Skip to main content

Die Einteilung der Geisteskrankheiten

  • Chapter
Lehrbuch der Psychiatrie
  • 15 Accesses

Zusammenfassung

Es erweist sich als unmöglich, die Viel f alt der krankha f tenseelischen Erscheinungen in einheitliche Krankheitsbilder aufzulösen. Entgegen anderen Erwartungen entsprechen im allgemeinen einer krankmachenden Ursache vielerlei psychopathologische Erscheinungsbilder und ein und dasselbe psychopathologische Erscheinungsbild kann verschiedene Ursachen haben. (Beispiele: Ein depressives Zustandsbild kann verursacht sein durch senile Demenz, Hirnarteriosklerose, progressive Paralyse und andere Hirnkrankheiten, durch Vergiftungen, Erschöpfung, Avitaminosen, viele andere allgemeine körperliche Krankheiten, durch manisch-depressives Irresein, Schizophrenie, als direkte psychische Reaktion auf einen Schmerz oder als neurotische Verarbeitung eines verdrängten Triebwunsches. Der der progressiven Paralyse zugrunde liegende syphilitische Hirnprozeß kann zu manischen, depressiven, verwirrten, katatoniformen und einfach-dementen Zustandsbildern führen). Die Gründe, weshalb die gleiche Noxe verschiedenartige psychopathologische Erscheinungen macht, liegen vor allem darin, daß eine Noxe auf ganz verschieden prädisponierte Persönlichkeiten wirkt: nur schon die Verschiedenheit der menschlichen Charaktere und Temperamente liegt ja darin, daß in verschiedener Art psychisch reagiert wird. (Ein und dasselbe schreckhafte Ereignis z. B. wird bei der einen Person einen depressiven Zustand auslösen, bei der andern einen Stupor oder einen Dämmerzustand, bei wieder einem andern eine maniforme Erregung und wird vielleicht bei der Mehrzahl der Betroffenen überhaupt keine das Gewöhnliche übersteigende Reaktion setzen). Aber auch auf körperliche Noxen reagieren Hirn und Psyche individuell verschieden, zum Teil im Zusammenhang mit der rein charakterlichen Konstitution, zum Teil auf Grund von mannigfachen Über- und Unterempfindlichkeiten, die mit dem Charakter im gewöhnlichen Sinne nichts zu tun haben. Von diesen sind die Überempfindlichkeiten Giften gegenüber besonders gut bekannt. (Z. B. gegenüber Alkohol, Athernarkose, Schlafmittel, Opiate, Weckamine, Meskalin usw.). Eine bedeutungsvolle Rolle in der Gestaltung des psychopathologischen Folgezustandes bestimmter Noxen schafft auch das Lebensalter. (In der frühen Entwicklung bewirkt eine diffuse Hirnschädigung Schwachsinn, im erwachsenen Alter aber das psychoorganische Syndrom; ein und dasselbe sexuelle Erlebnis, z. B. der Anblick eines Exhibitionisten, kann eine ganz verschiedenartige schädigende Bedeutung haben, je nach dem Alter, in dem jemand davon betroffen wird usw.). Die psychischen Folgezustände hängen weiter sehr davon ab, ob eine Noxe rascher oder langsamer einwirkt. Gleichzeitige Einwirkung von verschiedenen Schädigungen auf die Psyche schaffen mannigfache gegenseitige Über-und Unterempfindlichkeiten. (Ein manischer Zustand erhöht die Reaktionsfähigkeit auf zornanregende Erlebnisse, vermindert aber diejenige auf betrübende Erlebnisse. Ein psychoorganisches Syndrom pflegt die Empfindlichkeit auf Nervengifte zu erhöhen usw.).

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 54.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 1949 Springer-Verlag Berlin Heidelberg

About this chapter

Cite this chapter

Bleuler, E. (1949). Die Einteilung der Geisteskrankheiten. In: Lehrbuch der Psychiatrie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-12243-3_4

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-662-12243-3_4

  • Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg

  • Print ISBN: 978-3-662-12244-0

  • Online ISBN: 978-3-662-12243-3

  • eBook Packages: Springer Book Archive

Publish with us

Policies and ethics