Neuropsychologie der Angststörungen

Zusammenfassung

Eine 42-jährige Bürokauffrau, derzeit mit ihren beiden Kindern getrennt vom Ehemann lebend, begab sich zu einer sechswöchigen Behandlung in eine psychiatrische Klinik. Die Aufnahmediagnose war »generalisierte Angststörung«. Im Vordergrund ihrer seit etwa vier Jahren bestehenden Beschwerden standen neben somatischen Symptomen (Hitzewallungen, starkes Schwitzen, schneller Puls und Durchfälle) anhaltende Ängste und exzessives Grübeln. Nach eigenen Angaben betreffen die Sorgen sowohl familiäre als auch beruflich-finanzielle Angelegenheiten. So denke sie z.B. stundenlang an den nächsten Anwaltstermin im Kontext der laufenden Scheidung oder sie beschäftige sich abends im Bett schon damit, am nächsten Tag den Briefkasten zu öffnen und evtl. Post vom Anwalt ihres Ehemannes zu erhalten. Es hätten sich zunehmend auch Schlafstörungen entwickelt. Im Zuge des Gedankenkreisens fühle sie sich dann nicht mehr in der Lage, sich auf andere Dinge zu konzentrieren. Sie mache sich in diesem Kontext zunehmend Gedanken um ihre Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz und damit um ihre weitere berufliche Existenz. Zur genaueren diagnostischen Einschätzung der von der Patientin äußerst besorgt wahrgenommenen Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen wurde eine neuropsychologische Testung (selektive und geteilte Aufmerksamkeit, Daueraufmerksamkeit und Gedächtnisfunktionen) durchgeführt. Die Ergebnisse waren weitgehend normgerecht und wiesen nicht auf eine spezifische Beeinträchtigung kognitiver Funktionen und entsprechender neuronaler Systeme hin. Trotzdem wurde die Patientin mit ihren geschilderten Beschwerden natürlich weiterhin ernst genommen. Es konnten jetzt mit ihr Hypothesen bzgl. der wahrgenommenen kognitiven Leistungsdefizite entwickelt und in die behavioral-kognitive Therapie der generalisierten Angststörung integriert werden.