Zusammenfassung
In der Zeit vom 1. 6. 1943 bis 31. 12. 1944 wurden 125 Leichen in das Berliner Gerichtsmedizinische Institut mit dem Verdacht einer tödlichen Alkoholvergiftung eingeliefert bzw. im Auftrag des Instituts außerhalb obduziert. In 103 Fällen (97 Männer und 6 Frauen) ergab die morphologische und chemische Untersuchung mit hoher Wahrscheinlichkeit das Vorliegen einer tödlichen Methylalkoholvergiftung. In den meisten Fällen konnte die Vorgeschichte durch Heranziehung und Lenkung der polizeilichen Ermittlungen und durch eigene Befragungen und Untersuchung der Überlebenden in Zusammenarbeit mit den Krankenhäusern weitgehend aufgehellt werden. Es ist aus Raumgründen nicht möglich, auf diese gerichtsmedizinisch sehr lehrreichen Ermittlungsergebnisse im einzelnen einzugehen1. Betroffen wurden Menschen nahezu aller Berufsgruppen. Russische und polnische Arbeiter stellten mit 64 Todesfällen den Hauptanteil. Unter den übrigen 39 Personen waren Wirte, Kellner, Köche, Laboranten vorzugsweise beteiligt, also Leute, die berufsmäßig mit geistigen Getränken oder Alkohol zu tun haben. Daraus ersieht man, daß es auch dem Kenner meist nicht möglich ist, den Unterschied zwischen Äthylalkohol und Methylalkohol (Äthanol und Methanol) wahrzunehmen. Betont sei, daß die überwiegende Mehrzahl der Verunglückten weder gewohnheitsmäßige Trinker noch lebensmüde Personen waren. Die meisten hatten sich den Alkohol verschafft, um die sonst entbehrte Wirkung des „Sorgenbrechers“ bei einem besonderen Anlaß zu genießen und waren ahnungslos an dieses Gift geraten. Das Schrifttum lehrt, daß die Gefahr der Massenvergiftungen durch Methylalkohol in Zeiten von Verknappung des Äthylalkohols besonders groß ist. Dazu kommt, wie schon gesagt, die moderne synthetische Methylalkoholdarstellung ohne warnende Verunreinigungen. Diese Voraussetzungen treffen auch für unser Beobachtungsgut zu.
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Orthner, H. (1950). Eigene Untersuchungen. In: Die Methylalkoholvergiftung. Monographien aus dem Gesamtgebiete der Neurologie und Psychiatrie, vol 74. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-11516-9_3
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