Zusammenfassung
Evolutionäre Spiele wurden erstmals in der biologischen Forschung untersucht.1 Dort bietet dieses Paradigma vor allem einen neuen Ansatz zur Erklärung der Herausbildung spezieller (zumeist genotypisch, aber auch phänotypisch geprägter) Verhaltensweisen in Tierpopulationen durch natürliche Selektion. Motiviert ist dieser Ansatz durch die in vielen Tierpopulationen gemachte Beobachtung, daß selbst „schwer bewaffnete“ Tiere in Revier-und Paarungskämpfen ihre Waffen nur in den seltensten Fällen einsetzen, um einen Rivalen tödlich zu verletzen (siehe z.B. Maynard Smith und Price [1973]). So treten beispielsweise Giftschlangen, die mit einer tödlichen Waffe ausgerüstet sind, in Revierkämpfen höchstens als „Ringer” auf, um einen Rivalen zu vertreiben, ohne ihre tödlichen Giftzähne einzusetzen.2 Die Brunftkämpfe der meisten Wildarten mögen auf den ersten Blick furios aus sehen, seltener3 wird aber ein an diesen Kämpfen beteiligter Hirsch seinem Rivalen einen tödlichen Stoß mit seinem Geweih versetzen, wenn dieser sich im Kampf abwendet. In der älteren biologischen Forschung (z.B. Huxley, Lorenz) wurden diese Phänomene noch durch das Prinzip der Erhaltung der eigenen Art erklärt, das friedliches Verhalten gegenüber Rivalen der eigenen Art postulierte. Von dieser eher metaphysisch anmutenden Erklärung, die einer biologischen Spezies eine das Individuum transzendierende Rationalität zumaß, ist man in den letzten Jahren abgerückt. Die Evolution von Spezies ist plausibler auf der individuellen Ebene4 zu erklären.
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Literatur
Einen guten Überblick über die biologisch motivierten spieltheoretischen Arbeiten auf diesem Gebiet bietet der Übersichtsartikel von Hines [1987].
Generell hat sich diese Tötungshemmung nur in Arten mit gefährlichen Waffen entwickelt, während sie bei relativ unbewaffneten Arten (wie der fälschlicherweise oft als friedfertig eingestuften Taube) fehlt.
Ausnahmen sind z.B. arktische Eisbären, bei denen Verletzungen in Revier-und Paarungskämpfen oft zu finalen Verletzungen führen.
In der traditionellen Evolutionsbiologie ist das die Ebene der Gene, die das phänotypische Verhalten determinieren, während bei kultureller Evolution unmittelbar die phänotypischen Verhaltensweisen betrachtet werden.
Als grundlegende Einführung in den gesamten Problemkreis kann hier auf das Buch von Maynard Smith [1982] verwiesen werden. Dort findet man auch einen guten Überblick über die ältere Literatur in diesem Gebiet.
Der Begriff „Falke“ (Hawk) und „Taube” (Dove) bezieht sich hier nicht auf die Spezies „Tauben“ und „Falken”, sondern auf Verhaltensweisen von Tieren einer Spezies.
Dabei wird implizit angenommen, daß alle Nachkommen eines Individuums dessen Strategie beibehalten. Sie wird vererbt.
Wir bezeichnen mit p die Wahrscheinlichkeit, mit der die H-Strategie gespielt wird.
Gemäß a) ist x* symmetrisches Gleichgewicht des Evolutionsspiels. Was hier zum Ausdruck kommt, ist daher nur, daß alle gemischten Strategien beste Antworten gegen x* sind, falls x* vollständig gemischt ist.
Da beide Strategien, x* und x’,gleich gut gegen x* abschneiden, impliziert dies, daß in jeder echt polymorphen Population, die nur aus x*- und x’-Typen besteht, x* erfolgreicher als x’ ist.
Denn es gilt El = E2 =: E,und H2 (a’,a) = Hi (a, a’) =: H(a, a’) für a, a’ e E.
Zur Erinnerung: Die Menge der gemischten Strategien LI wird durch die Menge der Wahrscheinlichkeitsverteilungen über E beschrieben, d.h.
Davon unterscheiden muß man eine stärkere Version der ESS, in der gefordert wird, daß ein ro unabhängig von y existiert derart, daß Ungleichung 5.1 für alle r ro erfüllt ist. Vickers und Cannings [1987] haben gezeigt, daß beide Konzepte für einen großen Bereich von Spielen äquivalent sind.
Umgekehrt kann man argumentieren, daß hier eine bestimmte Verhaltensweise in einer evolutorisch unkontrollierten Weise variieren kann, was zu beliebiger Vielfalt führen kann. Ein Beispiel hierfür aus der Biologie ist der sogenannte
Man bestimmt x* aus der Gleichung gemäß der die erwartete Auszahlung für beide Strategien identisch ist.
Während man in der Refinement-Literatur stärkere Anforderungen als nur die Gleichgewichtigkeit fordert (eine Ausnahme hiervon sind die korrelierten Gleichgewichte, vgl. Aumann [1987], die von der Existenz mehr oder minder gemein-sam beobachtbarer Zufallszüge ausgehen), muß man hier die Anforderungen abschwächen, vgl. z.B. Maynard Smith [1982], der einfach nur die strikte Ungleichung in Erfordernis b) in Definition 5.2.1 durch eine schwache Ungleichung ersetzt (neutral evolutionär stabile Strategie/NESS) oder Selten [1983], der die ESS durch beliebige lokale, aber kleine Perturbationen garantieren läßt (limit ESS/LESS).
Wie wir soeben gesehen haben, kann diese Menge für einige Spiele sogar leer sein.
Die generische Endlichkeit der Gleichgewichte folgt aus ihrer Eigenschaft als Fixpunkt, deren Anzahl generisch ungerade ist (vgl. zum Beispiel Harsanyi [1973b]).
Allgemein definiert man: Ein Punkt x E JR’ heißt isoliert in einer Menge M,wenn x E M und wenn eine Umgebung U x existiert mit (UU {x}) n M = 0, d.h. wenn man eine geeignet gewählte Umgebung von x finden kann, in der kein Punkt von M liegt.
Man setze in die Ungleichung (5.3) nur y = x* ein.
Die Beschränkung des Konzeptes auf 2-Personen Spiele geht auf die Annahme des paarweisen Zusammentreffens der Spieler in der Population zurück. Das ESSKonzept kann auf n—Personenspiele ausgedehnt werden.
Im Gegensatz zur Annahme der monomorphen Population,die in den vorhergehenden Abschnitten gültig war.
Einen sehr guten Einblick in diese Problematik bietet das Buch von Bomze und Pöscher [1989].
Natürlich läßt sich hier die Argumentationsweise der Evolutionsbiologie anwenden, die den Spielerfolg positiv mit der Anzahl an Nachkommen verknüpft, eine Interpretation, die sich auch auf Prozesse kultureller Evolution übertragen läßt.
Detailliertere Ausführungen zu den hier verwendeten formalen Konzepten aus der Theorie Dynamischer Systeme ist in Anhang I zu finden.
Es sei X eine reelle Zufallsvariable mit den realisierten Werten xk/xk. Da {xk} k eine Wahrscheinlichkeitsverteilung ist, nimmt die Jensen’sche Ungleichung (siehe Satz G.1) hier die folgende Form an
Es gibt insgesamt vier Möglichkeiten, von denen zwei durch den Fall dominanter Strategien erfaßt wird.
Asymmetrische Interaktionen können natürlich auch aus einem Zusammentreffen von Individuen verschiedener Arten resultieren, die z.B. die Rollen von Jäger und Gejagtem annehmen können. Hier wäre dann eine getrennte Population für jede Spielerrolle vorauszusehen, z.B. im Sinne eines Artenwettbewerbs.
Ist das Revier z.B. ein Harem, so sind deren Kinder typischerweise Nachkommen des Revierbesitzers. Für diesen ist der Harem daher wertvoller als für den Eindringling, der (wie bei vielen Arten, z.B. Gorillas und Löwen üblich) die fremden Nachkommen töten müßte, um eigene zu zeugen, statt fremde Nachkommen aufzuziehen.
Die hier verwendeten, wahrscheinlichkeitstheoretischen Konzepte sind in Anhang G erklärt.
Mit der Verwendung von Auszahlungserwartungen als Maß für reproduktiven Erfolg unterstellen wir wieder implizit eine unendliche Population mit zufällig gebildeten Spielerpaaren, so daß die Varianz der Auszahlungen Null ist. Sonst müßte ein stochastischer Prozeß analysiert werden.
Diese Annahme wird in der Literatur truly asymmetric contest genannt, da sie ausschließt, daß sich zwei Spieler in der gleichen Rolle begegnen.
Wir beziehen uns in diesem Abschnitt auf eine Arbeit von Miller und Andreoni [1991], siehe dazu auch den Überblicksartikel von Ledyard [1995] über Kollektivgut-Spiele.
In den meisten Fällen wurde angenommen, daß die Probanden in jeder Runde den Durchschnittsbeitrag in der Population kennen. Die Anzahl der Runden variierte in den einzelnen Experimenten, es wurde aber i.d.R. wenigstens 15 Runden gespielt.
Einen Überblick über die experimentellen Resultate für Kollektivgutspiele bis einschließlich 1997 vermittelt Ehrhart [1997].
Man könnte natürlich n und a derart anpassen, daß na konstant ist. Ohne eine derartige gemeinsame Anpassung von n und a wird der Effizienzaspekt durch alleinige Erhöhung von a stärker in den Vordergrund gestellt.
Wir beschränken uns hier auf die Darstellung der Ergebnisse von Van Huyck, Battalio und Beil [1990].
Das heißt f (a l ,…, a te ) = a min{61,…, Un} für a 0.
Strenggenommen basierte diese Debatte auf theoretischen Überlegungen zum Gleichgewichtsauswahlproblem, die die Entwicklung der ökonomischen Aktivitäten zum schlechtesten Gleichgewicht als theoretische Möglichkeit zulassen. Die Koordinationsexperimente wurden historisch erst nach dem Beginn der Debatte durchgeführt. Als experimentelle Lösung des Gleichgewichtsauswahlproblem haben sie der Debatte eine neue Facette hinzugefügt.
Diese spezielle Annahme wird in der evolutorischen Spieltheorie auch als playing the field bezeichnet.
Die folgenden Ausführungen basieren auf einer Arbeit von Dufwenberg und Güth [1999].
Die Analyse orientiert sich an einer Arbeit von Güth und Peleg [1997].
Die Auszahlungsfunktionen Hi(•) sind Funktionen mit Hi: Z2 x 1R2
Wie im obigen Beispiel unterscheiden wir wieder zwischen reproduktivem Erfolg Ri(.),der nicht direkt von ßi abhängig ist, sondern nur via 4(f31, ß2), und subjektivem Ziel Hi(•), in das ßi direkt eingeht.
Zu indirekter Evolution, wenn die eigenen Ziele private Information, aber signalisierbar sind, vgl. Güth und Kliemt [1994], [2000].
Zum Teil wird hierbei natürlich gefordert (vgl. Kandori et at [1993]), daß jedes Mitglied der Population unabhängig mutieren kann, d.h. es wird nicht ausgeschlossen, daß (wenn auch mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit) die gesamte Population mutiert. Zumindest für biologische Evolutionsprozesse erscheint dies unplausibel, für kulturelle Evolution ließen sich eher (experimentelle) Anhaltspunkte finden.
Um im Einklang mit den allgemeineren Bezeichnungen dieses Abschnitts zu blei- ben, wird X (bzw. Y) auch als „Strategie 1“ (bzw. „Strategie 2”) bezeichnet.
Von jeder Strategie aus kann jeder Spieler zu jeder anderen Strategie mutieren (keine Adaption zu „nahen” Strategien) und damit die Population von jedem z t E Z zu jedem anderen Zustand zt+1 E Z. So ist z.B. für m = 2 ein Wechsel von zt = (n, 0) zu zt+1 = (0, n) nicht ausgeschlossen. Diese Annahmen sind allenfalls für kulturell evolutorische Prozesse vertretbar.
Eine präzisere Darstellung der Begriffe findet man in Anhang H.3.
In symmetrischen Koordinationsspielen der in Satz 5.13 unterstellten Form stimmt natürlich Risikodominanz mit Pareto-Dominanz überein. Welches Prinzip wirklich für die Auswahl des Gewinners im evolutorischen Wettbewerb verantwortlich ist, ließe sich nur durch Aussagen über Klassen von Spielen entscheiden, in denen beide Prinzipien auch verschiedene Vorhersagen implizieren können.
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Berninghaus, S.K., Ehrhart, KM., Güth, W. (2002). Evolutionäre Spieltheorie. In: Strategische Spiele. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-10089-9_5
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