den Angeklagten ist aber die Tatfrage meist sehr viel wichtiger.

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  68. Von den in preußische Zuchthäuser während der Berichtsjahre 1910 und 1911 Eingelieferten waren Preuß. Gef.-Stat. 1912 und 1913, 132.

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  69. Einen besonders rohen, psychologisch aber um so interessanteren Versuch, aus finanziellen Gründen die Irrenfürsorge durch Freiheitsstrafe ersetzen zu lassen, der sogar seinen Weg in ein führendes Parteiblatt Bayerns gefunden hat, möchte ich hier anführen: Bayr. Kurier vom 15. April 1913, Kr. 105: Staatliche Lumpenzucht. Aus Kleukheim schreibt man uns: Er möchte wieder in die Irrenanstalt, um der Arbeit und der Strafe zu entgehen: ein Früchterl schlimmster Sorte namens Wunner, der vor 7 Jahren innerhalb eines Vierteljahres sein elterliches Erbteil von über 4000 verpulvert hat. Im vorigen Jahr ist es ihm gelungen, die ärztlichen Autoritäten von seiner „Geistesgestörtheit“ zu überzeugen mit der Folge, daß er straflos blieb für seine Vergehen und statt seiner die Heimatgemeinde gestraft wurde mit einer gesalzenen Rechnung von der Irrenanstalt. Seit seiner Entlassung glaubt Wunner nun einen Freibrief für jeden Unfug und jede Drangsalierung der Einwohnerschaft zu haben. „Eines Tages brennt ganz Kleukheim — stellt er wiederholt in Aussicht—; dafür werde ich nicht einmal 3 Tage eingesperrt; ich bin ja geisteskrank“, so fügt er mit gutem Humor und guter Verulkung der irrenärztlichen „Sachverständigen“ hinzu. Den Anfang zur Ausführung seiner Drohung machte er am 12. d. M. früh. Mit Zündhölzern, die er sich am Freitagabend vom Nachbar geben ließ, zündete er Samstag früh 4 Uhr sein Bett im Gemeindehaus an und lief gegen Prächting zu unter dem Geschrei: „Verbrennen wollen sie mich, dio Kleukheimer Lumpen; mein Bett haben sie angezündet.“ Denselben „Pflanz“ machte er bei der Verhaftung auch der Gendarmerie vor. Der alarmierten Gemeinde gelang es, das Feuer zu löschen. Die Gemeinde hat die Kosten, die Mitbewohner des Hauses und der gefährdete Nachbar den furchtbaren Schrecken und der Staat? Nun, der Vater Staat erhebt vom geplagten Bauern zu seiner „Sicherheit“ eine horrende Vermögensabgabe. „Staatliche Lumpenzucht“, so nennen das unsere Bauern und drohen, ihrem Unwillen das nächste Mal mit dem roten Stimmzettel Ausdruck zu geben. Zwar nennt sich Wunner selbst einen Sozialdemokraten und ist es auch. Aber die Bauern sagen, wir haben kein Interesse an Staat und Obrigkeit, wenn sie uns — trotz aller Anzeigen und Bitten keinen Schutz gewähren, bloß Steuern und Plackereien auferlegen und sozialistische Lumpenzucht treiben, indem sie verkommene Existenzen gewähren lassen, statt ihnen mit der Strenge des Gesetzes die Gewissenlosigkeit aus-zutreiben.

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  70. Deutsche Just.-Stat. 1913, 231.

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  71. Deutsche Just.-Stat. 1913, 202.

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  73. Deutsche Just.-Stat. 1913, 227.

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  75. Deutsche Just.-Stat. 1913, 227.

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  76. Deutsche Just.-Stat. 1913, 233.

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  77. Deutsche Just.-Stat. 1913, 234.

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  78. Genau wie die Ordnungsstrafe ihrer Natur nach keine Strafe ist, der Satz ne bis in idem nicht gilt und ein Mensch, der z. B. ein Tintenfaß in der Erregung auf dem Gerichtstisch zerschlägt, erst 3 Tage Haft wegen Ungebühr erhält und dann wegen Sachbeschädigung sich vor dem Schöffengericht zu verantworten hat.

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  79. Österr. Krim.-Stat. 1912, X.

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  80. Franz. Krim.-Stat. 1912, LIV.

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  81. Bayr. Just.-Stat. 1913, XXVII.

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Dieses Kapitel ist Teil des Digitalisierungsprojekts Springer Book Archives mit Publikationen, die seit den Anfängen des Verlags von 1842 erschienen sind. Der Verlag stellt mit diesem Archiv Quellen für die historische wie auch die disziplingeschichtliche Forschung zur Verfügung, die jeweils im historischen Kontext betrachtet werden müssen. Dieses Kapitel ist aus einem Buch, das in der Zeit vor 1945 erschienen ist und wird daher in seiner zeittypischen politisch-ideologischen Ausrichtung vom Verlag nicht beworben.

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von Hentig, H. (1914). Störungen des strafrechtlichen Selektivprozesses. In: Strafrecht und Auslese. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-25010-5_5

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