Zusammenfassung
Eines steht fest. Der Mythos des Serienkillers ist made in Hollywood — und Fachleute finden das nicht gerade amüsant. Wo auch immer sie auftauchen, vor welchem Publikum auch immer sie vortragen: die Hälfte der Zeit, die man ihnen eingeräumt hat, oder auch mehr, müssen sie auf den Kampf gegen die Illusionen verwenden, von denen sie inzwischen sehr gut wissen, dass sie auch in den Köpfen der Gebildeten nisten. Fast scheint es, als bestehe ihre Arbeit hauptsächlich aus dem (aussichtslosen) Kampf gegen den Mythos. Hollywood ist stärker. Auch wenn sie neue Methoden erklären und die vertracktesten Fälle aufklären: immer wird man sie an den Maßstäben messen, die der Geniekult um die Film-Profiler gesetzt hat. Und dann fehlt den wirklichen Ermittlern noch diese Mischung aus Jugendlichkeit, Schwächen, Emotionen, Ehrgeiz und Wagemut zur Grenzüberschreitung, wie man sie von Clarice Sterling (Jodie Foster) aus dem „Schweigen der Lämmer“ kennt. Leicht haben es die realen Ermittler in ihrem Beruf sowieso nicht. Aber seit dem „Schweigen der Lämmer“ leiden sie noch zusätzlich unter den Alltags-Mythen, die sich um Taten, Täter und Verfolger ranken. Wo Hannibal das Publikum scharenweise anzieht, gehen sie in den Film nur widerwillig und können von dem Gedanken nicht lassen, mit wie vielen Nachahmungstaten sie es wohl zu tun bekommen werden angesichts der 2, 3 oder 4 Millionen Menschen, die diesen Film sehen und auf jeweils unterschiedliche Art verarbeiten.
Mit besonderem Dank an Michael Fischer für seine Kritik des Manuskripts.
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Scheerer, S. (2002). Mythos und Mythode. In: Musolff, C., Hoffmann, J. (eds) Täterprofile bei Gewaltverbrechen. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-10223-7_3
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