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Ursprung und Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung im frühkonstitutionellen Zeitalter

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Zusammenfassung

Kommunale Selbstverwaltung ist eine Erscheinung der politischen Entwicklung Deutschlands seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts. Sie war sowohl Ausdruck des durch Besitz und Bildung selbstbewußter gewordenen Bürgertums gegenüber dem alle Lebensverhältnisse erfassenden Wohlfahrtsstaat, d.h. von dem Wunsch nach Emanzipation von obrigkeitlicher Herrschaft getragen, andererseits aber auch gerade von dieser „Obrigkeit“ gefördert, deren Beamtentum, beeinflußt von den Lehren der Aufklärung und des sich entfaltenden Rechtsstaates, die im gesellschaftlichen Leben gewichtig gewordene Schicht des Bürgertums durch Beteiligung an der Leitung von öffentlichen Geschäften für den Staat gewinnen wollte. Diese Bemühungen — vor allem mit dem Namen des Freiherrn vom Stein und der preußischen Reformen verbunden — unterschieden sich wesentlich von den konstitutionellen Bestrebungen, die vom Geistesgut Montesquieus und der von ihm anhand der kritischen Verhältnisse dargelegten Gewaltengliederungslehre, dem britischen „Modell“ entsprechend, die Beteiligung des Bürgertums am Staat auf eine durch die Mitwirkung an der Gesetzgebung wirkende Kontrolle der staatlichen Tätigkeit beschränken wollte.

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Referenzen

  1. Erich Becker, Gemeindliche Selbstverwaltung, Bd. 1, 1940; passim.

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  2. O. Stobbe, Geschichte der deutschen Rechtsquellen, 1860, S. 481 ff;

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  3. H. G. Ph. Gengler, Deutsche Stadtrechte des Mittelalters, 1852.

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  4. An die rechtsprechenden Befugnisse der Gemeindebewohner erinnerte noch lange die in manchen Gebieten übliche Bezeichnung „Gericht“ für die Gemeindeversammlung (Carl G. Th. Chladenius, Versuch über die Einrichtung einer Dorfordnung, Lpzg. 1791. S. 43 ff.

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  5. Zu den frühesten landesrechtlichen Regelungen kommunaler Verhältnisse gehören die Städteordnungen des Markgrafen Christoph I. von Baden von 1491 und 1507 (Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, Band 4, 1853, S. 291 ff.) sowie die „Polizeiordnung für die kurmärkischen Städte von 1515 des Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg (Mylius, CCM, VI., 2. Nachlese, Spalte 1–5) sowie die „Ordnung der Wahl und Confirmation der Bürgermeister und Ratmannen in den Städten der Neumark“ von 1561 (Mylius, a. a. O., V., 1740, S. 2ff.). Die zuletzt genannte Ordnung enthält vor allem eine Organisationsregelung über die innere Verfassung der neumärkischen Städte und dürfte insoweit die erste ihrer Art sein, weil die vorher genannten Bestimmungen sich im besonderen Maße auf die Aufgaben bezogen, welche die städtischen Organwalter, Bürgermeister und Ratsherren, wahrnehmen mußten.

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  6. Deshalb darf auch die Preußische Städteordnung von 1808 nicht als „deus ex machina“ verstanden werden, der „ohne jede Vorbereitung und Vermittlung nach langer finsterer Nacht auftretend, plötzlich Heil und Segen spendet“, sondern als eine dem Zeitverständnis entsprechende Anpassung der kommunalen Verhältnisse an die sozialen und politischen Gegebenheiten und Anforderungen des sich als die Gesellschaft verstehenden Bürgertums. Stagnierte auch vieler Orts infolge der schweren Schäden des 30jährigen Krieges unter dem Abolutismus das kommunale Leben, so kam doch die kommunale Verfassung hinsichtlich des Grundsatzes einer von Bürgern bestellten Verwaltung der lokalen Gemeinwesen niemals völlig zum Erliegen. Ihrer Erhaltung dienten vielmehr manche landesherrlichen Anordnungen, wie das Reglement Friedrich Wilhelms I., das u. a. gegen die Gefahren von oligarchischen Herrschaftsformen in den Städten gerichtet war. Gustav Schmoller, das Städtewesen unter Friedrich Wilhelm I., in: Deutsches Städtewesen in älterer Zeit, Bonner Staatswissenschaftliche Untersuchungen, Band 5, 1922, S. 231ff.; „Zu Unrecht wird vielfach angenommen, die städtische Selbstverwaltung sei erst durch die Städteordnung von 1808 ins Leben gerufen“ (G. Helfritz: Jahrbuch der Landgemeinden für 1931, S. 65); zu den kontroversen Ansichten eingehend: Franz Steinbach/ Erich Becker, Geschichtliche Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung in Deutschland, 1932, S. 73 ff.).

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  7. Franz Mayer, Allgem. Verwaltungsrecht, 4. Auflg., 1977, S. 62. — Unter den verschiedenen landesherrlichen Regelungen der Verhältnisse von Städten und Dörfern im 17.und 18. Jahrhundert besitzt die herzoglich Württembergische Communeordnung vom l.Juni 1758 nicht nur wegen ihres umfangreichen Inhalts und der detaillierten Regelung von Organisation und Funktionen der Gemeinden besondere Bedeutung, sondern auch, weil hier zum ersten Mal alle Gemeinden „in Stadt und Land“ einheitlich behandelt wurden. Als Verfasser gilt der Publizist Johann Jakob v. Moser, der wie sein Regent Herzog Karl Eugen vom Gedankengut der Aufklärung beeinflußt war. (Die auszugsweise bei Christian Engeli / Wolfgang Haus, Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in Deutschland, 1975, S. 48ff., abgedruckte „Communeordnung“ blieb im wesentlichen bis zum Erlaß des württembergischen Verwaltungsedikts von 1822 in Kraft; 1760 erging für die Markgrafschaft Baden eine ähnliche Anordnung (Gerstlacher’s Sammlung aller Verordnungen, Band 3, S. 1ff.).

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  8. Johann August Schlettwein: Grundfeste der Staaten oder die politische Ökonomie. Gießen, 1779, S. 58.

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  9. Erste legislatorische Erwähnung findet das Wort in Art. 5 der Konstitutions-Ergänzungsakte der freien Stadt Frankfurt am Main von 1816, wo es heißt: „Alle der Stadt zustehenden Hoheits- und Selbstverwaltungsrechte beruhen auf der Gesamtheit ihrer christlichen Bürgschaft“ (Karl Heinrich Ludwig Pölitz: Die Verfassungen des teutschen Staatenbundes seit dem Jahre 1789, 2. Abteilung, 1847, S. 1155).

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  10. „wir, der burgermeister, der rat und die gemeinde von basel“, 1261, Baseler Urkundenbuch I, 297; „so sullen wir unser gemeind bi einander han, wer vber 14 jar ist, vnd dies buntnuss ernüwern“, 1403, eidgenössischer Abschied I, 335; „dieweilen allhier im land kein allgemeine ganze landallmend ist, sondern eine jedere gemeind ihre sonderbare allmend besitzet“, 1688, Schweizer Zeitschrift für Rechtsgeschichte, Bd. 9, 73; bereits im Schwabenspiegel, Landrecht 181: „die raet oder gmeind der stadt oder des landes“, 1352, Urkundenbuch Glarus I, 219. Als Almende „gimeineda“ 1060, (Acta Tir. I, 47) und „gemeinde“ 1187, (Heisterbach Urkundenbuch, 103). Weitere Nachweise in: Deutsches Rechtswörterbuch, 4. Band. unter „Gemeinde“. — Georg Liebe, Die kommunale Bedeutung der Kirchspiele in den deutschen Städten, 1885.

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  11. „Burgenses“ ist eine zuerst in Goslar 1188 nachweisbare Bezeichnung für die Bewohner des Ortes, wobei Sinn und Bedeutung von „burgum“ sich auf eine Ansiedlung zu beziehen scheint, die in unmittelbarer Nähe des befestigten Hauses eines geistlichen und weltlichen Hoheitsträgers lag. Nach einer Umschreibung aus dem Jahre 1230 war Bürger, wer „cum aliis civibus civitatis omne onus collectarum portabet“, der mit seinen Mitbürgern alle Stadtlasten (munia) zu tragen hat. — Welche Ursachen jeweils maßgebend für die Entstehung der Städte waren, ist noch nicht allgemein und eindeutig geklärt. Die deutsche Stadtrechtsgeschichte ist nach wie vor „in vollem Fluß und erfährt stets neue Anregungen“. Das gilt nicht weniger für die Erforschung der dörflichen Gemeinden: Ihrer Stellung gemäß ist sie „einerseits genossenschaftlich organisierte und sich selbstverwaltende Gemein und andererseits ein Untertanenverband unter einer Dorfherrschaft“. Der Einfluß der herrschaftlichen oder der genossenschaftlichen Komponente war örtlich und zeitlich recht unterschiedlich. Karl Kroeschell, Stadtrecht und Stadtrechtsgeschichte, in: Die Stadt des Mittelalters, hrsg. von Carl Haase (2. Band) 1972, S. 281 ff. (382f.); Hans Planitz, Die deutsche Stadtgemeinde, in: a. a. O., S. 55 (zuvor in ZRG, GermA. 64, 1944, S. 1ff.), S. 106f., UB I, Nr. 61; Rudolf Endres, Ländliche Rechtsquellen als sozialgeschichtliche Quellen, in: Deutsche ländliche Rechtsquellen (hrsg. Peter Blickle), 1977, S. 161 ff. (170ff.) mit Darstellung der verschiedenen ländlichen Gemeindeorgane).

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  12. Edith Ennen: Die Stadt zwischen Mittelalter und Gegenwart, in: Die Stadt des Mittelalters (hrsg. von Carl Haase), 1969, 1. Bd., S. 416ff.;

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  13. Karl Siegfried Bader: Staat und Bauerntum im deutschen Mittelalter, in: Adel und Bauern im deutschen Staat des Mittelalters (hrsg. von Theodor Mayer), 1943, S. 109ff. Erich Becker, a. a. O., passim.

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  14. Gerhard Ritter, Stein und die Reformprogramme des Ancien Régime, in H.Z. 137 (1928), S. 442 (448) und 138, S. 24ff., S. 448; Adolf Wahl: Zur Geschichte von Turgots Munizipalitätenentwurf, in: Annalen des Deutschen Reiches. 1903, S. 866ff. — G. C. v. Unruh, Dtsch. Verwaltungsgeschichte, Bd. 2.

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  15. Der heftige Widerspruch, auf den seinerzeit die Ansicht von Max Lehmann: Der Ursprung der Städteordnung von 1808, in: Preußische Jahrbücher, Bd. 93, 1898, S. 471 ff., wegen der Ansicht des Verfassers gestoßen war, die französischen Reformpläne oder sogar die Gesetzgebung der Constituante hätten Stein als „Vorlage“ gedient, dürfte wohl wegen der sehr weitreichenden Annahme von direkten Einflüssen berechtigt gewesen sein, vermag jedoch unübersehbare geistesgeschichtliche Zusammenhänge unter Beachtung der gemeinsamen Zielsetzung nicht in Frage zu stellen.

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  16. Ritter, a. a. O., S. 33. Das bis jetzt aufbereitete Material erlaubt noch keine verbindlichen Aussagen zu dieser Frage. Bei aller Behutsamkeit, die hier geboten ist, dürfte doch angenommen werden können, daß verbindliche Elemente im geistigen Gedankengut stärker waren als Dieter Schwab in seiner Untersuchung über die Selbstverwaltungsidee des Freiherr vom Stein und ihre geistigen Grundlagen, 1971, glaubt annehmen zu dürfen. So scheinen die Unterschiede der Zielrichtung zwischen Dupont und Stein nicht so erheblicher Art gewesen zu sein, wie Schwab, a. a. O., S. 86, meint. Jedenfalls wird man seiner Feststellung zustimmen müssen, daß die politischen Erwägungen der Physiokraten „in Steins geistigen Erfahrungsbereich eingegangen“ seien (a. a. O., S. 89). Dazu auch die Nachweise bei H. Hintze, Staatssicherheit und Foederalismus im alten Frankreich und in der Revolution, 1928, S. 112f., 619ff.

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  17. E. Becker: Das staatspolitische Vermächtnis des Frhr. vom Stein, in: DÖV 1957, S. 740ff.; E. Forsthoff, in: Zeitschrift für Politik, 1931, S. 215). „Über die Idee der Selbstverwaltung“ hat sich „seinerzeit konservatives Denken mit der Demokratie abzufinden begonnen“, wofür ein „typisches Beispiel“ einer von der Demokratie im Sinne Rousseaus fortführenden Entwicklung die Preußische Städteordnung von 1808 bietet. (Franz-Mayer, Selbstverwaltung und demokratischer Staat, in: Demokratie und Verwaltung, 25 Jahre Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, 1972, S. 327 ff. (332); kritisch zum „unhistorischen Verständnis kommunaler Selbstverwaltung“ Klaus Lange, Die Entwicklung des kommunalen Selbstverwaltungsgedankens und seine Bedeutung in der Gegenwart, in: Im Dienst am Recht und Staat (Festschrift für Werner Weber) 1974, S. 851ff..

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  18. Zu diesem Dienstverständnis Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 21. — Die Dezentralisierung als Element der gemeindlichen Selbstverwaltung erkannte auch M. von Lavergne-Pergilhen, Die Landgemeinde in Preußen. 1841, S. 93 ff. an, wobei er die Notwendigkeit, sich aktiv für öffentliche Aufgaben einzusetzen, hervorhebt, denn „sobald jedermann gewohnt ist, die Regierung überall leitend und anordnend in die innersten Verhältnisse des Vereins- und Gemeindelebens eingreifen zu sehen, hört man endlich auf, über das Gemeinwohl nachzudenken“, „Gemeingeist und Vaterlandsliebe sind dauernd nur durch ein reges Gemeindeleben zu erhalten; dies ist der wahre Born der Freiheit... ; wie die Gemeinde ein Abbild des Staatsorganismus ist, so bedarf sie auch analoger Organe und Erhaltungsmittel“. Notwendig ist dabei eine Assoziation der Landgemeinden mit ihrer Kriegsgemeinde“ (S. 105). „Das Element des Gemeindelebens muß zu den höheren Stadien des Staatslebens hinaufreichen“. Ganz i.S. Steins sagt der Autor: „Man wird endlich die Idee aufgeben müssen, das ganze Gebiet der Staatsverwaltung nach den Prinzipien der Geldwirtschaftsform zu gestalten, und der freien Bürgertätigkeit jede Teilnahme an der Wahrnehmung der Staatsinteressen abzuschneiden“.

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  19. Hierzu E. Pankoke, Sozialer Fortschritt und soziale Verwaltung, in: Die Verwaltung, 1969, S. 426ff., 431ff.

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  20. Schreiben des Freiherrn vom Stein an den Grafen Reden vom Juli 1810, in: Freiherr vom Stein: Briefe und amtliche Schriften. Bearbeitet von Erich Botzenhardt, neu herausgegeben von Walter Hubatsch, Bd. 3, Nr. 241; G. C. von Unruh, Die Kreisordnungsentwürfe des Freiherrn vom Stein und seiner Mitarbeiter, 1808/1820, in: Westfälische Forschungen, Bd. 21, 1968, S. 5ff.; auf die Bedeutung der Dezentralisation im Steinschen Konzept wies zuerst Conrad Bornhak, Verfassung, Selbstverwaltung und Sozialreform, in: Preußische Jahrbücher, 65 Bd., 1890, 410ff., 420f. hin. Bornhak hat auch in seiner Darstellung die Notwendigkeit hervorgehoben, die Beteiligung aller Bürger an der Selbstverwaltung zu erweitern, wobei er sich ausdrücklich auf die Erkenntnisse Lorenz von Steins bezieht (S. 431 f.). — Zu Steins politischen Plänen: Immediatbericht, 23. November 1807; Schreiben an Minister v. Schroetter, 27. Juni 1808, Beurteilung des Rhedigerschen Verfassungsentwurfes vom 8. September und 7. November 1808 (a. a. O., Nr. 448, 729, 813, 885).

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  21. Clemens Theodor Perthes, Der Staatsdienst in Preußen, Hamburg 1838, S. 51: Über die preußische Städteordnung, in: Jahrbücher der Geschichte und Staatskunst, 3. Bd., 1828, S. 311; Hermann Roesler, Das soziale Verwaltungsrecht, 1872, S. 251; Laskers Erklärung in: Stenographischer Bericht der Sitzungen des preußischen Abgeordnetenhauses, 10. Legislaturperiode, 2. Session, 1868/69, 28. Sitzung, S. 140f.

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  22. von Rotteck und Welcker, Staatslexikon, Bd. 5, S. 476ff.

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  23. von Aretin — von Rotteck, Staatsrecht der konstitutionellen Monarchie, 1828, 2. Bd., 2. Abteilung, S. 33 f., a. a. O., S. 502.

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  24. Steins Denkschrift „Über die Gemeindeverfassung im Herzogtum Nassau“, in: Botzenhart, Stein, a. a. O., S. 728ff.

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  25. Eine der frühesten literatischen Beschäftigungen mit dem Kommunalwesen stammt von dem Herzoglich Nassauischen Regierungsrat Wilhelm Moritz Pagenstecher, Die deutsche Gemeindeverfassung, Darmstadt 1818, wo es u. a. heißt: „Der Mensch entsagt in dem bürgerlichen Vereine seiner Freiheit insoweit, als diese sich nicht mit der Freiheit aller verträgt. So die Gemeinde im Staat. Ihre Verfassung und Verwaltung muß also der Verfassung und Verwaltung des Staates untergeordnet sein und dieselbe befördern ... Die Gemeinde ist ein Teil von einem Ganzen. Die Verwaltung aller Gemeinden sind in Beziehung auf den Staat ein und dies ist ein Teil der ganzen Staatsverwaltung“ (S. 4f.). Wenn es weiter heißt, daß „die Verfassung und Verwaltung der Gemeinde auf Freiheit gegründet seyn“ müsse, so bleibt doch mißverständlich, wie und wem gegenüber diese Freiheit bestehen soll. Man gewinnt aus der Literatur der ersten Jahre des konstitutionellen Zeitalters den Eindruck, als hätten Idealismus und Überschwang -nach einem Wort Gneisenaus gründete sich die Sicherheit der Krone auf Poesie — die Notwendigkeit überschattet, rational bestimmte Konzepte und konkrete Organisationsmodelle zu entwik-keln. So fanden diejenigen, die Obrigkeit und Untertan durch ein neues Verständnis von Hoheitsträger und Staatsbürger überwinden sollten, keine Unterstüztung. Festhalten am Bestehenden auf der einen Seite, die immerhin für sich in Anspruch nehmen konnte, über Fachkenntnisse zu verfügen und über einen langen Zeitraum beachtliche administrative Leistungen erbracht zu haben, — Trachten nach Unabhängigkeit von einem übermächtigen und übermäßigen Einfluß herrschaftlicher Gewalten auf der anderen Seite, wo die Konsequenzen der Aufklärung sich im politischen und ökonomischen Bereich verfestigt hatten, verhinderten eine konfliktlose Entwicklung der Selbstverwaltung.

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  26. Bayer, HSTA München; Allgem. STA; MF 13217; E. R. Huber, a. a. O., I, S. 362.

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  27. Robert Andreas Riederauer, Über Munizipal- und Gemeindewesen nach historischen Standpunkten, München 1818, S. 14, 16f., 18ff.; R. meint, daß unter diesen Umständen „die Bürger-Communen keinen Staat im Staate bilden“ würden (S. 6) und daß die „Communal-Freiheit“ den Bürger als „Teilnehmer und Mitarbeiter der wichtigsten Volksangelegenheiten führen“ und dadurch „den in Deutschland zu wenig regen Gemeinsinn anfachen“ könnte, „ohne den all unser politisches Treiben nur ein gemütloses Ringen mit ewig toten Formen ist“. — Im Erlernen der „Lokalverwaltungskunde“ durch praktische Tätigkeit sieht R. eine wichtige Voraussetzung für eine Annäherung der politischen Verhältnisse Deutschlands zu den englischen, die er in Anlehnung und unter Bezugnahme an die Schrift des Freiherrn Vincke, eines Freundes des Freiherrn vom Stein, über die „Innere Staatsverwaltung Großbritanniens“, Berlin 1815, für ein erstrebenswertes Ziel hält.

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  28. L(orenz) von S(tein), Die Selbstverwaltung der Gemeinde und Distrikte, in: Deutsche Vierteljahresschrift, 1845, 3. Heft, S. 131 ff.

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  29. Franz Lieber, Über bürgerliche Freiheit und Selbstverwaltung, übersetzt aus dem Englischen von Franz Mittermaier, 1860, S. 24f., 207ff.; Lieber stellt fest, daß das Wort selfgovernment erst im 18. Jahrhundert auf staatliche Verhältnisse angewandt worden sei, während es zuvor die Theologen im sittlichen Sinne als Selbstbeherrschung verwandten. Lieber erwähnt auch (S. 279) die von B. G. Niebuhr, 1815, herausgegebene Darstellung der inneren Verwaltung Großbritanniens von Ludwig Freiherr Vincke, wobei er den Herausgeber einen „Jünger und Bewunderer Steins“ nennt, „der als preußischer Minister den Städten einige Selbstverwaltung durch seine Städteordnung gab, deren Grundsätzen Niebuhr durch Herausgabe von Vinckes Buch erhöhtes Leben geben“ wollte.

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  30. Freiherr von Kreittmayer, Codex Maximilianeus bavaricus civilis, 1751ff., Teil V, Cap. 25, §§2 und 3 und Cap. 28; Karl Helmreich, Die geschichtliche Entwicklung der bayerischen Gemeindeverfassung vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zum Jahre 1818, Diss. jur. Erlangen, 1909, passim.

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  31. Übersicht über die wichtigsten Kommunalgesetze und ihre Fundstellen bei: Christian Engeli und Wolfgang Haus, a. a. O., S. 27ff.

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  32. Königlich-bayerisches Regierungsblatt 1808, S. 2405 und 2789; die Verordnung vom 17. Mai 1818 mit einführendem Text, in: Christian Engeli / Wolfgang Haus, Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in Deutschland, 1975, S. 135 ff.

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  33. Württembergisches Staats- und Regierungsblatt, 1822, S. 131; E.M. Schilling, Lehrbuch des Stadt- und Bürgerrechts der deutschen Bundesstaaten, Leipzig, 1830, 1. Band, S. 91 f.

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  34. An die Grundsätze dieser revidierten Städteordnung knüpften auch die 1856 in den westlichen Provinzen Preußens eingeführten Städteordnungen für Westfalen 1856, Schleswig-Holstein 1869 und Hessen-Nassau 1897 an, um in ihren wesentlichen Zügen bis 1935 gültig zu bleiben. Eine Synopse der Vorschriften der Städteordnung von 1808 mit der revidierten Städteordnung von 1831 erschien ohne Angabe des Herausgebers im Verlag von G. Reimer in Berlin 1831; Hans J. Wolff / Otto Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Auflage, Band 2, 1976, § 751 d, § 80 III a.

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von Unruh, GC. (1981). Ursprung und Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung im frühkonstitutionellen Zeitalter. In: Püttner, G. (eds) Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis. Monographien aus dem Gesamtgebiet der Physiologie der Pflanzen und der Tiere, vol 1. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-11967-9_6

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