Zusammenfassung
Wir haben uns im bisherigen vor allem mit der Frage des Eingreifens einzelner Sanktionsnormen befaßt und diese dabei eher isoliert betrachtet. Eine solche isolierte Betrachtungsweise ist nicht selten ausreichend, um dem verwirklichten Straftatunrecht gerecht zu werden: Wenn in einem bestimmten Einzelfall überhaupt nur eine einzige Sanktionsnorm ein einziges Mal einschlägig ist, stellen sich keine Konkurrenzprobleme. Fragen des Verhältnisses verschiedener Sanktionsnormen zueinander stellen sich erst, wenn in einem bestimmten Fall zumindest formal-begrifflich mehrere Sanktionsnormen einschlägig sind. Freilich kann material gesehen dennoch nur eine einzige Straftat vorliegen. Man spricht dann verbreitet von „scheinbarer“ oder „unechter” Konkurrenz oder auch von „Gesetzeskonkurrenz“.1
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Literatur
Vgl. zu diesen Begriffen etwa Kühl, AT Z, § 21 Rn 5; Otto,AT5, § 23 Rn 32.
Der Begriff der „unechten“ (oder „scheinbaren”) Konkurrenz ist also genauso irreführend wie der der „unechten“ Unterlassungsdelikte, bei denen auch nicht „unecht”, sondern durchaus „echt“ (i. S. v. tatsächlich) unterlassen wird; s. dazu näher oben § 6 Rn 12. - Und der Begriff der „Gesetzeskonkurrenz” hilft nicht weiter, weil in den hier interessierenden Fällen mehrere Strafgesetze immer miteinander konkurrieren. Er taugt damit nicht als Differenzierungskriterium.
Mit Recht krit. insofern etwa auch Puppe,in: NK, § 52 Rn 17, 34 ff. - Zur verfehlten Orientierung an vorrechtlichen Gegebenheiten s. bereits oben § 1 Rn 60 im Kontext des strafrechtlichen Handlungsbegriffs.
Bis zum Inkrafttreten des 6. StrRG am 1. April 1998: § 230.
Näher zu solchen Fällen sogleich unten (§ 11) Rn 30.
Vgl. dazu etwa BGHSt 1, 168, 170 f.; 4, 219, 220 f.
Zur Unbrauchbarkeit eines vorrechtlichen Handlungsbegriffs im (Straf-)Recht s. bereits oben § 1 Rn 60.
Näher dazu oben § 1 Rn 26 ff.
Dem Handlungsbegriff des Gesetzes fehlt das „normative Rückgrat“, das im Grunde wiederum erst durch die Straftatlehre Kontur erhält — etwa in Gestalt der Einbeziehung tatbestandsmäßiger (!) Unterlassungsverhaltensweisen in den recht farblosen „Handlungsbegriff” des Gesetzes.
Vgl. dazu unten (§ 11) Rn 50.
Weder Ideal-noch Realkonkurrenz zwischen verschiedenen gleichartigen oder ungleichartigen Straftaten liegt vor, wenn zwar formal-begrifflich die Voraussetzungen mehrerer Sanktionsnormen erfüllt sind, aber sachlich ein Vorrang der einen im Verhältnis zur anderen anzunehmen ist. In derartigen Fällen sogenannter unechter Konkurrenz wird die zurücktretende Strafnorm verdrängt und kommt im Urteilsspruch (Schuldspruch) nicht mehr zum Ansatz. Auch bei formal-begrifflich konstruierbarer mehrfacher Erfüllung derselben Strafnorm kann sachlich eine einzige Straftat vorliegen. - S. dazu sogleich unten (§ 11) Rn 20 ff.
Bis zum Inkrafttreten des 6. StrRG am 1. April: 5 223a.
Näher zu solchen Fragen der „Konkurrenz“ verschiedener Vorschriften Engisch,Einführung in das juristische Denken8, S. 162 ff.
Bis zum Inkrafttreten des 6. StrRG am 1. April: § 226.
BGHSt 8, 54; Lackner/Kühl 22,§ 226 Rn 5.
Eser,in: Schönke/Schröder25, vor § 211 Rn 7; Lackner/Küh1 22, § 216 Rn 1.
Zur Verdrängung regelmäßiger Begleittaten auch bei verschiedenen Handlungen oder Unterlassungen s. noch unten (§ 11) Rn 42 ff.
Vgl. statt vieler Eser,in: Schönke/Schröder25, § 241 Rn 16; Lackner/Küh1 22, § 241 Rn 4.
BGHSt 14, 386, 388; Puppe,in: NK, vor § 52 Rn 13; Samson,in: SK StGB, 27. Lfg. Juli 1990, § 2486 Rn 18.
Vgl. dazu etwa Eser,in: Schönke/Schröder25, § 113 Rn 3, 43, 45; Wessels,BT 121, Rn 618, jew. m. w. N.
Vgl. etwa RGSt 70, 243, 244 (erklärt sich „aus den Bedürfnissen des Lebens“); BGHSt 5, 136, 138.
Vgl. etwa BGHSt 26, 4, 7 ff.
S. dazu etwa Stree,in: Schönke/Schröder25, vor § 52 Rn 52.
BGHSt 40, 138 ff.; instruktiv dazu Samson/Günther,in: SK StGB, 24. Lfg. März 1995, vor § 52 Rn 55 ff. m. w. N.
Tröndle 48,vor § 52 Rn 49. — Dieser Gedanke der mitbestraften Vortat dürfte auch nach Einführung der formellen Subsidiaritätsklausel durch das 6. StrRG nicht entbehrlich sein.
Tröndle 48, § 242 Rn 26; Stree,in:Schönke/Schröder25, vor § 52 Rn 114.
S. dazu Freund,Urkundenstraftaten, Rn 230.
Zur „Konsumtion“ und zur „Subsidiarität” näher etwa Wessels,AT27, Rn 790 f., 793 ff.
Im Sinne eines Tatbestandsauschlusses etwa BGHSt 14, 38, 43 ff.; anders — nämlich für eine Lösung auf Konkurrenzebene — dagegen z. B. Wessels,BT 22°, Rn 296 ff. m. w. N. — An diesem Problem dürfte sich auch nach der Einführung der formellen Subsidiarität bei § 246 durch das 6. StrRG nichts ändern.
Insoweit handelt es sich um ein Problem des Besonderen Teils, das hier nicht weiter diskutiert werden kann.
Zur Unterscheidung des Unrechts der unterlassenen Hilfeleistung (als eines nichtbegehungsgleichen Unterlassungsdelikts) von dem weitergehenden Unrecht begehungsgleichen Unterlassens näher oben § 6.
Eser,in:Schönke/Schröder25, § 243 Rn 59; s. a. Lackner 22,§ 46 Rn 19; Tröndle 48,§ 243 Rn 45.
S. dazu oben (§ 11) Rn 27 ff.
Eine solche abschließende privilegierende Spezialvorschrift wird - allerdings mit äußerst zweifelhafter Argumentation - vor allem von der Rechtsprechung beim Tatbestand der Rechtsbeugung (5 336) im Verhältnis zu sonst eingreifenden Strafvorschriften angenommen. Betroffen ist insbesondere die danach ausgeschlossene Strafbarkeit wegen Freiheitsberaubung; solange es die Todesstrafe gab, ging es auch um Mord (§ 211), Totschlag (§ 212) und Fahrlässige Tötung (§ 222); vgl. dazu etwa BGHSt 10, 294 ff.; Lackner/Küh1 22, § 336 Rn 11 m. w. N.
Vgl. etwa BGHSt 20, 235, 238.
Vgl. etwa BGHSt 19, 188, 189 f.
Tröndle 48, § 52 Rn 2 ff.; Lackner 22, § 52 Rn 8 ff.
Vgl. etwa BGHSt 26, 24, 27 f. (weitere Straftatbestandserfiillung sogar erst in der Phase der materiellen Beendigung eines formell vollendeten Raubes); Wessels,ATZ’, Rn 777 m. w. N.
I. d. S. wohl auch BGHSt 18, 29, 32 f.
Weiter Fälle zum Nachdenken: Jemand feuert gleichzeitig zwei Pistolen auf zwei Menschen ab, oder er löst zugleich mit der Schußabgabe auf einen Menschen einen Fernzünder für eine Bombe aus, die mehrere Menschen tötet.
Lackner 22,§ 53 Rn 3 ff.; Stree,in: Schönke/Schröder25, § 54 Rn 2 ff.
Bis zum Inkrafttreten des 6. StrRG am 1. April 1998: § 223a.
Zu den hier nicht näher zu diskutierenden Möglichkeiten näher Puppe,in: NK, § 52 Rn 2 ff. m. w. N.
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Freund, G. (1998). Straftateinheit und Mehrheit von Straftaten (Straftatenkonkurrenz). In: Strafrecht Allgemeiner Teil. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-10076-9_11
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